KAPITEL 7
Die ersten Kämpfe
Der Winter war streng und hart und setzte
der armen Bevölkerung der verschiedenen Königreiche noch mehr zu.
Ein furchtbares Hochwasser ließ viele Flüsse über die Ufer treten
und zerstörte ganze Dörfer. Scurrs Männer begannen erneut mit ihren
Überfällen, sobald der Schnee geschmolzen war. Der finstere König
hatte Lugan mit neuen Kleidern ausgestattet und ließ seine Männer
überall damit prahlen, dass der junge Mann einer der Sieben wäre.
So hoffte Scurr, Hawionns Leute anzulocken, doch eine ganze Weile
tat sich nichts.
Falkann und seine Freunde kämpften, einige Zeit
nachdem sie nach der Schneeschmelze die Brücke überquert hatten, am
Fuße des Gebirges von Ursann gegen Orks und Scurrs Soldaten. Als
Broderick sich im Kampf verletzt hatte, suchten sie Unterschlupf im
Schloss von Catharga bei König Hylonn, Falkanns Vater. Dieser
betonte immer wieder, wie stolz er doch auf seinen Sohn und dessen
Freunde sei, die so tapfer gegen den Feind kämpften.
Broderick, der sich das Bein gebrochen hatte,
logierte in einem komfortablen Zimmer und fühlte sich dabei sehr
unwohl. Auf Camasann war es ihm gut gegangen, aber solchen Luxus
kannte er nicht.
Falkann traf endlich seine Mutter, Königin Olyra,
wieder. Sie war so streng, wie er sie in Erinnerung gehabt hatte,
doch nun wirkte sie außerdem noch verbittert, obwohl es ihr an
nichts fehlte. Sie schwärmte zwar in den höchsten Tönen von
Falkann, doch er spürte, dass das nichts mit ihm als Mensch zu tun
hatte. Hyldor, der inzwischen zwanzig Jahre alt war, begegnete
Falkann weiterhin mit Hass. Er würde zwar der neue König werden,
wenn sein Vater abdankte, aber wohl nie so beliebt und bewundert
werden wie sein älterer Bruder.
Falkann und Rudrinn, der sich in dem Schloss noch
viel mehr fehl am Platz fühlte als die anderen, besuchten Broderick
regelmäßig. Als sie wieder einmal im Krankenquartier Halt machten,
saß ihr Freund gemütlich in einem weichen Lehnstuhl. Sein Bein
hatte er auf einen Hocker gelegt. Die besten Hofheiler kümmerten
sich um ihn und meinten, im letzten Frühlingsmond würde er mit
Sicherheit weiterkämpfen können.
»Na, du fauler Sack«, meinte Rudrinn frech und
schlug seinem Freund auf die Schulter. Dieser las gerade in einem
dicken Buch über die Geschichte Cathargas, weniger aus Interesse
als aus Langeweile.
Broderick verdrehte die Augen. »Ich sitze nicht
freiwillig hier! Die Orks waren zwar nicht angenehm, aber diese
arroganten Lords und Ladys, die mir ständig zu meinem
›aufopferungsvollen Heldentum‹ für ihr Land gratulieren, die gehen
mir gehörig auf die Nerven«, säuselte er und imitierte ziemlich
glaubwürdig einen der Lords, der immer mit einer außergewöhnlich
hohen Stimme sprach.
Falkann lächelte. Er setzte sich neben seinen
Freund. »Ich hoffe, wir können bald wieder verschwinden. Momentan
herrscht Ruhe an der Grenze. Wenn wir Glück haben, bleibt es
so.«
Seine beiden Freunde grummelten zustimmend.
Allerdings hatte Hawionn ihnen befohlen, bis zum Herbst zu bleiben.
Irgendwann mussten sie doch endlich auf den jungen Mann treffen,
der bei König Scurr aufgewachsen war und sich als Thondras Sohn
herausgestellt hatte.
König Scurr ärgerte es selbst, dass die drei
bisher nicht auf Lugan getroffen waren, aber auch er hatte Pech.
Lugan stürzte mit seinem Pferd eines Tages so unglücklich, dass er
über zwei Monde des Sommers auf Scurrs Burg bleiben musste. Dann,
als der Herbst mit heftigen Stürmen begann, schickte Scurr Lugan
wieder fort, in der Hoffnung, sein Plan würde endlich
aufgehen.
Falkann und seine Freunde waren schon einige Tage
in dem unwirtlichen Gebirge von Ursann unterwegs. Orks hatten ein
Dorf an der Grenze überfallen, und die drei verfolgten sie nun mit
zehn weiteren Kriegern. Rudrinn, Falkann und Broderick waren gut
aufeinander eingespielt. Sie kämpften entschlossen und sicher gegen
die stinkenden Kreaturen, die sie früher nur aus Erzählungen
gekannt hatten.
Es war ein düsterer und nasskalter Tag. Die drei
Freunde saßen gemeinsam an einem kaum wärmenden Lagerfeuer, während
der Regen von ihren Kapuzen herunterlief. Die Umhänge hatten sich
als sehr nützlich erwiesen. Sie waren im Sommer leicht und
angenehm, im Winter wärmend, und bei Regen hielten sie die
Feuchtigkeit beinahe vollständig ab. Aus welchem Material sie
gefertigt waren, wusste allerdings niemand.
Sie verspeisten gerade missmutig ihr mageres
Abendmahl, als fünf ihrer eigenen Leute einen widerstrebenden
jungen Mann herbeizerrten. Er hatte eine Platzwunde an der Schläfe
und zappelte herum wie besessen. Wie bei allen von Scurrs Männern
waren seine blonden Haare kurzgeschoren, und er trug die schwarze
Uniform und den blutroten Umhang.
»Aha, ihr habt eine von Scurrs Ratten gefangen«,
knurrte Broderick und spuckte einen kleinen Hühnerknochen ins
Feuer.
»Nicht nur das«, erwiderte Gregon, einer der
älteren und erfahrenen Krieger, der schon lange hier in den Bergen
war. Er deutete auf das Schwert, das der Gefangene bei sich
trug.
Rudrinn, Falkann und Broderick sprangen
gleichzeitig auf und starrten auf die Waffe. Sie sah genauso aus
wie die Schwerter von Falkann und Broderick.
»Du … du bist einer von uns?«, fragte Broderick
ungläubig.
»Ich bin keiner von euch!«, schrie Lugan, wie König
Scurr es ihm befohlen hatte. Er sollte sich zu Anfang ein wenig
wehren, damit alles echt wirkte. Später sollte er diese elenden
Würmer auf Camasann ausspionieren.
»Wir müssen ihn nach Camasann bringen«, sagte
Gregon ernst.
»Zunächst vielleicht auf das Schloss meines
Vaters«, schlug Falkann vor, »dort kann Scurr ihn nicht so leicht
befreien.«
»König Scurr wird mich retten, denn er ist der
Herrscher«, schrie Lugan sehr überzeugend.
Gregon fesselte und knebelte Lugan schließlich,
dann brachten sie ihn innerhalb weniger Tage auf das Schloss von
König Hylonn. Das Wetter wurde zunehmend schlechter. Tagelang fiel
dichter Regen vom Himmel, und alles war überschwemmt, sodass auch
dieses Jahr die Ernte darunter leiden würde.
»Er kann nicht hierbleiben«, sagte der König ernst.
»Es ist zu gefährlich.«
»Wir werden ihn so schnell wie möglich nach
Camasann bringen«, beruhigte Falkann seinen Vater.
»Dann beeilt euch, bevor das Wetter noch schlechter
wird«, sagte Hyldor zynisch, der seinen älteren Bruder wieder aus
den Augen haben wollte.
»Sobald es zu regnen aufhört, brechen wir auf«,
meinte Falkann ruhig. Er ließ sich nicht provozieren, was Hyldor
noch viel mehr ärgerte.
Doch das Wetter machte ihnen einen Strich durch die
Rechnung. Es stürmte und regnete derart, dass niemand mehr vor die
Tür ging. Als das Unwetter endlich einhielt, wurde es so eiskalt,
dass alles gefror und keine Reisen möglich waren. Gregon schickte
Botenvögel auf die Insel, um Zauberer Hawionn zu benachrichtigen,
dass sie den Winter in Catharga verbringen würden und dass sie
Lugan gefangen hatten.
Tovion und die Mädchen warteten schon lange Zeit
auf die Rückkehr ihrer Freunde. Sie machten sich Sorgen um die
drei. Immer wieder fragten sie Brogan nach ihnen, doch der wusste
meist selbst nichts Neues.
Eines Tages, kurz vor dem Neujahrsfest, suchte
Brogan die vier Freunde auf, die in einem der kleinen
Aufenthaltsräume saßen und sich Birrnas Kekse schmecken
ließen.
»Ich habe Nachricht von euren Freunden«, sagte er
mit einem väterlichen Lächeln.
»Was denn?«, fragte Rijana und sprang auf. Sie war
jetzt vierzehn Jahre alt und wurde immer hübscher, wie der Zauberer
fand. Allerdings war sie sich dessen selbst noch nicht
bewusst.
Er streichelte ihr über die weichen Haare, die sie
zu einem Zopf zusammengebunden trug.
»Es geht ihnen gut, aber sie müssen den Winter über
in Catharga bleiben. Das Wetter ist zu schlecht.«
Die vier stöhnten genervt auf, und Saliah schlug
wütend auf die Armlehne ihres Sessels. Sie hatte sich darauf
gefreut, zum Jahresfest mit Falkann zu tanzen. Jetzt, mit sechzehn
Jahren, fühlte sie sich schon ziemlich erwachsen.
»Keine Sorge, es wird ihnen auf dem Schloss an
nichts fehlen.« Allerdings verschwieg der Zauberer ihnen, dass nun
einer von Scurrs Jungen bei ihnen war, denn das gefiel Brogan
überhaupt nicht. »Ihr werdet das Neujahrsfest trotz allem
genießen.«
»Das macht doch jetzt ohnehin keinen Sinn mehr. Es
fehlen
doch sowieso nur noch die Mädchen«, murmelte Saliah und schob die
Unterlippe vor.
Brogan stupste sie an ihrer kleinen, wohlgeformten
Nase an.
»Es ist Tradition, dass alle Jungen das Schwert am
Neujahrstag berühren, und nächstes Jahr bist du selbst dran,
Saliah, wer weiß …«
»Ach was«, sagte sie abfällig, »ich bin es bestimmt
nicht.«
Brogan war sich da nicht so sicher, bisher hatte er
nur zwei weitere, wesentlich kleinere Mädchen entdeckt. Er hoffte,
dass Scurr nicht auch noch die Mädchen bei sich hatte.
»Macht euch hübsch«, sagte er augenzwinkernd, »ihr
seid jetzt beinahe die Ältesten, und ich möchte mit euch allen
tanzen.«
Rijana errötete und murmelte leise: »Was gibt’s
denn da hübsch zu machen?« Im Gegensatz zu Saliah und Nelja zeigte
sie noch keinerlei weibliche Rundungen.
Brogan nahm sie in den Arm und flüsterte ihr ins
Ohr: »Du wirst die allerschönste junge Frau werden, die diese
Schule jemals gesehen hat.«
Rijana runzelte die Stirn. Wollte Brogan sie
verspotten? Aber das war eigentlich nicht seine Art. So zog sie nur
die Schultern ein und sagte gar nichts dazu.
Der Neujahrsabend kam, aber da diesmal nur zehn
Jungen im Alter von siebzehn Jahren dabei waren, interessierte sich
niemand sonderlich dafür. Als das Essen vorbei war, gingen die
Jungen, einschließlich Tovion, zum Podest. Nacheinander fassten sie
das einzige noch verbliebene der drei Schwerter an. Tovion war als
Letzter an der Reihe. Gelangweilt griff er nach dem magischen
Schwert, doch auf einmal durchfuhr es ihn wie ein
Blitzschlag.
Die umstehenden Kinder, Krieger und auch die
Zauberer schrien überrascht auf, als das Schwert plötzlich
erglühte. Damit
hatte niemand gerechnet. Tovion ließ den Griff verwirrt los und
blickte fragend auf die Zauberer.
»Was … was soll das?«, stammelte er.
Hawionn starrte ungläubig auf das Schwert und sagte
nach einigen verwirrten Augenblicken: »Fass es erneut an,
Tovion.«
Dieser nickte unsicher und brachte das Schwert zum
Glühen. Es war, als würde es zu ihm gehören.
»Das ist mein Schwert«, murmelte er, und die
Zauberer schauten sich ungläubig an.
»Es gab immer nur fünf Jungen«, schnarrte Tomis
missbilligend, »das kann nicht sein!«
»Alle Jungen sollen es erneut berühren«, befahl
Hawionn, »vielleicht ist es … ähm, nun ja, … wie soll ich sagen …
eine Art Fehler.« Er wusste selbst nicht, was er von alledem halten
sollte.
Noch einmal traten die Jungen vor, doch es blieb
dabei, nur bei Tovion leuchteten die Runen auf.
»Ist es möglich«, fragte Rittmeister Londov, »dass
es acht sind?«
»Blödsinn«, rief Hawionn ungehalten und dachte
angestrengt nach. Dann riss er sich zusammen und sagte ernst: »Es
gibt nur eine Erklärung. Scurr hat gelogen. Er hat keinen der
Sieben oder eben nur einen.«
Nun war von überall her Getuschel zu hören. Den
ganzen Abend herrschte helle Aufregung, und vor allem Tovion war
natürlich völlig durcheinander. Nelja versuchte immer wieder, ihn
zu beruhigen und ihm Mut zuzusprechen, aber Tovion hielt sich nicht
dafür geeignet, eines der Kinder Thondras zu sein.
»Ich bin nicht so ein guter Kämpfer wie Rudrinn,
Broderick oder Falkann«, sagte er unglücklich, und Nelja legte ihm
einen Arm um die Schulter.
»Du bist gut! Und schließlich kommt es nicht nur
auf das
Kampfgeschick an, sondern auch auf Mut und Intelligenz.« Sie
lächelte freundlich. »Und davon hast du mehr als genug.«
»Wer weiß«, sagte Saliah plötzlich und blickte
Rijana und Nelja an. »Am Ende sind wirklich zwei von uns die
Letzten der Sieben.«
»Ich bestimmt nicht«, sagte Rijana und schlug die
Augen nieder.
»Überleg doch mal«, sagte Saliah ernst. »Wir alle
sind Freunde, wir alle haben uns von Anfang an zueinander
hingezogen gefühlt, und vier von uns sind bereits Thondras Kinder.
Das kann doch kein Zufall sein.«
»Aber es sind doch nur zwei Mädchen«, murmelte
Nelja.
»Dann seid sicher ihr es«, meinte Rijana und wurde
sehr traurig. All ihre Freunde würden weggehen, und was sollte dann
aus ihr werden? Zurück nach Grintal konnte sie kaum gehen und auch
nicht als Hofdame an einem Schloss leben, wie es viele der
erwachsenen Mädchen taten. Außerdem wollte sie das auch
nicht.
»Ich werde auf der Insel bleiben«, sagte Rijana
seufzend. »Vielleicht nehmen sie auch eine Frau als
Wächterin.«
Saliah legte ihr einen Arm um die Schulter. »Das
hat noch drei Jahre Zeit, wir werden sehen.«
Der Winter in Catharga war bitterkalt, und immer
wieder wurden die umliegenden Dörfer von Orks, Eistrollen und
Wölfen heimgesucht. Doch das bereitete Falkann und seinen Freunden
noch die wenigsten Schwierigkeiten. Sie hatten von Hawionn den
Auftrag erhalten, den Jungen aus Naravaack auf ihre Seite zu
bekommen, doch das fiel ihnen sehr schwer. Zwar sträubte Lugan sich
im Laufe des Winters nicht mehr ganz so sehr gegen ihre
Anwesenheit, aber irgendwie verstanden sie sich einfach nicht. Der
junge Mann aus Ursann blieb ihnen unsympathisch mit seiner brutalen
und gleichzeitig arroganten Art.
»Ich verstehe das nicht«, knurrte Broderick eines
Abends, als es sich die drei Freunde in seinem Zimmer am offenen
Kamin gemütlich gemacht hatten. Es gab heißen Met zu trinken. »Euch
habe ich von Anfang an gemocht, aber Lugan, den finde ich einfach
…«, er suchte nach Worten.
»Widerwärtig«, beendete Rudrinn den Satz.
Falkann nickte, auch er mochte Lugan nicht. »Das
macht wohl Scurrs Ausbildung«, meinte er nachdenklich, »vielleicht
können wir ihn ja umstimmen.«
Rudrinn schnaubte verächtlich. Erst heute hatte er
mitbekommen, wie Lugan versucht hatte, sich an einer der Mägde zu
vergreifen.
Der Winter ging nur langsam zu Ende, und es war
schon der zweite der drei Frühlingsmonde, als die Krieger nach
Camasann aufbrachen. Lugan wirkte zwar ein wenig umgänglicher, aber
insgeheim hasste er die anderen abgrundtief. Manchmal konnte man es
sogar an seinen Augen sehen. Nur zögerlich hatte er Auskunft über
König Scurr und seine Festung gegeben. Natürlich hatte er gezielt
Unwahrheiten erzählt. Er gab vor, sich langsam von der dunklen
Macht zu entfernen, aber tatsächlich wollte er nur diese verfluchte
Insel ausspionieren und seinem Herrn davon berichten. Dann würde er
auch endlich diesen widerlichen Ariac ausstechen können, der
inzwischen ein sehr viel besserer Kämpfer geworden war als er
selbst.
Die Reise dauerte lange, denn die Brücke nach
Balmacann war von den Winterstürmen zu stark beschädigt worden,
sodass sie nicht mehr gefahrlos überquert werden konnte. Die über
dreißig Krieger mussten also den langen Umweg über Northfort,
Gronsdale und die Steppe nehmen. Erst im zweiten Herbstmond
erreichten sie die Küste. Auf ihrem Weg hatten Falkann und die
anderen Lugan viel von der Insel und ihren Freunden erzählt.
Immer wenn Lugan sich unbeobachtet glaubte, starrte
er die anderen hasserfüllt an. Ich werde euch all eure Freunde
und diese verfluchte Insel wegnehmen. Wir werden alles
zerstören!
Als sie dann endlich Camasann erreicht hatten, gab
es eine stürmische Begrüßung. Zunächst wurden Falkann, Rudrinn,
Broderick und Lugan von Hawionn in Beschlag genommen. Besonders den
jungen Mann aus Ursann musterte der Zauberer eindringlich.
Lugan hielt nur mühsam dem Blick Hawionns stand,
doch viel mehr noch beunruhigte ihn der Blick des anderen, dieses
Brogan. Der schien ihm bis in die Seele zu blicken. Doch Lugan
spielte seine Rolle gut. Er gab sich noch ein wenig zurückhaltend,
jedoch kooperativ.
Saliah fiel Falkann sofort um den Hals. Der hielt
sie lachend von sich und sagte bewundernd: »Du meine Güte! Ich
hätte es nicht für möglich gehalten, aber du wirst immer
hübscher!«
Sie war glücklich und gespannt darauf, was Falkann
zu erzählen hatte. Schließlich war Catharga auch ihre Heimat.
»Du bist aber auch sehr hübsch geworden«, meinte
Rudrinn zu Rijana, die verlegen zu Boden blickte.
Falkann, Broderick und Rudrinn waren völlig
überrascht zu erfahren, dass Tovion einer von ihnen war. Als sie,
gemeinsam mit Lugan, in einem der Gemeinschaftsräume saßen, sagte
Rudrinn verächtlich: »Da hat sich dein feiner König Scurr wohl
einen Scherz erlaubt.«
Lugan, der darüber schon zuvor von Hawionn befragt
worden war, blieb gelassen. Da das Schwert nur in dem Jahr
aufglühte, in dem die Auserwählten siebzehn Jahre alt wurden,
hatten sie ihn nicht testen können. Sie hatten sich von Lugans
Kampfkunst mit dem Schwert überzeugt, die durchaus beeindruckend
war. Über den zweiten Jungen hatte Lugan behauptet, er wäre ein
schlechter Kämpfer und Thondra nicht würdig. Und da Lugan das
magische Schwert bei sich trug, glaubten die Zauberer ihm
schließlich.
»Es ist nicht ›mein König Scurr‹«, antwortete er
gespielt beleidigt. »Ich kann auch nichts dafür, dass er mich
gefunden hat. Ich wäre lieber hier aufgewachsen, das kannst du mir
glauben.«
»Eben, seid nicht so gemein zu ihm«, sagte Saliah,
die schon immer ein sehr mitfühlendes Wesen gehabt hatte.
Lugan lächelte verbindlich, doch insgeheim wünschte
er sich nichts mehr, als dieses hübsche Mädchen sein nennen zu
können. Er wollte sie schreien und um Gnade wimmern hören. Das
erregte ihn derart, dass er kaum noch sitzen konnte und schließlich
sich entschuldigend den Raum verließ.
Zum Jahresfest hatte Lugan alles ausspioniert und
wie verabredet einen Botenvogel gestohlen und zu König Scurr
geschickt.
Saliah war sehr aufgeregt. Sie und auch Nelja
würden heute getestet werden.
Dreißig Jungen kamen zuerst an die Reihe, dann
Nelja, doch nichts passierte. Anschließend trat Saliah vor. Sie
packte Falkanns Schwert, der es für diesen Tag zur Verfügung
gestellt hatte. Eine Flut von Bildern aus alten Zeiten und früheren
Leben überwältigte auch Saliah genau wie ihre Freunde in den Jahren
zuvor. Sie taumelte zurück.
Tosender Jubel brach aus. Nun waren schon sechs der
sieben Kinder Thondras auf der Insel. Saliah strahlte. Sie freute
sich, dass sie mit Falkann, der ihr nun sehr deutlich den Hof
machte, und den anderen zusammenbleiben konnte.
Rijana hatte sich traurig in eine Ecke
zurückgezogen. Nelja versuchte sie zu trösten.
»In zwei Jahren bist du dran, und falls du nicht
eine der Sieben bist, dann bleiben wir eben gemeinsam auf der
Insel.«
Rijana lächelte gezwungen. Sie mochte Nelja, aber
zu den
anderen fühlte sie sich noch viel mehr hingezogen. Außer zu Lugan,
den konnte sie einfach nicht ausstehen. Daher lehnte sie es auch
ab, mit ihm zu tanzen, was diesen ganz offensichtlich erzürnte. Es
fiel ihm immer schwerer, sich zu verstellen.