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Zaius kam nach ein paar Tagen wieder, und sein Besuch bildete den Auftakt zu einer Reihe von Veränderungen in unserem Saal. Doch zunächst muss ich berichten, wie ich mich inzwischen in den Augen der Affen neuerlich auszeichnete. Am Tag nach der ersten Visite des Orang-Utans rollte eine wahre Lawine von neuen Tests über uns hinweg. Der erste wurde zur Essenszeit abgehalten. Anstatt uns die Nahrungsmittel in den Käfig zu stellen, wie sie es gewöhnlich taten, legten Zoram und Zanam – die beiden Gorillas, deren Namen ich schließlich auch herausbekommen hatte – sie in Körbe, die sie mit Hilfe von in den Käfigen angebrachten Flaschenzügen an die Decke hochzogen. Anschließend schleppten sie vier ziemlich große Holzwürfel in jede Zelle. Dann traten sie zurück und beobachteten uns.
Es war traurig zu sehen, was für ratlose Mienen meine Leidensgenossen machten. Sie versuchten hochzuspringen, doch keinem gelang es, den Korb zu erreichen. Einige kletterten an den Gitterstäben hoch, aber oben angekommen, bekamen sie, auch wenn sie den Arm noch so weit ausstreckten, die Lebensmittel nicht zu fassen, da sie außerhalb ihrer Reichweite hingen. Ich schämte mich für die Dummheit dieser Menschen, brauche allerdings wohl kaum zu erwähnen, dass ich das Problem auf Anhieb löste. Es genügte, die vier Klötze aufeinander zu schichten, über die so entstandenen Stufen hinaufzusteigen und den Korb abzunehmen. Das tat ich also, mit gleichgültiger Miene, um meinen Stolz zu verbergen. Es war keine geistige Großtat, doch ich erwies mich als der einzige, der so klug gewesen war. Die sichtliche Bewunderung, die mir Zoram und Zanam zollten, ging mir beinahe zu Herzen.
Ich begann zu essen, ohne meine Verachtung für die anderen Gefangenen zu verhehlen, die sogar unfähig waren, meinem Beispiel zu folgen, nachdem sie Zeuge des Vorgangs gewesen waren. Auch Nova gelang es an jenem Tag nicht, mich nachzuahmen, obwohl ich es ihr einige Male vormachte. Doch sie versuchte es wenigstens – sie war zweifellos die intelligenteste von allen. Sie schichtete die Klötze übereinander, aber sie gerieten ins Wanken, und als sie umstürzten, suchte Nova erschrocken Zuflucht in einem Winkel des Käfigs. Dieses Mädchen, so außerordentlich geschmeidig, mit vollkommen harmonischen Bewegungen, benahm sich, genau wie die anderen, im Umgang mit Gegenständen völlig ungeschickt. Dennoch hatte sie es nach zwei Tagen endlich heraus. An jenem Mittag allerdings tat sie mir Leid, und ich warf ihr zwei der schönsten Früchte durch das Gitter zu. Dafür wurde ich von Zira gestreichelt, die eben eingetreten war. Ich machte einen Katzenbuckel unter ihrer haarigen Hand, zum größten Missfallen Novas, die diese Art von Zärtlichkeit in Wut versetzte.
Ich zeichnete mich auch noch bei anderen Gelegenheiten aus. Doch vor allem gelang es mir, durch genaues Hinhören einige einfache Worte der Affensprache zu lernen und ihren Sinn zu erfassen. Ich übte mich in ihrer Aussprache, wenn Zira an meinem Käfig vorbeikam, und freute mich über ihre wachsende Verblüffung. An diesem Punkt war ich angelangt, als Zaius erneut zur Inspektion erschien.
Auch diesmal wurde er von seiner Sekretärin begleitet, doch in seiner Gesellschaft befand sich außerdem noch ein weiterer Orang-Utan, genauso feierlich wie Zaius und ebenfalls mit Orden geschmückt. Sie plauderten miteinander wie Gleichgestellte. Ich vermutete also, dass es sich um einen Kollegen handelte, der zur Beratung über den beunruhigenden Fall, den ich darstellte, hinzugezogen worden war. Vor meinem Käfig angekommen, begannen sie ein langes Gespräch mit Zira, die sich zu ihnen gesellt hatte. Die Schimpansin redete viel und mit Nachdruck. Soweit ich verstand, war sie gerade dabei, ein gutes Wort für mich einzulegen, wobei sie die außerordentliche Schärfe meiner Intelligenz hervorhob, die man nun nicht mehr anzweifeln könne. Die einzige Reaktion, die dieses Plädoyer bei den zwei Gelehrten hervorrief, war ein ungläubiges Lächeln.
Noch einmal wurde ich in ihrer Gegenwart den Tests unterworfen, bei denen ich mich als so geschickt erwiesen hatte. Zuletzt ging es darum, einen durch neun verschiedene Systeme – Riegel, Pflock, Schloss, Haken und so weiter – verschlossenen Kasten zu öffnen. Auf der Erde hat meines Wissens Kinnaman eine ähnliche Vorrichtung entwickelt, um das Unterscheidungsvermögen bei Affen zu studieren, und dieses Problem war das komplizierteste, das zu lösen einigen gelungen war. Hier veranstaltete man also das gleiche Experiment mit Menschen.
Zira persönlich überreichte mir den Kasten, und ich merkte an ihrer flehenden Miene, dass sie inbrünstig hoffte, ich würde die Aufgabe mit Bravour meistern, da ja auch ihr Ruf auf dem Spiel stand. Ich war bereit, ihr diese Genugtuung zu verschaffen, und ließ die neun Verschlüsse ohne jedes Zögern aufspringen. Doch das war noch nicht alles. Ich nahm die in dem Kasten befindliche Frucht heraus und bot sie der Schimpansin galant an, die sie errötend akzeptierte. Dann kramte ich prahlerisch mein gesamtes Wissen hervor und sagte die wenigen Wörter, die ich gelernt hatte, wobei ich mit dem Finger auf die entsprechenden Gegenstände zeigte.
Danach schien es mir ausgeschlossen, dass sie noch Zweifel an meiner wahren Natur hegen konnten. Leider wusste ich da noch nicht, wie sehr die Orang-Utans mit Blindheit geschlagen waren. Sie setzten wieder jenes skeptische Lächeln auf, das mich so wütend machte, brachten Zira zum Schweigen und begannen abermals miteinander zu diskutieren. Ich ahnte, dass sie sich einigten, meine Talente einer Art von Instinkt und einem ausgeprägten Nachahmungstrieb zuzuschreiben. Vermutlich waren sie Anhänger jener wissenschaftlichen Maxime, die einer unserer irdischen Gelehrten so zusammenfasst: »Niemals dürfen wir eine Handlung als das Ergebnis einer höheren geistigen Befähigung auslegen, wenn sie als das Ergebnis einer auf der psychologischen Skala tieferstehenden ausgelegt werden kann.«
Das war ihrem Gespräch deutlich zu entnehmen, und ich begann vor Wut zu schäumen. Ich hätte mich vielleicht zu einem Ausbruch verleiten lassen, wenn ich nicht einen Blick von Zira aufgefangen hätte, der mir eindeutig zu verstehen gab, dass sie nicht derselben Meinung war wie die Orang-Utans und dass es ihr peinlich war, dieses Geschwätz vor mir anhören zu müssen.
Nachdem sein Kollege gegangen war – sicher nicht ohne zuvor ein kategorisches Urteil über mich abgegeben zu haben – widmete sich Zaius anderen Pflichten. Er machte einen Rundgang durch den Saal, unterzog jeden einzelnen der Gefangenen einer eingehenden Prüfung und gab Zira neue Anweisungen, die sie sogleich notierte. Sein Gebaren ließ auf zahlreiche Änderungen in der Besetzung der Käfige vermuten. Ich brauchte nicht lange, um seinen Plan zu durchschauen und den Sinn der Vergleiche zu erfassen, die er zwischen bestimmten Männern und Frauen anstellte.
Ich hatte mich nicht geirrt. Die Gorillas führten die Befehle ihres Chefs aus, nachdem Zira sie ihnen übermittelt hatte. Wir wurden in Paare aufgeteilt. Was für teuflische Absichten steckten hinter dieser paarweisen Zusammenstellung? Welche Eigentümlichkeiten der menschlichen Rasse wollten diese Affen in ihrer Experimentierwut studieren? Meine Kenntnisse von Versuchslabors legten mir die Antwort nahe: Für einen Wissenschaftler, der den Instinkt und die Reflexe als Forschungsgebiet gewählt hat, ist der Fortpflanzungstrieb natürlich von höchstem Interesse.
Das war es also! Diese Dämonen wollten an uns, an mir, den es auf diese Welt verschlagen hatte, das Liebesleben der Menschen studieren, die Annäherung zwischen Mann und Frau und die Art der Paarung in Gefangenschaft, um vermutlich zwischen diesen Beobachtungen und anderen, an denselben Menschen in Freiheit vorgenommen, Vergleiche ziehen zu können. Vielleicht strebten sie sogar die Züchtung menschlicher Versuchsobjekte an?
Nachdem ich ihre Absichten durchschaut hatte, fühlte ich mich so gedemütigt wie nie zuvor und schwor mir, eher zu sterben als mich für so erniedrigende Dinge herzugeben – obwohl ich mich zu dem Geständnis verpflichtet fühle, dass meine Entrüstung beträchtlich nachließ, als ich die Frau sah, die mir die Wissenschaft zur Gefährtin ausersehen hatte. Es war Nova. Ich war beinahe geneigt, dem selbstherrlichen Alten seine Beschränktheit zu verzeihen, und leistete keinen Widerstand, als Zoram und Zanam mich ergriffen und der Wassernymphe vor die Füße warfen.