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Eine Salve zerriss die Stille, die über diesem heißen Flecken der Wüste lastete. Der Mann am MG wurde durch den Rückstoß der Waffe durchgeschüttelt. Projektile peitschten den Sand zwischen den Männern in den olivfarbenen Tarnuniformen, die auf einen Drahtverhau zurobbten.
In dreißig Zentimeter Höhe pfiffen die Kugeln durch den Drahtverhau.
Zwei der Männer erhoben sich etwas zu hoch über den heißen Sand. Sekundenbruchteile später wurden ihre Körper herumgewirbelt. Ihre Schreie übertönten das wilde Stakkato des MGs, das weiterfeuerte, bis der letzte der Männer den Weg durch den Drahtverhau hinter sich gebracht hatte.
Dann verstummte das Feuer. Hinter den spanischen Reitern fielen die Mitglieder der arabischen Freischärlergruppe schwer atmend zu Boden und blieben liegen, ohne sich nach den beiden Verwundeten umzusehen.
„Schafft sie zum Sanitäter!“, ordnete Abdul Abdalla an und ging in die Baracke am Ende des Übungscamps.
Die Übung war wie immer unter gefechtsmäßigen Bedingungen abgehalten worden. Scharfe Munition. Die meisten hatten mit ihrem Leben abgeschlossen, als sie nach hier gekommen waren.
ALLAHU AKBAR!
Für die meisten der Männer hatte der heilige Krieg schon begonnen, der schon so oft ausgerufen und doch immer wieder vertagt worden war.
ALLAHU AKBAR!
„Vier Männer“, wandte Abdul Abdalla sich an den Mann in der Uniform eines Oberst, der ihn in der Baracke erwartete. „Das ist vollkommen ausreichend.“
Der Oberst strich sich über die Haare und setzte die Schirmmütze wieder auf.
„Es wird zu einem politischen Eklat kommen, wie es ihn noch niemals gegeben hat.“
Der Oberst lächelte. Das interessierte ihn nicht. Es verging kaum ein Tag, an dem sein Name nicht durch die Weltpresse gezogen wurde, in dem man ihn nicht einen politischen Wirrkopf nannte.
„Es wird auch eine Katastrophe geben wie es sie noch niemals zu Friedenszeiten gegeben hat“, antwortete der Oberst. „Es sei denn, die Amerikaner werfen ihre Außenpolitik über den Haufen und liefern an uns die Waffen, mit denen wir die Israelis wieder ins Meer treiben können.“
Abdul Abdalla nickte flüchtig. Er hatte kein Interesse an der Weltpolitik. Für ihn war es ein Auftrag wie jeder andere. Nur mit dem einen Unterschied, dass es der bislang bestbezahlte Job war.
Eine Million US-Dollar, wenn es gelang. 250 000 Dollar für jeden Mann, der sich an diesem Himmelfahrtskommando beteiligte. Ein Kommando, das Blut und Tränen über die Amerikaner bringen würde, die nicht einmal eine Chance hatten, später zum Gegenschlag auszuholen.
Draußen waren die Schreie der Verwundeten verstummt. Einer war inzwischen gestorben, der andere war von Sanitätern weggeschafft worden.
Zusammen mit dem Oberst fuhr Abdul Abdalla in die Stadt. In einem geschlossenen Jeep mit getönten Scheiben, durch die man von außen nicht hindurchsehen konnte.
Der Mann, den sie in einem kahlen Kellerraum vorfanden, sah aus wie der leibhaftige Tod. Die Augen lagen ihm tief in den Höhlen. Das Gesicht war eingefallen. Wie Pergament spannte die Haut sich über den Backenknochen.
Beim Öffnen der Tür verkroch der Mann sich in die äußerste Ecke des Raumes. Er schlug sich die Hände vor das Gesicht und schüttelte den Kopf.
„Nicht mehr!“, schrie er. Tränen rannen ihm über die hohlen Wangen.
Abdul Abdalla grinste, als er sich an den Oberst wandte. „Er gilt als einer der besten CI A-Agenten, die jemals in dieses Land eingeschleust worden sind“, sagte er. „Zerbrochen innerhalb von zwei Tagen. Mit den anderen werden wir kaum mehr Schwierigkeiten haben.“
„Bitte! Nicht mehr!“
Es war kein Mensch mehr, der sich dort an der Kellerwand mühsam in die Höhe schob, dessen Augen flackerten wie eine Kerze, die jeden Moment verlöschen konnte. Er war nur noch eine winselnde Kreatur, die man total gebrochen hatte.
„Wie heißt der Mann?“, fragte der Oberst.
„Ballywater“, antwortete Abdalla. „Sein Bruder wird unser wichtigster Mann bei diesem Unternehmen sein. Also darf dieser Mann nicht sterben. Gehen wir alles noch einmal durch.“
„Bitte, nicht mehr!“, stöhnte Tommy Ballywater. „Warum schießt ihr mich nicht einfach über den Haufen, ihr Hunde?“
Noch einmal flackerte die alte Stärke kurz einmal auf, dann brach er wieder in sich zusammen.
Abdul Abdalla rief einige Leute herein. „Kümmert euch um ihn“, ordnete er an. „In einer Stunde wollen wir wieder vernünftig mit ihm reden können.“
Abdul folgte dem Oberst, der den Raum verließ.
„Wird Ballywater mitmachen?“
Abdul nickte. „Man muss einen Mann zuerst in die tiefste Hölle fallen lassen, Oberst. Für einen kleinen Zipfel des Himmels wird er anschließend seine Seele verkaufen.“