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Schicksal ihnen bestimmt, wie die Verheißung zu erfüllen sei, die mehr und mehr unheilvoll auf ihnen lastete.

Sie forderten den Gral heraus, der sich ihnen nicht zeigen wollte. Der schwarze Kelch, aus dem sie trotzig tranken, brachte uns allen, die wir uns zu Jerusalem um sie versammelt hatten, nur schlimmes Unheil, nur wenige der Getreuen überlebten den Sturm des Bösen, der losbrach. Rog und Yeza verschwanden, wie verschluckt von der dunklen Wolke entfesselter Macht des Demiurgen. Noch immer weine ich ihnen nach, meinen beiden Königen ... Leer und sinnlos will mir das Dasein nach ihrem Fortgang erscheinen, alles würde ich drangeben, auch mein törichtes Leben, wenn ein solch geringes Opfer sie denn zurückholen könnte in eine Welt, die ihrer so sehr bedarf, so wie ich damals ohne jedes Zögern ihnen zu folgen versuchte, bereit, mit ihnen zu sterben, zu verderben, doch wurden sie meinem Auge für immer entzogen -

DER TAG NEIGTE SICH schon dem Abend zu, als Rog und Yeza an der Spitze der Karawane wenig abseits vom Weg das Kamel erblickten, am Boden hingestreckt und an den Hals des Tieres geklammert einen

Menschen. Beide schienen am Rande völliger Erschöpfung durch Hitze und Durst, allerdings verriet der sich noch schwach hebende und senkende Bauch des Tieres, dass zumindest noch nicht alles Leben aus ihm gewichen war. Doch auch der Mann hob beim Näher kommen der ersten Beduinen mühsam sein vom

verrutschten Turban verdecktes Haupt, um es dann gleich wieder mit dramatischer Gebärde auf den gestreckten Hals des liegenden Tieres sacken zu lassen. Die Reiter der Vorhut, denen es oblag, der schwerfälligen Transportkarawane den geeigneten Pfad zu weisen, blickten fragend auf das Königliche Paar. Aus eigenem Antrieb sahen sie in der Begegnung kaum Anlass, das mechanische Vorwärtsschreiten der Kamele mit der Teppichrolle aus dem mühseligen Trott zu bringen.

Rog hob den Arm. Das Zeichen zum Halt wurde befolgt. Die Tiere, die den zusammengerollten Kelim trugen, knieten auf der Stelle nieder und übergaben ihre Last dem steinigen Boden. Zwei

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der Beduinen stiegen ab und traten, sichtbar unwillig, zu der störenden Gruppe am Rand des Weges. Unsanft zerrten sie den Mann hoch. Sein bartloses Gesicht war blutverschmiert, den Grund erkannten Roc und die Umstehenden sofort, die Halsschlagader seines Tieres wies eine hässliche Schnittwunde auf, wie ein Vampir hatte sich der Verdurstende des Lebenssafts bedient. Nicht nur dieser Gedanke stieß Yeza unangenehm auf. Als das geopferte Kamel jetzt seine großen Augen noch einmal auf sie richtete, bevor es ermattet seine Beine von sich streckte, fiel ihr Blick auf das Gesicht des Mannes - und das gefiel ihr noch weniger. Etwas Stechendes lauerte in seinen Augen, außerdem schielte er auf eine unverzeihliche Art. Dass er auch noch sein eines Bein hinkend nachzog, als die beiden Beduinen ihn jetzt vor Rog und Yeza führten, wunderte sie schon gar nicht mehr. Sie war diesem Menschen in ihrem Leben schon einmal begegnet, da war sie sich sicher, und die Umstände waren höchst unguter Natur, nur entsann sich Yeza nicht mehr, bei welcher Gelegenheit. Rog schien von jeglichen Reminiszenzen frei zu sein, zumindest gab er sich völlig unbefangen, er ging auf in seiner Feldherrnrolle, die mit dem Heben der Hand begonnen hatte - woraufhin die gesamte Karawane zum Stillstand gekommen war -, und setzte sich jetzt fort, indem er den Geborgenen keines Blickes würdigte, sondern mit generös wegwerfender Geste den Beduinen überließ.

Yeza betrachtete das sterbende Kamel. Sie musste sich beherrschen, nicht abzusteigen und es zu umarmen. Ein Zittern lief durch den Leib des Tieres, dann war es von seinem Leiden erlöst.

Der feurige Sonnenball näherte sich dem Horizont der hinter ihnen liegenden Wüste. Sie waren bereits zuvor in die Geröllhalden einer sich vor ihnen auftürmenden Gebirgskette eingestiegen, deren Überwindung noch vor ihnen lag. Sie heute noch in Angriff zu nehmen, verbot sich schon angesichts der schroffen Klippen, deren blauschwarze Schatten bedrohlich schnell wuchsen. Roc erteilte den Befehl, das Nachtlager aufzuschlagen.