8. Im schicken Pariser Café

Wie Eva und Manni die Verliebten vertreiben

Manni wollte sich gleich hinlegen und kurz verschnaufen. »Wir haben noch drei Stunden bis zur Einladung«, meinte er müde. »Ich mach mal ein bisschen die Augen zu.« Und dazu wollte er es sich bequem machen, zog die Hose aus und die Bettdecke zurück. Doch die steckte unter der Matratze fest. Manni zog und zog, bis er alle Enden in der Hand hielt. Laken und Decke waren riesig groß und für zwei gedacht. »Herrje, da schlafen wir also heute unter einer Decke«, sagte er grinsend. »Du Arme!« Eva hatte sich bei solchen Gelegenheiten immer beschwert, dass sie irgendwann nackt dalag, während sich Manni fest wie eine Mumie in das Laken gerollt hatte. Eva zwinkerte ihm nur zu und wollte im Bad verschwinden, als Anton zur Tür hereinschaute. »Ich geh mal ’n bisschen spazieren«, sagte er. »Nicht, dass ihr mich sucht.« Eva war erstaunt. »Du, spazieren?! Wo gibt’s denn so was?« »Na ja, kann ja doch nicht schlafen«, meinte Anton und war auch schon wieder weg. Als Eva kurz darauf neben Manni im Bett lag, war auch sie hellwach. Sie seufzte vor sich hin. Da waren sie in Paris und lagen am helllichten Tag im Bett. »Was stöhnst du denn so?«, fragte sie Manni, der offensichtlich auch nicht schlief. »Ich habe da vorhin so ein süßes Café gesehen ...«, fing Eva langsam an. Manni war schon mit beiden Beinen aus dem Bett. »Also los, Paris wartet auf uns! Aber nicht noch stundenlang schminken!« Eva lächelte zufrieden.

Das Café lag in einer ruhigen Seitenstraße und war sehr gut besucht. Eine rote Markise schützte die Gäste vor der noch immer starken Nachmittagssonne, in den geputzten und bemalten Scheiben spiegelten sich Häuser und Menschen, und die Kellner brachten Kaffee und Sandwichs, Quiches und Getränke. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung, die Pariser redeten und lachten und Manni und Eva standen eine kurze Weile und schauten sich verzückt das bunte Treiben an. Nicht ein einziger Tisch war mehr frei. »Sollen wir uns zu dem Pärchen da dazusetzen?« Eva deutete auf einen Tisch, an dem noch zwei Plätze frei waren. »Ja, fragst du?« Manni war doch manchmal schüchtern. »Excusez-moi, c’est libre?« (Entschuldigung, ist hier frei?), fragte Eva das junge Paar. Die schauten sich nur an und fuhren mit ihrer Unterhaltung fort. Manni und Eva deuteten das als Zustimmung. Freudig setzten sie sich und Manni begann, die Karte zu studieren. »Möchte doch mal wissen, was die hier alle trinken, sieht so nach Alkohol aus.« »Trink nicht zu viel, vorher«, ermahnte ihn Eva. »Wir müssen noch einen guten Eindruck bei der Gastfamilie machen. Das haben wir Paula versprochen.« Da kam auch schon der Kellner. »Un latte macchiato« (Ein Latte macchiato), bestellte Eva. Der Kellner schüttelte den Kopf. »Du lait chaud?« (Heiße Milch?), fragte er. »Latte«, wiederholte Eva, »café avec lait« (Kaffee mit Milch). »Une noisette?« (Ein Noisette?), fragte der Kellner zurück. Das klang gut! Nach Nuss. »Oui!« Der Kellner wandte sich an Manni. »Une bière« (Ein Bier), bestellte er. Das Paar an ihrem Tisch verlangte nach der Rechnung und der Kellner kassierte gleich bei ihnen ab. Während die frisch Verliebten aufstanden, warf Eva ihnen noch einen freundlichen Blick zu und sagte »Au revoir« (Auf Wiedersehen), doch die reagierten nicht und würdigten sie keines Blickes. »Tja, die jungen Leute heute sind doch in ihrer eigenen Welt«, sagte Eva verträumt. »Quatsch! Ein bisschen Höflichkeit ist alles, was denen fehlt. Du sagst Auf Wiedersehen, da könnten sie ja schon mal reagieren!« Eva nahm Mannis Hand. »Weißt du noch, als wir so verliebt waren? Wir hatten auch keine Augen für andere Leute.« Manni brummte etwas vor sich hin, fand eine Zeitung und blätterte ein wenig darin herum, während Eva die Pariser Luft tief in sich aufsog.

Da kamen auch schon die Getränke. Eva war etwas enttäuscht. Ihr Kaffee hatte tatsächlich ungefähr die Farbe einer Haselnuss, aber die Milch war nicht aufgeschäumt und noch dazu war der Kaffee ganz schön stark. »Prost, auf die Stadt der Liebe.« Manni genoss sein Bier. Sie nahmen sich vor, auf jeden Fall noch den Eiffelturm zu besteigen, um sich damit ihren Jugendtraum zu erfüllen. Am besten gleich morgen. Eva bestellte die Rechnung. »J’aime payer, s’il vous plaît!« (Ich liebe bezahlen, bitte!), rief sie. »Sept euros soixante-dix« (Sieben Euro siebzig), sagte er. Manni schaute Eva hilflos an. Sie gab dem Kellner schnell einen Zehn-Euro-Schein und sagte einfach: »Bon« (Gut). Der Kellner gab ihnen wortlos 3,30 Euro zurück und verabschiedete sich mit einem Bonne journée! (Schönen Tag). »Der hat unser Trinkgeld gar nicht angenommen«, wunderte sich Eva. »Vielleicht war es nicht genug?«, spekulierte Manni. »Sind es hier auch zehn Prozent wie in den USA?« Eva schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht«. Manni stand bereits auf. »Was soll’s«, sagte er. »Wer nicht will, der hat schon.« Gemeinsam verließen sie das Café, während hinter ihnen bereits neue Gäste ihre Plätze eroberten.

Was ist diesmal schiefgelaufen?

Manni und Eva sind, ohne es zu ahnen, in ein Fettnäpfchen nach dem anderen getreten. Was man in Frankreich auf keinen Fall macht, ist, sich einfach zu fremden Leuten an den Tisch zu setzen. Auch nicht, wenn dort noch vier Plätze frei sind. Die Gäste an dem Tisch fühlen sich dadurch gestört. Das junge Pärchen hatte keineswegs seine Zustimmung gegeben, sondern sich einfach nur gewundert, und war dann genervt und wortlos gegangen. Was Manni und Eva als Unhöflichkeit deuteten, war vielmehr ein Zeichen von Protest.

Das andere Fettnäpfchen betraf das Trinkgeld: In Frankreich sind in der Regel bereits 15 Prozent des Gesamtpreises für den Service bestimmt. Der Kellner lebt also keineswegs von Ihrem Trinkgeld, sondern von seinem Anteil am Gesamtumsatz. Dennoch ist es durchaus üblich, Trinkgeld zu geben, wie hoch ist allerdings reine Ermessenssache. Prinzipiell geben Franzosen weniger Trinkgeld als deutsche Gäste (die sich nicht selten an den in Amerika üblichen zehn Prozent orientieren), ohne deswegen geizig zu sein. Was man in Frankreich nicht macht, ist, die aufgerundete Rechnungssumme, also inklusive Trinkgeld, beim Bezahlen zu nennen. Vielmehr gibt die Bedienung stets auf die geforderte Summe heraus und der Gast entscheidet hinterher, wie viel er als Trinkgeld auf dem Tisch zurücklassen möchte.

Auch in den Innenstädten von Frankreich werden immer mehr Coffee-Shops wie Starbucks und Balzac eröffnet, wo man Latte macchiato, Frappuccino, Vanilla Latte und dergleichen mehr bekommt. Doch es gibt ebenso noch viele traditionelle französische Cafés, in denen das Bestellen eines Kaffees ganz andere Bezeichnungen verlangt, als wir es mittlerweile gewohnt sind. Den Caffè Latte oder Latte macchiato gibt es in Frankreich traditionellerweise nicht. Der Cappuccino konnte sich zwar weitgehend etablieren, doch wundern Sie sich nicht, wenn Sie in dem kleinen Café an der Ecke keine aufgeschäumte Milch bekommen. Das ist eine typisch italienische Angelegenheit, die sich fast nur in den Touristengegenden Frankreichs wiederfindet. Viele Franzosen halten an ihrer eigenen Kaffeekultur fest und die sieht etwas anders aus.

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Kleine Kaffeekunde

un expresso: ein Espresso

un double: ein doppelter Espresso

un petit noir: ein schwarzer Kaffee; wie ein Espresso mit etwas mehr Wasser

une noisette: ein Kaffee mit einem Schuss warmer Milch, der die Farbe einer Haselnuss annimmt (wörtlich: eine Haselnuss)

un café au lait: ein Milchkaffee; halb Kaffee, halb Milch; wird manchmal in einer Schale (bol) serviert, gerne aber auch in einer großen Tasse oder einem Glas; wird traditionell fast ausschließlich zum Frühstück getrunken

un café crème: ein Milchkaffee; so wird er manchmal in Paris genannt

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Was können Sie besser machen?

Die Rechnung ist meist auf einem kleinen Plastiktablett festgeklemmt, auf das der Gast sein Trinkgeld legen kann. Es gilt als unhöflich, mit dem Kellner über Geld zu sprechen. Er könnte sonst auf die Idee kommen, dass Sie mit der zu bezahlenden Summe nicht einverstanden sind. Legen Sie bis zu zehn Prozent der Rechnungssumme als Trinkgeld auf das Plastiktablettchen. Viele Franzosen geben weniger, da die Preise, besonders in Paris, sowieso schon gesalzen sind.

Setzen Sie sich nie zu anderen Gästen an den Tisch. Wenn ein Café vollkommen überfüllt ist, kann höchstens der Kellner vorsichtig die Gäste fragen, ob sie eventuell damit einverstanden wären, wenn ... In solchen Fällen sollten Sie sich also immer an den Kellner wenden. Und: Franzosen lesen niemals in Gegenwart anderer Personen am Tisch Zeitung. Wenn Sie einmal darauf achten, werden sie feststellen, dass weder der Mann noch die Frau noch beide gemeinsam an einem Tisch im Restaurant oder Café sitzend in einer Zeitung oder einem Buch blättern. Das ist ein absolutes No-go.

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