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Den auf meine Rückkehr folgenden Monat verbrachte ich im Bett und kurierte eine Krankheit aus, die ich mir vermutlich bei den Ausgrabungen geholt hatte und sich in heftigen, malariaähnlichen Fieberschüben äußerte. Mein Gehirn allerdings lief währenddessen auf Hochtouren und kehrte immer wieder zu jener bestürzenden Wahrheit zurück, der ich auf die Spur gekommen war. Ich hegte keinen Zweifel mehr daran, dass auf dem Planeten Soror dem Zeitalter der Affen eine Ära des Menschen vorangegangen war, und diese Überzeugung versetzte mich in einen eigenartigen Rauschzustand. Ich weiß jedoch nicht, ob ich auf diese Entdeckung stolz oder darüber eher beschämt sein soll. Natürlich schmeichelt es meinem Selbstwertgefühl als Mensch, dass die Affen nichts von sich aus erfunden, sondern alles nur nachgeahmt haben, doch schäme ich mich der Tatsache, dass eine menschliche Zivilisation so leicht von Affen übernommen werden konnte.

Wie hat es so weit kommen können? Diese Frage beschäftigt mich unablässig. Gewiss, es steht seit langem fest, dass Zivilisationen vergänglich sind, aber ein derart spurloses Verschwinden hat etwas Niederschmetterndes an sich. Wie hat es also so weit kommen können? Durch eine Katastrophe? Eine Sintflut? Durch den langsamen Verfall der einen und allmählichen Aufstieg der anderen Zivilisation? Ich neige letzterer Hypothese zu und finde in allem, was die Affen treiben, Hinweise, die eine solche Entwicklung vermuten lassen. Zum Beispiel die Bedeutung, die sie ihren biologischen Forschungen beimessen. Ich erkenne jetzt klar den Grund dafür. Unter der alten Ordnung haben ganz sicher viele Affen den Menschen als Versuchsobjekte gedient, wie es ja auch in unseren Laboratorien der Fall ist. Und diese Versuchstiere haben als erste die Fackel des Aufruhrs entzündet, waren die Pioniere der Revolution. Vermutlich begann es damit, dass sie das Verhalten ihrer Herren nachahmten – und diese Herren waren Forscher, Biologen, Ärzte, Krankenpfleger und Wächter. Daher also das ungewöhnliche Engagement, das die Affen in diesem Bereich an den Tag legen.

Doch genug über die Affen nachgedacht! Seit zwei Monaten habe ich meine ehemaligen Mitgefangenen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Heute fühle ich mich besser, ich habe kein Fieber mehr. Gestern sagte ich zu Zira, die mich während meiner Krankheit wie eine Schwester gepflegt hat, dass ich meine Studien in ihrer Abteilung wieder aufzunehmen gedenke, wovon sie sich nicht sehr begeistert zeigte, doch keine Einwände erhob.

So stehe ich also wieder einmal in dem Saal mit den Käfigen. Schon auf der Schwelle überfällt mich ein seltsames Gefühl, denn ich sehe diese Geschöpfe in einem neuem Licht. Beklommen habe ich mich vor dem Eintreten gefragt, ob sie mich nach meiner langen Abwesenheit wieder erkennen würden. Nun, das haben sie. Alle Blicke sind wie eh und je und sogar mit einer gewissen Unterwürfigkeit auf mich gerichtet. Täusche ich mich oder liegt in diesen Blicken tatsächlich ein neuer Ausdruck, der mir persönlich gilt und sich von ihrer üblichen Reaktion auf das Erscheinen der Gorillas unterscheidet? Es ist vielleicht nur ein Reflex, schwer zu definieren, doch ich glaube darin erwachende Neugier zu erkennen, das Heraufdämmern uralter Erinnerungen aus tierischer Dumpfheit und – vielleicht – das ungewisse Aufkeimen einer Hoffnung.

Diese Hoffnung meine ich seit einiger Zeit unbewusst in mir selbst zu nähren, ja vermutlich liegt darin mein Hochgefühl begründet. Nicht umsonst hat es mich, Ulysse Merou, auf diesen Planeten verschlagen. Mir ist es auferlegt, hier eine Wiedergeburt des Menschen zu bewirken … Nun also habe ich endlich das, was mich seit einem Monat quält, beim Namen genannt. Gott würfelt nicht, wie einmal ein Physiker sagte. Im Kosmos gibt es keinen Zufall. Meine Reise zum Beteigeuze war durch das Schicksal vorbestimmt, und an mir liegt es nun, mich des Auftrags würdig zu erweisen und diese verlorene Menschheit zu retten.

Wie üblich, mache ich einen langsamen Rundgang durch den Saal und zwinge mich, nicht gleich auf Novas Käfig zuzulaufen, kann ich es mir doch nicht leisten, jemanden zu bevorzugen. Ich begrüße jeden einzelnen meiner Schützlinge – wobei es mir nichts ausmacht, dass sie der Sprache noch nicht mächtig sind. Dann nähere ich mich mit gespielter Gleichgültigkeit meinem alten Käfig. Aus dem Augenwinkel schiele ich schon hinüber, doch keine Arme strecken sich mir durch das Gitter entgegen, keine Freudenschreie ertönen, mit denen Nova mich sonst zu empfangen pflegte. Eine dunkle Ahnung steigt in mir auf, und ich kann mich nicht länger zurückhalten. Ich stürze zum Käfig. Er ist leer.

Ich rufe einen der Wächter, wobei mein scharfer Ton die Gefangenen erzittern lässt. Zanam erscheint. Es ist ihm gar nicht recht, mir gehorchen zu müssen, doch auf Ziras Anordnung hin hat er sich zu meiner Verfügung zu halten.

»Wo ist Nova?«, frage ich ihn.

Verdrossen antwortet er, darüber wisse er nicht Bescheid, eines Tages habe man sie fortgeschafft. Ich bohre nach, doch ohne Erfolg. Da kommt durch einen glücklichen Zufall Zira herein, die gerade Visite machen will. Als sie mich vor dem leeren Käfig sieht, errät sie, was in mir vorgeht. Sie wirkt verlegen und spricht zunächst von etwas anderem. »Cornelius ist zurückgekehrt. Er möchte dich sehen.«

In diesem Moment sind mir jedoch Cornelius, alle Schimpansen, Gorillas und sonstige Affen völlig gleichgültig. Ich zeige mit dem Finger auf den Käfig und sage lediglich: »Nova?«

»Man hat sie in eine Spezialabteilung verlegt«, antwortet die Äffin und zieht mich dabei hinaus, damit der Wärter uns nicht hören kann. »Ich habe dem Verwaltungsdirektor zwar versprochen, das Geheimnis zu wahren, doch ich finde, du solltest es wissen.«

»Ist sie krank?«

»Es ist nichts Schlimmes. Aber doch so wichtig, dass sich die Behörden damit befassen. Nova sieht einem Freudigen Ereignis entgegen.«

»Was für ein Ereignis?«

»Sie erwartet ein Kind«, erwidert Zira und sieht mich ziemlich merkwürdig an.