17. Hallo, Sie da!
Die Fischers finden den Weg zum Zeltplatz nicht
Auch wenn er mit den Fallstricken der péage mittlerweile meisterlich umgehen konnte, war Manni die Autobahn auf Dauer zu teuer. »Bei der nächsten Gelegenheit werden wir auf die Landstraße wechseln«, unterrichtete er seine Frau, die gerade über eine alte französische Schnulze ins Träumen geraten war. Eva fand die routes nationales auf Anhieb, sie waren rot in ihrer Karte gekennzeichnet und zogen sich wie Adern durch das ganze Land. »Kein Problem«, sagte sie, »nimm gleich die nächste Ausfahrt.« Die route nationale, die sie nun befuhren, unterschied sich kaum von der Autobahn, nur dass hier keine Gebühren erhoben wurden. »Na, was sagste?« Manni war stolz, Eva entspannt und glücklich. »Super Idee, Manni.« Hier durfte man nur noch 110 fahren, nicht mehr 130 wie auf der Autobahn – für den Familiencampingbus genau die richtige Geschwindigkeit. Dass er rechts und links überholt wurde, war Manni egal, das kannte er ja aus Deutschland. Aber es fiel ihm auf, dass der Verkehr auf der Autobahn gleichmäßiger floss. Fast alle Autos fuhren dort etwa die Höchstgeschwindigkeit, an die 110 km/h der Landstraße hingegen wollte sich kaum einer halten und dadurch entstand gleich ein größeres Chaos. Dann wurde die Fahrbahn plötzlich einspurig und jetzt waren nur noch 90 km/h erlaubt. Manni drosselte seine Geschwindigkeit und ahnte schon, was gleich kommen würde: Ungefähr zehn Autos hingen an seiner Stoßstange und setzten in den unübersichtlichsten Kurven zum Überholen an. Jetzt wurde es gefährlich! Wenn ihnen just in so einem Moment ein Auto entgegenkam, musste Manni stark bremsen, um dem Überholenden Platz zu machen. Er geriet ins Fluchen. »Lass dich nicht hetzen.« Auch Eva bekam es langsam mit der Angst zu tun. »Die sind witzig hier«, bemerkte Manni trocken. »Schau mal, in dieser Kurve ist 70 km/h die Höchstgeschwindigkeit. Ich fahre bloß 50 und werde fast aus der Kurve gehauen.« Eva hielt sich lieber mit den Beifahrerkommentaren zurück und versuchte stattdessen, Manni in interessante Themen zu verstricken, damit er sich von dem Verkehr nicht stressen ließ. Doch Manni reagierte auf gar nichts mehr, sondern konzentrierte sich nur noch auf das Fahren. Eva schlief ein und wachte erst wieder auf, als das Auto stand und sie ihren Mann »Hallo!« rufen hörte. Sie schlug die Augen auf. Der Bus war am Fahrbahnrand geparkt, Manni lehnte sich aus dem Fenster und versuchte, die Aufmerksamkeit der vorbeieilenden Passanten auf sich zu ziehen. Doch keiner reagierte auf ihn. »Hallo, Sie da!«, rief er wieder. »Was machst du denn da?«, wollte Eva wissen. »Was wohl! Ich will nach dem Weg zum Campingplatz fragen!« »Ist das nicht ausgeschildert?« Was für eine blöde Frage. »Wenn es ausgeschildert wäre, würde ich ja nicht fragen!«, entgegnete Manni auch sofort schnippisch. »Siehst du diesen hübschen Kreisverkehr da? Ich weiß einfach nicht, welche Ausfahrt die richtige ist.« »Lass mal schauen«, meinte Eva zuversichtlich und Manni lenkte den Bus in den rond-point. Auf der Mittelinsel des Kreisverkehrs standen künstliche Kühe und schauten stur und unbeeindruckt den Fischers zu, die hier ihre Kreise zogen. »Da, toutes directions (alle Richtungen), das geht hier nach rechts ab.« Manni fuhr weiter im Kreis, bei der nächsten Ausfahrt las er laut vor: »autres directions (andere Richtungen). Und jetzt?! Meine liebe Eva, kannst du mir mal sagen, ob wir toutes oder autres sind?« Darauf wusste sich auch Eva keinen Rat. Schließlich standen sie wieder am Straßenrand und riefen beide aus dem Fenster. »Hallo, Sie!« Doch keiner blieb stehen. Irgendwann wachte auch Paula auf und schaltet sich ein. »Lasst mich mal machen«, sagte sie. Paula schnappte sich Evas Straßenkarte und stieg aus dem Auto aus. Sie ging direkt auf den nächsten Passanten zu und fragte ihn etwas auf Französisch, das Manni und Eva nicht verstehen konnten. Der Franzose begann sofort, mit den Händen in der Luft zu fuchteln – es sah aus wie eine Wegbeschreibung. Leicht triumphierend stieg Paula wieder ein. »Ist nicht mehr weit«, sagte sie, »im Kreisverkehr die zweite Abfahrt.« »Dann sind wir also nicht toutes, sondern autres«, murrte Manni. »Hätte ich mir ja denken können, irgendwie sind wir ja immer anders«.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Landstraßen in Frankreich können sehr unterschiedlich sein, mal sind sie quatre voies (vierspurig, das meint zwei Spuren pro Richtung) und erinnern sehr an die Autobahn, wie zum Beispiel die Strecke von Rennes nach Saint Brieuc, dann wieder sind sie zweispurig wie eine Landstraße in Deutschland. In unserer kleinen Episode haben Manni und Eva ein- und denselben Fehler begangen: »Hallo« sagt man im Französischen nur am Telefon, wenn man angerufen wird, den Hörer abnimmt und sich meldet (Allô?). In diesem Fall wäre ein Excusez-moi, Monsieur oder Excusez-moi, Madame angebracht gewesen.
Was können Sie besser machen?
Seien Sie höflich, denn Sie wollen schließlich eine Auskunft von jemand anderem. Ein »Hallo, wo ist hier Camping?« ist für Franzosen inakzeptabel. Am besten aus dem Auto aussteigen und ganz freundlich und höflich um Entschuldigung bitten und dann: Pourriez-vous me dire où se trouve ... s’il vous plaît? (Könnten Sie mir bitte sagen, wo ich ... finde?) oder Pourriez-vous m’indiquer le camping, s’il vous plaît?. Das klingt extrem lang und umständlich, ist es für französische Ohren aber nicht.