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Entstehung der Welt und ihren Schicksalsweg, zumindest aber als unsichtbares Band alle diejenigen vereinte, die sich vom Blute des Christos herleiten durften, dieser besondere Adel des Abendlandes. Diese Familienbande bestimmten auch, wer als >Großmeister< jeweils die Geschichte der okkulten Vereinigung lenkte, gleich ob Mann oder Frau. Womöglich verbarg sich hinter der Grande Maitresse gar die oberste Priesterin des Gral? Ich bildete mir nicht ein, dass sie mir ihre eigene Sänfte geschickt hatte, aber ich erinnerte mich inzwischen genau, dass auch die alte Dame stets nur in einem solchen sinistren Gehäuse aufzutreten pflegte. Von Angesicht zu Angesicht hatte ich sie nie gesehen, noch sehnte ich mich danach, wahrscheinlich stand darauf der Tod!
Unmittelbar nach der Ankunft wurde ich unverzüglich in eine Zelle gesperrt, auch dies ging jedes Mal so reibungslos vor sich, dass ich mit niemandem außer mit meinen schweigenden Kerkermeistern in Berührung kam. So war ich immer allein, und das brachte mich zwangsläufig dazu, doch mehr und mehr über mich und meine Aufgabe nachzudenken, der ich mich wohl nicht entziehen konnte. Allem Anschein nach hatte meine Chronik, an der ich mehr zu meiner Unterhaltung, sicher auch zur Befriedigung meiner Eitelkeit schrieb, meine Auftraggeber nicht zufrieden gestellt, sodass ich jetzt mit solcher Strenge an die Kandare genommen wurde?
Denn das war mir auch klar, das Ziel meiner unfreiwilligen Reise konnte nichts anderes sein als wieder ein Schreibgemach, in dem ich meine Arbeit unter verschärften Bedingungen unweigerlich würde fortsetzen müssen! Man hatte mir mein Schreibzeug und genügend Pergament gelassen, dazu ein Pult und ein hell leuchtendes Öllicht in die Zelle gestellt.
Mit Schrecken hörte ich plötzlich Stimmen vor meiner Zelle, der Schlüssel drehte sich rasselnd im Schloss. Ich verfluchte meine alberne Todesangst und dann die nächtliche Störung! Herein trat Lorenz von Orta, mein feingliedriger, weißhaariger Aufseher und Mentor zugleich. Er schien recht ungehalten, sodass ich es mir verkniff, mich über die erfahrene Behandlung zu beschweren.
»Kaum hattest du, Bruder William, eigenmächtig den Montjoie
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verlassen«, eröffnete er mir vorwurfsvoll, »wurde das Wallfahrtskirchlein mit seinem Glockenturm von Unbekannten überfallen. Sie suchten - nach allem Anschein - sich in den Besitz deiner, unserer Chronik zu setzen.« Lorenz sprach unaufgeregt, fast kühl, was mich - als Betroffenen - verstimmte, zumal er unnötigerweise anfügte: »Denn deine Person kann ja wohl kaum einen Anlass für ihre Bemühungen darstellen.«
»Haben sie -?«, unterbrach ich ihn ungeduldig, doch er ließ mich auflaufen.
»Sie folterten den Sakristan, damit er ihnen das Versteck verriete. Da er es nicht preisgab, brachten sie ihn um!«
Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen, auch irgendwie schuldig, schon aufgrund meines Verrats an der treuen Seele. »Wer?!«, stammelte ich. »Wer waren diese Schweine?!«
Lorenz musterte mich kalt. »Hätten sie im Turm geschnüffelt, wäre ihnen der Stein sofort ins Auge gesprungen, so tölpelhaft war das Versteck angelegt. Gott sei Dank kamen wir noch rechtzeitig, und sie ergriffen die Flucht!«
Das Leben des armen Odoaker zählte nicht, nur die Chronik, das Dokument ihrer Machtinteressen!
Wahrscheinlich würden sie auch über die Leichen von Rog und Yeza gehen, wenn es ihnen >angebracht< erschien - über meine ganz gewiss! »Habt Ihr die Kerle noch gesehen?«, fragte ich indessen, meine Wut feige abwürgend.
Lorenz schüttelte unwirsch den Kopf. »Es können Muslime gewesen sein, doch das würde mich wundern, es sei denn Agenten des Sultans von Kairo«, er schaute mich wieder an, als sei ich der Schlüssel all des Ungemachs.
»Ich befürchte, die gehässige - oder auch nur neugierige - Attacke kommt aus den Reihen unserer christlichen Glaubensbrüder.«
»Wie das?!«, entfuhr es mir, ziemlich unbedarft, wenn nicht blöd!
»Der Stuhl Petri kann wohl kaum Interesse daran haben«, erklärte mir Lorenz nachsichtig, »dass diese Ketzerkinder ausgerechnet hier im Heiligen Land, im heißgeliebten, blutig zuckenden, zuckersüßen Herzen der römisch-katholischen Christenheit auf den Thron kommen, einen Thron, unter dem dann das Feuer der 78
Hölle lodert - oder schlimmer noch: das des mystischen Gral!« So sehr der weißhaarige Alte diesmal aus sich herausgegangen war, er konnte nicht verbergen, dass er die Motive der Angreifer auch nicht kannte. Peinlich war dem Herrn von Orta dieser Mangel kaum, eher empfand er mich als Zeugen unpassend, wie er sogleich bewies.
»Morgen Früh, William, wirst du an einen sicheren Ort gebracht werden«, eröffnete er mir abschließend, »wo man dich Unwürdigen« - das verkniff er sich nicht - »zu sehen wünscht!«
»Wohin?«, erdreistete ich mich zu fragen. Wahrscheinlich wollte man mir an höchster Stelle die Leviten lesen.
»Das geht dich nichts an!«, erhielt ich prompt den verdienten Verweis. »Richte lieber deine Wissbegierde auf das, was wir - und damit auch die Nachwelt - von dir zu erfahren wünschen! Bona nox!« In der Tür drehte er sich noch einmal zu mir um, fast mitleidig fügte er hinzu: »Deinen frommen Franziskanerwunsch pax et bonum ersetze bitte zukünftig durch st vis pacem, para bellum!, also die Erkenntnis, dass sich Frieden nur durch ständige Bereitschaft zum Krieg erringen lässt - wenn überhaupt!«
Ich hatte die Nacht schlecht geschlafen. Nachdem der Secretarius venerabilis mich allein gelassen hatte, drang das Rauschen des nahen Meeres nun deutlich an mein Ohr. Es beunruhigte mich anfangs, weil ich mir ausmalte, dass man mich auf eine einsame Insel verfrachten könnte, damit ich meiner mir auferlegten Chronistenpflicht endlich in völliger Abgeschiedenheit nachkommen möge. Was erwartete man eigentlich von mir? Dass Roc und Yeza zu monarchischen Würden ausersehen waren, das hatten die Geheimen hinter meinem Quälgeist Lorenz, ihrem Secretarius venerabilis. laut genug und vernehmlich für jedes interessierte Ohr in die Welt hinausposaunt.
Gab es etwas, das diese Erhöhung meiner Lieblinge hindern konnte, ihnen die zugesagte Krone vom Kopf stoßen konnte? Etwas, das nur ich wusste - oder von dem man zumindest annahm, dass ausgerechnet der füllige Bruder des heiligen Franz mit breitem Arsch auf diesem brisanten Geheimnis saß. Vielleicht ohne es zu ahnen? Wie schon oft in meinem umtriebigen Leben war es mir, als sei ich zum Schutz meiner
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kleinen Könige aufgerufen. Statt es als Anlass zu beunruhigender Bedrohung durch Unbekannte zu nehmen, bereitete mir der Gedanke behäbige Zufriedenheit. Ich hatte mir die Aufmerksamkeit, die man mir zuteil werden ließ, weiß Gott verdient! Ich sah das schüttere Haupt des dicken William mit einer Mischung aus güldenem Lorbeer und Glorienschein bekränzt. Diese schöne Vision lullte mich endgültig ein ...
Am nächsten Morgen wurde ich in aller Herrgottsfrüh und höchst unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ich hatte zwar nicht mit einer persönlichen Verabschiedung durch Lorenz von Orta gerechnet, aber auch nicht mit einer herrisch krächzenden Stimme, die anscheinend nicht nur meine Person mit Missachtung strafte, sondern auch meinen Mentor. Der Adressat, an den sich die harsche Rüge richtete, war offenkundig schwerhörig, wahrscheinlich der Kastellan der Burg.
»Was glaubt denn der Herr Secretarius«, bellte das befehlsgewohnte Organ - zu sehen bekam ich seinen Besitzer dank meiner Augenbinde nicht -, »dass für den Transport eines unbotmäßigen Minoriten kostbare Angehörige unseres Ordens aufgeboten werden?!« Ich wurde grob in meine fensterlose Sänfte gestopft und vernahm den Rest nur noch gedämpft und damit weitgehend unverständlich - »... abliefern und einsperren! ... So wichtig kann die Sache nicht sein, dass Templer ...« Doch dann schnarrte die Stimme so dicht an meinem Ohr, dass ich das Gefühl hatte, der Unsichtbare, der anscheinend das Kommando hier an sich gerissen hatte, legte Wert darauf, mich seine Einstellung durchaus wissen zu lassen. »... der Orden soll sich nicht länger mit diesem ... Königlichen Pärchen befassen ... geschweige denn auch nur einen Ritter von Rang und Adel ... für die Eskorte eines ...
geschwätzigen Chronisten abstellen ... der uns doch nur zum Besten hält!« Die Art, wie er über mich und meine Funktion sprach, zeugte nicht gerade von hoher Wertschätzung. »Dieser säumige Minorit ist ohne weiteres Zutun des Ordens am vorgesehenen Ziel abzuliefern und festzusetzen, bis der Secretarius venerabilis die Güte hat, vor Ort zu erscheinen und über die zukünftige Verwendung dieses ...