1
Ich erwachte früh nach unruhigem Schlaf, warf mich einige Male im Bett herum und rieb mir schlaftrunken die Augen. Noch hatte ich mich nicht ganz an das zivilisierte Leben gewöhnt, das ich seit einem Monat führte, und vermisste das Rascheln des Strohs am Morgen und Novas Körperwärme.
Endlich bekam ich meine Sinne unter Kontrolle. Ich bewohnte eines der komfortabelsten Appartements im Institut. Die Affen hatten sich äußerst großzügig gezeigt: Ich hatte ein Bett, ein Badezimmer, Kleidung, Bücher, sogar einen Fernseher. Ich las alle Zeitungen. Ich war frei, konnte ausgehen, durch die Straßen spazieren, jede beliebige Veranstaltung besuchen. Mein Erscheinen an einem öffentlichen Ort erregte zwar immer noch erhebliches Aufsehen, doch die Hysterie der ersten Tage begann sich zu legen.
Nun war Cornelius der Chef des Instituts. Zaius war ›gegangen worden‹ – man hatte ihm einen anderen Posten zugewiesen und einen weiteren Orden verliehen –, und Ziras Verlobter hatte die begehrte Position erhalten. Daraus ergab sich eine Verjüngung des Personals, ein allgemeiner Prestigegewinn für die Schimpansen und eine erhöhte Aktivität in allen Arbeitsbereichen. Zira war zur Assistentin des neuen Direktors ernannt worden. Und was mich betraf, so nahm ich an den Forschungen teil, allerdings nicht mehr als Versuchsobjekt, sondern als Mitarbeiter. Cornelius hatte diese Vergünstigungen nur unter großen Schwierigkeiten und nach Überwindung erheblichen Widerstandes im Großen Rat erreicht. Die Obrigkeit schien mein wahres Wesen und meine Herkunft höchst widerwillig anzuerkennen.
Ich kleidete mich rasch an, verließ das Zimmer und begab mich in jenes Gebäude des Instituts, in dem ich zuvor als Gefangener gelebt hatte, die Abteilung, die Zira noch immer, zusätzlich zu ihren neuen Funktionen, leitete. Mit Cornelius' Zustimmung betrieb ich dort systematisch Studien am Menschen.
Da bin ich nun, im Saal mit den Käfigen, und schreite den Gang vor den Gittern entlang wie einer der Herren dieses Planeten. Ich komme oft hierher, viel öfter als meine Studien es erfordern. Denn manchmal wird mir der ständige Umgang mit den Affen zu viel – und ich suche hier so etwas wie Zuflucht.
Die Gefangenen kennen mich jetzt gut und akzeptieren meine Überlegenheit. Machen sie einen Unterschied zwischen mir, Zira und den Wärtern, die ihnen das Essen bringen? Ich hoffe es, bezweifle es jedoch. Seit einem Monat bemühe ich mich vergeblich, sie zu Handlungen zu bringen, die über diejenigen dressierter Tiere hinausgehen. Dennoch spüre ich, dass mehr in ihnen stecken muss. Ich möchte ihnen das Sprechen beibringen – das ist mein heimlicher Ehrgeiz. Bisher habe ich allerdings nichts erreicht, höchstens dass es einigen gelingt, zwei oder drei einsilbige Laute zu wiederholen, wie es manche Schimpansen bei uns tun. Das ist wenig, doch ich gebe nicht auf. Was mich ermutigt, ist die ungewohnte Beharrlichkeit, mit der sie mich ansehen. Ihre Blicke, so scheint mir, verändern sich seit einiger Zeit, und ich meine in ihnen das Aufkeimen eines gewissen Interesses zu erkennen, eine höhere Art von Empfindung als bloße animalische Neugier.
Langsam mache ich meinen Rundgang durch den Saal. Vor jedem einzelnen Käfig bleibe ich stehen und spreche zu den Menschen, freundlich, geduldig. Sie sind inzwischen daran gewöhnt und geraten beim Klang meiner Stimme nicht mehr in Erregung. Sie scheinen zuzuhören. Ich rede einige Minuten lang, dann verzichte ich auf ganze Sätze und artikuliere einfache Wörter, wiederhole sie mehrmals und hoffe auf ein Echo. Einer von ihnen bringt mühselig eine Silbe zustande, doch weiter kommen wir heute nicht. Die Versuchsperson ermüdet bald, gibt die übermenschliche Anstrengung auf und legt sich erschöpft ins Stroh. Ich seufze und wende mich dem nächsten Menschen zu. Schließlich gelange ich vor jenen Käfig, in dem Nova gegenwärtig ihr Leben fristet, allein und traurig – traurig, das zumindest will ich glauben mit dem Hochmut eines Erdenmenschen, der sich einredet, wenigstens eine Spur davon aus Novas ebenmäßigen, weithin ausdruckslosen Zügen herauszulesen. Zira hat ihr keinen anderen Gefährten zugeteilt, und ich bin ihr dankbar dafür.
Ich denke oft an Nova, kann die in ihrer Gesellschaft verbrachten Stunden nicht vergessen. Aber ich betrete ihren Käfig nicht mehr – meine Würde verbietet es mir. Ist sie denn etwa kein Tier? Ich bewege mich jetzt in den höchsten Gefilden der Wissenschaft – wie könnte ich mich also derart vergessen? Ich erröte beim Gedanken an unser früheres Zusammenleben. Seit ich zum anderen Lager gehöre, versage ich es mir sogar, sie freundlicher zu behandeln als die anderen. Dennoch sehe ich mich genötigt festzustellen, dass sie besonders gelehrig ist und ich mich darüber freue. Ich erziele bei ihr bessere Resultate als bei den anderen. Sobald ich mich nähere, drückt sie sich an die Gitterstäbe und ihre Lippen verziehen sich zu einer Grimasse, die man beinahe für ein Lächeln halten könnte. Bevor ich noch den Mund öffne, bemüht sie sich, die vier oder fünf Silben auszusprechen, die sie gelernt hat. Sie konzentriert sich sichtlich darauf. Ist sie von Natur aus begabter als die anderen? Oder hat etwa der Umgang mit mir sie in die Lage versetzt, von meinen Unterweisungen am meisten zu profitieren? Ich schmeichle mir mit einer gewissen Selbstgefälligkeit, dass es sich so verhält.
Ich spreche ihren Namen aus, dann meinen und zeige mit dem Finger abwechselnd auf sie und auf mich. Sie macht es mir nach. Doch plötzlich sehe ich, wie sich ihr Gesichtsausdruck verändert, wie sie die Zähne fletscht – und hinter mir höre ich ein leises Lachen. Es ist Zira, die sich gutmütig über meine Bemühungen lustig macht. Ihr Erscheinen versetzt Nova regelmäßig in Wut. Cornelius ist ebenfalls mitgekommen. Er interessiert sich für meine Versuche und überzeugt sich gern an Ort und Stelle von den Ergebnissen. Heute sucht er mich allerdings aus einem anderen Grund auf, und er wirkt äußerst erregt.
»Wären Sie gewillt, eine Reise mit mir zu unternehmen, Ulysse?«, fragt er.
»Eine Reise?«
»Ja, eine ziemlich weite Reise. Fast bis zu den Antipoden. Archäologen haben dort sehr seltsame Ruinen entdeckt, wenn man den Berichten, die uns gerade erreichten, Glauben schenken darf. Der Leiter der Ausgrabungen vor Ort ist ein Orang-Utan, und man kann wohl kaum damit rechnen, dass er die Funde richtig interpretiert. Es ist etwas Rätselhaftes aufgetaucht, das mich brennend interessiert und für meine Forschungsarbeiten von entscheidender Bedeutung sein könnte. Die Akademie entsendet mich als Beobachter dorthin, und Ihre Anwesenheit wäre mir dabei sehr von Nutzen.«
Ich sehe zwar nicht, wobei ich ihm behilflich sein kann, doch nehme mit Vergnügen diese Gelegenheit wahr, andere Gegenden Sorors kennen zu lernen. Er führt mich in sein Büro, um mir weitere Einzelheiten mitzuteilen. Ich bin über diese Unterbrechung sehr erfreut, da sie mir einen Vorwand bietet, meinen Rundgang nicht zu beenden – denn es ist noch ein Gefangener übrig, den es zu besuchen gilt: Professor Antelle. Er verharrt noch immer im selben Zustand, weshalb man ihn auch nicht freilassen kann. Auf mein Betreiben hin ist er jedoch allein in einer ziemlich behaglichen Zelle untergebracht worden. Es ist qualvoll für mich, ihn besuchen zu müssen, denn er reagiert nicht, so sehr ich ihn auch bedränge, und benimmt sich ohne Unterlass wie ein Tier.