7. Die Auberginen sind los
Gibt es für Manni ein Parken ohne Strafzettel?
Endlich hatten sie es geschafft! Als sie vom Périphérique hinunterfuhren, waren sie sich sicher, der Stau läge hinter ihnen und nur noch wenige Straßen würden sie von dem Hotel trennen. Doch der Stau ging munter weiter. Die Straßen von Paris waren eng, und wohin das Auge reichte, waren sie mit Autos zugestopft. »Samstagnachmittag, da ist doch gar kein Berufsverkehr«, meinte Manni und lehnte sich erschöpft und seufzend in seinem Sitz zurück. Eva war mal wieder als Wegweiserin gefragt. Zum Glück hatte das Internetprogramm schon die Einbahnstraßen berücksichtigt, denn die schienen noch mal ein gewaltiges Hindernis zu sein. Sich bei dem Stau zu verfahren und in eine falsche Seitenstraße abzubiegen, konnte einen bestimmt Stunden kosten. Die Autos begannen, wie wild zu hupen, nichts ging mehr vorwärts. »Hier zu wohnen und jeden Tag so einen Stau zu erleben, das muss die Hölle sein«, meinte Manni. »Also, ich würde in Paris garantiert kein Auto fahren«, war sich Eva sicher. »Du würdest bestimmt laufen«, meinte Anton zynisch von seiner Rückbank. »Schon mal was von der Pariser Metro gehört?« Eva vertiefte sich erneut in den Plan, als wolle sie ihn auswendig lernen. »Wir sind nur noch drei Straßen vom Hotel entfernt«, sagte sie. »Lass uns doch hier parken und da hinlaufen, mit kleinem Gepäck. Dann können wir uns ein bisschen ausruhen und nachher das Auto holen, wenn der Verkehr nachgelassen hat.« Manni fand das eine prima Idee, und selbst Anton, der prinzipiell etwas gegen Laufen hatte, schien froh zu sein, endlich aus dem Auto rauszukommen. Doch erst mal einen Parkplatz finden! »Da ist einer!«, rief Eva erfreut. Sie konnten ihr Glück kaum fassen. Dort war eine Lücke, groß genug für ihr Auto, am Boden befand sich eine gelb gestrichelte Linie. »Solange die nicht durchgezogen ist!« Manni fuhr etwas an die Seite und setzte den Blinker. Doch die Autos fuhren weiterhin so dicht auf, dass er nicht rückwärts einparken konnte. Eva stieg schließlich aus und machte mit Zeichen klar, dass sie Abstand halten sollten. Es funktionierte. Bald stand der Campingwagen auf dem Parkplatz und die drei sammelten ihre Siebensachen zusammen. Ein älterer Mann beobachtete sie eine Weile dabei, dann näherte er sich lächelnd den Fischers. »Excusez-moi« (Entschuldigen Sie), begann er höflich. Manni wunderte sich, der sah gar nicht danach aus, als wolle er einen Euro schnorren. »Il y a des aubergines là-bas! Il faut faire attention!« (Sie müssen aufpassen, da drüben sind Auberginen!) Manni kümmerte sich nicht weiter um den Verrückten. »Auberginen?«, fragte Eva zurück. »Oui, oui«, bestätigte der Mann eifrig und ging dann weiter. Kaum war er weg, brach die Familie in schallendes Gelächter aus. Anton blähte die Backen auf und hielt die Luft an, bis sein Gesicht fast die Farbe einer Aubergine angenommen hatte. Dazu riss er die Augen auf und humpelte wie Quasimodo hinter seiner Mutter her. »Achtung, die Auberginen kommen!«, brüllte er, als er einmal kurz Luft holte. Die Eltern spielten die Erschrockenen und rannten lachend vor der Killer-Aubergine weg.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Der Straßenverkehr in Paris ist oft nicht nur zu den Stoßzeiten unerträglich. Die Pariser rechnen täglich mit langen Fahrzeiten, wenn sie sich mit dem Auto auf den Weg zu ihrer Arbeitsstelle machen. Zwei Stunden am Tag im Auto zu sitzen, ist dabei völlig normal. Die Alternative Metro, die Eva anschnitt, ist nicht unbedingt die bessere. Zu Berufszeiten sind die U-Bahnen in Paris oft so voll, dass man kaum noch in einen Waggon hineinkommt. Und wenn, dann muss man viel Schweiß und Mundgeruch von Mitreisenden ertragen können. Erst in den letzten Jahren ist in Frankreich das Fahrradfahren in Mode gekommen und es wurden Fahrradwege gebaut. Doch die führen bei Weitem nicht durch die ganze Stadt. Außerdem sind die Autofahrer in Paris an diese Fahrradfahrer nicht gewöhnt und auch nicht besonders rücksichtsvoll. Radfahren kann in Paris zwar mittlerweile eine Alternative sein, aber man muss schon sehr aufpassen. Bloß nicht damit rechnen, dass ein Rechtsabbieger einen Schulterblick für einen Fahrradfahrer riskiert! Und niemals über rote Ampeln radeln.
Dass man sofort einen Parkplatz findet, kann natürlich sein, allerdings gehört dazu mehr als eine »Bestellung beim Universum«. Und zahlen muss man dann trotzdem noch. Paris ist in Parkzonen eingeteilt, es gibt praktisch kein kostenfreies Parken mehr in der Stadt. Und was Manni und Eva da als Parkplatz meinen entdeckt zu haben, ist natürlich keiner – dazu aber später (im Infokasten »Parken« in Kapitel 15). Der Mann, den sie für verrückt hielten, war im Grunde ein sehr freundlicher Pariser, der sie darauf aufmerksam machen wollte, dass die Polizei gerade in der Gegend Strafzettel verteilte: In Paris werden die Politessen, die Agents de surveillance de Paris, kurz ASP, im Volksmund auch les aubergines genannt.
Les aubergines – Pariser Politessen
Der Spitzname der Pariser Politessen hängt mit der Geschichte ihrer Uniform zusammen: Damit sie schick aussehen, wurde für die »weiblichen Hilfssheriffs« in den Siebzigerjahren eine extra Uniform entworfen, die Eleganz und zugleich Autorität ausstrahlen sollte. Das Ergebnis war ein bordeauxrotes Kostümchen mit passendem Hütchen dazu. Die Pariser nannten ihre Politessen daraufhin frech »die Auberginen«. Alle nachfolgenden Versuche, den zweifelhaften Ruhm der ASP mit neuen Uniformmodellen aufzupolieren, scheiterten. Für die Pariser sind und bleiben sie ihre Auberginen.
Was können Sie besser machen?
Wenn Sie jemand nett auf der Straße anspricht, dann ist es ebenso nett, darauf einzugehen. Zumindest eine kurze Unterhaltung hätte auch den Fischers interessante Informationen bringen können und erweitert in jedem Fall den Horizont. Persönliche Kontakte sind der erste Schritt zum Abbau von Vorurteilen.