Eng ist es und dunkel. Blum kann sich kaum rühren. Wieder eingesperrt, ausgeliefert. Doch sie ist nicht allein. Neben ihr liegen die Kinder, ganz nah sind sie. Zu dritt auf der Ladefläche eines Autos, eingepfercht in einer Kiste. Geschlossener Deckel, kein Licht, Blum hält sie ganz fest. Uma im rechten Arm, Nela im linken. An sie geschmiegt, Blum kann hören, wie sie atmen. Tief und fest schlafen sie, seit zwei Stunden schon.
Eingesperrt in einem Leichenwagen. Still alles, nur die Straße ist laut. Egal, was passiert, hat er gesagt. Ihr werdet euch nicht rühren, Blum. Keinen Laut von euch geben, falls das Auto stehen bleiben sollte. Wenn du nicht tust, was ich dir sage, ist es für immer vorbei. Er bohrte an mehreren Stellen Luftlöcher in das Holz, in die Seitenwände, so dass man nichts sehen kann, wenn man den Laderaum öffnet. Er legte den Deckel auf den übergroßen Transportsarg und schloss den Kofferraum. Blum hatte keine Wahl, sie hat es hingenommen und sich hineingelegt. Einfach liegen bleiben, still sein, die Kinder festhalten. Einatmen, ausatmen.
Blum weiß nicht, wie lange es dauern wird. Sie weiß nicht, ob sie ankommen wird, ob sie ihm wirklich vertrauen kann. Auch wenn alles, was er gesagt hat, Sinn macht, sie weiß nicht, ob es wahr wird, was er ihr versprochen hat. Ihr werdet heute Abend noch das Land verlassen. Noch eine Chance bekommst du nicht. Kuhn lächelte sie an und machte ihr Mut. Ich weiß, was ich tue, Blum. Mach einfach, was ich dir sage. Du musst dich nur in diesen Sarg legen. Das ist unsere einzige Möglichkeit. In ein paar Stunden ist alles vorbei. Kuhn war sich so sicher. Er sprach darüber, als wäre alles nur eine Kleinigkeit, als wäre es ein amüsantes Spiel, eine Aufgabe, die er noch vor Mitternacht zu lösen hatte. Niemand wird vermuten, dass ihr in einem Leichenwagen durch Deutschland fahrt. Ich kenne einen Reeder, er wird euch an Bord nehmen, ich habe mit ihm telefoniert. Er weiß nicht, wer du bist, und er wird auch keine Fragen stellen. Er schürte Hoffnung in Blum. Sehnsucht nach dieser Zukunft, die da irgendwo im Norden auf sie warten sollte.
Wasser und Bananen auf ihrem Schoß. Für die Kinder, wenn sie Hunger bekommen, wenn sie es nicht mehr aushalten, ohne zu trinken. Ein paar Schlucke nur, weil sie nicht auf die Toilette können. Blum hat Angst vor dem Moment, in dem sie danach verlangen. Mama, ich habe Durst. Mama, ich habe Angst. Bitte lass uns endlich hier raus. Blum betet, dass sie nicht aufwachen, sie weiß nicht, wie lange das Schlafmittel noch wirken wird, das sie ihnen gegeben hat. Wie viele Stunden sie noch zufrieden in ihrem Arm liegen bleiben. Zwei oder drei. Und dann? Sie will es sich nicht vorstellen, die Panik, die Angst. Uma und Nela, wie sie schreien, sich nicht mehr beruhigen lassen. Kein Halten, kein Streicheln, keine Versprechungen, nichts mehr wird es gutmachen. Und deshalb fleht sie sie an. Bitte nicht aufwachen. Bitte schlaft weiter. Ein bisschen noch.
Zwei Kinder in einem Sarg. Auf der Flucht. Betäubt. Blum will, dass es aufhört, sie will daran glauben. Dass es nicht mehr lange dauern wird. Dass Kuhn auf sie aufpassen wird. Sie werden in keinen Unfall verwickelt werden, niemand wird sie aufhalten und kontrollieren, niemand wird den Kofferraum öffnen. Alles wird gut gehen. Bald schon wird er stehen bleiben und sie aus ihrem Gefängnis holen. Wir sind da, wird er sagen. Jetzt müsst ihr nur noch auf das Schiff. Es ist bald vorbei. Kuhn wird die Kinder zum Abschied hochheben, er wird sie noch einmal zum Lachen bringen, und er wird Blum umarmen. Unbedingt will sie daran glauben. Viel Glück, wird er sagen und sie auf die Stirn küssen. Bald schon. Blum wünscht es sich.
Doch da ist kein Licht. Kein Hafen in Sicht. Nichts. Niemand mehr, dem sie trauen kann. Langsam rinnen Tränen über ihre Wangen. Dunkel ist es in der Kiste. Alles, was sie noch hat, liegt in ihren Armen. Alles andere ist egal. Es wird einfach passieren. Wenn der Deckel aufgeht.