Lena Poljanskaja hat sich mit der neuen russischen Wirklichkeit arrangiert. Tagsüber beschäftigt sie sich mit ihrer kleinen Tochter, und nachts arbeitet sie für eine Literaturzeitschrift. Doch ihr Leben gerät aus den Fugen, als ihre Freundin Olga ihr vom Tod ihres Bruders berichtet. Der Liedermacher Mitja soll sich in seiner Wohnung im Drogenrausch erhängt haben. Anders als die Polizei, die an Selbstmord glaubt, hat Lena ihre Zweifel. Im Gegensatz zu seiner Frau nahm Mitja niemals Drogen, und außerdem bereitete er gerade sein Comeback vor. Als Lena von einer seltsamen Ärztin Besuch erhält, die aber beim Gesundheitsamt niemand kennt, ahnt sie, dass sie selbst ins Fadenkreuz geraten ist. Jemand stellt ihr nach und scheint zu fürchten, dass sie zuviel über Mitjas Tod herausfinden könnte. Zwei Tage später hat Lena Gewissheit. Ein zweiter Mord geschieht.
Polina Daschkowa ist eine der efolgreichsten Schriftstellerinnen im neuen Russland. Die Gesamtauflage ihrer Bücher liegt bei zehn Millionen Exemplaren. Keiner anderen Autorin gelingt es, das moderne Russland so packend und eindrucksvoll zu beschreiben.
Aus der Amazon.de-Redaktion
Moskau im Frühjahr 1996. Lena Poljanskaja, junge Mutter und erfolgreiche Journalistin, gehört zu den Privilegierten in ihrem von wirtschaftlicher Not und Korruption gebeugten Land. Lenas einziges Problem ist das ihrer Geschlechtsgenossinnen überall auf der Welt: Wie bringe ich Kind und Karriere unter einen Hut?
Doch das ändert sich schlagartig, als Mitja, der Bruder ihrer besten Freundin, ermordet wird. Polizei und Staatsanwaltschaft glauben an Selbstmord, doch Lena hat Zweifel und gerät dadurch selbst ins Visier der Mörder. Ein Sprengstoffanschlag auf sie und ihre kleine Tochter schlägt fehl; Mitjas Frau und der Popstar Asarow haben weniger Glück. Jemand will um jeden Preis verhindern, dass die wahren Hintergründe einer Mordserie an jungen Mädchen, die sich 14 Jahre zuvor in Tobolsk, im tiefsten Sibirien, abspielte, ans Licht kommen.
Der Zufall in Form einer berufsbedingten Reise nach Tobolsk bietet Lena die Gelegenheit, vor Ort zu recherchieren. Bald scheint es, als sei sie nur noch von Feinden umgeben. Eine geheimnisvolle Ärztin mit zwei Identitäten, ein verliebter Popproduzent und die Spitzen der Tobolsker Mafia -- alle haben es auf Lena abgesehen. Einer der berüchtigtsten Killer Russlands wird Lenas scheinbar aussichtsloser Lage im letzten Moment eine überraschende Wendung geben.
Das Leben der Romanheldin Lena hat sicherlich Ähnlichkeit mit dem ihrer Schöpferin, der Kriminalschriftstellerin Polina Daschkowa. Der Leser erfährt viel über den russischen Alltag, der sich in mancher Hinsicht erstaunlich wenig von dem unseren unterscheidet, in anderen Dingen aber immer noch sehr fremdartig anmutet. Die eigentliche Krimihandlung ist stellenweise etwas an den Haaren herbeigezogen, aber wenn man sich auf die vielen Zufälle und die psychologisch manchmal nicht ganz glaubwürdigen Figuren einlässt, bietet der Roman spannende Unterhaltung mit einem Schuss Exotik. --Anna Hochsieder
Neue Zürcher Zeitung
Die Haare zu Berge
Ein Krimi von Polina Daschkowa
Endlich kommen Krimis auch aus Russland. Noch sind es erst drei Autoren, die bei uns von sich reden machen: die beiden Moskauerinnen Alexandra Marinina und Polina Daschkowa und der Kiewer Andrei Kurkow. Aber es wird nicht dabei bleiben. Deutsche Verlage haben den boomenden russischen Krimimarkt entdeckt.
Es begann damit, dass der Argon-Verlag sich die Rechte der legendären Erfolgsautorin Marinina sicherte, deren seit 1993 entstandene zwanzig Krimis schon 1999 in ihrer Heimat eine Auflage von 15 Millionen Exemplaren erreicht hatten; inzwischen liegt auf Deutsch bereits der vierte Hardcover-Band vor, und die ersten Bände erscheinen als Taschenbuch. Der Umstand, dass die Autorin, Jahrgang 1957, selber zwanzig Jahre als promovierte Juristin bei der Miliz arbeitete, trägt offenbar erheblich zu ihrer Glaubwürdigkeit bei und bindet ihre vorwiegend weiblichen Leser mit Leib und Seele an die Identifikationsfigur Anastasija Kamenskaja, die als Kommissarin im Dienst zuverlässig jeden Fall der Serie löst und als Privatperson Nastja gelegentlich auch einen Einblick in ihr Liebesleben gewährt.
Ebenfalls vor zwei Jahren griff der Diogenes-Verlag zu und nahm Andrei Kurkow unter Vertrag. Zwar konnte der 1961 geborene Kiewer mit den Moskauer «Sisters in Crime» und ihren Auflagen keineswegs konkurrieren, doch hatte er immerhin schon zu 17 realisierten Filmen die Drehbücher geschrieben. Literarisch ist Kurkow zweifellos der interessanteste der drei Autoren. Er hat Witz, er hält sich nicht sklavisch an die Grenzen des Realismus, und er geht dem Leser nicht mit erzieherischen Sentenzen auf die Nerven.
Zu Marinina und Kurkow gesellt sich nun Polina Daschkowa mit ihrem Roman «Die leichten Schritte des Wahnsinns» , einer Neuerscheinung des Aufbau-Verlags. Daschkowas Krimis sind dicker als Marininas, aber ähnlich erfolgreich. Die 1960 geborene Moskauerin, die ein ordentliches Literaturstudium abgeschlossen hat, legte vor vier Jahren ihren ersten Roman vor. Mittlerweile sind es schon zehn, und obwohl Daschkowa jährlich nur drei, Marinina aber vier Romane schafft, hat Erstere mit einer Auflage von 12 Millionen durchaus Chancen, Letzterer den Rang abzulaufen.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, 1982 und 1996, also vor und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, was durchaus seinen Reiz hat. Er führt Komsomolzen, Milizionäre, Geheimdienstler, Triebtäter, neue Russen, Drogen-abhängige, Auftragskiller und andere vor und bietet so durchaus einen Querschnitt durch die Gesellschaft oder das, was die Polizei und die Regenbogenpresse dafür halten. Der Text ist spannend: Wann immer eine Flaute droht, stellt sich prompt eine neue Leiche ein. Er ist psychologisch differenziert: So gibt es selbst unter den Verbrechern gute Menschen, manche schreiben sogar Gedichte; andere haben eine Bibliothek, die sich durchaus sehen lassen kann und die sie auch benutzen; es gibt Mörder, die kinderlieb sind, Verbrecher, die sich bessern, Triebtäter, die Achmatowa und Mandelstam lesen und sich wirklich verlieben.
Kurz, nichts Menschliches ist Daschkowa fremd. Und sie lässt nichts unerklärt: Haarklein erfahren wir, warum die Drogenabhängige ihren Stoff braucht und der Triebtäter mordet (die Drogenabhängige kann keine Kinder bekommen, der Triebtäter hat als Heranwachsender seinen Vater in flagranti beim Fremdgehen ertappt). Das allerdings entspricht so sehr den Klischees, dass einem weniger angesichts der kriminalistischen Handlung als angesichts der Erklärungen – «Ein Mensch, der mindestens zweimal wöchentlich geohrfeigt wird, ist kaum noch imstande, auf etwas oder jemanden stolz zu sein» – die Haare zu Berge stehen und die Lektüre vergällt wird. Gut, dass Russland inzwischen seine eigene Massenliteratur hat. Gut, dass man sie hier inzwischen genauso wie die amerikanische lesen kann. Gut aber auch, dass man sie nicht lesen muss.
Birgit Veit