317
hutsam in die alle bewegende Frage kleidete: »Wie soll ich damit gegen Kairo ziehen?«
Hulagus Bescheid fiel noch knapper aus: »Damaskus! Und danach ist erst mal Schluss!«
Sein eigenes Weib fiel ihm in den Rücken. »Und was, bitte, geschieht mit dem Königlichen Paar?« Die Dokuz-Khatun nahm aber auch den Oberkommandierenden in die Pflicht: »Ist Roc endlich gefunden?!«
»Wir haben die Prinzessin Yeza«, Kitbogha vermied es, zum Thronpodest aufzuschauen, er wollte sich nicht länger von der Frau in seine Strategie hineinreden lassen, »die wir mit uns nach Damaskus führen werden!«
Er achtete nicht auf die Unmutsfalte auf der Stirn Yezas, zumal der Il-Khan trocken nachlegte: »Und inthronisieren sie erst mal allein!« Die Unmutsgebärde der jungen Frau an seiner Seite verleitete ihn zum seltenen Lächeln. »Hat die Prinzessin Uns doch hinreichend bewiesen, dass sie durchaus ihren Mann zu stehen vermag!« Nach diesem Schlenker wurde Hulagu sofort wieder ernst. »Eine Demonstration Unseres Anspruchs auf den >Rest der Welt<!«
»Dafür scheint mir Damaskus, mit Verlaub, zu tief gegriffen!« Hethum war der Einzige, der sich mit offener Kritik hervorwagte. »Jerusalem sollte es bitte schon sein!«
Dass der König von Armenien sich solche kühnen Worte erlaubte, verdross den General Sundchak. »Das hieße aber«, machte er sich gleich lieb Kind bei Hulagu, »Weiterführung des Eroberungskrieges - genau das, was der Il-Khan gerade ausdrücklich abgelehnt hatte!«
Ehe Kitbogha seinem Untergebenen wegen dieser Einmischung übers Maul fahren konnte, griff Hulagu den Einwurf geschmeichelt auf. »Jetzt nicht!«, beschied er den vorgepreschten Sundchak. »Wenn wir die Armee wieder zur jetzigen Stärke aufgefüllt haben, wofür ich als Großkhan schnellstens Sorge tragen werde, marschieren wir bis Kairo und Alexandria und werden diesen Mamelucken unseren Willen, den Willen des Siegers aufzwingen!«
»Sehr richtig!«, lenkte Kitbogha ein. »Nichts wäre dem Ansehen des mongolischen Heeres abträglicher als ein Steckenbleiben
318
des Vormarsches.« Er wandte sich mit Bedacht an Hethum. »Jedes Zaudern, und sei es bedingt durch eine rein taktische Verzögerung, wird von unseren Feinden als Erfolglosigkeit ausgeschlachtet, stärkt ihre Reihen - «
Doch der König der Armenier ließ sich nicht von seiner Vorgefassten Meinung abbringen. »Wer würde es verstehen, wenn wir nach der Einnahme von Damaskus nicht weiter vorrückten? Keiner, nicht einmal die christlichen Barone und Ritterorden des Königreiches sähen darin einen Sinn!«
Kitbogha suchte - mit vorgespielter Ruhe - dieser Kriegshetze einen Riegel vorzuschieben. »Das Königliche Paar!«, rief er, allerdings nun sichtbar erregt, und es war auch kein sehr sachliches Argument. »Die Installation von R05 und Yeza als Friedenskönige macht diesen Sinn!« Der alte Haudegen war von seiner Sicht der Dinge überzeugt. »Wir werden in Syrien viel, genug zu tun haben, um ihre Friedensherrschaft im Sinne der pax Mongolica zu festigen - «
Sein eigener General war es, der ihm in die Ferse biss. »Als Feigheit wird es uns ausgelegt werden«, schnaubte Sundchak, »als Schwäche!«
»Wir werden jeden Angreifer eines Besseren belehren!«, blaffte der Alte zurück.
Hulagu wischte alle Diskussionen beiseite. »Es bleibt dabei: Damaskus und Inthronisierung des Königlichen Paares! Herr Yves wird für dessen Vereinigung sorgen, er erhält von Euch, Kitbogha, dazu alle nötigen Vollmachten und Mittel!«
»Ich bitte Euch, Herr Yves«, ließ sich jetzt auch die Dokuz-Khatun mit ihrer weinerlichen Stimme vernehmen.
»Sorgt dafür, dass die Kinder endlich zur Vernunft kommen!«
Yeza wollte empört aufspringen, fühlte aber die starke Hand des Bretonen auf ihrer Schulter, die sie niederdrückte in ihren Sitz.
Der Armenier hatte die Szene beobachtet. »Schade«, wandte er sich grinsend an den Il-Khan, »dass ich keinen Sohn habe! Da wäre das Problem schon erledigt.«
»Wäre der wie Ihr«, diesmal hielt Yeza nicht an sich, »hätte ich ihm längst die Kehle durchgeschnitten!«
Alle lachten, und die Versammlung löste sich auf.
319
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Als der Abend über Damaskus hereinbrach, begab ich mich durch die festliche Menge zur Tribüne, unweit des Thronpodests, wo es mir durch Vermittlung des Baouab gelang, der völlig überfordert und erschöpft jetzt auch noch den Zeremonienmeister gab, einen guten Platz zu ergattern. Der Trencavel und seine Freunde - zu denen ich offensichtlich nicht mehr zählte, jedenfalls hatte mich keiner aufgefordert, ihn zu begleiten - hatten sich hinaus aus der Stadt begeben. Wir warteten alle auf den Einbruch der Dunkelheit. Nach dem Ruf des Muezzins zum salat al maghreb, dem Abendgebet, und nachdem sich alle freudig gen Mekka verneigt hatten, fiel die Dämmerung rasch, und die Spannung wuchs. Dann hörte man vereinzelte Hochrufe von der Decumana
aufbrausen, die ersten Feuerwerkskörper zischten voreilig in den samtblauen Abendhimmel. Der Jubel schwoll an, brandete wild auf, als vorweg die Armenier, dann die Ritter aus Antioch im scharfen Trab zwischen den Gittern in den Festplatz einbogen. Ihnen folgte - umgeben von seinen vier Okzitaniern, denn Berenice, wie stets als Ritter verkleidet, gehörte dazu - schließlich der Held des Tages, »König Roc Trencavel«!
»El Malik! El Malik!«, schrie das Volk hinter den Sperrgittern.
Doch genau dann, erst nur undeutlich erkennbar im nun prasselnd einsetzenden Feuerwerk, ertönten laute Entsetzensschreie, die wie eine Springflut auf den Großen Platz schwappten: Der Elefant tobte trompetend und sich schüttelnd, mit fauchenden Raketen bestückt hinter den Vorausziehenden her. Selbst an seinem Schwanz hatte man dem Tier eine brennende Fackel befestigt. Die Okzitanier sprangen von ihren Pferden und schwangen sich über die Holzbrüstung, um sich vor den wütend schwingenden Stoßzähnen zu retten. Roc stürzte aus seinem Sattel, blieb im Steigbügel hängen, sein Pferd konnte nicht durchgehen, weil die Gäule der Okzitanier ihm den Weg versperrten, kein Mensch konnte den am Boden liegenden Trencavel jetzt noch vor den wie riesige Baumstrünke vorwärts stampfenden Füßen des ver-320
ängstigten Tieres retten, da warf sich Berenice dem tobenden Koloss entgegen. Sein Rüssel packte sie, hob ihren schlanken Leib empor, der Helm fiel ihr vom Haupt, das wallende Haar für einen kurzen Augenblick freigebend, bevor er sie zu Boden schmetterte. Nur das Knattern der Raketen ersparte unseren Ohren das grässliche Knacken der Rüstung unter dem Fuß des Elefanten. Der auftosende Schrei des Entsetzens überdeckte die Ohnmacht derer, die es aus nächster Nähe mit ansehen mussten. Ich hatte mich abgewendet...
DIE MONGOLEN LAGERTEN immer noch bei Baalbek. Spione in das nunmehr feststehende Ziel Damaskus
zu entsenden, um sich ein Bild von der Lage in der Stadt und von der Stimmung der Bevölkerung zu machen, hielt die Heeresführung für nicht erforderlich. Hulagu befahl dem General Sundchak, das Heer im von ihm vorgegebenen Verhältnis zu teilen und den Aufbruch vorzubereiten. Der nutzte gleich seine Befehlsgewalt, dem Unterführer Khazar das lästige Durchzählen der Ochsenkarren und Jurten aufzuhalsen. Der
Oberkommandierende ließ ihn gewähren. Während Sundchak befriedigt hinausstapfte, beauftragte Kitbogha den Mann seines Vertrauens, den Hauptmann Dungai, dafür zu sorgen, dass alle Kriegsmaschinen, insbesondere die Waffenlager von Pfeilen und Speeren, nicht von den Abziehenden mitgenommen würden, sondern dem
verbleibenden Heer erhalten blieben.
Dungai hatte sogleich verstanden. »Dazu gehören in erster Linie die schnellsten und kräftigsten Pferde!«, fügte er hinzu. »Unser Drittel muss eine Auslese der Besten sein!«
»Das gilt vor allem für die Reiter!«, setzte der alte Kämpe schmunzelnd hinzu und verabschiedete seinen Hauptmann mit einem Schlag auf die Schulter.
Beim Verlassen des herrscherlichen Zeltes versuchte Bohemund seine langjährige Freundin Yeza aufzuheitern.
»Könnte ich dich doch gegen meine Frau Sybille eintauschen!«, beklagte er mehr
321
sein Los als Schwiegersohn Hethums, als dass er je mit einem solchen Gedanken gespielt hätte.
Yeza strahlte den Spielgefährten ihrer Jugend aus grüngrauen Augen an. »Die Tochter des Armeniers gestaltet dir das Leben vielleicht etwas schwierig, lieber Bo, - die Tochter des Gral würde es dir unlebbar machen!«
Der junge Baitschu trottete neben dem missmutigen Khazar, der sich jetzt der Aufgabe der Viehzählung unterziehen musste. »Die schönste Jurte, Khazar«, schlug er seinem Vetter vor, »stellst du beiseite, die soll für Yeza sein!« Khazar nickte einverständig. »Wir sollten der Prinzessin eine Freude machen und Roc finden!«
»Die aus Antioch sagen, er sei gen Damaskus gezogen«, offenbarte Khazar den spärlichen Wissensstand der Mongolen. »Unsere Kundschafter aus Damaskus hingegen berichten, er sei nach Antioch geritten - «
Baitschu ließ sich von dieser unbefriedigenden Bestandsaufnahme nicht beirren. »Wir beide, Khazar, wir werden den edlen Trencavel jagen wie einen Hirschen, und wir werden ihn aufstöbern, gleich in welchem Unterholz er sich versteckt!«
Khazar betrachtete den Jüngeren wenig überzeugt. Sie trennten sich.
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Das Entsetzen war einer tiefen Betroffenheit gewichen, allerdings überwog der Schmerz über den schrecklichen Opfertod der Berenice nicht lange die bohrende Frage, wer hinter dem Attentat stehen mochte. Dass es dem Trencavel gegolten hatte, darüber waren sich die Okzitanier schnell einig, doch es blieb mir vorbehalten, den Namen Alis auszusprechen. Für Roc und seine Freunde war der Sultanssohn aus Kairo längst derart zur Unperson geworden, dass sie ihn nicht einmal für eine derartige Untat wie den mörderischen Einsatz des Elefanten in Erwägung zogen, ja nicht einmal