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Seth ließ sich von einem schwarz gekleideten Diener ein Glas Calvados servieren, während er sich in einem der größten Salons von Château Morgaine umsah. Ohne nachzudenken, nahm er einen Schluck von dem Apfelschnaps, bevor er das Glas mit einer Grimasse neben einem Arrangement aus Obst und Blumen abstellte.

«Ich traue mich nie, mich hier hinzusetzen», begrüßte ihn Jacques. «Die Möbel sind alle so weiß.»

«Ich könnte wetten, dass die Crème de la Crème der europäischen Elite vollständig hier versammelt ist», meinte Seth und nickte einem bekannten Geschäftsmann zu.

«Wie war die Reise?»

Seth schüttelte den Kopf. «Wenn ich diesen verfluchten Kanal noch einmal überqueren muss, bringe ich jemand um.»

«Und wie geht es deiner Verlobten?»

«Lily ruht sich aus, und Daniel ist gleich im Park verschwunden. Anscheinend hat er einen gleichaltrigen Spielkameraden gefunden.»

Jacques grinste. «So, dann bist du jetzt also verlobt, mein Freund. Das hatte ich nicht erwartet, muss ich zugeben. Solltest du nicht vor Glück strahlen?»

«Wie geht es denn Vivienne?», wechselte Seth das Thema. «Ich habe sie noch gar nicht gesehen.»

Jacques kam nicht zu einer Antwort, denn er musste einem jungen Mann zuwinken, der gerade eingetreten war. «Alexandre, komm her und begrüß einen meiner ältesten Freunde», rief er. Seth verzog das Gesicht. Das klang ja, als wäre er uralt. «Darf ich vorstellen – Viviennes Cousin, Prinz Alexandre St. Cyr D’Aubigny.»

«Alexandre reicht vollkommen», lächelte der Mann. Sein Händedruck war fest, und seine schwarzen Augen betrachteten Seth mit einer solchen Intensität, dass er sich wirklich älter denn je vorkam.

Jacques wandte sich an einen Diener. «In der Bibliothek steht eine Flasche Whisky. Hol sie her und bring ein paar Gläser dazu.» Der Diener eilte davon. «Seth hat nämlich Whisky aus England mitgebracht», erklärte Jacques, und Alexandre ließ ein weiteres strahlend weißes Lächeln aufblitzen.

Die Vitalität dieses jungen Mannes blendet einen geradezu, dachte Seth. War er selbst jemals so froh und unbekümmert gewesen? «Wohnen Sie auch hier in Rouen?», fragte er, um irgendetwas zu sagen.

«Nein, meine Familie hat ein Gut weiter im Süden, aber ich bin mit Vivienne und meinem Neffen Lancelot schon seit dem Frühjahr hier.» Der Prinz zwinkerte. «Diesen Sommer ist es mir ungewöhnlich schwergefallen, mich von Rouen loszureißen.»

«Ja, ich habe gehört, dass das Erntefest eine große Attraktion ist», meinte Seth höflich.

«Unter anderem», stimmte Alexandre mit geheimnisvollem Lächeln zu. «Ich versuche, die Kathedrale von Rouen zu malen.»

Das erklärte die beklecksten Hände. Ein Künstler. «Und, machen Sie Fortschritte?», erkundigte sich Seth pflichtschuldig.

Alexandre schüttelte den Kopf. «Ich kann mich nur schwer konzentrieren, und das Licht ist irgendwie immer falsch. Ich frage mich langsam, ob ich mich nicht eine Weile anderen Dingen zuwenden sollte.»

Seth, der bemerkt hatte, dass sämtliche Damen im Saal beim Anblick des Künstlerprinzen in Verzückung gerieten, nahm an, dass es dem jungen Mann nicht schwerfallen dürfte, eine andere Beschäftigung zu finden. «Sieht so aus, als könnte einen hier wirklich viel ablenken», bemerkte er und musste sich bemühen, nicht allzu sauertöpfisch zu klingen. Endlich kam der Whisky, und Seth nahm einen kräftigen Schluck.

«Monsieur Hammerstaal», hörte er eine bekannte Stimme. «Lange nicht gesehen.»

Seth drehte sich um und beugte sich über Viviennes ausgestreckte Hand. «Danke für die Einladung, Madame de Beaumarchais», sagte er.

Vivienne klimperte mit den Wimpern. «Wie ich sehe, haben Sie meinen Cousin schon kennengelernt. Alexandre hat den Sommer mit uns auf dem Schloss verbracht. Wir wussten seine Gesellschaft sehr zu schätzen.» Sie wandte sich an ihren Cousin. «Alexandre, mein Engel, wärst du so lieb, mir kurz zu helfen?»

«Natürlich.» Der Prinz nickte den Männern zu und stellte sein Glas ab. «An Ihren Whisky könnte ich mich wirklich gewöhnen», sagte er und bot dann Vivienne den Arm.

Seth beobachtete, wie das elegante Paar davonging.

Jacques bedachte ihn mit einem seltsamen Blick.

«Was denn?», fragte Seth.

«Nichts», antwortete Jacques.


Später am Abend drängte Vivienne Jacques in eine Ecke vor dem Festsaal. Die Gäste kamen in immer größeren Scharen, sie freuten sich auf die Gesellschaft und das Abendessen. Die Kerzenflammen der Kandelaber spiegelten sich in den Fenstern. Frohe Ausrufe und muntere Begrüßungen zeugten davon, dass auch dieses Fest wieder ein Erfolg werden würde. Doch Viviennes Augen funkelten vor Zorn. «Er weiß es nicht, stimmt’s?», zischte sie vorwurfsvoll.

Unschuldig riss Jacques die Augen auf. «Weiß was nicht?»

«Spiel nicht den Dummen. Ich finde das überhaupt nicht amüsant. Wie kannst du so dämlich sein, ihm nicht zu sagen, dass Beatrice hier ist?»

«Ich dachte, das ist nicht so wichtig», verteidigte sich Jacques und hob die Arme. «Seth ist doch mit Lily verlobt. Zwischen ihm und Beatrice ist gar nichts mehr.» Er fuhr sich durch die schwarzen Locken.

«Jacques!»

«Warum sollte ich ihm denn etwas sagen? Wir sind Männer, wir reden nicht über solche Dinge. Du glaubst doch nicht etwa, dass die beiden noch Gefühle füreinander hegen?»

Vivienne stieß ihn vor die Brust. «Ich habe wahrscheinlich in meinem ganzen Leben noch keinen Mann getroffen, der so schwer von Begriff war wie du.»

«Chérie, wir sind alle gleich.» Jacques lächelte überlegen und wich ihrem wütenden Gefuchtel elegant aus. Dann legte er ihr eine Hand auf den Rücken und schob sie mit sanftem Druck in den Festsaal. «Außerdem glaube ich, dass du überreagierst», fuhr er fort. «Das ist doch schon so lange her. Alles wird gutgehen, beide sind darüber hinweg.»

«Aber merkst du denn nicht, wie er aussieht? Völlig zerstört und zynisch. Und Beatrice war ein Wrack, als sie im Frühling hier ankam.» Vivienne schüttelte den Kopf. «Diese beiden werden noch explodieren. Wie Öl und Wasser. Und das ist dann deine Schuld.»

«Erstens bekommst du die Metaphern durcheinander, und zweitens bin ich überzeugt, dass es keine Probleme geben wird. Verdammt, Seth ist verlobt. Er denkt bestimmt nicht darüber nach, wer hier ist und wer nicht.»

«Ich weiß, dass ich recht habe», beharrte Vivienne finster auf ihrer Ahnung.

«Hör auf, dir Sorgen zu machen», sagte Jacques. «Du siehst blass aus, trink doch ein Gläschen von meinem herrlichen Champagner. Wo ist Beatrice überhaupt? Ich habe sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.»

«Keine Sorge. Keiner wird Beatrice heute Abend übersehen», meinte Vivienne in unheilverkündendem Ton.


Eine Weile später sah sie sich im Raum um, der inzwischen voller Gäste war. Die großen Glastüren waren zum Park hin geöffnet, sodass die kühle Septemberluft hereinströmen konnte. Vivienne bemerkte, wie jede Frau Alexandre mit den Augen folgte. Sie nippte an ihrem Champagner, als sie plötzlich Seth mit der blonden Amerikanerin an seiner Seite entdeckte.

«Und da kommt Beatrice», sagte Vivienne düster zu sich selbst, mit einem Blick auf die Saaltür. Die Akteure des Dramas waren also versammelt. Doch die Feste der Familie de Beaumarchais waren berühmt für ihre Finesse und Eleganz, und sie hatte nicht vor, irgendwelche Szenen zu dulden. Wenn es Ärger gäbe, würde sie anschließend Jacques’ Kopf in einer Schale fordern.


Seth bemühte sich, ein interessiertes Gesicht aufzusetzen, als Lily und er erneut einem prominenten Gast vorgestellt wurden. Sie waren kaum einen halben Tag hier, und er sehnte sich schon wieder fort.

An und für sich war das nichts Neues, er sehnte sich ständig fort, doch er hatte gehofft, dass sich auf der Frankreichreise daran etwas ändern würde. Er riss sich zusammen und nickte höflich, während Lily mit einem Paar plauderte, das offenbar Bekannte in New York hatte. Um Lily und ihrer gemeinsamen Zukunft willen musste er sich zusammenreißen. Er sah etwas Goldrotes vorbeihuschen und spürte, wie es ihm einen Stich in die Brust versetzte. Doch er sah gar nicht genauer hin, denn er war es gewöhnt, sie überall zu sehen, und er hatte gelernt, den Schmerz zu ertragen und zu warten, bis er wieder verebbte. Stattdessen heftete er seinen Blick auf die offenen Terrassentüren. Es war bereits dunkel, doch die Bäume im Park wurden von farbigen Lampions erhellt. Auch der große Springbrunnen war beleuchtet. Ein Orchester spielte, und eigentlich konnte Seth sich über nichts beschweren. Er war in Frankreich – ein Land, das er immer geliebt hatte – mit seiner zukünftigen Frau, einer Frau, die er sehr mochte, und würde hier Freunde treffen und von allen denkbaren Bequemlichkeiten umgeben sein. Er sollte fröhlich sein. Er sollte zufrieden sein.

«Lady Tremaine, darf ich Ihnen die Gräfin Rosenschöld von Rosenholm aus Schweden vorstellen?», drang eine Stimme durch seine düsteren Gedanken. Erst nahm sein Gehirn die Worte gar nicht auf, sie waren so unwahrscheinlich, dass sie keinerlei Bedeutung hatten. Das war nur wieder so eine Chimäre, mit der sein überreiztes Gehirn ihn quälen wollte. Doch dann hörte er die Stimme, die melodische Stimme.

«Bon soir, Lady Tremaine.»

Er erstarrte. Das war doch nicht möglich. Das musste ein böser Scherz sein, hier machte sich irgendjemand einen Spaß auf seine Kosten. Aus dem Augenwinkel sah er, wie eine große Frau Lily die Hand hinhielt. Schimmernde Seide in der Farbe gefrorener Himbeeren. Eine Wolke aus flammendem Haar. Ein Duft nach Sonne und Kräutern. Er drehte sich um. Beatrice.

«Wie schön, Sie kennenzulernen», sagte Beatrice zu Lily. Lächelnd wechselte sie ins Englische. «Ich habe gehört, dass Sie aus England angereist sind. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Überfahrt?»

Seth war völlig unvorbereitet, als sich der Abgrund vor ihm öffnete. Niemals wäre er auf den Gedanken gekommen, dass Beatrice hier sein könnte. Die schöne Stimme ging ihm durch und durch und riss Wunden in ihm auf, die schon längst hätten verheilt sein müssen. Er starrte die Frau, die ihm das Herz gebrochen hatte, an, während diese freundlich mit seiner zukünftigen Gattin plauderte. Seltsam, er hatte gar nicht gewusst, dass Beatrice auch Englisch sprach.

«Und das ist Herr Hammerstaal, mein Verlobter», sagte Lily.

«Natürlich.» Beatrice legte den Kopf auf die Seite und sah ihn an. «Wir haben uns schon einmal getroffen, wenn ich mich nicht irre.» Sie lächelte, und der ganze Raum begann zu leuchten. Sie war so schön, dass es wehtat. «Bon soir, Monsieur Hammerstaal.»

Er hatte es immer geliebt, sie Französisch sprechen zu hören, und ihre Worte klangen in ihm nach. Der breite Mund lächelte ihn an, und er sah die vertrauten Sommersprossen, die wie goldene Puderpartikel über ihre seidenweichen Lippen verstreut waren. Vielleicht war das wieder nur einer seiner Träume? Mit einem kleinen Zwinkern, als teilten sie beide ein amüsantes Geheimnis, hielt sie ihm die Hand hin.

Seth bekam kein Wort heraus, er konnte sie nur anstarren. War sie ein Hirngespinst? War er zu guter Letzt nun doch verrückt geworden?

«Monsieur?»

Das Stimmengewirr drang wieder in sein Bewusstsein. Er holte tief Luft, gewann die Fassung wieder und verbeugte sich kurz. Beatrice lächelte und nickte, sodass ihre Locken in den Kerzenflammen aufglühten, dann ging sie davon.

Er blickte ihr nach, sah ihren Rücken, die schmalen Schultern und das flammende Haar. Er war in der Hölle.


Ich habe es überlebt, dachte Beatrice und ließ sich zum nächsten Gast treiben. Sie hatte gelächelt, geplaudert und war weitergegangen. Zwar konnte sie sich an kein Wort erinnern, das sie gesprochen hatten, denn ihr Herz hatte so heftig geklopft, dass sie schon befürchtete, sie müsste gleich ersticken. Oder sich übergeben. Doch sie hatte es geschafft. Sie hatte Seths zukünftige Ehefrau kennengelernt, hatte sie formvollendet begrüßt und ein paar belanglose Höflichkeitsphrasen mit ihr ausgetauscht, und dann hatte sie Seth begrüßt – und sie hatte es überlebt. Mit äußerster Mühe zwang sie sich, leichtfüßig weiter durch den Raum zu gehen, als wäre sie völlig unbekümmert. Das Schlimmste war überstanden.

«Guten Abend, meine Schöne», sagte Alexandre, als er geschmeidig zu ihr trat, und zum ersten Mal an diesem Abend lächelte Beatrice wirklich aufrichtig.

Der Prinz blickte zu Seth hinüber. «Jacques Denville und dieser Seth Hammerstaal haben mich vorhin auf einen Whisky eingeladen. Kennst du ihn?» Beatrice antwortete nicht. «Netter Kerl, allerdings ein bisschen schweigsam», fuhr Alexandre fort, während sein Blick an Lily hängen blieb. «Seine Verlobte interessiert sich für Geschichte, deswegen habe ich die beiden für morgen zu einer Rundfahrt durch Rouen eingeladen.»


Seth konnte den Blick nicht von Beatrice losreißen. Während sie sich mit D’Aubigny unterhielt, ging ihm schlagartig auf, welche Ablenkung den Prinzen in Rouen festhielt. Der schwarzhaarige Jüngling verschlang Beatrice geradezu mit seinen Blicken. Alexandre beugte sich zu ihr herunter, und diese intime Geste nahm Seth fast den Atem. Der junge Mann flüsterte etwas, und Beatrice lachte laut, bevor sie ihm einen Klaps mit ihrem Fächer versetzte. Seth schnappte sich ein Glas von einem Tablett, das ein Diener an ihm vorbeitrug.

«Vivienne ist ganz sicher, dass die beiden eine Affäre haben», sagte Jacques nonchalant.

Seth sah seinen Freund an, der neben ihn getreten war und genüsslich von seinem Champagner trank. «Warum erzählst du mir das?», schnauzte er ihn an.

«Hat keinen besonderen Grund, reine Konversation.»

«Ist der nicht viel zu jung für sie?»

Jacques zuckte mit den Schultern. «Er ist der begehrteste Junggeselle hier in der Gegend. Er ist ein Prinz, und er sieht gut aus. Außerdem ist er gar nicht so jung, er ist bestimmt schon über zwanzig.» Er nippte an dem perlenden Getränk. «Du bist dieses Jahr einunddreißig geworden, nicht wahr?»

«Fahr zur Hölle», sagte Seth und leerte sein Glas in einem Zug. Er zog eine angeekelte Grimasse. Calvados. Er hasste Calvados.


«Wie ich sehe, hast du dich bestens für den Krieg gerüstet, chérie», sagte Vivienne kurz darauf zu Beatrice.

«Ich dachte mir, es wäre eine gute Gelegenheit, es einzuweihen», antwortete Beatrice leichthin.

Die Französin ließ den Blick über das enge, tief ausgeschnittene Kleid gleiten. Unter der himbeerrot schimmernden Seide zeichneten sich Beatrices Rippen ab. In diesem Kleid sah sie beneidenswert schlank und groß aus, und zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte Vivienne beinahe, sie wäre auch so groß. «Mademoiselle Colette wusste schon, was sie tat, als sie diese Farbe für dich ausgesucht hat. Sie steht dir wirklich ausgezeichnet», stellte sie fest.

Beatrice nickte in eine unbestimmte Richtung und sagte nonchalant: «Und, was hältst du von ihr?»

«Ich nehme an, du sprichst von Lady Tremaine?» Vivienne nahm einen kleinen goldenen Schluck aus ihrem beschlagenen Glas.

«Sie bleicht sich das Haar bestimmt mit Zitronensaft», murmelte Beatrice. «Und dieses Kleid ist doch einfach nur langweilig. Oder findest du, dass ihr die Farbe steht?»

Vivienne betrachtete die blonde Frau an Seths Seite. «Ich finde, sie ist recht liebenswert», meinte sie nachdenklich.

Beatrice schnaubte. «Sie ist nicht liebenswert», fauchte sie und sah Vivienne gereizt an. «Wenn du mich entschuldigst, ich gehe zu Alexandre und unterhalte mich ein bisschen mit ihm.» Mit diesen Worten ging sie davon.

Nachdenklich sah Vivienne ihrer Freundin nach. Und mit einem Seufzer stellte sie fest, dass Seth Hammerstaal dasselbe tat. Der Arme, er sah völlig schockiert aus. Es war wirklich dumm, ihm nichts zu sagen.

Sie beobachtete, wie Beatrice den Prinzen anstrahlte, der sie spielerisch an ihren widerspenstigen Locken zog. Wieder warf Vivienne einen verstohlenen Blick zu Seth. Über seinen mahlenden Kiefern zuckte ein Muskel. Sie verdrehte die Augen und machte sich auf die Suche nach Jacques. Sie war in der Laune, jemand auszuschelten, und Jacques war genau der Richtige dafür.


«Du bist größer geworden.»

Beatrice blinzelte ihn erstaunt an, und Seth hätte sich die Zunge herausreißen können. Beim Abendessen hatten sie weit voneinander entfernt gesessen, und nach ihrer ersten Begrüßung hatten sie kein Wort mehr gewechselt.

Und jetzt … Du bist größer geworden. Ein idiotischerer Kommentar war ihm wohl nicht eingefallen.

Beatrices Augen glänzten. Ohne seinen Blick loszulassen, ließ sie die Hand über die Hüfte nach unten gleiten und hob den Rock ein wenig an. «Hohe Absätze», sagte sie mit einem angedeuteten Lächeln.

Sein Blick glitt in schwindelerregender Fahrt über die rote Seide nach unten. Er sah einen schmalen Knöchel und dünne Strümpfe. Die Schuhe mit den hohen Absätzen waren mit Juwelen besetzt, und die Steine glitzerten, wenn sie den Fuß bewegte. «Siehst du?»

Er sah.

Nonchalant ließ Beatrice den Saum wieder sinken. Sie nippte an ihrem Wein und sah ihn unter gesenkten Lidern herausfordernd an. Ihre Wimpern wirkten doppelt so lang wie früher, stellte er fest. Jetzt sollte er aber wirklich langsam etwas Intelligentes sagen.

«Und dein Haar ist kürzer.»

Beatrices Augen begannen zu lachen, und er spürte, wie sein gefrorenes Herz ein wenig antaute, obwohl ihm seine idiotische Konversation immens peinlich war. Beatrices Lächeln hätte schon immer einen Toten wärmen können. Gerade wollte er noch etwas hinzufügen, als Alexandre dazukam und sie unterbrach.

«Bon soir, Monsieur Hammerstaal», sagte der Prinz und legte Beatrice mit einem Zwinkern eine Hand um die Taille. «Ich hoffe, ich störe nicht?», fragte er fröhlich.

Seth murmelte etwas Unverständliches, und Beatrice hob die Augenbrauen. Er verbeugte sich steif und ging davon. Das Letzte, was er hörte, war Prinz Alexandres Frage: «Sind die Norweger eigentlich alle so schweigsam?»

Ein ungezähmtes Mädchen
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