26

Nur selten war ihr etwas so schwer gefallen, wie an diesem Nachmittag das SysVal-Bürogebäude zu betreten. Sie trug ein schmuckloses schwarzes Strickkleid. In seinem schlichten Schnitt verschanzte sie sich wie hinter einem Panzer. Als sie an der Rezeption ihre Dienstmarke vorzeigte, wich der Sicherheitsbeamte ihrem Blick aus. Ein paar Arbeiter standen in der Eingangshalle und unterbrachen ihr Gespräch, als sie die Chefin entdeckten. Verlegen starrten sie den Boden oder die Wände an. In dieser Firma funktionierte die Gerüchteküche ausgezeichnet. Offensichtlich hatte Mindy Bradshaw nicht den Mund gehalten, und inzwischen würde jeder Mitarbeiter wissen, dass Susannah das Mädchen und Sam beim Sex ertappt hatte.

Auf dem Weg durch die Flure wurde sie von einigen Männern vorsichtig begrüßt, als wäre sie eine todgeweihte Krebspatientin und sie wüssten nicht, was sie ihr sagen sollten. Höflich nickte sie ihnen zu und ging weiter, mit kerzengeradem Rücken, in perfekter Haltung. Lieber würde sie sterben, bevor sie den Blick nach unten richtete. 1965 war sie San Franciscos Debütantin des Jahres gewesen und davor in traditioneller Weise erzogen worden. Deshalb verstand sie es, in allen provozierenden Situationen Würde zu bewahren und ihre Emotionen hinter einer gelassenen Fassade zu verbergen.

Während sie sich ihrem Büro näherte, schwitzten ihre Handflächen. Doch sie senkte den Kopf um keinen Zentimeter. Kurz vor ihr flüchtete ein Ingenieur durch eine Tür. Vermutlich wollte er der Peinlichkeit entrinnen, Susannah begrüßen zu müssen. Ihre Mundwinkel bebten. Da erkannte sie, dass sie’s nicht durchhalten würde. Sie war keine High-Society-Lady mehr, nicht mehr die überaus tüchtige SysVal-Präsidentin, sondern eine Frau, die gelernt hatte, zu fühlen, zu lieben, zu leiden. Plötzlich stockten ihre Schritte. Nein, sie würde es nicht schaffen.

Die Muskeln völlig verkrampft, schreckte sie zusammen, als eine Lautsprecherstimme ertönte. Nie zuvor war diese Stimme im SysVal-System erklungen, denn sie gehörte jemandem, der sich seit Jahren bemühte, eben dieses System abzuschaffen.

»Ladys und Gentlemen ...« Mitch räusperte sich und fuhr im trockenen, sachlichen Stil eines Mannes fort, der sein Freizeitvergnügen darin fand, Wirtschaftsprognosen zu studieren. »Wie mir der Sicherheitsbeamte am Empfang soeben mitgeteilt hat, ist unsere Präsidentin und Leitende Geschäftsführerin, Susannah Faulconer, ins SysVal-Gebäude zurückgekehrt. Deshalb halte ich es für meine Pflicht, mich heute an Sie alle zu wenden und die Dinge ins rechte Lot zu rücken. An den Gerüchten, Miss Faulconer würde sich in Las Vegas verkriechen und in einer Nacktrevue auftreten, ist absolut nichts dran. Wer solche Klatschgeschichten weiterhin verbreitet, wird fristlos entlassen. Wie wir aus sicherer Quelle wissen, war Miss Faulconer nicht nackt, sondern höchst respektabel mit einem Tanga im Leopardenmuster bekleidet.« Und dann dröhnte eine Melodie, die dem Musical »The Stripper« entstammte.

Aus allen offenen Zimmern rechts und links schallte prustendes Gelächter. Susannah wollte Mitch gleichzeitig umbringen und küssen. Natürlich hatte er gespürt, wie schwer es ihr fallen würde, an diesem Nachmittag das Gebäude zu betreten. Und das war seine sonderbare – für SysVal typische – Taktik, ihr die Tortur zu erleichtern. Nach der stressigen Begegnung am Morgen bedeutete ihr dieser Freundschaftsbeweis sehr viel.

Mit seiner witzigen Ansprache half er den Leuten aus der Verlegenheit und versorgte sie mit Gesprächsstoff. Nun wussten sie, wie sie mit Susannah reden konnten. Während der nächsten Stunden wurde sie unbarmherzig gehänselt. Aber im Gekicher schwang trotzdem eine gewisse Vorsicht mit. Wenn sie ihrem Büro normalerweise ein paar Tage fernblieb, wurde Sams Name dauernd erwähnt – diesmal nannte ihn niemand.

Am liebsten hätte sie das Wiedersehen mit ihrem Ehemann hinausgezögert. Doch sie konnte sich nicht bis in alle Ewigkeit verstecken. Und je länger sie den gefürchteten Moment vor sich her schob, desto unangenehmer würde er ausfallen. Nachdem sie an ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte, brachte ihr Helen, die Sekretärin, die dringlichste Post. Susannah zwang sich, von ihrem Notizblock aufzublicken und möglichst cool zu fragen: »Ist Sam heute da?«

»Äh, ich -ja, ich glaube schon.«

»Gut. Rufen Sie in seinem Büro an. Ich möchte ihn sehen, sobald er Zeit hat.«

Danach arbeitete Susannah so konzentriert, wie sie es vermochte. Während ihrer Abwesenheit hatten sich so viele wichtige geschäftliche Probleme angesammelt, dass es ihr schwer fiel, Prioritäten zu setzen. Dazu kamen kleine Irritationen. Als sie den Drehsessel zur Konsole herumschwenkte und ihren Blaze III einschaltete, machte sie eine ärgerliche Entdeckung. Inzwischen hatte man ihn durch einen neueren III ersetzt. Wenn die Rechner auch identisch waren – sie hatte eine sentimentale Zuneigung zu ihrem alten Blaze entwickelt, einem der dreizehn originalen Testmodelle. Die hatte das Personal auf Sams Wunsch einige Monate lang benutzt, um alle Viren auszumerzen, bevor der Blaze III auf den Markt gekommen war.

Sie fragte Helen, was mit ihrem alten Computer passiert sei, und erfuhr, ein Ingenieur habe ihn weggebracht. »Da er alle Ihre Dateien in die neue Maschine übertragen hat, dürfte es keine Schwierigkeiten geben.«

»Stöbern Sie ihn auf, und sagen Sie ihm, ich will meinen alten Blaze wiederhaben«, befahl Susannah. Vielleicht war sie unvernünftig. Das war ihr egal. In den letzten Wochen hatte sie genug Veränderungen hinnehmen müssen. Gegen diese konnte sie sich wenigstens wehren.

Helen nickte. Dann teilte sie ihr mit, Mitch würde möglichst bald mit ihr reden wollen. Susannah nahm den Hörer ab und wählte seine Nummer.

»Was Besseres als eine Nacktrevue ist dir nicht eingefallen?«

»Ich bin Ingenieur und Betriebswirt, kein Poet. Habe ich nicht gesagt, du sollst erst morgen ins Büro kommen?«

»Unmöglich. Da gibt’s zu viel, was ich aufarbeiten muss.«

Mitch zögerte. »Leider habe ich weitere unangenehme Neuigkeiten. So ungern ich dich auch am ersten Tag nach deiner Rückkehr gleich damit überfalle – gerade bekam ich einen Anruf aus Sacramento.«

Die Fingerspitzen an die Stirn gepresst, wappnete sie sich gegen die nächste Katastrophe.

»Wie du weißt, stehen wir gerade in Verhandlungen mit Regierungsvertretern. Nun haben sie Wind von dem Gerücht bekommen, dass SysVal verkauft werden soll. Dadurch sind die Chancen von FBT und dem Falcon 101 enorm gestiegen.«

Mit einem zitternden Daumen strich sie über ihre Schläfen.

Ein Multimillionengeschäft verloren ... Weil Sam die Firma verkaufen wollte ... Vor einem Monat hatten sie über den Wolken geschwebt. Und jetzt drohte alles auseinander zu brechen.

Während der nächsten zwei Stunden telefonierte sie pausenlos mit Sacramento, sprach mit allen erreichbaren Beamten und bemühte sich, ihnen klar zu machen, die Gerüchte seien völlig aus der Luft gegriffen. Höflich, aber unnachgiebig verkündeten die Abgeordneten, ihr Entschluss, den Falcon 101 dem Blaze III vorzuziehen, würde endgültig feststehen. Susannah widmete sich niedergeschlagen ihrem Computer. Hektisch begann sie Zahlen zu analysieren und versuchte zu eruieren, wie sich dieser finanzielle Rückschlag auf das Wildfire-Projekt auswirken würde. Noch bevor sie ihren Sessel herumschwenkte, spürte sie nach einer Weile, dass er in der Tür stand.

»Hi, Suzie.«

So viele Jahre war alles in ihr zum Leben erwacht, sobald sie ihn nur gesehen hatte. Jetzt fühlte sie sich wie betäubt. Langsam hob sie den Kopf und sah ihn so, wie er anderen erscheinen musste, die nicht in seinen Bann gerieten. Er wirkte müde und nervös, und er brauchte dringend einen Haarschnitt. Sein Hemd und seine Hose waren zerknittert, als hätte er darin geschlafen.

»Warst du im Haus?«, fragte er und betrat ihr Büro.

»Ja, ich habe ein paar Sachen geholt.«

»Wenn wir das Problem lösen wollen, kannst du nicht einfach weglaufen.«

Erst jetzt, nachdem sie ihn verlassen hatte, wollte er sich damit befassen? Eigentlich hätte sie’s voraussehen müssen. Warum tat es trotzdem so weh?

»Da gibt’s nichts zu erörtern, Sam, es ist vorbei. Mir reicht’s.«

»Hör mal, Susannah ...« Mit allen Fingern fuhr er durch sein wirres Haar, ballte eine Faust und schob sie in die Hosentasche. »Tut mir ehrlich Leid. Da habe ich wirklich Mist gebaut. Aber es muss nicht das Ende sein. Hätte ich gewusst, was für ein Riesengetue du machen würdest...«

»Darüber will ich nicht reden!« Entschlossen rang sie nach Fassung. Dank jahrelanger bitterer Erfahrung hatte sie gelernt, wie leicht man Sams verdrehter Logik auf den Leim gehen konnte. Und in diesem Moment war ihre Seele noch zu verletzlich für solche Diskussionen. »Während der Arbeitsstunden sollten wir nur übers Geschäft reden, Sam.« Sie stand auf und ging um ihren Schreibtisch herum. »Soeben hat mir Mitch erzählt, wir hätten den Vertrag mit dem Staat Kalifornien verloren, weil die Regierungsvertreter das Gerücht gehört haben, wir wollten SysVal verkaufen. Erklär mir bitte, warum du uns dermaßen brutal in den Rücken gefallen bist.«

Sam sank in einen Sessel und streckte die Beine aus. Wie ein beleidigter Schuljunge ließ er die Schultern hängen. »Ist das nicht offensichtlich? Wir müssen verkaufen, weil die Wirtschaft einer Rezession entgegenrast. Im ganzen Valley gehen die Firmen den Bach runter, eine nach der anderen. Reines Glück, dass wir uns so lange gehalten haben! Aber wir sollten’s nicht auf die Spitze treiben. Und der Deal mit Kalifornien war ohnehin bescheuert.«

»Und so hast du, ohne einen deiner Partner zu konsultieren, dem restlichen Aufsichtsrat zum Verkauf geraten?«

»Was sollte ich denn machen?«, rief er kampflustig. »Du bist davongelaufen. Erinnerst du dich? Wie konnte ich dich konsultieren

Aber sie ließ sich nicht zu einer Streiterei verleiten. »Und Mitch? Und Yank? Die sind hier geblieben.«

»Von so was verstehen sie nichts – nicht so viel wie du. Hör zu, Susannah. Klar, das kommt alles ein bisschen plötzlich. Aber es wird sich zum Guten wenden. Was wir gelernt haben, nimmt uns niemand weg. Mit unserem Know-how gründen wir eine neue Firma – eine viel bessere als SysVal. Wir sind zu schnell zu groß geworden. Diesmal gehen wir’s ein bisschen langsamer und bescheidener an. Überleg mal, wie viel wir über die Herstellung wissen. Alles werden wir automatisieren. Die Robotertechnik explodiert geradezu. Damit sparen wir Millionen an Laborkosten. Und dank unserer bisherigen Leistungen werden sämtliche Investoren aus allen Staaten bei uns Schlange stehen.«

Wieder einmal fand er die richtigen Worte. Aber die zündende Energie fehlte. Aus seinen Augen strahlte keine mystische Zukunftsvision. Deshalb durchschaute Susannah sein Ablenkungsmanöver. Um Zeit zu gewinnen, trat sie ans Fenster und betrachtete die Rasenfläche eines kleinen Innenhofs. Ganz hübsch – wenn auch etwas fantasielos, verglichen mit dem kunstvoll gestalteten Gelände des FBT-Schlosses. »Was steckt wirkliche dahinter, Sam?«, fragte sie leise. »Willst du’s mir heimzahlen? Ist es das

»Um Himmels willen, nein! Kennst du mich so schlecht? Hältst du mich tatsächlich für so einen Scheißkerl?«

Susannah schwieg.

Da sprang er auf, starrte den Teppich an und stieß mit der Spitze seines handgefertigten italienischen Halbschuhs gegen ein Schreibtischbein. »Tu das nicht, Suzie. Wirf nicht alles weg, nur wegen meiner kleinen Eskapade. Inzwischen habe ich Mindy entlassen. Ich dachte, du würdest ihren Anblick nicht mehr ertragen. Deshalb habe ich sie gefeuert. Und ich war in dieser Galerie und hab das Bild zurückgekauft, das dir so gut gefällt.« Wie ein Kind, das unartig gewesen war und sich mit seiner Mutter versöhnen wollte, hielt er ihr kleine Geschenke vor die Nase. Die betrogene Ehefrau fand eine gewisse rachsüchtige Genugtuung, weil er Mindy hinausgeworfen hatte. Aber die SysVal-Präsidentin erkannte die ungerechte Maßnahme, die sie sofort korrigieren musste. In diesem Moment wollte sie allerdings weder ihre Ehe noch Mindys Schicksal erörtern. »Warum möchtest du SysVal verkaufen?«

»Das habe ich doch gesagt. Wir haben ein Vermögen gemacht, und jetzt ist’s an der Zeit, auszusteigen. Hör auf mich, Suzie, alles wird zusammenbrechen. Das spüre ich. Also müssen wir uns abseilen, solange es noch möglich ist.« Jetzt kehrte die alte Leidenschaft in seine Augen zurück und jagte ihr Angst ein. »Weißt du irgendwas, das du mir nicht verrätst, Sam?«

»Wann bist du so verdammt misstrauisch geworden? Da gibt’s keine Geheimnisse. Schau dir doch die verfluchte Wirtschaftslage an!«

»Wir werden SysVal nicht verkaufen.«

»Natürlich tun wir’s, verdammt noch mal! Weil der ganze restliche Aufsichtsrat hinter mir steht! Das sind Erbsenzähler, die mögen’s nicht, wenn ich nervös werde. Letzten Endes wirst du keine Chance haben, Suzie. Also vertrau mir lieber. Wenn nicht, wirst du ziemlich blöd aus der Wäsche schauen.«

»Daran zweifle ich. Viel eher wirst du wie ein begossener Pudel dastehen.«

»Gemeinsam haben wir diese Firma aufgebaut. Und wir müssen sie gemeinsam fallen lassen. Dafür werde ich sorgen.« Mit langen Schritten ging er an ihr vorbei zur Tür. »Stell dich nicht gegen mich, Susannah. Ich warne dich. Solltest du mich bekämpfen, wird es der letzte große Fehler sein, den du bei SysVal machst.«

 

Am nächsten Nachmittag um drei trat der SysVal-Aufsichtsrat zusammen. Mitch, Susannah und Yank glänzten durch Abwesenheit. Ungeduldig wanderte Sam im Konferenzraum umher, während einer seiner Assistenten nach den drei Partnern fahndete. Schließlich kehrte der Mann mit erstaunlichen Neuigkeiten zurück. Mitch habe wegen eines Notfalls nach Boston fliegen müssen, Susannah und Yank seien unauffindbar. Prompt überstimmte der SysVal-Vorstand Sams Wunsch, die Besprechung trotzdem abzuhalten, und so wurde sie verschoben.

Erbost stapfte Sam in den Korridor hinaus. Unfassbar, dass Susannah ihn so dreist herausforderte ... Warum musste sie so gottverdammt starrsinnig sein? Klar, er hätte sich denken können, dass sie ausflippen würde, wenn sie seine Seitensprünge mitbekam. Die bedeuteten ihm aber doch überhaupt nichts. Warum verstand sie das nicht. Nur mit ihr wollte er sein Leben verbringen. War das so schwer zu begreifen?

In seinem Büro angekommen, drängte er sich zwischen den Leuten hindurch, die im Vorraum warteten und ihn sprechen wollten. Kategorisch teilte er seinen Assistenten mit, sie hätten fünfzehn Minuten Zeit, um Susannah aufzuspüren. Dann sperrte er sich in seinem Privatbüro ein. Sie wollte ein Baby. Okay. Er würde ihr sagen, damit sei er einverstanden. Vielleicht brauchte sie wirklich ein Kind, und das würde sie beruhigen.

Plötzlich merkte er, dass er schwitzte. Jesus, er hatte Angst.

Das alles passierte viel zu schnell. Irgendwie musste er seine Partner veranlassen, SysVal zu verkaufen, und Susannah zurückerobern. Nicht wegen der Firma. Seinetwegen.

Mit einem Mal sah er die Dinge etwas klarer. Dass er sich unglücklich fühlte – daran durfte er nicht nur Susannah die Schuld geben. Vielleicht lag’s tatsächlich an ihm selber. Aber sie wusste doch, wie verrückt er sich manchmal aufführte. Er machte halt gerade schwere Zeiten durch. Dafür sollte sie Verständnis aufbringen. An seiner Liebe konnte sie nicht zweifeln. Und er brauchte sie. Wenn sie ihn verließ, würde sie alles mitnehmen, was ihm zum Ausgleich seines Charakters fehlte.

 

»Natürlich begleite ich dich sehr gern«, versicherte Yank, während er mit Susannah das leere Schlafzimmer einer luxuriösen Eigentumswohnung inspizierte, die in einem eben erst erbauten Multimillionen-Dollar-Komplex lag. Dazu gehörten ein Hallenschwimmbad, ein Solarium und eine spektakuläre Aussicht. »Aber ich brauche keinen Babysitter. Heute Nachmittag wäre ich auch ohne deine Hilfe unerreichbar gewesen. Und ich wünschte, das hättest du mir zugetraut.«

Susannah schaute auf ihre Armbanduhr. Punkt vier. Inzwischen müsste die Aufsichtsratssitzung beendet sein. Mit einem sanften Lächeln bat sie Yank um Verzeihung. »Womöglich wärst du von irgendwas abgelenkt worden und hättest die Zeit vergessen. Das durfte ich in diesem Fall einfach nicht riskieren.«

Statt das Lächeln zu erwidern, musterte er sie mit unergründlichen Augen.

Beklommen schaute sie weg. Wie unheimlich er manchmal wirkte ... Nie wusste sie, was er dachte. Wahrscheinlich wusste das niemand.

Der Immobilienmakler hatte sie mit Yank allein gelassen, damit sie die Wohnung in Ruhe ein zweites Mal besichtigen konnten. Diesen freien Nachmittag wollte sie nutzen, um sich für ein neues Heim zu entscheiden. Blicklos schaute sie durch die Bogenfenster zu den Bergen hinüber. »Ich glaube, es ist okay.«

»Zumindest angemessen. Sobald die Räume eingerichtet sind, werden sie toll aussehen.«

Susannah dachte an das protzige Gold- und Brokatdekor in Yanks Haus. Diesen Stil hatte eine seiner Verflossenen bevorzugt.

Im Erdgeschoss erklangen laute Geräusche – eine Tür wurde aufgestoßen und fiel krachend ins Schloss. Als Susannah polternde Schritte auf der Treppe hörte, hielt sie den Atem an, und Yank runzelte die Stirn.

Sam stürmte ins Schlafzimmer. »Das glaube ich nicht! Allmählich weiß ich nicht mehr, ob ich dir noch vertrauen kann!«

Unfähig, ihren Zorn zu zügeln, fauchte Susannah ihn an. »Ausgerechnet du willst mit mir über Vertrauen reden?«

»Du besitzt ein Haus, Susannah!«, schrie er. »Mein Haus. Unser Haus. Wozu brauchst du eine Wohnung?«

»Darüber will ich jetzt nicht sprechen, Sam. Bitte, geh!«

Als er auf sie zukam, trat Yank dazwischen. Obwohl er sich keineswegs überstürzt bewegte, versperrte er Sam effektvoll den Weg zu Susannah. »Es wäre besser, du würdest diese Wohnung verlassen, Sam«, sagte er in ruhigem Ton. »Susannah möchte dich nicht hier haben.«

»Verschwinde!« Sam hob die Fäuste und versuchte, ihn beiseite zu stoßen. Aber Yank war trotz seines schlanken Körperbaus kräftig und durchtrainiert. Wenn er auch ein wenig schwankte, hielt er die Stellung. An Sams Hals begann eine Ader zu pulsieren. »Und ich dachte, du wärst mein Freund!«, herrschte er ihn an. »Heute hättest du an der Aufsichtsratssitzung teilnehmen müssen. Stattdessen hilfst du meiner Frau, mir den Laufpass zu geben!««

»Ich habe Yank gebeten. mit mir hierher zu kommen«, erklärte Susannah. Wie peinlich Sams Wutausbruch war ... Wieder einmal gewann sie den Eindruck, sie würde ihn distanziert beobachten, mit neuen, klügeren Augen.

»Sicher hat er sich geradezu überschlagen, um dir beizustehen«, spottete Sam.

Yank schloss die Augen. Gequält verzog er die Lippen. »Ich fürchte, ich kann auf dich verzichten, Sam. Ja, Susannah und ich – wir beide werden uns wohl oder übel von dir lossagen.«

Wie vom Blitz getroffen, stand Sam da, dann verzerrte sich sein Gesicht.

»Heute Morgen war ich bei einem Anwalt«, sagte Susannah tonlos. »Nichts, was du jetzt tust, wird einen Unterschied machen.« In einem weiten Bogen ging sie um ihn herum, und Yank folgte ihr in den Hausflur.

»Mach das nicht, Susannah!«, rief Sam von der Tür her. »Komm sofort mit mir nach Hause!«

Aber sie ließ sich auf keinen weiteren Streit ein und stieg unbeirrt die Treppe hinab.

 

Statt ins Büro zurückzukehren, fuhr Sam zum Haus seiner Mutter. Sie sonnte sich gerade im Hinterhof und trug einen Bikini aus glänzendem bronzebraunem Stoff, der nicht so aussah, als hätte er jemals das Wasser gesehen. Über ihren Ohren klemmten die Kopfhörer eines Walkmans. Die Augen hatte sie unter einer Sonnenbrille mit dem goldenen Monogramm A. G. auf einem Glas geschlossen.

Obwohl er seiner Mom angeboten hatte, ihr ein Haus zu kaufen, wo immer sie’s wollte, weigerte sie sich, aus ihrer gewohnten Umgebung wegzuziehen. Hier würde sie gern leben, erwiderte sie, weil sie alle Nachbarn kannte, und ihre alten Ladys würden sich auf sie verlassen. Sam wandte ein, sie müsse nicht mehr arbeiten, er wisse gar nicht, was er mit seinem ganzen Geld anfangen sollte. Aber Angela beteuerte, ihre Unabhängigkeit sei ihr wichtig. Er schlug ihr sogar vor, einen erstklassigen Friseursalon zu kaufen, wo sie nach Lust und Laune schalten und walten könnte. Doch da hatte sie entgegnet, so hart würde sie gar nicht arbeiten wollen.

Als er sich bückte und den Walkman ausschaltete, riss sie die Augen auf. »Hi, Baby!« Sie schob ihre Sonnenbrille über die Stirn nach oben und richtete sich ein wenig auf. Dabei entstanden Fältchen auf ihrem Bauch. Aber für eine Neunundvierzigjährige besaß sie immer noch eine großartige Figur. »Piekfein siehst du aus«, fuhr sie wie üblich fort. »Hätte mir jemand an deinem achtzehnten Geburtstag erzählt, eines Tages würdest du mit Achtzig-Dollar-Krawatten rumlaufen, wäre ich in schallendes Gelächter ausgebrochen. Dem hätte ich gesagt, er sei völlig übergeschnappt.«

Sam setzte sich in den Korbstuhl an ihrer Seite und bemerkte die rostigen Schrauben in den Armstützen. »So viel bedeuten Klamotten nun auch wieder nicht.«

»Versuch doch mal, ohne sie auszukommen.«

Die Beine ausgestreckt, schaute er zum Himmel hinauf. Dann senkte er die Lider. »Hast du mit Suzie geredet?«

»Gestern rief sie mich an.«

»Sie hat die hirnrissige Idee, sie müsste unbedingt aus unserem Haus ausziehen.«

»Mhm.«

»Und?«

»Willst du Spaghetti?«

»Was hast du ihr gesagt?«

»Gar nichts. Suzie ist eine erwachsene Frau.«

»Und was hat sie zu dir gesagt?«

»Dass sie dich verlässt, Sammy.«

Seufzend hievte er sich aus dem Sessel hoch. »Ja, das bildet sie sich ein. Hör mal – sie will ein Kind.«

»Das weiß ich. Und einen Ehemann. Nun hast du bekommen, was du verdienst, mein Junge. Lange genug habe ich versucht, dir’s klar zu machen.«

»Ehrlich gesagt, du gehst mir wirklich auf den Geist. Du bist meine Mutter, nicht ihre. Dauernd hast du dich auf ihre Seite gestellt. Von Anfang an.«

»Weil ich meine eigene Herrin bin, Sammy. Und ich beurteile die Dinge so, wie ich sie sehe.«

»Tatsächlich?« Die Hände in die Hüften gestemmt, starrte er sie erbost an. »Dann siehst du einiges falsch. Suzie bedeutet mir sehr viel, und ich brauche sie.«

Seufzend streckte Angela eine Hand nach ihm aus. »O Baby, es ist äußerst schwierig, dich zu lieben ...«

 

»Immerhin hat Databeck ein exzellentes Angebot vorgelegt, Susannah«, betonte Leland Hayward beim Lunch in einem gemütlichen Cafe am Ghirardelli Square. Der Risikokapitalgeber zählte nach wie vor zu den einflussreichsten Aufsichtsratsmitgliedern von SysVal.

Außer dem mächtigen alten Mann und den vier Firmengründern bestand der Aufsichtsrat aus Bankern und Investoren, die eingestiegen waren, als der Betrieb Expansionskapital benötigt hatte. Im Grunde ihres Herzens waren sie alle sehr konservativ. Während der letzten vier Jahre hatte Susannah jeden Einzelnen oft privat besucht und bestürzt festgestellt, wie heftig deren Nerven flatterten. Sogar Hayward, an Risiken gewöhnt, machte sich dauernd Sorgen.

Kopfschüttelnd streute er Süßstoff in seinen Kaffee. »Begreifst du’s nicht? Wenn ein wilder Rebell wie Sam kalte Füße kriegt und uns zum Verkauf rät, muss ich auf ihn hören.«

»Die Firma ist solide«, beharrte Susannah. »Warum sollten wir sie verkaufen?«

»Mit der Entwicklung des Wildfire seid ihr im Rückstand. Soeben ist euch der Deal mit dem Staat Kalifornien durch die Lappen gegangen. Allzu solide erscheint mir das nicht.«

»Den Vertrag haben wir nur wegen dieses lächerlichen Gerüchts über unsere Verkaufsabsichten eingebüßt.«

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«

Nur zu gut verstand Susannah die Situation. Hätten Mitch oder sie selbst Bedenken geäußert, die SysVals Finanzlage betrafen, wären die Aufsichtsratsmitglieder beunruhigt, aber nicht verängstigt gewesen. Doch sobald ein verwegener Kerl wie Sam die Segel streichen wollte, gerieten sie in Panik.

Sie tranken ihre Kaffeetassen leer, und Leland beglich die Rechnung. Als er aufstand, runzelte er die Stirn. »Übrigens, Susannah, im Moment bin ich nicht allzu glücklich mit euren Service-Leuten. Vor ein paar Wochen holten sie meinen Computer ab, als ich gerade in Urlaub war. Den haben sie noch immer nicht zurückgebracht – und mir auch kein Ersatzgerät angeboten.«

»Tut mir Leid.« Susannah nahm ein kleines Notizbuch aus ihrer Handtasche und trug eine Gedächtnisstütze ein. Nach der SysVal-Philosophie war jeder Angestellte, der eine Beschwerde entgegennahm, für die Korrektur verantwortlich. Da bildete niemand – vom Aufsichtsratsvorsitzenden bis zur kleinsten Schreibkraft – eine Ausnahme.

»Diese Maschine mochte ich«, fuhr Leland fort. Und dann kicherte er. »Ein Blaze-III-Testmodell zu besitzen – dabei fühlte ich mich wie ein Pionier.«

Verwundert schaute sie ihn an. »Ein Testmodell?«

»Das hat Sam mir geschenkt. Als er herausfand, dass ich keinen Computer benutze, verkündete er, ich sei eine Schande für die Firma. Es dauerte eine Weile, bis ich mich dran gewöhnte. Aber jetzt kann ich ganz gut damit umgehen.«

Plötzlich erinnerte sich Susannah an ihren eigenen verschwunden Computer. Hatte jemand aus der technischen Abteilung alle dreizehn Testmodelle eingesammelt, um Ärger zu machen? Sie versprach Leland, sie würde ihm noch an diesem Nachmittag ein Ersatzgerät schicken. Dann bat sie ihn erneut, noch einmal über den Verkauf nachzudenken.

»Nein, Susannah, ich habe gelernt, meinen Instinkten zu vertrauen«, erwiderte er. »Und die verraten mir, dass SysVal in ernsthaften Schwierigkeiten steckt.«

Enttäuscht und deprimiert kehrte sie in ihr Büro zurück. Die Sekretärin gab ihr ein paar telefonische Nachrichten, und sie blätterte darin, in der Hoffnung, endlich etwas von ihrer Schwester zu hören. Seit Tagen rief sie immer wieder in der Villa auf Sardinien an und richtete dem Hausmädchen aus, Paige möge sich melden. Ohne Erfolg.

Auch am nächsten Morgen dachte sie an ihre Schwester, als Lydia Dubeck in ihr Büro kam, eine eifrige junge Betriebswirtin mit Harvard-Abschluss, die erst seit kurzem zum SysVal-Management gehörte. »Das macht mich noch wahnsinnig, Susannah! In der technischen Abteilung scheint niemand irgendwas über einen Rückruf dieser dreizehn Testmodelle zu wissen. Kein einziger Benutzer wollte was reparieren lassen, niemand hat was von irgendwelchen Problemen gehört. Eigentlich eine gute Nachricht.«

Trotzdem machte sich Susannah Sorgen. »Sams Assistenten müssten eine Liste aller Kunden haben, die diese Geräte besitzen. Lassen Sie die Liste checken, Lydia, und den Zustand jeder einzelnen Maschine überprüfen.«

Am späten Nachmittag kam Lydia wieder zu ihr, sichtlich müde und irritiert. »Keine Ahnung, was da los ist ... Offenbar hat nur Sam eine Datei, die diese Liste enthält. Man könnte meinen, das wäre ein Staatsgeheimnis. An seinen Computer konnte ich nicht ran. Seine Assistenten haben es verhindert. Und als ich ihn endlich traf, hatte er gerade einen Anfall.«

Was das bedeutete, musste Susannah nicht fragen. Offenbar hatte das Mädchen eine der berühmten Strafpredigten ertragen müssen. Nach kurzer Überlegung entschied sie, es wäre unklug, mit Sam wegen einer vermutlich trivialen Sache zu streiten – noch dazu, wo ein viel größerer Kampf bevorstand. »Danke für Ihren Versuch, Lydia. Vergessen Sie’s erst mal.«

Den restlichen Nachmittag verbrachte sie mit Besprechungen. Um sechs war die letzte beendet, und sie beschloss nachzusehen, ob Mitch noch in seinem Büro war. Dann könnten sie ein paar neue Ideen zur Wildfire-Finanzierung erörtern.

Mitch arbeitete in einem formelleren Büro als seine Partner, mit weißbraun gestreiften Vorhängen und tiefen, komfortablen Sesseln. An den Wänden hingen ein paar Urkunden  – Auszeichnungen für sein wohltätiges Engagement – und gerahmte Fotos seiner Kinder.

In einen umfangreichen Bericht vertieft, saß er hinter seinem Schreibtisch, und Susannah hielt kurz inne, um ihn zu betrachten. An seinen Handgelenken schimmerten dezente goldene Manschettenknöpfe. Der Hemdkragen war korrekt geschlossen, die Krawatte ordentlich verknotet. Als er aufblickte, spiegelte sich das Licht der Schreibtischlampe in seiner Hornbrille. Sekundenlang versuchte sie, diese Bastion respektablen Managements mit dem Mann in Einklang zu bringen, der ihre Schwester so leidenschaftlich geküsst hatte.

»Gehst du mit mir essen?«, schlug sie vor.

»Tut mir Leid, ich bin mit Jacqueline verabredet.« Sie schnitt eine Grimasse, und er hob die Brauen. »Natürlich kannst du uns begleiten, du bist uns stets willkommen. Jacqueline schätzt deine Gesellschaft.«

»Danke, da passe ich lieber. Heute Abend bin ich nicht in der richtigen Stimmung, um über tote Philosophen zu diskutieren.« Sie ließ sich in den Sessel vor seinem Schreibtisch fallen und streifte ihre Pumps ab. »Wirst du sie heiraten?«

Indigniert verdrehte er die Augen. »Also wirklich, Susannah ...«

»Nun?«

Draußen im Flur knisterte der Lautsprecher. »Achtung, Achtung! In diesem Gebäude treibt sich ein entlaufenes Schwein herum. Jeder, der eine zweihundert Pfund schwere Sau erblickt, die auf den Namen Yoda hört, soll sofort das Sicherheitsbüro verständigen.«

Mitch seufzte, und Susannah stöhnte. »Himmel, hoffentlich ist das nur ein Witz.«

»Das kann man in diesem Laden nie wissen.« Susannahs Lächeln erstarb, als ihr bewusst wurde, wie viel ihr SysVal bedeutete – vor allem jetzt, nachdem ihre Ehe gescheitert war. »O Mitch, ich liebe diese Firma. Und ich will sie nicht verlieren.«

Bedächtig nahm er seine Brille ab und klappte die Bügel zusammen. »Ich auch nicht. Aber das wäre nicht das Schlimmste, was uns passieren könnte. Wenn wir SysVal verkaufen, sind wir so reich, dass wir unser Geld nicht einmal in sechs Menschenleben ausgeben könnten.«

Bisher hatte sich Susannah geweigert, auch nur an eine Niederlage zu denken, und es ärgerte sie, dass Mitch damit zu rechnen schien. »Ums Geld geht’s nicht. Wir haben ein grandioses Unternehmen aufgebaut. Das lassen wir uns nicht wegnehmen.«

»Ein Großteil des Aufsichtsrats steht auf Sams Seite. Mach dir nichts vor, Susannah.«

»Auch wir werden unterstützt. Die meisten Mitglieder mögen Sam nicht einmal.«

»Mag sein. Aber wenn er anfängt, ›Feuer‹ zu schreien, werden sie zweifellos zum nächstbesten Ausgang laufen.«

Susannah schob ihre Füße wieder in die Schuhe. Keine Sekunde lang hatte sie die Möglichkeit bedacht, Mitch könnte sich hinter Sam stellen. Jetzt war sie nicht mehr so sicher. »Allmählich gewinne ich den Eindruck, du hast einen Ausweichplan geschmiedet. Und das gefällt mir nicht. Diese Firma werden wir nicht verlieren.«

»Schalt doch mal von Emotionen auf deinen Verstand! Wir müssen uns auf alles gefasst machen. Selbst wenn wir’s nicht wollen, sollten wir der Realität ins Auge blicken. Und es ist durchaus möglich, dass wir einen Fehlschlag erleiden werden.«

Empört sprang sie auf. »Okay, schauen wir der Realität ins Auge! Du und dein Computergehirn! Wenn ich die Initiative ergreife, werden alle an einem Strang ziehen.«

»Jetzt reagierst du ein bisschen übertrieben, Susannah.«

Damit hatte er Recht, was sie aber nicht versöhnlicher stimmte. Sie hatte geglaubt, Mitch würde für alle Zeiten an ihrer Seite kämpfen. Jetzt wurde sie eines Besseren belehrt. Sobald er zu der Überzeugung gelangte, er würde auf verlorenem Posten stehen, orientierte er sich neu. Und dann würde er wahrscheinlich zum Feind überlaufen. Krampfhaft umklammerte sie die Papiere, die sie bei sich trug. »Entweder bist du für mich oder gegen mich, Mitch. Einen Mittelweg gibt es nicht. Falls du mir helfen willst, verschwende meine Zeit nicht mit diesem feigen Gewäsch. Und wenn du dich gegen mich stellst, dann geh mir verdammt noch mal aus dem Weg, denn in dieser Schlacht werde ich auf keinen Fall untergehen.«

»Heiliger Himmel!« Ungeduldig schob er den Bericht beiseite, den er gelesen hatte, und stand auf. »Bei SysVal geht’s nicht um Leben oder Tod, Susannah, es ist nur eine Firma.«

»Nein! Ein Abenteuer!«, schleuderte sie ihm die Mission ins Gesicht, die bei der SysVal-Gründung in der Presseerklärung gestanden hatte. Aus tiefstem Herzen heraus wiederholte sie Sams Worte: »›Gemeinsam sind wir aufgebrochen, um ein Abenteuer zu bestehen und der Welt den besten Computer zu schenken, den die Menschheit produzieren kann. Qualität und Integrität stellen wir über alles. Wir genießen das Wagnis, denn es gibt uns die Chance, unser Allerbestes zu tun.‹ Daran glaube ich, Mitch. An jede einzelne Silbe!«

»Dieses Wortgeklingel solltest du nicht mit dem wirklichen Leben verwechseln.«

»Das ist kein Wortgeklingel, wir müssen uns an unsere Visionen halten. Nicht nur als Unternehmen, sondern als menschliche Wesen. Sonst würden wir unser Leben vergeuden.«

Wütend stürmte sie zur Tür hinaus und den Korridor entlang. Die festen Bande der Partnerschaft schienen sich unaufhaltsam zu lösen. Automatisch steuerte sie Yanks Labor an. Trotz der späten Stunde würde sie ihn wahrscheinlich dort antreffen. Nur ein paar Minuten lang wollte sie ihm bei der Arbeit zusehen – nur ein paar Minuten in seiner Nähe würden sie beruhigen.