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In den Wochen vor dem Kongress stattete mir Zaius zahlreiche Besuche ab und unterzog mich etlichen albernen Tests. Seine Sekretärin füllte mehrere Hefte mit Angaben und Schlussfolgerungen über meine Verhaltensweisen. Ich ließ natürlich alles mit mir geschehen, um ihn in Sicherheit zu wiegen.
Schließlich kam das ersehnte Datum endlich heran, doch erst am dritten Tag des Kongresses wurde ich geholt, da sich die Affen zunächst erbitterte Rededuelle über theoretische Streitfragen lieferten. Zira hielt mich über den Fortgang auf dem Laufenden. Zaius hatte offenbar bereits einen langen Vortrag über mich gehalten, in dem er mich als einen Menschen mit besonders ausgeprägten Instinkten beschrieben, mir jedoch jeglichen Verstand strikt abgesprochen hatte. Cornelius legte ihm darauf einige Fangfragen vor, des Inhalts, wie er dann gewisse Aspekte meines Verhaltens zu interpretieren gedenke. Dies entfachte die Diskussion erneut und die letzte Sitzung verlief ziemlich turbulent. Die Gelehrten zerfielen in zwei Lager: Die einen billigten dem Tier keinerlei Seele zu, während die anderen lediglich einen graduellen Unterschied zwischen dem Seelenleben des Affen und dem eines Tieres sahen. Niemand ahnte die volle Wahrheit, wohlgemerkt, außer Zira und Cornelius. Immerhin enthielt Zaius' Vortrag so viel Überraschendes, dass einige unparteiische Beobachter – natürlich nicht die verknöcherten Paradegelehrten – von Unruhe erfasst wurden, und in der Stadt verbreitete sich das Gerücht, man habe einen ganz und gar ungewöhnlichen Menschen entdeckt.
Als Zira mich aus dem Käfig ließ, flüsterte sie mir ins Ohr: »Das Haus ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die gesamte Presse ist anwesend. Alle sind gespannt und wittern eine Sensation. Etwas Besseres kannst du dir überhaupt nicht wünschen. Kopf hoch!«
Tatsächlich hatte ich eine kleine Aufmunterung dringend nötig, denn ich war schrecklich nervös. Die ganze Nacht hindurch hatte ich an meiner Ansprache gefeilt. Ich konnte sie nun auswendig, und eigentlich musste sie auch den Borniertesten überzeugen. Doch insgeheim quälte mich die Angst, man würde mich nicht zu Wort kommen lassen.
Die Gorillas luden mich in einen vergitterten Wagen, wo ich mich in der Gesellschaft einiger anderer menschlicher Wesen wieder fand, die man ebenfalls für würdig befunden hatte, der gelehrten Versammlung vorgeführt zu werden. Wir hielten vor einem riesigen, von einer Kuppel überragten Bauwerk, und die Wächter führten uns in einen mit Käfigen ausgestatteten Nebenraum des Kongresssaals. Dort warteten wir, bis wir an die Reihe kamen. Von Zeit zu Zeit betrat ein majestätischer, schwarzuniformierter Gorilla den Raum und rief eine Nummer, woraufhin die Wächter einen der Menschen an die Leine legten und wegführten. Mein Herz klopfte jedes Mal schneller, wenn der Saaldiener erschien. Durch die angelehnte Tür drang dann immer Stimmengemurmel, vermischt mit Zwischenrufen und Beifallsäußerungen.
Da die Menschen nach der Vorführung woandershin gebracht wurden, war ich schließlich mit den Wächtern allein. Fieberhaft rief ich mir die wichtigsten Stellen meiner Ansprache ins Gedächtnis zurück. Man hatte mich bis zum Schluss aufgespart – wie einen Star. Zum letzten Mal erschien der schwarz gekleidete Gorilla und rief meine Nummer. Unverzüglich erhob ich mich, nahm dem verblüfften Affen die Leine aus der Hand, die er gerade an meinem Halsband befestigen wollte, und hakte sie selbst ein. So betrat ich, von zwei Wächtern flankiert, mit festem Schritt den Kongresssaal – und blieb wie angewurzelt stehen.
Ich hatte seit meiner Ankunft auf dem Planeten Soror schon viel Seltsames gesehen und mich an die Allgegenwart der Affen so sehr gewöhnt, dass ich mit keinen weiteren Überraschungen mehr rechnete. Doch angesichts der Einmaligkeit und der Dimensionen der Szene, die sich nun meinem Blick darbot, erfasste mich ein Schwindel, und ich fragte mich einmal mehr, ob ich nicht träumte. Ich befand mich auf dem Grund eines gigantischen Amphitheaters, das mich gespenstischerweise an Dantes kegelförmiges Inferno erinnerte. Auf allen Stufen, allen Rängen, neben mir und über mir saßen Affen, nichts als Affen, mehrere tausend. Ich hatte noch nie so viele Affen auf einmal gesehen, ihre Zahl überstieg die kühnsten Vorstellungen meines armen irdischen Gehirns.
Ich taumelte und versuchte mühsam, mich in diesem Gewimmel zurechtzufinden. Die Wächter schoben mich in die Mitte des Kreises, der einer Zirkusarena glich und wo man ein Podium errichtet hatte. Ich drehte mich langsam einmal um die eigene Achse. Reihe für Reihe saßen die Affen dicht gedrängt bis unter die unvorstellbar hohe Decke. Die Plätze in meiner nächsten Nähe waren den Mitgliedern der Akademie vorbehalten, verdienten Gelehrten in dunklen Gehröcken und gestreiften Hosen, ordensgeschmückt, fast alle Greise und Orang-Utans. Die wenigen Gorillas und Schimpansen unter ihnen bemerkte man kaum. Ich versuchte Cornelius zu entdecken, doch es gelang mir nicht.
Unweit der Koryphäen waren hinter einer Balustrade auf mehreren Rängen die wissenschaftlichen Assistenten untergebracht. In gleicher Höhe war eine Tribüne den Journalisten und Fotografen zugeteilt. Und weiter oben drängte sich hinter einer zweiten Barriere die Zuschauermenge, ein höchst erregtes Affenpublikum, das meinen Auftritt mit lautem Gemurmel begleitete. Ich hielt nach Zira Ausschau, die sich irgendwo unter den Assistenten befinden musste, denn ich sehnte mich nach einem aufmunternden Blick von ihr. Doch abermals wurde meine Hoffnung enttäuscht: In der alptraumhaften Szenerie, die mich umgab, entdeckte ich kein einziges vertrautes Affengesicht.
Schließlich wandte ich meine Aufmerksamkeit den Honoratioren zu. Jeder von ihnen thronte in einem rot ausgeschlagenen Sessel, wogegen den anderen nur Stühle oder Bänke zur Verfügung standen. Sie sahen alle aus wie Zaius', hatten den Kopf zwischen den Schultern eingezogen, einen überlangen Arm angewinkelt auf die Schreibunterlage gestützt und machten sich gelegentlich Notizen oder vergnügten sich mit kindischen Kritzeleien. Im Vergleich zur Aufregung, die auf den oberen Rängen herrschte, erschienen sie mir eher lethargisch, und ich hatte den Eindruck, dass der Lautsprecher mein Erscheinen gerade rechtzeitig angekündigt hatte, um ihr nachlassendes Interesse wieder zu entfachen. Ich erinnere mich an drei Orang-Utans, die wie aus tiefem Schlummer jäh hochfuhren.
Nun waren sie jedenfalls alle hellwach. Mein Auftritt war zweifellos der Höhepunkt der Tagung, und ich spürte Tausende von Augen auf mich gerichtet, manche mit unbeteiligtem, andere mit begeistertem Ausdruck. Meine Wächter schoben mich aufs Podium, wo ein ansehnlicher Gorilla präsidierte. Zira hatte mir gesagt, dass der Kongress üblicherweise von einem Organisationsfachmann und nicht von einem Gelehrten geleitet wurde, da die Wissenschaftler sonst, sich selbst überlassen, in endlose Diskussionen abgeschweift und nie zu einem Ergebnis gelangt wären. Links von dieser imposanten Erscheinung befand sich der Sekretär, ein Schimpanse, der das Sitzungsprotokoll führte, rechts nahmen jeweils die Gelehrten Platz, die ein Referat zu halten oder ein Versuchsobjekt zu präsentieren hatten. Und soeben hatte sich Zaius, mit spärlichem Applaus begrüßt, auf diesem Sitz niedergelassen. Dank der Lautsprecheranlage und mehrerer starker Scheinwerfer entging auch den obersten Reihen nichts von dem, was sich auf dem Podium abspielte.
Der Gorillavorsitzende läutete seine Glocke, und als Ruhe einkehrte, erteilte er das Wort dem hoch geschätzten Zaius, damit dieser den Menschen vorstelle, über den er bereits vor der Versammlung referiert habe. Der Orang-Utan stand auf, verbeugte sich und begann zu reden. Ich bemühte mich inzwischen, so verständig wie möglich dreinzublicken. Als er mich erwähnte, legte ich die Hand aufs Herz und verneigte mich. Im Publikum brandete Lachen auf, das die Glocke jedoch rasch zum Verstummen brachte. Ich begriff, dass ich meiner Sache keinen guten Dienst erwies, wenn ich mich zu derartigen Albernheiten hinreißen ließ, die ohne weiteres als Ergebnis einer sorgfältigen Dressur ausgelegt werden konnten. Also hielt ich mich zurück und wartete das Ende des Vertrags ab.
Zaius fasste die wichtigsten Punkte seines Referats noch einmal zusammen und kündigte an, er werde mich jetzt mit den inzwischen aufs Podium geschafften Utensilien einigen Experimenten unterziehen. Abschließend wies er noch darauf hin, dass ich, wie manche Vögel, in der Lage sei, ein paar Wörtchen nachzuplappern, und er hoffe, auch dies den Versammelten vorführen zu können. Dann drehte er sich zu mir um, nahm das Kästchen mit den verschiedenen Verschlüssen und reichte es mir. Doch statt mich den Verschlüssen zu widmen, tat ich etwas völlig Unerwartetes. Meine Stunde war gekommen. Ich hob die Hand, zog sanft an der Leine, die mich mit dem Wärter verband, schritt zu einem Mikrofon und wandte mich an den Vorsitzenden.
»Sehr geehrter Herr Vorsitzender«, sagte ich in meiner besten Affensprache, »mit dem größten Vergnügen werde ich dieses Kästchen öffnen und mich gern auch den anderen Programmpunkten unterziehen. Doch bevor ich mich dieser für mich äußerst leichten Aufgabe zuwende, bitte ich um die Erlaubnis, eine Erklärung abgeben zu dürfen, die bei der gelehrten Versammlung ohne Zweifel Erstaunen hervorrufen wird.«
Ich hatte sehr deutlich artikuliert, und jedes meiner Worte war bis in den letzten Winkel gedrungen. Die Reaktion entsprach genau meinen Erwartungen. Die Affen saßen wie versteinert da und hielten den Atem an. Die Journalisten vergaßen sogar, sich Notizen zu machen, und kein einziger Fotograf besaß die Geistesgegenwart, den historischen Augenblick im Bild festzuhalten. Der Präsident glotzte mich dümmlich an. Zaius hingegen kochte vor Wut. »Herr Präsident«, schrie er, »ich protestiere!« Doch er brach gleich wieder ab, um sich nicht lächerlich zu machen, indem er sich auf Diskussionen mit einem Menschen einließ. Das nutzte ich aus und ergriff wieder das Wort.
»Herr Vorsitzender, mit allem Respekt muss ich darauf bestehen, dass man mir diese Gunst gewährt. Sobald ich meine Erklärung abgegeben habe, stehe ich dem geschätzten Professor Zaius zur Verfügung. Das verspreche ich Ihnen.«
Im Publikum brach ein Tumult aus. Ein Sturm der Erregung tobte durch die Ränge und verwandelte die Affen in eine hysterische Masse. Laute Rufe, Gelächter, Heulen und Hurrageschrei schallten durcheinander. Dazu das Zucken der Blitzlichter – denn die Fotografen waren mittlerweile aus ihrer Erstarrung erwacht. Der Aufruhr dauerte etwa fünf Minuten, in denen mich der Präsident ununterbrochen anstarrte. Schließlich raffte er sich auf und schwang die Glocke.
»Ich …«, fing er stockend an. »Ich weiß nicht recht, wie ich Sie ansprechen soll.«
»Einfach wie Ihresgleichen«, erwiderte ich.
»Gut, ja, nun also, mein … mein Herr, ich denke, dass in Anbetracht der Außerordentlichkeit des vorliegenden Falles der Kongress, den zu leiten ich die Ehre habe, sich Ihre Erklärung anhören sollte.«
Eine neue Beifallswelle begrüßte diese Entscheidung. Mehr brauchte ich nicht. Ich trat in die Mitte des Podiums, stellte das Mikrofon auf eine für mich geeignete Höhe ein und begann zu sprechen.