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Ein großer Tag brach für mich an. Zira hatte sich von meinen Bitten erweichen lassen und sich bereit erklärt, mich aus dem ›Institut für höhere biologische Forschung‹ – so hieß unsere Anstalt – auf eine Stadtbesichtigung mitzunehmen. Sie hatte sich erst nach langem Zögern dazu entschlossen. Ich musste einige Zeit aufwenden, um sie von meiner Herkunft voll und ganz zu überzeugen. Solange sie bei mir war, konnte sie sich den Beweisen nicht entziehen, doch hinterher wurde sie immer wieder von Zweifeln befallen. Natürlich – an ihrer Stelle hätte mich meine Beschreibung der irdischen Menschen und vor allem der irdischen Affen auch außerordentlich schockiert. Sie gestand mir später, dass sie es lange Zeit vorgezogen habe, in mir einen Schwindler oder Scharlatan zu sehen, als mir Glauben zu schenken.

Aber schließlich habe sie angesichts der Indizien, die ich vorbrachte, unbegrenztes Zutrauen mir gegenüber gefasst und sogar Pläne für meine Freilassung zu schmieden begonnen. Die Durchführung sei nicht leicht, erklärte sie mir an jenem Tag. Zunächst einmal wollte sie mich am frühen Nachmittag zu einem Spaziergang abholen.

Der Gedanke, mich wieder an der frischen Luft bewegen zu können, verursachte mir Herzklopfen. Meine Begeisterung legte sich ein wenig, als sich herausstellte, dass ich an der Leine geführt werden sollte. Die Gorillas zerrten mich aus dem Käfig, schlugen Nova die Tür vor der Nase zu und legten mir ein ledernes Halsband um, an dem eine starke Kette befestigt war. Zira ergriff das andere Ende dieser Kette und nahm mich sozusagen ins Schlepptau. Nova jammerte herzzerreißend, und als ich mich besorgt umwandte und ihr liebevoll zuwinkte, schien das der Schimpansin nicht recht zu sein – sie riss mich schonungslos mit sich fort. Sie fand es wohl unverständlich und empörend, dass ich mich mit dem Mädchen abgab, obwohl ich doch Geist und Verstand eines Affen besaß.

Ihre schlechte Laune verflüchtigte sich, als wir uns allein in einem leeren, finsteren Korridor befanden. »Ich nehme an«, sagte sie lachend, »dass die Menschen der Erde es nicht gewöhnt sind, von einem Affen an der Leine geführt zu werden.«

Das musste ich ihr allerdings bestätigen. Sie entschuldigte sich und erklärte, eigentlich errege es kein Ärgernis, wenn man einen Menschen auf der Straße spazieren führe, aber normalerweise binde man ihn eben an. Später, wenn ich mich ordentlich betragen würde, sei es durchaus möglich, mich frei herumlaufen zu lassen. Und dann – sie vergaß, wer ich eigentlich war, was ihr recht häufig unterlief –, gab sie mir unzählige Verhaltungsmaßregeln, die mich zutiefst demütigten. Unter anderem sagte sie: »Vor allem darfst du dich nicht unterstehen, Passanten die Zähne zu zeigen oder ein argloses Kind zu kratzen, das dich streicheln möchte. Ich möchte dir keinen Maulkorb anlegen, aber …« Sie brach ab und lachte. »Verzeihung!«, rief sie. »Ich vergesse andauernd, dass du ja Verstand besitzt wie ein Affe.«

Sie gab mir einen kleinen, freundschaftlichen Klaps, und ihre Fröhlichkeit vertrieb meinen aufsteigenden Zorn. Ich hörte sie gern lachen. Novas Unfähigkeit, ihrer Freude derart Ausdruck zu verleihen, betrübte mich immer wieder. Ich stimmte in den Heiterkeitsausbruch der Schimpansin ein. Im Halbdunkel des Flurs konnte ich ihre Gesichtszüge kaum erkennen. Sie hatte sich zum Ausgehen ein schickes Kostüm angezogen und eine Kappe aufgesetzt, die ihre Ohren verdeckte. Einen Moment lang vergaß ich, dass sie eine Äffin war, und hakte sie unter. Sie ließ es geschehen. Arm in Arm legten wir einige Schritte zurück, doch am Ende des Ganges, wo durch ein Seitenfenster Licht einfiel, machte sie sich schnell von mir los und stieß mich weg.

»Das schickt sich nicht für dich«, sagte sie, ein wenig bedrückt. »Außerdem bin ich verlobt, und …«

»Ach ja, richtig!«

Meine Bemerkung hatte wohl etwas ironisch geklungen, und ich wurde verlegen. Sie übrigens auch. Ihre Schnauze rötete sich. »Ich wollte damit sagen, niemand darf vorläufig ahnen, wer du wirklich bist. Glaub mir, das ist nur in deinem eigenen Interesse.«

Ich fügte mich und ließ mich folgsam an der Leine führen. Wir verließen das Gebäude. Der Portier des Instituts, ein dicker, uniformierter Gorilla, grüßte Zira. Mich blickte er neugierig an. Draußen auf dem Gehsteig wurde mir, nach mehr als drei Monaten der Gefangenschaft, von der ungewohnten Bewegung und der Pracht des Beteigeuze ein wenig schwindlig. Ich pumpte meine Lungen mit der warmen Luft voll, und auf einmal wurde mir bewusst, dass ich nackt war. Ich wurde rot im Gesicht. In meinem Käfig hatte ich mich daran gewöhnt – doch hier, vor den Augen der vorbeispazierenden Affen, empfand ich es als grotesk und unanständig. Zira hatte kategorisch abgelehnt, mir Kleidung zu geben. Sie behauptete, ich würde angezogen mindestens ebenso lächerlich wirken wie jene dressierten Menschen, die man auf Jahrmärkten zeigt. Zweifellos hatte sie recht. Wenn die Passanten sich nach mir umdrehten, dann nicht etwa deshalb, weil ich ein nackter Mann war, sondern ein Mensch, ein Geschöpf, das auf der Straße die gleiche Neugier hervorrief wie ein Schimpanse in einem Ort auf der Erde. Die Erwachsenen gingen lächelnd ihres Weges. Einige Affenkinder umringten mich und starrten mich hingerissen an. Zira zog mich rasch zu ihrem Wagen und ließ mich hinten einsteigen. Dann nahm sie hinter dem Steuer Platz und fuhr mich langsam durch die Straßen.

Von der Stadt – der größten Metropole in einem wichtigen Siedlungsgebiet der Affen – hatte ich bei meiner Ankunft ja so gut wie nichts gesehen. Nun musste ich mich damit abfinden, sie von Affen bevölkert zu erblicken, von Affen zu Fuß, im Auto, in den Geschäften, von uniformierten Affen, die für Ordnung sorgten. Davon abgesehen, beeindruckte sie mich nicht besonders. Die Häuser glichen den unserigen, die Straßen, ziemlich schmutzig übrigens, unseren Straßen. Der Verkehr war nicht so dicht wie bei uns, und was mich wirklich überraschte, war die Art, wie die Fußgänger die Fahrbahn überquerten: Sie hangelten sich mit ihren vier Händen an großmaschigen Metallgittern entlang, die die Straßen überbrückten. Alle Affen trugen aus geschmeidigem Leder gefertigte Handschuhe, die sie in keiner Weise behinderten.

Nachdem sie mich wie bei einer Besichtigungstour kreuz und quer durch die Stadt gefahren hatte, brachte Zira den Wagen vor einem hohen Zaun zum Stehen, hinter dem man Blumenbeete erkennen konnte.

»Der Park«, erklärte sie. »Wir werden uns ein wenig die Füße vertreten. Ich wollte dir eigentlich noch mehr zeigen, unsere Museen zum Beispiel, die wirklich großartig sind, doch das ist leider nicht mehr möglich.«

Ich versicherte ihr, dass ich gegen ein bisschen Bewegung nichts einzuwenden hatte.

»Außerdem«, fügte sie dann hinzu, »haben wir hier unsere Ruhe. Es sind nur wenige Leute da, und es ist an der Zeit, dass wir ernsthaft miteinander reden.«