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Nach der Landung verharrten wir eine Weile schweigend und regungslos. Das mag vielleicht überraschend anmuten, doch wir verspürten zunächst das Bedürfnis, uns zu sammeln. Wir hatten uns in ein Abenteuer gestürzt, das an Kühnheit die Fahrten der ersten irdischen Entdecker bei weitem übertraf, und wir bereiteten uns im Geist darauf vor, all dem Wunderbaren zu begegnen, das die Fantasie ganzer Generationen von Weltraumpoeten beschäftigt hatte.

Fürs Erste erschöpften sich die Wunder allerdings darin, dass wir in freier Natur auf einem Planeten gelandet waren, der – wie der unsere – Ozeane, Gebirge, Wälder, Felder, Städte und offenbar auch Bewohner aufwies. Wir mussten uns jedoch, in Anbetracht der Ausdehnung des Dschungels, den wir zuvor überflogen hatten, ziemlich weit von zivilisierten Gegenden befinden.

Schließlich erwachten wir aus unserer Versunkenheit. Wir schlossen die Raumanzüge und öffneten vorsichtig eine Luke des Beibootes. Es entstand nicht der geringste Luftzug, Innen- und Außendruck glichen sich aus. Der Wald umgab die Lichtung wie ein Festungswall. Kein Geräusch, keine Bewegung – nichts regte sich. Die Temperatur war ziemlich hoch, aber erträglich: etwa fünfundzwanzig Grad Celsius.

Wir kletterten aus dem Beiboot, Hector ebenfalls. Professor Antelle beabsichtigte zunächst, die Atmosphäre genau zu analysieren. Das Resultat fiel ermutigend aus: Die Luft wies die gleiche Zusammensetzung auf wie die irdische, trotz gewisser Unterschiede im Anteil einiger seltener Gase. Sie war also zum Atmen geeignet. Aus Vorsicht beschlossen wir jedoch, sie zuerst an dem Schimpansen zu erproben. Der Affe, von seinem Schutzanzug befreit, schien nicht die geringsten Beschwerden zu verspüren. Übermütig tollte er herum, lief auf den Wald zu, kletterte auf einen Baum und verschwand in den Zweigen. All unser Rufen und Gestikulieren war vergeblich – er blieb verschwunden.

Nachdem wir selbst unsere Raumanzüge abgelegt hatten, konnten wir ungehindert miteinander sprechen. Der Klang unserer Stimmen berührte uns eigenartig, und wir wagten ängstlich ein paar Schritte, ohne uns allzu weit vom Beiboot zu entfernen.

Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass dieser Planet eine Zwillingsschwester unserer Erde war. Es gab Leben. Die Vegetation wucherte sogar besonders üppig, etliche dieser Bäume waren bestimmt über vierzig Meter hoch. Was die Fauna betraf, so zeigten sich uns vorläufig nur einige große schwarze Vögel, die wie Geier am Himmel schwebten, sowie ein paar kleinere, die piepsend umherschwirrten und wie Sittiche aussahen. Aus unseren Beobachtungen während des Anfluges folgerten wir, dass auch eine Zivilisation existierte. Vernunftbegabte Wesen – wir wagten noch nicht, den Ausdruck ›Menschen‹ zu gebrauchen – hatten die Oberfläche des Planeten gestaltet. Dass tiefe Einsamkeit uns umgab, war nicht weiter erstaunlich – im asiatischen Dschungel wäre es uns ebenso ergangen.

Bevor wir etwas unternahmen, hielten wir es für angebracht, dem Planeten einen Namen zu geben. Wir tauften ihn ›Soror‹, weil er unserer Erde so ähnlich war.

Dann entschlossen wir uns, unverzüglich einen ersten Erkundungsgang anzutreten. Auf einer Art Trampelpfad drangen wir in den Wald ein. Levain und ich waren mit Gewehren ausgerüstet, der Professor verschmähte andere als geistige Waffen. Wir fühlten uns leicht und unbeschwert und marschierten fröhlich drauflos. Obwohl wir unser Körpergewicht genauso spürten wie auf der Erde – auch darin bestand völlige Übereinstimmung –, verführte uns die Befreiung von den Schwerkraftverhältnissen im Raumschiff förmlich zu Bocksprüngen.

Wir bewegten uns im Gänsemarsch vorwärts und immer wieder riefen wir nach Hector, vergeblich allerdings. Auf einmal blieb der junge Levain, der vorausging, stehen und bedeutete uns, zu lauschen. In einiger Entfernung hörte man ein Rauschen wie von fließendem Wasser. Wir stießen weiter in diese Richtung vor, und das Geräusch wurde deutlicher.

Es war ein Wasserfall. Benommen von der Schönheit der Szenerie, die sich uns bot, hielten wir inne. Klar wie einer unserer heimischen Gebirgsbäche schlängelte sich der Wasserlauf über uns, verbreiterte sich und ergoss sich aus einer Höhe von mehreren Metern über eine Gesteinstreppe in eine Art See zu unseren Füßen. Ein von der Natur geschaffenes, von Sand und Felsgestein eingefasstes Schwimmbecken, auf dessen Oberfläche sich das Licht Beteigeuzes spiegelte, der nun im Zenit stand.

Der Anblick des Wassers war so verlockend, dass Levain und mir der gleiche Gedanke kam. Tatsächlich war es sehr heiß geworden, uns so warfen wir unsere Kleider ab, um uns kopfüber in den See zu stürzen. Aber Professor Antelle ermahnte uns, auf diesem unbekannten Planeten etwas mehr Vorsicht walten zu lassen. Vielleicht war das gar kein Wasser, vielleicht war diese Flüssigkeit schädlich. Er trat ans Ufer, kauerte sich nieder und nahm es in Augenschein. Dann berührte er es vorsichtig mit dem Finger. Schließlich schöpfte er etwas davon seine hohle Hand und benetzte die Zungenspitze.

»Das kann nur Wasser sein«, murmelte er.

Er bückte sich abermals, um die Hand ins Wasser zu tauchen. Da erstarrte er plötzlich und deutete auf einen Fußabdruck im Sand neben ihm. Ich glaube, ich war noch nie im Leben so aufgeregt. Hier, unter den glühenden Strahlen des Beteigeuze, der wie ein riesiger roter Ball den Himmel über uns ausfüllte, erblickten wir auf einem schmalen Streifen feuchten Sandes den perfekten Abdruck eines menschlichen Fußes.