7
Keine Zeit für die Bogen. Man konnte sich nur kopfüber in den Kampf stürzen.
Auf Kregen tragen Kämpfer und Kämpferinnen gewöhnlich eine Vielzahl von Waffen, selbst während einer friedlichen Abendmahlzeit. Die Krozair-Klinge glitt aus der Scheide. Die Krötenmenschen kreischten und quakten ihr gutturales Stakkato und schwärmten aus den rot und grün gefärbten Schatten. Wir stellten uns ihnen entgegen. Ein wilder Kampf begann, während die letzten Strahlen von Zim und Genodras in Dunkelheit übergingen.
Die verdammten Schnarler, die aus ihren Sumpfbehausungen krochen, um unschuldigen Reisenden aufzulauern. Alle ihre Stämme waren Banditen, Drikinger, die wahllos töteten und sich nahmen, was sie von Karawanen stehlen konnten, deren Verteidigung nicht ausreichend war. Wir mußten uns wehren, uns blieb keine andere Wahl.
An Segs prachtvollem Körper traten die Muskeln hervor, als er das Schwert schwang und abwechselnd draufschlug und zustieß. Hikdar Frazans Krozair-Schwert durchteilte todbringend die Luft, denn er war ein Krozair-Bruder von Zamu. Rollo, der um jeden Preis mithalten mußte, setzte seinen Drexer mit dem geschickten Können ein, das man ihm zu Hause in Esser Rarioch beigebracht hatte. Die Wächter kämpften verbissen, harte Berufskämpfer, die sich ihren Lohn verdienten.
Aber die Mädchen!
Die beiden Prinzessinnen von Vallia, beides Schwestern der Rose, beides Herrinnen ihrer Künste, schlugen Schneisen der Vernichtung in die quakenden Krötenmenschen.
Ihre Peitschen hatten sie steckengelassen. Aus ihren rechten Fäusten ragten schlanke Rapiere, die durchbohrten und aufspießten. Aber was die linken Fäuste anging!
Ihre Klauen funkelten im gelben Licht unserer Laternen. Aber schon bald überzog eine dunkle Schicht aus Blut den rasiermesserscharfen hellen Stahl und raubte ihm jeden Glanz. Schnarlerblut tropfte von Köpfen, denen nun das Gesicht fehlte: Es war so rot wie das eines Apim.
Der Kampf breitete sich auf das ganze Lager aus. Die Schnarler kämpften um Beute, wie es ihr räuberischer Lebensstil verlangte. Wir kämpften um unser Leben.
Die Rivalität in Liebesdingen war für den Augenblick vergessen, als die beiden Prinzessinnen Seite an Seite kämpften und dabei einen großartigen Anblick boten; ihre geschmeidigen Gestalten krallten gnadenlos nach den närrischen Krötenkreaturen, die sie überwältigen und zu Boden zerren wollten. Wir alle kämpften mit der verzweifelten Hingabe derer, die ihr Leben retten wollten.
Aber wir bekamen unseren Teil ab. Ein Wächter – ich glaube, sein Name war Nalgre der Fornstetter – taumelte zurück; aus seinem Nacken ragte das Schwert, das man ihm dort hineingerammt hatte. Er wollte dem Krötenmann, der ihm diese Verletzung zugefügt hatte und nun versuchte, seine Waffe aus der Wunde zu ziehen, den Leib aufschlitzen. Er schaffte es nicht. Blutüberströmt brach er zusammen. Ich wollte zu ihm hin, aber Seg kam mir zuvor. Seine Klinge glitt durch die Luft, und der Schnarler stand kopflos da.
Einen winzigen Augenblick lang kam es zu einer jener ungewöhnlichen Atempausen, die in Kämpfen auftreten, wenn außergewöhnliche Anstrengungen hohe, kraftraubende Anforderungen an die Muskeln stellen. »Hast du die Mädchen gesehen, mein alter Dom?«
»Aye. Großartig. Trotzdem sollten wir sie im Auge behalten.«
Wir blickten uns wild im Laternenlicht um, blutbespritzt, nach Atem ringend, während sich die nächste Angriffswelle formierte.
Nalgre der Fornstetter wand sich noch immer mit zuckenden Gliedmaßen am Boden. Er konnte nicht sprechen. Sein brennender Blick schien uns zu verschlingen. Seg beugte sich über ihn. »Alles in Ordnung, Dom. Du wirst bald die sonnigen Hochländer sehen.« Nalgre der Fornstetter spürte den beruhigenden Druck von Segs breiter Hand auf der Schulter und starb.
Im nächsten Augenblick steckten wir wieder im Handgemenge. Schwerter schlugen Wunden. Blut floß und versah das Gras mit schmierigen Flecken. Wir behaupteten unsere Stellung – gerade so eben.
Sollten Sie nun den Eindruck gewonnen haben, daß ich, Dray Prescot, Vovedeer, Lord von Strombor und Krozair von Zy, diesen widerwärtigen Kampf genoß, so kennen Sie mich schlecht. Bei Zim-Zair! Ja, der Kampf hat mich während meines ganzen Lebens auf Kregen verfolgt. Bis zum heutigen Tag verfolgen mich die Erinnerungen an viele Schlachten und Scharmützel. Jegliches Blutvergießen widerstrebt mir, selbst wenn es sich um das Blut bösartiger Leute handelt, die mich und meine Freunde töten wollen. Aber Vaol-paol, das große Rad des Lebens und des Todes, dreht sich gnadenlos. Wir hatten diesen Kampf nicht gewollt, aber wir mußten kämpfen.
Ich schlug zu, sprang beiseite und schlug erneut zu, und die ganze Zeit über war ich mir voll bewußt, daß diese Schnarler aus dem Sumpf lediglich ihren Instinkten und ihrem Lebensstil gehorchten. Wie der Skorpion taten sie das, was sie taten, weil sie waren, was sie waren.
Und dennoch, bei der widerwärtigen Leber und dem schwindenden Augenlicht Makki-Grodnos, da sie Didi und Velia töten wollten, ganz zu schweigen von Seg und Rollo und den anderen Mitgliedern unserer friedlichen Gruppe, mußte man sie aufhalten. Für immer.
Der verdammte Skorpion aus der Fabel hatte sich für eine Menge zu verantworten, bei Krun!
Unsere Verteidigung war so verbissen, und die Schnarler erlitten so große Verluste, daß ihr Angriff ins Stocken geriet. Auf meiner Seite zogen sie sich ein Stück zurück. Ihre quakenden, kreischenden Schreie ertönten weiterhin, ein mißtönendes Konzert, das sich aus schierem Haß, Wagemut und dem Verlangen zusammensetzte, den Gegner einzuschüchtern. »Nein! Didi!« Seg hatte den Schrei ausgestoßen, und er klang wie ein ausbrechender Vulkan.
Ich fuhr herum. Didi kauerte auf einem Knie. Ihre blutverschmierte Klaue umklammerte den Speer eines Krötenmannes. Das Rapier hatte sie verloren. Der Schnarler hob die andere Hand. Stahl funkelte unheilverkündend im Licht der in Bewegung geratenen Laternen.
Ohne eine bewußte Entscheidung zu treffen, allein vom Instinkt geleitet, riß ich das Wurfmesser aus der Scheide hinter der rechten Schulter und warf es.
Ein verfluchter, vom Teufel geleiteter Schnarler trat zwischen Didi und mich. Die weißen Hautfalten an seiner Kehle pulsierten, als er seine Krötenschreie ausstieß. Der Terchick bohrte sich in das fette vibrierende Fleisch, blieb dort stecken und warf ihn zu Boden. Aber Didi stand ihrem Angreifer jetzt allein gegenüber und versuchte sich vergeblich zu verteidigen, während der Krötenmann den Dolch nach unten sausen ließ.
In diesem Augenblick hob Hikdar Frazan die Krozair-Klinge, ergriff die Gelegenheit und warf sie.
Die tödliche, funkelnde Klinge bohrte sich in dem Moment in den Krötenmann, als sein Dolch zustieß.
Der Schnarler wurde blutend nach hinten geschleudert. Mit einem Sprung wie ein Leem war Frazan über ihm. Sein Dolch vollendete das Werk, das sein Krozair-Langschwert begonnen hatte. Der Krötenmann zuckte noch einmal.
»Didi!«
Der verzweifelte Aufschrei kam von Velia, die gerade mit drei Schnarlern beschäftigt war, die von vorn und der Seite kamen. Noch während ich mich in Bewegung setzte und sich meine Eingeweide vor schrecklicher Sorge verkrampften, kam Rollo wie aus dem Nichts angesprungen. Sein Drexer, der mit gewissenhafter Kunstfertigkeit geschwungen wurde, grub sich in den Schnarler, der vor Velia stand. So hatten die beiden nun diese Flanke gedeckt, so daß ich – mit der nötigen Demut und einem farbigen Chustofluch, wie ich zugeben muß – den Krötenmännern entgegenlaufen konnte, die durchgebrochen waren, um Didi ernsthaft zu gefährden.
Was dann geschah, war nicht hübsch. Nun, bei Zair, Kampf und Krieg bieten nur wenig, was man als hübsch bezeichnen könnte. Mir kam es so vor, als ginge der Waffengang plötzlich in aller Stille weiter. Dabei war mir bewußt, daß ich Hiebe austeilte, zustieß, mich duckte, herumfuhr, um Krötenmänner von der Seite aufzuschlitzen. Natürlich spritzte überall Blut. Nach einiger Zeit vernahm ich Segs Stimme, die wie durch einen Schleier zu mir durchdrang. »Sie sind alle geflohen, mein alter Dom.« Er seufzte. »Didi lebt, aber sie ist verletzt.«
Ich zitterte am ganzen Leib; jedes Glied, jeder Teil, jedes Atom von mir zitterten. Didi!
Ich fuhr mir flüchtig über die Augen, drückte den Rücken gerade durch und fragte: »Wie schlimm?«
Segs starke, tiefe Stimme beruhigte mich. »Sie wird es überleben. Das Bad im Heiligen Taufteich von Aphrasöe garantiert, daß sie sich erholen wird. Trotzdem braucht sie schnell eine Nadelstecherin oder einen Nadelstecher. Und zwar sehr schnell, möge Erthyr der Bogen uns wohlgesonnen sein.«
Meine Sicht klärte sich, und der rote Nebel verschwand. Ich blickte mich entsetzt auf dem vom Licht der Laternen erhellten Platz um. Überall verstreut lagen Stücke von Krötenmännern. Schmierige dunkle Flecken zeigten an, wo Blut geflossen war. Ich schüttelte den Kopf.
»Seg. Seg. Das war eine böse Geschichte.«
»Aye. Und jetzt ...«
»Jetzt ...« Ich wandte den Kopf. »Rollo! Geh ins Lupu! Schaff einen Voller her! Gib König Zeg Bescheid! Los!«
Rollo antwortete nicht. Er begann augenblicklich mit seinen Vorbereitungen. Nun hatte sich Rollo der Läufer nie mit der Vorstellung anfreunden können, sich ins Lupu zu versetzen und die seltsame Existenzebene zu betreten, auf der er sich auf ganz Kregen frei bewegen konnte. Er war zusammengezuckt, als Khe-Hi mit ihm Kontakt aufnahm. Seit der Zeit, als ich ihn in Loh kennengelernt hatte, war er in dieser Disziplin viel besser geworden. Tatsächlich war er jetzt ein richtiger Zauberer aus Loh. Lauter als beabsichtigt fügte ich hinzu: »Und sag ihm, er soll Ärzte und Krankenschwestern an Bord gehen lassen!«
Mit ausgebreiteten Armen vollführte Rollo das arkane Ritual; zuerst drehte er sich langsam, dann aber immer schneller, bis er um die eigene Achse wirbelte. Die erfahrenen, älteren Zauberer aus Loh konnten praktisch übergangslos ins Lupu gehen. Ich sah ihm zu, während ich mich vor Sorge um Didi ganz fiebrig fühlte, konnte aber nicht einmal in diesem Augenblick den Gedanken unterdrücken, daß Ra-Lu-Quonling – denn das war Rollo des Läufers richtiger Name – die Ausübung seiner Zauberkünste früher oder später leichter fiele. Vermutlich früher. Rollo war ein guter Kamerad.
Ich ließ ihn in Ruhe arbeiten, warf noch einen traurigen Blick auf das blutige Feld und ging los, um Hikdar Frazan zu finden. Als Krozair von Zamu hatte Frazan die Ehre der Krozairs auf großartige Weise aufrechterhalten.
Ich grüßte ihn, wie es sich unter Krozair-Brüdern gehörte; ich benutzte den vorgestellten Ehrennamen.
»Pur Frazan!«
Er sah sich um und nahm Haltung an. »Pur Dray!«
Es war offensichtlich, was ich sagen wollte, es war eigentlich sogar überflüssig. Trotzdem wollte ich es verdammt noch einmal sagen.
»Dir gehört mein ehrlich gemeinter Dank, Pur Frazan. Es war ein großartiger Wurf. Du hast Prinzessin Didi gerettet.« Dann fügte ich, weil die freundliche Rivalität zwischen den Krozair-Orden am Binnenmeer von Turismond auf lebhafte Streitgespräche angewiesen ist, noch hinzu: »Der Wurf hätte von einem Krozair von Zy stammen können.«
»Ha!« Sein offenes, freundliches Gesicht mit den unglaublich blauen Augen verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Oh, Pur Dray, ich wage zu behaupten, daß ein Bruder von Zy vermutlich verfehlt hätte.«
O ja, ein prächtiger Bursche!
»Ich denke, Zamu dürfte näher als Zandikar sein«, fügte Frazan dann in ernsterem Tonfall hinzu.
Ich rief mir die Landkarte ins Gedächtnis. Zamu lag sicherlich ein Stück südlicher an der Küste; zwischen Zamu im Osten und Zandikar im Westen lag das Vorgebirge mit dem Namen Nase des Zogo, das sich in nordöstliche Richtung erstreckte. Aber Frazan kam vom Auge der Welt, nicht von den Küstenländern des Ozeans oder den anderen Kontinenten.
»Ja, das ist richtig«, sagte ich kritisch, »aber du denkst doch bestimmt daran, mit unseren Zorca dorthin zu reiten. Ein Flugboot ist auf dem Weg. Das macht den Entfernungsunterschied unbedeutend.«
Er runzelte die Stirn. »Nun ... ich nehme an ...«
»Noch einmal meinen tief empfundenen Dank und mein ehrlich gemeintes Kompliment zu deinem Wurf.«
»Es handelte sich um Prinzessin Didi«, lautete seine Antwort.
An Bord des eintreffenden Vollers wären Ärzte und Schwestern. Didi war in Zandikar mehr zu Hause als in Zamu. Es gab keinen Grund, meine Entscheidung noch einmal zu überdenken.
Rollo kauerte mittlerweile am Boden, den Kopf in den Nacken geworfen. Seine Augen zeigten nur noch das Weiße. Er schwitzte. Sein Ib war irgendwo auf den ätherischen Ebenen unterwegs und überbrachte unseren dringenden Hilferuf. Mein Blick fiel zufällig auf den Boden zu meinen Füßen, und Kummer stieg wie eine Welle in mir auf. Deldar Landi das Geschirr lag dort in einer Lache seines eigenen Bluts. Gute Männer waren hier gestorben. Wir hatten die Krötenmenschen besiegt und einen hohen Preis dafür gezahlt.
Ich sann noch über diese düstere Erkenntnis nach, die mich mit Bedauern erfüllte, als im Lager Rufe erschollen. Ich sah nach oben. Das war schnell! Viel zu schnell, als daß Rollo seine Nachricht hätte überbringen können, bei Zair!
Ein dunkler Schatten, der die Sterne verdeckte, schwebte in die Tiefe. Ein Voller. Die Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln tauchte seine Hülle in ihr verschwommenes rosafarbenes Mondlicht, als er landete. Männer und Frauen sprangen heraus und liefen auf uns zu.
Bei dem Voller handelte es sich nicht um eines unserer riesigen Himmelsschiffe mit aufeinandergetürmten Decks und einer Vielzahl von Türmen und Kampfgalerien, ein massives Schlachtschiff der Wolken. Es war ein schlanker Zweidecker mit Reihen von Stückpforten, hinter denen Wurfgeschütze drohend im Mondlicht funkelten. Oben und entlang jeder Kielseite befanden sich Kampfgalerien. An den Flaggenstöcken flatterten viele Wimpel, deren stolze Zeichen man in dem unsicheren Licht nur mühsam entziffern konnte. Seinen Linien nach zu urteilen, war er in Hyrklana gebaut worden. Nun, das ergab einen Sinn. Der König von Hyrklana war der wilde Draufgänger Jaidur, der jüngere Bruder von König Zeg von Zandikar.
Frazan trat vor, um die Neuankömmlinge zu begrüßen.
Eine eindrucksvolle Gestalt trat in den gelben Lichtschein der Lagerlaternen; sie führte die Leute aus dem Voller an. Sein Anblick entsprach dem, was er war: ein stolzer, selbstbewußter König, gerecht, aber energisch, Zerstörer der Grünen Grodnims, ein echter Krozair von Zy. Er marschierte voran, gefolgt von Leibwächtern, Höflingen und Beamten. Im flackernden Licht der Laternen und dem strömenden rosafarbenen Mondlicht der Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln bot er ein prächtiges Bild.
Er wechselte ein paar kurze Worte mit Frazan, dann ging er weiter. In seinem Schritt lag eine unverkennbare Autorität, als er auf mich zukam.
Ich blieb einfach an Ort und Stelle stehen, die linke Hand auf dem Schwertgriff, und wartete ab.
König Zeg von Zandikar blieb vor mir stehen. Er schob den Unterkiefer vor.
»Lahal, Vater.«
»Lahal, Zeg. Dir geht es gut?«
»Aye, dank Zair und Opaz. Pur Frazan hat mir von Didis Verletzung erzählt. Wo ist sie?« Er hielt inne. »Und du, Vater. Dir geht es gut?« Das war ihm erst im nachhinein eingefallen, eine typische Verhaltensweise für mächtige, mit wichtigen Dingen beschäftigte Söhne.
»Oh, aye, es geht so. Didi braucht dringend Hilfe. Wie kommt es, daß ihr in der Nähe wart, gerade jetzt, da wir euch brauchen?«
»Die zairverlassenen Grodnims haben eine Verschwörung gegen uns ausgeheckt. Sie haben ein Untergrundheer in den Süden geschickt, um das Volk dort aufzuwiegeln.«
Das erklärte, warum man uns zweimal angegriffen hatte. Die Grünen Grodnims vom Nordufer des Binnenmeers führten weiterhin Krieg gegen die Roten Zairer, die am Südufer lebten. Ich hatte – vergeblich – gehofft, daß diese Rivalität aufhören würde. Falls es den Grodnims gelungen war, die wilden Stämme jenseits der Südgrenze der Zairer aufzuwiegeln, war eine höchst gefährliche Situation entstanden.
»Didi«, stieß Zeg ungeduldig hervor.
Ich deutete auf das Zelt, in dem die Prinzessin lag. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stürmte Zeg in seiner funkelnden Rüstung davon. Nun, natürlich machte er sich Sorgen um das Leben seiner Nichte. Velia, Didis Mutter, war Zegs Zwillingsschwester gewesen. Wie jeder Zwilling war er sich des tiefen Verlusts in seinem Leben bewußt. Didi hatte geholfen, diese Lücke zu schließen – und zwar auf eine wesentlich bedeutsamere Weise als seine Schwester Velia. Die zweite Velia.
Angetrieben von Zegs barschem und ungeduldigem Drängen, beeilte sich der medizinische Stab des Vollers, Didi seine erfahrene Fürsorge angedeihen zu lassen. Der Flieger hieß Zairfaril. Er war eine Einheit des kleinen Luftdienstes, den Zeg aufbaute. Ich verspürte Erleichterung, daß Didi sich nun in guten Händen befand. Natürlich bedeutete ihr Bad im Heiligen Taufteich im weit entfernten Aphrasöe, daß sie sich viel schneller von Wunden erholte, als jeder Nadelstecher oder jede Nadelstecherin erwarten oder begreifen konnte, bei Krun!
Eine Stimme hinter mir sagte eher eingeschnappt als klagend: »Ich sehe, daß meine Bemühungen hier nicht erforderlich waren.«
Ich wandte mich sofort um. »Das stimmt nicht, Rollo. Außerdem war es eine gute Übung für dich, ins Lupu zu gehen.« Ich schenkte ihm einen harten Blick. »Du hast es gut gemacht. Du mußt einfach mehr üben.«
»Oh, aye. Aye. Bei den Sieben Arkaden. Als wenn ich das nicht wüßte!«
Man schleifte die Kadaver der Schnarler ein gutes Stück weg, damit die wilden Tiere ihre Bestandteile wieder in die Nahrungskette eingliedern konnten. Unsere eigenen Toten begruben wir mit den nötigen Zeremonien, mit den angemessenen Gebeten an Zair. Am Binnenmeer wie auch in einigen Küstenländern der Ozeane teilte man den Glauben an die Eisgletscher von Sicce. Ich vertraute darauf, daß Deldar Landi das Geschirr seinen Weg vorbei an den Grauen durch die Nebel finden und die sonnigen Hochländer sicher erreichen würde. Der Verlust von prächtigen Kämpfern für Zair betrübte mich, wie die ganze dumme, sinnlose Verschwendung jungen Lebens bei dieser scheinbar nicht auszurottenden Krankheit namens Krieg und Kampf.
Landi war tot. Aber wie es nun einmal die Art der rauhen Soldaten war, konnte man durchaus davon ausgehen, daß man die skurrile Geschichte des Geschirrs noch unzählige Perioden lang in den Unterkünften und an den Lagerfeuern erzählen würde. So ist wohl der Ruhm, bei Krun!
Als man mir später Bericht erstattete, daß es Didi besser ging, kam Zeg zu mir. »Diese Grodnimteufel müssen daran gehindert werden, hier unten im Süden eine Machtbasis zu errichten. Sie gehen ein gewaltiges Risiko ein, aber der mögliche Erfolg ist es ihnen wert.«
Ich warf Zeg, meinem Jungen, dem König, der nach Seg Segutorio Segnik benannt worden war, einen harten Blick zu. »Also bist du hinter ihnen her.«
Er erklärte, daß die Voller seines Luftdienstes auf der Suche waren. Sein Eintreffen war der übernatürlich schnellen Botschaftsübermittlung der Zauberer aus Loh zu verdanken. Khe-Hi hatte ihn über die okkulten Manifestationen in Vallia unterrichtet, und Zeg hatte die Verantwortung übernommen, mich zu informieren. Nun teilte er mir mit, daß er sich wieder auf die Jagd nach den Grünen Grodnims begeben werde. »Sie nennen sich die Kaofaril, und sie werden sich nicht ergeben.«
Kaofaril, wörtlich übersetzt die Todessüchtigen, steht für Selbstmordkommando. Offensichtlich hatte Zeg mit gewaltigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Er fügte hinzu, er werde eines seiner kleineren Flugboote dazu abkommandieren, Didi nach Zandikar zurückzubringen.
Ich schlug vor, sie von dort zurück nach Vallia zu fliegen.
»Das kommt nicht in Frage!« Er war voller Hochmut, brüsk, in jeder Hinsicht dem Bild des typischen Kampeons entsprechend, ein Krozair von Zy und ein tödlicher Gegner der Grodnims. »Das kommt nicht in Frage! Sie wird in Zandikar bleiben, wo man sie bis zu ihrer Genesung pflegt.«
Es war sinnlos, mit diesem mächtigen und unbeugsamen Mann zu streiten, der mein Sohn war. Didi würde die beste nur mögliche Pflege erhalten. Ich nickte.
»Gut. Unsere Jagdgesellschaft sollte so schnell wie möglich nach Zandikar zurückkehren.«
»Aye. So schnell wie möglich. Diese Gegend ist nicht mehr sicher.«
Was mich die ganze Zeit beschäftigt hatte, konnte nun zur Sprache gebracht werden. »Die Grodnims bewohnen die nördliche Küste des Auges der Welt. Zairische Patrouillen hätten Bericht erstattet, wenn ihre Swifter mit einer Landungsexpedition zu unseren Südküsten gesegelt wären.« Ich holte tief Luft, da ich die Antwort bereits ahnte und sie fürchtete. »Wie also ist es diesen zairverlassenen Kaofarils gelungen, ihre Männer so weit südlich in unserem Hinterland zu landen?«
Die Bitterkeit in Zegs Antwort verletzte mich.
»Flugboote! Die Anbeter Makki-Grodnos haben Voller erworben! Sie fliegen in der Nacht zu den Südmarschen, um die Leute dort aufzuwiegeln.« Er schüttelte den Kopf. »Sie werden großes Unheil anrichten, wenn wir sie dort nicht verjagen, bevor sie sich zu tief festgesetzt haben.«
Diese Neuigkeiten, die äußerst schlimm waren, bedeuteten, daß sich das Machtgleichgewicht zwischen den Roten und Grünen des Binnenmeers zu Gunsten der Grünen Grodnims verschob.
»Wo kaufen sie ihre Voller?«
»Bei Zim-Zair!« In Zegs Worte lag die ganze leidenschaftliche Qual eines Mannes, der seine hilflose Wut kaum zu zügeln wußte. »Ich wünschte, ich wüßte es!«