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Es herrschte Verwirrung. Im Handumdrehen ging die Neuigkeit im Palast um und verbreitete sich wie ein Buschfeuer in der ganzen Stadt. Das Rätsel des Mordes im verschlossenen Zimmer regte die Phantasie an. In aller Öffentlichkeit brachten die Leute die Morde miteinander in Verbindung, ein Gerücht führte zum nächsten. Am Abend wurden alle Türen fest verschlossen, und nur wenige Leute wagten sich auf die Straße.

Neben Cadades Ringald des Iarvins übel zugerichteter Leiche fanden wir ein Stück Papier in der Form eines Schildes. Der weiße Untergrund war blutbefleckt. Die mit kühnem Strich geschriebene Zahl Eins überdeckte die Bilder eines Schwertes und einer Axt.

Das machte mich nachdenklich. Es hatte bereits drei Morde gegeben, wie konnte der hier die Nummer eins sein? Es sei denn natürlich, sie hatten überhaupt nichts miteinander zu tun. Aber ich war davon überzeugt, daß sie sehr wohl zusammenhingen. Vielleicht sah der Mörder die drei Jurukker als unwichtig an. Er – oder, bei Krun, sie! – hatte mit dem Kapitän der Wache begonnen. Aber wer war dann die Nummer zwei?

Und – würde es nach der Nummer zwei noch weitere Opfer geben?

Diese Morde hatten eine Vorgeschichte. Also besuchte ich den Ersten Pallan in seinem Arbeitsgemach und fragte ihn geradeheraus.

Nachdem wir uns ein paar Bur lang unterhalten hatten, stand ich unvermittelt auf, sagte Remberee und ließ ihn zurück. Er schwor, nichts über die Morde zu wissen. Seine Hände seien sauber, behauptete er, und es sei sein einziger Wunsch, der Geschichte so bald wie möglich auf den Grund zu gehen. Und die ganze Zeit über spürte ich das mächtige Unbehagen, das wie eine unsichtbare Woge von ihm ausging.

Nun wollten die normalen Leute Kregens, die sogenannten kleinen Leute, so ziemlich das gleiche wie ihre Ebenbilder auf der Erde. Sie wollten eine hübsche Frau oder einen Mann, ein nettes Haus, nette Kinder, nette Freunde und eine nette Arbeit, die sie ihr ganzes Leben ausüben konnten – obwohl sich das im Laufe der Jahre veränderte, bei Krun. Sie wünschten sich ein nettes Preysany als Reittier oder eine Mytzer-Kutsche für die Familie, so wie sich eine irdische Familie ein Auto wünschte. Außerdem wollten sie gern an einem netten Ort einen netten Urlaub verleben.

Alle diese hübschen Dinge hätten den normalen Leuten gefallen.

Eine Reihe ungelöster, grausamer Morde vor ihrer Schwelle hingegen gefiel ihnen überhaupt nicht – obwohl sie wußten, daß Kregen ein ungebändigter Ort war.

Älteste der diversen Gilden, Priester der vielen Tempel und ernste Kaufleute machten dem Ersten Pallan ihre Aufwartung.

Das Geschick, mit dem Nath Swantram sie abspeiste, war bewunderungswürdig. Die Morde waren vereinzelte und unglückliche Zwischenfälle. Die Wache war in vollem Alarmzustand. Solange jeder die nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergriff, würde niemandem oder dessen Familie etwas geschehen. Die voneinander unabhängigen Fälle würden bald aufgeklärt sein und die bis jetzt dem Galgen entkommenen Mörder ihre gerechte Strafe erhalten.

O ja, er machte seine Arbeit wirklich gut, er ließ nicht einmal zu, daß die Angelegenheit bis zur Nazabni weitergetragen wurde. Der Erste Pallan würde sich um alles kümmern, so wie er sich immer um alles kümmerte.

Nachdem ich Ihnen von den Wünschen der sogenannten kleinen Leute erzählt habe, muß ich unbedingt hinzufügen, daß auch auf Kregen die Flamme des Ehrgeizes hell lodert. In gewissem Sinn stellte dieser feine Nath der Clis die ideale Verkörperung derartiger Wunschträume dar. Vergleiche zwischen Kregen und der Erde sind trügerisch. Man darf niemals außer acht lassen, daß sich Kregen in vielerlei Hinsicht von der Erde unterscheidet. Es besteht kein Zweifel, daß die Erde eine wunderbare Welt ist. Das habe ich schon früher gesagt. Es gibt noch viel, was sich über Solterra in Erfahrung zu bringen lohnt. Aber die Erde ist nicht Kregen.

Das Söldnerhandwerk ist hier ein weitverbreiteter Brauch. Jedes gewöhnliche Mädchen und jeder Junge können Paktun werden, und wenn sie Glück haben und mutig und resolut sind, nun – dann können sie die Welt erobern! Das brachte mich auf den Gedanken, ob es wohl von Bedeutung war, daß es sich bei allen vier Mordopfern um Paktuns handelte.

Kurz nach der Stunde des Mid erhielt diese Theorie neue Nahrung. Zwischen den Abfällen im Hof des Skoll und Durkon, einer üblen Spelunke, die von jenen besucht wurde, denen die nötigen Mittel für ein besseres Gasthaus fehlten, fand man einen Rapa – oder das, was von ihm übriggeblieben war. Normalerweise hätte man diesen Mord einem Streit zwischen den Tavernengästen zugeschrieben. In diesem Fall stand aber der schreckliche Ausdruck schieren Entsetzens unauslöschlich in das Gesicht des Rapa gestempelt.

Er war ebenfalls Paktun und Angehöriger der Palast-Juruk.

Es war kein schildförmiges Papierstück mit der Aufschrift ›Nummer zwei‹ zu finden.

Diese Fakten schienen meine dürftige Theorie zu stützen. Der beste Punkt, eine Untersuchung zu beginnen, war am Anfang. Es gab keinen offenkundigen Grund, warum Ringald der Iarvin diesen bestimmten Raum betreten sollte. Es handelte sich um eine Kammer der Dienerschaft, in der der Kapitän der Wache normalerweise nicht anzutreffen war.

Also befahl ich den Wächter zu mir, der Alarm geschlagen hatte.

Der Jurukker, Banko der Dunkelhäutige, war ein Apim.

Er betrat den kleinen Raum, den Nath der Clis mir als Arbeitsgemach zur Verfügung gestellt hatte, und nahm Haltung an. »Setz dich, Banko.« Ich schob den Krug Ale und einen Becher über den Tisch. »Nimm dir eine Erfrischung.«

Er gehorchte mit dem Eifer eines Swods, der immer zum Vorschein kam, wenn etwas zu trinken in der Nähe war.

Er war noch nicht lange Mitglied der Palastwache und machte einen vielversprechenden Eindruck. Er hatte den Blick fest auf die nächste Sprosse der Paktunleiter gerichtet, den bronzenen Pakchav. Ich mußte ihn gelegentlich ermuntern, aber dann erzählte er alles, was er gesehen hatte.

Der Cadade hatte das Frühstücksgemach verlassen, um den Vormittagsappell abzunehmen. Banko hatte beobachtet, wie er plötzlich stehenblieb, sich »wie eine gejagte Ratte umschaute« und sich dann förmlich in den besagten Raum warf und die Tür mit lauten Knall zuwarf. Banko hatte gehört, wie die Riegel vorgeschoben wurden.

Das schien alles zu sein. »Warst du allein, Banko?«

»Nun – ehrlich gesagt, nein. Ein Mann hielt sich im Korridor auf, der ebenfalls alles beobachtete. Er fragte mich, was das alles zu bedeuten habe.«

Der nächste Schritt lag auf der Hand; ich bat darum, den zweiten Zeugen zu holen.

Man spürte ihn auf, er betrat den Raum, und ich erwies ihm die gleiche Höflichkeit wie Banko. Sein Name war Nalgre Nevko, ein ehrenwerter Herr aus Vallia. Er war Paktun mit einem silbernen Pakmort, der erst kürzlich mit einer hübschen Summe Erspartem nach Vallia zurückgekehrt war und sich dort eine Existenz aufbauen wollte. Trotz der lässigen Art, wie er auf dem Stuhl saß, vermittelte er mir den deutlichen Eindruck eines entschlossenen Mannes, der als Koter Vallias noch von sich reden machen würde. Er war die Höflichkeit in Person, und die ›Majister‹ sprudelten ihm nur so über die Lippen.

»Ja, Majister, ich habe gesehen, wie der arme Teufel in den Raum lief. Ich konnte es nicht verstehen. Ich war selbst Cadade.«

Wir unterhielten uns kurz und angeregt über die Orte, an denen er gedient hatte, und ich erwärmte mich für ihn, so von einem alten Paktun zum anderen. Meinem Eindruck nach verfügte er über eine tiefverwurzelte Charakterstärke, und ich hatte das Gefühl, daß sich ein Kamerad in den Wirren der Schlacht an seiner Seite gut aufgehoben fühlen konnte.

Er war zu jung, um während der Zeit der Unruhe gedient zu haben, und er erzählte, seine ganze Familie sei zu den Grauen gegangen. Nun wollte er sich niederlassen und ein produktives Leben zu Vallias Gunsten führen, um ihren Glauben in ihn zu rechtfertigen. Dann fügte er noch hinzu, er würde gern ein gemachter Mann werden, bei Vox!

Er trug ordentliche vallianische Lederkleidung – und Rapier und Main-Gauche. Wie bei Jiktar Yavnin Purvun war sein Haar eine Spur heller als in Vallia üblich. Auf der linken Wange hatte er eine kleine Narbe. Als wir einander Remberee wünschten, hustete er. »Ich habe unsere Unterhaltung genossen, Majister.«

»Ich auch, Nalgre. Sollte dir noch etwas einfallen, gib mir sofort Bescheid. Das ist eine ernste Angelegenheit.«

Die dünnen Lippen in dem harten Gesicht, die sich gerade zu einem Lächeln verziehen wollten, schlossen sich wieder mit einem Ruck. Er nickte. »Ja, Majister, eine böse Geschichte.«

Als er gegangen war, ließ ich noch einmal in Gedanken Revue passieren, was er gesagt hatte – oder vielmehr, was er nicht gesagt hatte. Er interessierte sich für Antiquitäten. Nun, auf Kregen interessieren sich viele Leute für Antiquitäten. Sie entdecken mit Vergnügen alte Grüften und Grabhügel. Sie gehen auf Schatzjagd. Es besteht ein gewisses Interesse an der Vergangenheit aus dem Blickwinkel eines Historikers, aber es ist nicht sonderlich weit verbreitet. Nalgre Nevko hatte mich nicht frei heraus um Hilfe gebeten; von den Dingen, die er nicht gesagt hatte, war das das wichtigste. Allerdings hatte er sich eine Einladung zum Frühstück verschafft; die Nazabni war verschwunden, und so mußten alle geschäftlichen Angelegenheiten, die er zur Sprache bringen wollte, verschoben werden.

Bei seinem Charakter hätte er garantiert nicht das Wort ›aufgeben‹ gebraucht.

Wie Sie wissen, habe ich oft Menschen geholfen, die es verdient haben, da ich mich gut an meine in Armut verbrachten Tage auf der Erde erinnern kann. So, wie es aussah, würde der nächste, dem ich unter die Arme griff, Nalgre Nevko sein.

Was nun mein Interesse an den Morden anging, nun, das konnte man meiner gesunden Neugier zuschreiben, abgesehen davon, daß ich Didi ein Versprechen gegeben hatte. Wir werden mit Problemen konfrontiert, damit wir sie lösen.

Um das zu erreichen, schrieb ich einen Brief und ließ einen von Naths Boten nach Vondium reisen, um ihn zu überbringen. Der Empfänger war Naghan Raerdu. Richtig, Sie kennen diesen Namen. Aber es handelte sich nicht um Naghan das Faß, der viele Perioden lang mein persönlicher Meisterspion gewesen war. Dieser neue Naghan Raerdu war der Enkel. Er war so dünn wie ein Lederriemen, während sein Großvater so dick wie – na, eben so dick wie ein Faß gewesen war.

Naghan Raerdu beherrschte das Spionagehandwerk gut. Sein Vater hatte den Beruf eines Zorcazüchters gewählt und war auch erfolgreich darin gewesen. Und so hatte der Großvater dem Jungen seine Geschichten erzählt, die den jungen Naghan mit einer solchen Begeisterung erfüllten, daß er an die Stelle seines Großvaters trat. Ich hatte ihn willkommen geheißen. Schmal wie eine Latte, fiel er nirgendwo auf, genau wie sein dicker Großvater. Der Brief wies ihn an, seine Fähigkeiten in Gafarden unter Beweis zu stellen.

Er hatte sich einen Spitznamen verdient: Naghan der Unscheinbare. Das bezog sich auf seine Gestalt. Für die wenigen Leute, die seine Qualitäten kannten, beschrieb der Beiname auf ideale Weise seinen Charakter und sein Talent.

Am darauffolgenden Morgen begannen die Festlichkeiten des Gedenktages an Opaz den Glorreichen. Man würde Gottesdienste abhalten, viel tanzen und singen und in Prozessionen die Alleen entlangziehen. Die Bürger würden über die blumenbestreuten Straßen tanzen und unablässig die Hymne ›Oolie Opaz! Oolie Opaz!‹ intonieren. Das würde sich den ganzen Tag über hinziehen, bis die Sonnen von Scorpio untergingen und wir uns erschöpft für ein paar Erfrischungen in die Tavernen und Gasthäuser zurückziehen konnten – um, da wir in Vallia waren, weiterzusingen.

Da ich der Herrscher von ganz Paz war – ha! –, hatte ich notgedrungen zu erscheinen und würde die Nazabni Ulana Farlan begleiten. Das wiederum war mir sehr willkommen, da ich noch mehr über die Dame in Erfahrung bringen mußte, bevor ich mein Urteil fällen konnte. Nun, der Feiertag nahm seinen vorherbestimmten Lauf. Eine kleine Gruppe bestieg ein schmales Boot, um in den Palast zurückzukehren. Es überraschte mich nicht, daß sich Jiktar Yavnin Purvun unter den Leuten befand, schließlich war er der personifizierte Held. An seiner Seite war natürlich die Dame Ahilya Vorona, die sich an seinem Arm festklammerte.

Der Pallan der Kanäle, ein feister Mann namens Lorgon ti Thrandor, dessen Frau Thisi noch feister war, schritt mit stolzgeschwellter Brust umher, da er sich in einer so bedeutsamen Gesellschaft bewegte. Der Rest der Gruppe setzte sich aus zwei Pärchen, die sich eigens für diesen Anlaß gebildet hatten, sowie Nalgre Nevko zusammen. Zweifellos hatte es ihn Gold gekostet, um an eine Einladung zu kommen. Ich konnte es ihm nicht allzusehr verübeln.

Nath Swantram, der Erste Pallan, bestieg ein anderes Boot, um die wichtigen Leute an Bord mit seiner Person zu beehren. In guter Stimmung ruderten wir die Kanäle entlang, das Wasser schimmerte im letzten Licht der Sonnen smaragdgrün und rubinrot. Die Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln erhob sich in den sterngesprenkelten Himmel und beglückte uns mit ihrem lächelnden rosafarbenen Schein.

Der Tag war ein Erfolg gewesen, und als wir auf den abzweigenden Kanal zusteuerten, der uns zum Palast bringen sollte, kamen Wolken auf und verhüllten das Antlitz der Sterne sowie der Jungfrau.

Schatten hüllten uns ein, und die hübschen bunten Laternen, mit denen das schmale Boot ausgestattet war, brannten als helle Lichtpunkte. Sie sorgten für eine gewisse Helligkeit. Der Bootsführer in seiner Feiertagsuniform kannte den Weg und steuerte uns zielstrebig in die Mündung des Nebenkanals. Für den Augenblick fuhren wir allein. Ohne die Begleitung anderer Boote. Wir folgten der Krümmung des Kanals, unser Kielwasser fächerte sich auf, ein geisterhaftes Grau auf der dunklen Oberfläche.

»Was ...!« rief der fette Lorgon ti Thrandor. Der Pallan der Kanäle mochte dick und unnötig geschäftig sein, aber er verstand seine Arbeit. Das Boot schabte an einer hölzernen Anlegestelle vorbei, die Passagiere wurden aus dem Gleichgewicht gebracht. Alle hielten sich krampfhaft fest. Das finstere Wasser neben der Reling – o nein, Dom, vermeide um jeden Preis einen Sturz in die Kanäle Vallias!

Der wütende Ruf des Pallans wurde von einem markigen, häßlichen Geräusch abgewürgt.

Der Griff eines Wurfmessers ragte aus seinem Hals. Als seine Frau entsetzt aufschrie, brüllte Jiktar Yavnin: »Alle ans Ufer, sofort! Bratch!«

Verwirrtes Geschrei und hektische Bemühungen setzten ein, als die Passagiere ans Ufer sprangen oder stolperten. Ein Seitenblick verriet mir, daß der Bootsführer ins Wasser sprang und mutig auf das andere Ufer zuhielt. Der Rast war also an der Verschwörung beteiligt.

Da wir Koter aus Vallia an einem Feiertag unterwegs gewesen waren, trugen wir nur Rapier und Main-Gauche. In der zu Tode erschrockenen Gesellschaft gab es nur zwei Männer, die Widerstand leisten konnten – Yavnin Purvun und Nalgre Nevko. Oh, und ich.

Als die beherzten Honoratioren und ihre an der Schwelle zur Ohnmacht befindlichen Damen blindlings in die Büsche flüchteten, um dort nach einem Versteck zu suchen, berührte eine kleine Hand meinen Arm. Nazabni Ulana Farlan stand neben mir. In der anderen Hand hielt sie einen langen vallianischen Dolch. Ich weiß nicht, warum, aber mir fiel sein hübscher Ronilgriff auf.

Sie deutete mit einem angespannten Nicken auf die schwarz vermummten Attentäter, die uns entgegenstürmten. »Sie haben es auf mein Leben abgesehen.«

Der vorderste Stikitche schleuderte ein Messer. Das Ding funkelte einmal auf und prallte dann gegen die Klinge meines Rapiers, das vor Ulanas Brust schnellte. Bevor weitere Terchicks geworfen werden konnten, hatten uns die Meuchelmörder erreicht. Sie waren zu sechst. Wir waren zu dritt, dazu kam eine verängstigte kleine aber tapfere Frau mit einem Dolch.

Nun wissen Stikitche mit den Attentäterwaffen ihres widerwärtigen Handwerks umzugehen. »Bleib hinter mir!« fauchte ich Ulana kurz angebunden an.

Sie schnappte nach Luft, also stellte ich mich kurzerhand vor sie. Als sich die Klingen kreuzten, brachte das Kreischen aufeinanderprallenden Stahls die warme Nachtluft zum Erzittern. Eines muß man Nalgre und Yavnin lassen, meinen Gefährten in dieser Nacht; sie bewährten sich. Der eine war ein Mort-Paktun, was für sich selbst spricht, der andere Offizier des vallianischen Luftdienstes. Ihre Rapiere blitzten fröhlich.

Obwohl dieser Art von Kampf, die man unter solchen Umständen bemühen muß, wenn man überleben will, nichts Fröhliches anhaftet, bei Kurins Klinge.

Der erste wilde Schlagabtausch ergab einen toten Meuchelmörder, einen, der sich wie betäubt die Schulter hielt, von der sein Arm nutzlos herunterbaumelte, und einen dritten, der rücklings ins Gras stürzte, wo ihn Nevko sofort durchbohrte. Außerdem trug Yavnin einen langen Schnitt auf der Wange davon.

Als die Attentäter sich zu einem zweiten Angriff formierten, erscholl aus den Schatten der Büsche ein Ruf. »Ihr Shints! Ich werde eure Leber und eure Nieren zum Frühstück verspeisen!«

Eine Gestalt stürmte heran, während sich der Himmel aufklärte. Sie trug Feiertagskleidung und schwang ein Schwert. Im nächsten Augenblick hieben wir wieder aufeinander ein. Nun, da die Chancen gleichmäßig verteilt waren, was unsere Anzahl betraf, neigte sich das Schlachtenglück zu unseren Gunsten. Der Stikitche, der nur noch einen Arm benutzen konnte, kämpfte entschlossen, aber er stürzte zu Boden, als ihm der Neuankömmling einen hart geführten Schnitt den Hals entlang versetzte. Yavnin durchbohrte seinen Gegner. Nevko, der gewandt einem Vorstoß auswich, beschrieb mit seinem Rapier einen flachen Bogen. Er schlug dem Attentäter fast den Kopf ab. Rapiere können nicht nur zustechen, sie können auch tödliche Hiebe ausführen.

Im rosigen Licht des Mondes verfärbte sich das Gras dunkel. Die Frauen, die sich zwischen den Büschen verbargen, bemühten sich um absolute Stille; es gelang ihnen, ihre Schreie zu einem durchdringenden Stöhnen abzuschwächen. Wir blickten uns um. Wir waren ziemlich aufgebracht. Stikitche sind bestenfalls unerfreulich, und dieser Angriff stank nach Verrat.

Die Dame Ahilya stürzte auf Yavnin zu und packte ihn am Arm. »Bist du unverletzt? Bist du unverletzt?«

»Ja. Sieh nicht zu den Leichen hin.«

Nazabni Ulana schob den Dolch in die Scheide zurück. Sie hatte wieder an Farbe gewonnen. »Wo sind meine Leibwächter?«

Wer auch immer dieses mörderische Attentat organisiert hatte, hatte auch die Wächter ausgeschaltet. Die genauen Umstände müßte man noch in Erfahrung bringen. Als die wichtigen Funktionäre aus dem Schutz der Büsche kamen und ihre Frauen beruhigten, wandte ich meine Aufmerksamkeit dem ungestümen Fremden zu. Er hatte ›Shints!‹ gerufen, und bei dem Schwert, das er so wirkungsvoll einzusetzen wußte, handelte es sich um einen Lynxter. Doch er sah wie ein Vallianer aus, trotz der grobschlächtigen dunklen Gesichtszüge und der vollen Lippen. Er säuberte die Klinge an der schwarzen Kleidung eines toten Meuchelmörders. Die anderen plapperten alle aufgeregt durcheinander und verkündeten, wie schrecklich dieser Zwischenfall doch gewesen sei. Ulana hielt sich tapfer, doch mir entging nicht, daß die fest aufeinandergedrückten Lippen leicht zitterten. »Laßt uns zum Palast gehen!« sagte sie aufgebracht.

»Ich bediene die Ruder«, verkündete Yavnin. »Alle Mann an Bord.«

Nach einem solchen möglicherweise todbringenden Zwischenfall verhalten sich Menschen oft sehr merkwürdig. Je schneller alle im Palast waren, einen ordentlichen Schluck zu sich nahmen und wieder zur Normalität zurückkehrten, desto besser.

Ich ging auf den Fremden zu, der sein Schwert säuberte. »Llahal und Lahal. Wir stehen in deiner Schuld.«

»Llahal und Lahal. Ich habe Stikitche noch nie ausstehen können, Dom.«

»Wie kommst du hierher? Das liegt doch ziemlich abgelegen.«

Er blickte sich um, und die kantigen Züge wurden weicher. »War für einen Kuß und zum Schmusen hier. Aber die Dame hatte Bedenken – bei Vox! Was ist mit ihr geschehen?«

Er drehte sich auf dem Absatz um und lief zurück zu den Büschen. »Dein Name, Dom?« rief ich ihm hinterher.

»Tobi Vingal!« rief er zurück.

»Komm morgen früh zum Palast – melde dich beim Kommandanten der Wache!«

Er verschwand in den Schatten. Falls die Dame Bedenken gehabt hatte, hatte sie vermutlich das Weite gesucht. Das Kampfgetöse war kein Anreiz, auf Tobi Vingal zu warten.

Das Mondlicht hatte sich auf einem bronzenen Metallstück an seiner Kehle gespiegelt. Er hatte auf mich den Eindruck eines sympathischen Draufgängers gemacht. Ich drehte mich um und kehrte zum Boot zurück, und Jiktar Yavnin Purvun ruderte uns zu Ulanas Palast.