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Auf nach Venedig

Schon im Vorfeld unserer Reise haben sich etliche Verwandte bemüht, uns die Idee auszureden. Sie alle waren schon einmal in Venedig gewesen und brandmarkten den Ort als die größte Touristenfalle und Urheimat der Abzocker.

»Fünf Jahrhunderte lang haben die Italiener dort gebaut, jetzt wollen sie mindestens zehn Jahrhunderte abkassieren«, meinte mein Vater bitter.

Er selbst kam nie zum Abkassieren. Er hatte sein Leben lang in einem Betrieb gearbeitet, der ausklappbare Pontonbrücken produzierte. Man konnte diese Brücken von LKWs aus über einen Fluss jeder Breite und an jeder beliebigen Stelle schnell und unkompliziert aus- und einrollen. Der Betrieb wurde allerdings nach dem Fall des Sozialismus sehr schnell abgewickelt und mein Vater vorzeitig in Rente geschickt. Dabei waren doch gerade diese Brücken für Venedig wie geschaffen. Sie hätten der Stadt ein neues, moderneres Image verpasst. Aber das konservative italienische Kapital lehnte ein neues Image mit sowjetischen Brücken ab, und deswegen kann mein Vater Venedig nicht gut leiden.

Meine Tante Bella erzählte, wie sie einmal neben dem venezianischen Fischmarkt in einem Boot beinahe untergegangen wäre. Sie hatte sich in eine preiswerte Sammelgondel gesetzt, weil die schickeren Gondeln mit Samtkissen und Blumen hundertfünfzig Euro für eine Fahrt verlangten oder achtzig Euro für zwanzig Minuten als Sonderangebot. Meine Tante, eine arme Rentnerin, hatte sich für die preiswertere Variante entschieden. Die Sammelgondel war bereits übervoll, als sie einstieg. Die Touristen lagen aufeinander wie »Heringe auf venezianische Art«, aber der geizige Gondoliere wollte noch mehr Leute einladen. Eine mollige Australierin mit einem großen Säugling auf dem Arm setzte sich immer wieder auf Tante Bellas Knie. Die Australierin war von ihrem Europatrip so mitgenommen, dass sie meiner Tante die Brille kaputtmachte, und der Säugling übergab sich vor Begeisterung zweimal auf ihren Mantel.

»Mein Gondoliere war ein lustiger Typ, obwohl auch ziemlich asozial«, erinnerte sich meine Mutter. »Während der Fahrt durch die Kanäle machte er alles gleichzeitig: Er ruderte, sang falsch italienische Opernarien, machte die Fußgänger an, stritt sich mit Kollegen und fotografierte jeden, der ihn darum bat. Als wir ausstiegen, gab er mir die Hand. Just in diesem Moment klingelte es in seiner Hosentasche, er griff nach dem Telefon, ich fiel zurück ins Boot und habe mir eine Beinverletzung zugezogen.« Auch meine Mutter war venediggeschädigt.

»Und die Preise?«, setzte mein Vater nach. »Zweihundert Gramm Taubenfutter kosten dort so viel wie bei uns ein Drei-Gänge-Menü für zwei Erwachsene in einem griechischen Restaurant! Diese Stadt hat dem Rest der Welt nur zweierlei zu zeigen: gewissenlose Habgier und arrogante Gleichgültigkeit! Nicht umsonst haben sie sich dieses seltsame Symbol zugelegt, ein Raubtier mit Flügeln, eine Mischung aus einem Löwen und einer Taube. Der Löwe greift hemmungslos nach der Beute, und die Taube scheißt auf alles und jeden.«

»Der Löwe scheißt doch auch auf alles und jeden, er ist der König des Dschungels«, meinte mein Sohn. Wie unsichtbar schlich er sich an den Küchentisch und wartete auf den günstigsten Augenblick, um mit dem richtigen Spruch seine Anwesenheit preiszugeben.

»Der Löwe scheißt überall und sogar viel mehr als Tauben, er ist auch größer«, entwickelte er seine Idee weiter.

Betretenes Schweigen machte sich in der Küche breit. Venedig wurde augenblicklich zur Seite gelegt. Das Thema Erziehung beschäftigte die Runde. Besonders aufgeregt wirkte mein Vater.

»Von wem hat das Kind solche Ausdrücke gelernt?«, fragte er pathetisch rhetorisch.

Sebastian erntete einen Sturm der Entrüstung, er wurde heftig kritisiert wegen der Benutzung schlechter Wörter in der Öffentlichkeit und dann auf sein Zimmer geschickt. Danach schimpften alle weiter auf Venedig.

Trotz dieser massiven Kritik flogen wir am übernächsten Tag mit Alitalia nach Venedig. Und, was soll ich sagen, es war genau so, wie uns die venediggeschädigten Verwandten vorhergesagt hatten. Übervoll, laut, teuer, anstrengend und schön. Als Erstes besuchten wir alle Orte, die uns familiär mit Venedig verbanden: den Fischmarkt, wo meine Tante von wild gewordenen Australiern vollgekotzt wurde, und die Brücke, von der meine Mutter beinahe ins Wasser gefallen wäre. Wir gingen zur Piazza San Marco, um Tauben zu füttern. Dort legen sich männliche Touristen auf die Erde, überschütten sich mit Maiskörnern und lassen sie von den Tauben aufpicken. Das wird dann von ihren Frauen geknipst. Das Geschäft mit den Tauben lief sehr gut, sie aßen viel und kackten vergleichsweise wenig. Mit dem Verkauf des Taubenfutters setzten die Venezianer vermutlich mehr ab als die Deutschen mit der Jahresproduktion von Mercedes.

Am Ende des Tages kamen wir zu der Erkenntnis, dass die Tauben auf der San Marco Piazza nicht echt waren. Die Einheimischen, als große Meister des Karnevals und der Verwandlung auf der ganzen Welt bekannt, haben auch hier betrogen. Ich weiß nicht, wie sie es schaffen, aber eins steht fest: Ganz Venedig, diese Stätte der Schönheit, dieses Feuerwerk der Geschichte und so weiter, schmeißen im Groben ein paar Typen. Dafür arbeiten sie natürlich hart. Am Vormittag verdienen sie ihr Geld als Gondoliere oder Kioskverkäufer, am Nachmittag verwandeln sie sich in Tauben, picken die Maiskörner auf, schlucken sie aber nicht. Stattdessen bringen sie die Körner zurück zu den Verkaufsstellen, wo ihre Frauen sie neu verpackt an die nächsten Touristen verscherbeln. Die gleichen Venezianer machen noch den Verkäufer am Markt, zwischendurch ziehen sie sich noch zu Musikern um und sitzen in bunten Klamotten vor Kneipen und Restaurants. Sie spielen Italienisches von Nino Rota, der Musikzuschlag beläuft sich momentan auf vier Euro achtzig pro Gast.

Selbst gegen drei Uhr früh, wenn die meisten Touristen längst schlafen und die Straßen sich leeren, gehen die Venezianer nicht ins Bett. Sie verwandeln sich in Fische und springen im Mondlicht unter den Brücken aus dem Wasser bis in den Morgen hinein, um die wenigen Touristen in Erstaunen zu versetzen, die nachts aufbleiben. Die Nachttouristen freuen sich, weifen ihr Geld ins Wasser, und die Venezianer sammeln es ein und bringen es auf die Bank. In Venedig hat jeder Fisch sein eigenes Konto.

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Unsere Schweizreise

Ende Juli lud mich der Tagesanzeiger nach Zürich ein und erteilte mir den Auftrag, die Stadt »aus der Sicht eines Fremden« zu beschreiben. Drei Sommertage am Zürcher See! Die Einladung klang verlockend, es gab nur einen Haken: Zürich war für mich längst kein fremdes Terrain mehr. Regelmäßig und gerne besuchte ich die Stadt zu Lesungen oder als DJ mit unserer Tanzveranstaltung »Russendisko«. Ich wusste also bereits: Auf Zürich ist Verlass. Die Veranstaltungen dort liefen immer gut, wobei es jedoch wenige Überraschungen gab. Während der Lesungen hörten die Zürcher aufmerksam zu, sie reagierten an den richtigen Stellen richtig, allerdings immer mit einer kleinen Verzögerung, die ich meiner Aussprache zuschrieb. Abschließend stellten sie angemessene Fragen. Hier wurde ich nie mit den typisch deutschen Zuhörerfragen belästigt, die nichts mit dem Inhalt meiner Bücher zu tun hatten: »Was verdienen Sie im Jahr?« oder »Wie geben Sie Ihr Geld aus?« In der Schweiz gilt eben noch das Bankgeheimnis. Die Zuhörer wollten hier meist nur eines wissen: ob alles wirklich wahr sei. Ich bestätigte das, sie nickten und gingen zufrieden nach Hause. Da ich immer nur die Wahrheit schreibe, hatte ich bisher keine Gelegenheit, herauszufinden, wie die Zürcher reagieren würden, wenn meine Geschichten erfunden wären.

Wenn wir mit der »Russendisko« nach Zürich kamen, mussten wir uns sogar noch weniger Sorgen machen: Die Gäste fingen meist zum richtigen Zeitpunkt zu tanzen an – zuerst mit einem Fuß, dann mit beiden Füßen, und jedes Mal, etwa gegen zwei Uhr nachts, wenn uns gerade das Gefühl beschlich, dass all diese einsamen Menschen das ganze Jahr nur auf uns gewartet hatten und jetzt unbedingt etwas passieren musste, was unsere Vorstellungen von einer gelungenen Party für immer sprengen würde, hörten sie plötzlich auf zu tanzen, bedankten sich höflich und gingen geschlossen nach Hause, so als würden sie alle zusammenwohnen.

Nach so einer Veranstaltung blieb ich immer noch einen Tag da und unternahm wie weiland Lenin, mein Namensvetter, einen Spaziergang an den Zürichsee, trank dort an der Uferpromenade das Milchserum Rivella, fütterte die Schwäne, bewunderte die Schweizer Jogger, die anders als in Deutschland ganz ohne Übergewicht, sozusagen freiwillig, um den See herumliefen, und erledigte meinen geheimen Auftrag: nämlich für meine Literaturagentin bei Sprüngli Luxemburgerli zu kaufen. Das tat ich bereits seit etlichen Jahren, und nichts veränderte sich am Zürichsee, nur die Schwäne wurden immer fetter und die Sprüngli immer teurer. Und jedes Mal genoss ich dieses alles bestimmende Gefühl der Richtigkeit, das einen wie mich in dieser Stadt unweigerlich überkommt.

»Diese Schweizer, die haben schon immer alles richtig gemacht. Im Zweifelsfalle gar nichts«, dachte ich jedes Mal. »Deswegen sind sie auch für ihre besonders genauen Uhren so berühmt, für einen Mechanismus, der als Symbol der Richtigkeit gilt. Die anderen Länder ringsum haben sich im Lauf der Geschichte immer mal wieder übernommen, zu große Pläne geschmiedet, zu heftig auf den Pudding gehauen und verheerende Niederlagen eingesteckt. Aber die Schweiz hat einfach nur richtig getickt.«

»Schwäne mit Sprüngli füttern verboten«, lästerte mein DJ-Kollege Jurij, der sich von den vielen Verbotsschildern am See inspirieren ließ. Einmal schrieb er sie sogar alle ab: »Hunde an die Leine!«, »Kinder an die Hand!«, »Kippen in die Abfallkörbe!«, »Betteln verboten!«, »Musik machen verboten!«

Mich fasziniert dagegen, dass diese Schilder anscheinend tatsächlich einen Einfluss auf das Volk haben. Sogar Kleinkinder verhalten sich meistens still, und die Hunde kacken nur auf Befehl in speziell dafür vorgesehene Tüten, so als könnten auch sie die Schilder lesen. Grundsätzlich ist ja fast alles in Zürich beschriftet. Auf vielen Bäumen kann man nachlesen, was es für einer ist, warum er gerade hier steht und wie lange schon. Sogar die Fische im See sind beschriftet, mit Schildern am Ufer, nur die Schwäne nicht. Ich weiß nicht, warum. Man sieht auch, dass einige Schilder fehlen. Wahrscheinlich haben Touristen sie als Souvenir abmontiert, weil es in Zürich so wenige Andenkenläden gibt.

Touristen werden hier quasi sich selbst überlassen und können frei durch die ganze Stadt streifen. Der aggressive Straßenverkauf, diese unausweichliche Begleiterscheinung aller europäischen Großstädte mit hoher Besucherfrequenz, fällt in Zürich mehr als harmlos aus. In Berlin sind inzwischen Hunderte in diese Branche eingestiegen. Außer nachgemachten Betonstückchen von der Berliner Mauer, erotischen Postkarten, mongolischen Zeitungen, raubkopierter oder selbst gemachter Musik, belegten Brötchen, ceylonesischen Rosen und polnischen Parfüms werden dort sogar Theaterkarten und Bildbände auf der Straße angeboten. Junge Dichter vertreiben ihre im Selbstverlag erschienenen Werke, und Ostberliner Frührentner verkaufen in den Biergärten ihre mit der Hand getippten Autobiografien, die Mein Leben in der Zone oder so ähnlich heißen. In Zürich wird dagegen so gut wie nichts auf der Straße verkauft. Es ist ja auch verboten, glaube ich.

Die meisten meiner Zürcher Freunde sind mit ihrem Leben in dieser wunderbaren Stadt trotzdem unzufrieden. Bei unseren Treffen muss ich jedes Mal ihre Stadt verteidigen:

»Ihr habt doch weltweit den ersten Platz in puncto Lebensqualität – noch vor Helsinki, Vancouver, Oslo und Bagdad!«, beschwöre ich sie.

»Was für eine Lebensqualität? Davon kriegen wir hier nichts mit!«, meckern meine Freunde. »Man kann hier nirgendwo falsch parken, fremde Leute notieren dein Kennzeichen und rufen sofort bei der Polizei an. Es ist wie ein großes Dorf – hier ist einfach nichts los.«

Das ist eine groteske Situation: Die ganze Welt sehnt sich nach Schweizer Verhältnissen, die Politiker von links und rechts loben das Schweizer Modell: Wohlstand, Föderalismus, Unabhängigkeit, Neutralität … Nur die Schweizer selbst zeigen sich enttäuscht. Na ja, denke ich jedes Mal: Es gibt anscheinend kein Land auf der Welt, das die Menschen wirklich glücklich macht. Es gibt jedoch Länder, in denen man sich der Enttäuschung besonders genüsslich hingeben kann.

Meine Sicht auf die Schweiz hatte also lange vor der Einladung des Tagesanzeigers durch zahlreiche Kontakte mit den Einheimischen bereits ihre Unschuld verloren. Deswegen beschloss ich, diesmal meine ganze Familie mit nach Zürich zu nehmen. Unsere beiden Kinder – Nicole und Sebastian, damals sieben und fünf Jahre alt – waren als Weltforscher noch völlig unverbraucht. Sie waren bisher nur einmal im Nordkaukasus bei meiner Schwiegermutter und dreimal auf Mallorca gewesen. Nun sollten sie die Schweiz aus »der Sicht eines Fremden« beurteilen und mir ihre Erkenntnisse verraten. Schon die Ankündigung der bevorstehenden Reise stieß bei ihnen auf große Begeisterung. Nicole erzählte ihren Schulkameraden, bald würde sie mit ihren Eltern nach Schweden fahren, in eine Stadt namens »Zurück«. Diese geografische Verwechslung erklärte sich dadurch, dass »Schweiz« und »Schweden« auf Russisch sehr ähnlich klingen. Sebastian packte also alle seine Schwerter und einen Bogen in die elterliche Reisetasche, um uns »vor den Schweden zu schützen«. Und Nicole machte sich Sorgen, ob wir auch genug schwedisches Geld besäßen.

Am zweiten August kamen wir mit dem Nachtzug aus Berlin an. Am Tag zuvor hatten »die Schweden« ihren Nationalfeiertag begangen: die Befreiung der Schweiz durch Wilhelm Tell. Die Zeitungen berichteten ausführlich über die vielen Festreden und über die Schiller-Inszenierung am Rütli, die besonders von Rechtsradikalen besucht worden war, während die Linken mit Plakaten »Tell to Hell« durch Luzern marschiert waren. Auch dafür möchte ich die Schweiz loben, dass sie das erste und meines Wissens einzige Land der Welt ist, dessen Gründung durch den selbstlosen Einsatz eines Literaturhelden zustande kam. Davon können Robin Hood, der Hüne Ilja, Conan der Barbar oder Fantômas nur träumen.

»Siebzig Prozent der Bevölkerung waren bei der letzten Volksabstimmung gegen den Beitritt in die EU. Die Mehrheit der Schweizer ist nach wie vor sehr konservativ«, erzählten mir die Kollegen vom Tagesanzeiger. »Wilhelm Tell und das Bankgeheimnis, das sind die Mythen, auf denen dieses Land beruht.«

Ich konnte die Bedenken der Schweizer hinsichtlich der EU gut nachvollziehen. Es gibt für sie kaum einen Grund, irgendwo einzutreten. Warum ausgerechnet in die EU, wenn es doch auch ganz prima ohne geht? Draußen, in den neuen und alten Beitrittsländern, hegt man große Hoffnungen: Die einen versprechen sich von der erweiterten Union mehr Arbeitsplätze und Investitionen, die anderen mehr Gewicht in der Weltpolitik. Und alle werden früher oder später ernüchtert in die Ungewissheit steuern. Das hätte Wilhelm Tell sicher nicht gewollt.

Im Hotel Florhof fragten mich die Kinder beim Kofferauspacken: »Wer ist Wilhelm Tell?«

Ich versuchte, sie mit den herkömmlichen Mitteln aufzuklären, nahm Sebastians Plastikbogen und setzte ihm einen Apfel auf den Kopf. Unser pädagogischer Ausflug in die Schweizer Geschichte endete damit, dass der Apfel unter das Hotelbett rollte. Stattdessen schoss ich dann auf eine Banane, das war aber nicht mehr so spannend. Die Kinder fanden Wilhelm Tell trotzdem super und fragten mich anschließend, was denn ein Bankgeheimnis sei. Auch das hätte ich ihnen sofort erklären können, nur leider war unser Hotelobst alle. Also zogen wir uns dem heißen Wetter entsprechend an und gingen in Niederdorf spazieren. Wir hatten uns gleich für den ersten Tag ein anstrengendes Programm vorgenommen.

Am Bürkliplatz schifften wir uns ein und absolvierten zusammen mit einer freundlichen japanischen Reisegruppe eine Rundfahrt auf dem Zürichsee. Anschließend sonnten wir uns in Zürich Enge im Park und badeten dann mit den Schwänen zusammen, die wegen der Hitze alle mit dem Hintern nach oben im Wasser steckten und von den Kindern anfänglich für Bojen gehalten wurden. Die Schweizer im Park aßen ihre mitgebrachten Bio-Salate aus Plastikbechern und sahen dabei sehr gesund aus. Der einzige Übergewichtige – neben uns – entpuppte sich als Russe.

Meine Kinder kamen mit seinem Sohn ins Gespräch, der etwa in ihrem Alter war. Die Jungs tauschten Informationen über ihre Spielgewohnheiten aus. Sebastian erzählte dem Moskowiter, dass er aus Deutschland komme und zu Hause einen Gameboy habe, mit dem man permanent auf Monster schießen müsse. Der Junge bemerkte dazu, er komme aus Russland und habe zu Hause auch einen Gameboy. Auf seinem müsse man jedoch nicht auf Monster, sondern auf Deutsche schießen. Das sei aber ein großes Geheimnis, das Sebastian niemandem verraten dürfe, verriet uns Sebastian anschließend.

Am nächsten Tag fuhren wir in den Zürcher Zoo und besuchten dort die neue Regenwaldhalle. Anschließend drehten wir ein paar Runden über den Dächern der Stadt im Teufelsrad, das von drei jungen Albanern in Bewegung gehalten wurde. Wir probierten im Zentrum nacheinander alle Eissorten, die Zürich im Sommer zu bieten hat, und besuchten dann ein halbes Dutzend Restaurants mit einheimischer Küche.

Die Bewertung der Stadt durch die Kinder fiel eindeutig positiv aus. Sie fanden die Schweiz super, die Schwäne niedlich, außer einem, der Sebastian in den Finger gebissen hatte; die Menschen freundlich, außer einer Oma auf dem Schiff, die uns angeschrien hatte, sie hätte von uns Russen die Nase endgültig voll, nachdem Nicole ihr auf den Fuß getreten war; das Eis sehr lecker, außer Zitrone; die Rivella-Limonade ebenfalls, außer der blauen; alle Geldscheine bunt und lustig – und ganz schnell alle. Am besten gefielen ihnen in Zürich die Pinguine, die Krokodile, die Schlangen, Wilhelm Tell und der Hund im Park, der uns eine gute Stunde begleitete und auf jeden Namen hörte.

Wir verließen die Schweiz also mit einem guten Gefühl. Ob inner- oder außerhalb der EU, sie wird es schon richten. Unser Erwachsenen-Fazit: Von allen Ländern der Welt muss man sich um sie am wenigsten Sorgen machen.