Kapitel 18
Elandros erwies sich als äußerst faszinierender Lehrer. Er kam meiner Vorstellung eines »echten« Vampirs sehr nah und strahlte auch den Charme und diese leichte Erotik aus, wie sie wohl seit »Interview mit einem Vampir« oder »Dracula« in allen Fantasien steckten.
Während er mich durch das Bordell führte, gesellte sich auch Natasja zu uns.
»Und? Habe ich so falsch gelegen mit meiner Einschätzung? Du brauchtest etwas Wilderes«, sagte Natasja, während Elandros uns durch die Gänge führte. Seine Art, sich ohne Augenlicht zu bewegen, war faszinierend.
»Er hätte vielleicht nicht ganz so penetrant sein müssen«, wiegelte ich ab und Natasja steckte die Hände in die Hosentaschen.
»Es gibt Schlimmeres, als das erste Mal von einer Bluthure zu trinken«, schmunzelte Elandros. »Einige von uns haben in ihrer ersten Verwirrung an Haustieren genagt oder sich an Ratten bedient.«
»Jedem nach seinem Gusto«, kommentierte Natasja nur. Ich verzog das Gesicht.
Elandros Schmunzeln vertiefte sich. Mittlerweile waren wir im Erdgeschoss des Hauses angekommen und gingen durch einen Raum der direkt an den Vorraum angeschlossen war. Die Farbtöne, die hier vorherrschten, hatten mehr von einem Bordell des 19. Jahrhunderts. Samt. Plüsch. Nur keine goldenen Troddeln. Ich musste leise lachen, als ich den Raum sah. Elandros schien meine Gedanken zu erahnen. »Viele junge Vampire haben eine etwas… verklärte Vorstellung von unserer Art. Ich komme diesen romantischen Vorstellungen gerne entgegen.«
»Ein echter Wohltäter.«
»Geschäftsmann!«
Soweit ich beurteilen konnte, hielten sich hier einige Vampire, aber keine einzige Bluthure auf. Es lag an der Art, wie sie sich gaben. Die Angestellten des Bordells, denen ich auf der Führung bisher begegnet war, hatten eine schmeichelnde oder zuvorkommende Art an den Tag gelegt. Die Kunden hingegen machten deutlich, wer das Geld hatte und wer bezahlte. Meine Erfahrung mit Vampiren beschränkte sich auf die letzten Stunden und ich wusste nicht, ob ich dieses Verhaltensschema zukünftig auf jeden Blutsauger anwenden konnte, der mir begegnete.
»Was für ein unfeines Wort!«
Ich sah überrascht auf. Anscheinend hatte ich meine letzten Überlegungen laut ausgesprochen, denn eine Vampirin mit weißblondem Haar sah mich pikiert an.
»Blutsauger?«, korrigierte ich mich.
Sie verzog das Gesicht. »Es ist eine Schande, dass sich jemand mit deinem Aussehen derart unfein ausdrückt.«
Ja, Mama, lag mir auf der Zunge. Wer war das Weib?
Natasja und Elandros, die bemerkt hatten, dass ich stehen geblieben war, kamen zu uns. Beschwichtigend legte der Vampir sowohl mir, als auch der weißhaarigen Verfechterin für gute Sitten unter langzahnigen Artgenossen, eine Hand auf die Schulter.
»Eloise, das ist Feline«, stellte er mich vor. Die Vampirin musterte mich aufreizend und streckte mir die Hand entgegen. Ich beschloss, guten Willen zu zeigen und ergriff sie. Eloises Händedruck war fester, als ich bei ihrer zierlichen Gestalt erwartet hätte.
»Angenehm«, murmelte ich.
»Ich meinte das ernst; dein Aussehen ist ganz außergewöhnlich«, schnurrte sie, ohne auf meinen Gruß einzugehen.
»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.« Das konnte ich in der Tat. Das weiße Haar trug Eloise in einem modischen Kurzhaarschnitt und das beige Seidenkleid, das viel zu dünn für diese Jahreszeit war, passte farblich perfekt dazu. Es umspielte ihre zierliche Figur. Ein blutroter Kussmund stellte den einzigen Farbklecks in ihrer Aufmachung dar. Auf offener Straße wäre ich beeindruckt, im Büro sogar ehrfürchtig gewesen. Hier, unter all den schönen Vampiren, fiel sie mir nur als attraktive Erscheinung auf.
Sie lächelte breit und entblößte eine perfekte Reihe von Zähnen. Himmel, selbst die Eckzähne waren makellos. »Das freut mich, dass das Interesse auf Gegenseitigkeit beruht.«
»Auf Eloise wirst du in Zukunft wohl häufiger treffen«, plauderte Elandros weiter, während Natasja neben ihm die Vampirin nur abschätzend ansah. Irrte ich mich oder gab es da schlechte Vibration zwischen den beiden?
»Wieso?«, fragte ich.
»Sie ist wegen ihres Berufes bekannt. Fast jeder Vampir kommt früher oder später in Kontakt mit ihr.«
»Ach, hör auf«, tadelte Eloise Elandros in einem Tonfall, der deutlich machte, dass er bloß nicht aufhören sollte.
»In welchem Beruf bist du denn tätig?«, erlaubte ich mir nachzuhaken.
»Ich designe Särge und Urnen.«
Mir entgleisten kurzzeitig die Gesichtszüge vor Überraschung. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Natasja lachte.
»Ist das denn nötig?« Mein Blick wanderte zu Elandros. Der schüttelte den Kopf. »Ein Sarg ist nicht zwingend notwendig, aber wie ich bereits sagte, gibt es viele romantisierte Vorstellungen.«
»Und man sollte sich auch nicht scheuen, ein wenig Stilbewusstsein und Traditionalität zu verbinden«, fiel ihm Eloise ins Wort. »Viele tun das und ich kann davon leben.«
Natasja ging einige Schritte zur Seite, um nicht weiter lachen zu müssen. Ich sah es ihr deutlich an und bemühte mich, auch meinerseits nicht ins Prusten zu verfallen.
Eloise stand plötzlich dicht bei mir. Sie beugte sich vor, was den Eindruck vermittelte, dass sie mich gleich küssen wollte. »Du solltest dich einmal bei mir umsehen. Ich wüsste ein paar Modelle, die wie geschaffen für dich wären«, murmelte sie nah an meinem Mund.
Natasja griff meinen Arm und zog mich weg. »Ein andermal«, rief ich der Höflichkeitshalber über die Schulter.
»Hat sie mich gerade ernsthaft angemacht?«, fragte ich, während Natasja mich in den hinteren Bereich des Hauses führte, der eine Küche hatte.
»Du irrst dich nicht«, antwortete sie knapp und ließ meinen Arm los. Elandros hatte uns mittlerweile wieder eingeholt.
»Anscheinend hatte Natasja es eilig, dir unsere Vorratskammer zu zeigen«, sagte er in deutlich kühlerem Ton als zuvor. Natasja sagte nichts, sondern stand nur mit verschränkten Armen vor einer Kühltür. Elandros öffnete sie und kalte Luft strömte heraus. »Hier drin wird das Fleisch und frische Waren vom Markt gelagert.«
Ich machte ein paar Schritte hinein und sah mich um. »Ich hatte jetzt eher mit einer Art Blutbank gerechnet«, erwiderte ich überrascht. »Wozu das ganze Essen?«
»Denkst du, Bluthuren ernähren sich von Lust und Liebe?«, fragte Natasja. Ich kam aus dem Kühlraum wieder heraus, um zu antworten. »Nein. Und wie steht es mit der Kundschaft? Können die auch etwas davon essen?«
»Vampire können essen und auch trinken, was immer sie wollen. Es beeinträchtigt ihren Kreislauf nicht«, dozierte Elandros. »Der einzige Unterschied zu einem Menschen besteht darin, dass es uns nicht ernährt. Wir können mit vollem Magen verhungern.«
»Ich hatte einen Vampir in meinem Schlafzimmer. Er ist nicht verhungert, obwohl er schon sehr lange dort eingemauert gewesen war.«
Elandros wurde ernst. »Dann hat Feng ihn bei dir gefunden?«
»Woher weißt du davon?« Ich hatte gedacht, niemand außer Samhiel, Feng und Kay wüsste von diesem Zwischenfall.
Elandros schloss die Vorratskammer hinter mir. »Er brachte ihn zu mir. Dafür wollte er ein paar Informationen über einen Vampir namens Roumond.«
Der Name sagte mir überhaupt nichts. »Und was hast du mit dem Vampir gemacht?«
Elandros sah zu Natasja, die den Kopf schüttelte. »Wir mussten ihn töten.«
Ich schluckte hart, doch der Kloß, der plötzlich in meinem Hals zu stecken schien, blieb beharrlich dort, während ich Elandros und Natasja folgte, als sie aus der Küche gingen. Sie schienen ganz offensichtlich nicht weiter auf das Thema eingehen zu wollen.
Wir gingen hinauf und Elandros bot uns einen Platz im Versammlungszimmer an, wie er es nannte. Das Zimmer war in etwa so groß, wie alle Räume meiner gesamte Wohnung zusammen, aber nichts desto trotz gemütlich. Wir saßen auf einer großen Couch. Sie war mit einem roten, sehr weichem Stoff bezogen.
Elandros hatte es sich zu meiner Linken gemütlich gemacht, Natasja saß rechts neben mir. Die Arme hatte sie auf der Rückenlehne ausgebreitet und besah sich die Leute, die noch mit uns im Zimmer waren.
Anscheinend war hier alles ein wenig öffentlicher, denn ich sah mehrere Paare, die, auf großen Kissen oder Sofas liegend, gegenseitig an sich herumbissen und von einander naschten.
Ian, der sich schon vorher im Raum befunden hatte und sich jetzt zu meinen Füssen setzte, lächelte, als er meinen Blick bemerkte. »Willst du noch mal?«
»Du magst das wirklich, oder?« Ich hob skeptisch die Augenbraue, um zu überspielen, dass etwas in mir lauthals »Ja« schrie.
Er zuckte nur mit den Schultern. »Ich wollte dich darauf hinweisen, dass das Angebot noch steht.«
Ich schüttelte den Kopf. Der Gedanke, noch einmal dieses berauschende Gefühl zu erleben, lockte zwar, aber jedes Mal, wenn ich mich ansatzweise dazu durchrang, es wieder zu versuchen, lag wieder dieser Geschmack von Langeweile auf meiner Zunge.
»Anscheinend habe ich der falschen Person ein Geschenk gemacht«, warf Natasja ein und sah Ian schief an. Der kroch näher und richtete sich auf. Seine Hände fuhren schmeichelnd über Natasjas Oberschenkel und stoppten kurz vor ihrer Scham. »Solche Geschenke kannst du gerne öfter bringen, Wölfchen«, sagte er. Er wurde mit einem Lächeln belohnt.
Das Lächeln sorgte auch dafür, dass ich mich entspannte.
»Ich bin dafür, dass du heute Nacht hier bleibst«, sagte Natasja, jetzt wieder in dem ernsten Mienenspiel, in dem ich sie erst noch vor ein paar Stunden kennengelernt hatte.
Ich dachte an meine verschmutzte Wohnung und an das vollkommen durchnässte Wohnzimmer. Ich nickte. Eine Nacht außerhalb des Chaos, das sich auch in meinem Innerem ausbreitete, war eine verheißungsvolle Aussicht. Selbst wenn das bedeutete, dass ich den Rest der Nacht in Gesellschaft so seltsamer Gestalten wie Ian verbringen musste. Alles war besser als sich dem Chaos zu stellen.
Elandros nickte ergeben. »In diesem Fall ist dann wohl alles geklärt.«
Ich stand auf und Natasja tat es mir gleich. Ian war anscheinend der Meinung, dass von uns nicht mehr viel zu holen war, denn er wandte sich einer jungen Frau zu, die bisher mit einem älteren Mann beschäftigt war.
Elandros ging voraus und eine Treppe hinauf, die von unten aus nicht zu sehen war. Sie war schmaler und nicht so beeindruckend wie die Treppe in der Lobby. Sie führte eindeutig zu einem privaten Bereich.
Natasja folgte mir immer noch wie ein Schatten. Ich wusste nicht recht einzuordnen, ob sie sich um mein Wohl sorgte oder ob sie mir einfach nur Angst machen wollte. Fakt war jedoch, dass sie mir durch den Besuch in diesem Bordell und dem Treffen mit Elandros sehr viel gezeigt hatte.
Ich ließ die letzte Treppenstufe hinter mir und folgte Elandros einen Gang entlang. Es war nahezu gespenstisch still, kein Laut drang aus dem unteren Stockwerk zu uns herauf. Teppichboden dämpfte meine Schritte – von Elandros und Nastasja war überhaupt nichts zu hören. Ich hatte Schwierigkeiten im Halbdunkel des Ganges zu sehen und musste niesen. Staub lag in der Luft.
Als Elandros plötzlich vor einem Zimmer zum Stehen kam, versuchte ich rechtzeitig abzubremsen, damit Natasja nicht in mich hinein rannte. Aber ihre Sinne waren besser als meine. Als ich kurz über die Schulter sah, stand die Werwölfin zwei Schritte hinter mir und sah neugierig auf die Tür.
Elandros schloss auf und ich fand mich in einem Zimmer wieder, das sich nicht großartig von dem unterschied, in dem ich zusammen mit Ian eingesperrt gewesen war. Hier waren die dominierenden Farben durch Grün und Gelb ersetzt worden, aber der Kamin und das breite Bett waren exakt das gleiche Model.
»Im Bad findest du alles Nötige. Ich hoffe, es fällt zu deiner Zufriedenheit aus. Falls nicht, ruf den Zimmerservice über die Kurzwahl drei.«
Ich sah auf das Telefon. Ein modernes kabelloses Gerät. Es stand in einer Ladestation direkt auf dem Nachttisch.
Ich nickte und dankte sowohl dem Vampir, als auch Natasja. Die Werwölfin nickte mir zu und verschwand. Elandros lächelte mir zu, ehe er ihr folgte.
Als ich endlich allein war, lehnte ihn an der Tür und versuchte tief durchzuatmen. Die Situation war wirklich verworren und ich schloss die Augen, um mich besser konzentrieren zu können. Doch nichts schien mehr ineinander zu passen. Noch vor einer Woche hatte ich mich dem sinnlosen Konsum von Gerichtsshows und gelegentlichen Treffen mit Freunden bei einem überteuertem Cappuccino ergeben. Jetzt musste ich mir Gedanken über die Auswahl meines Blutes machen. Meine Güte, selbst wenn ich mich jemals wieder mit einem von meinen Freunden treffen würde – wie würde es sein? Musste ich eine Bloody Mary als Vorwand bestellen, um dann ein wenig am Selleriestengel zu kauen?! Und was war mit Kreuzen? Knoblauch, Silber? Und Sonnenlicht?! Die Fenster waren in diesem Zimmer groß und wenn die Sonne zur Mittagszeit ihre Strahlen in diesem Raum entfaltete, würde das sicherlich den Feuertod bedeuten! Wieso hatte ich Idiot Elandros nicht danach gefragt? Aber würde er mich einfach so verbrennen lassen? Der gesunde Menschenverstand sagte mir nein, aber ich war nicht sicher.
Mein Blick wanderte zum Telefon. Ich wollte nicht wie ein kleines Kind nach Hilfe schreien. Deswegen ging ich stattdessen zum Bett und zog mir die Decke über den Kopf. Vielleicht sollte ich mich besser unter das Bett legen? Das würde mich auf jeden Fall besser schützen, als direkt den heißen Sonnenstrahlen ausgesetzt zu sein.
Ich nahm Bettzeug und Kopfkissen und verfrachtete alles unter das Bettgestell. Dort war es staubig und sobald ich mich hingelegt hatte, spürte ich die Härte des Bodens unter meinem Rücken. Für einen Augenblick versuchte ich es zu ignorieren. Allerdings bohrte sich bei jeder Gewichtsverlagerung der kalte Boden entweder in meine Hüften oder mein Kreuz. Es dauerte Ewigkeiten, bis ich eingeschlafen war. Und kaum war ich eingeschlafen, begann ich zu träumen.
Ich stand auf einer weiten Ebene und sah viele Männer und Frauen mit Flügeln. Es war kaum einer unter ihnen, der nur ein Flügelpaar trug. Die meisten hatten auf ihrem nackten Rücken mindestens drei von den grotesk großen und weißen Schwingen. Auf ihrer Haut wandten sich Linien und Muster.
Sie alle hatten ihren Rücken einem einzelnen Mann zugewandt, der flehend die Hände erhob. Aber sie sahen seine Geste nicht und selbst wenn – ich war mir sicher, dass sie sie ebenso missachtet hätten.
Ich bedauerte ihn und ging näher, um sein Gesicht zu erkennen. Es war Samhiel. Auf seinen Wangen glänzten Tränen, aber weder seine leisen Bitten, noch die flehend erhobenen Hände konnten die Engel erweichen. Hartnäckig hielten sie Samhiel die Rücken zugekehrt und taten, als würden sie ihn nicht wahrnehmen. Aber ich wusste, dass sie logen. Manchmal, bei einem besonders herzzerreißendem Flehen Samhiels, zuckte eine Flügelspitze oder einer der Engel bewegte sich, um sich doch umzudrehen. Aber immer gab es einen letzten Impuls, der sie zurückhielt. Ihre Köpfe sahen weiter starr nach vorn.
Ich presste die Hand auf mein Herz. Mitleid überwältigte mich, als ich Samhiel so sah. Die Wut auf ihn, weil er mich in diesem Zustand zurückgelassen hatte, erlosch dadurch nicht. Aber sie wandelte sich und wurde zu Mitleid.
Genau in dem Moment, als ich den Engel ansprechen wollte, hörte ich Kays Stimme. Sie klang so deutlich, als ob der Seelie-Sidhe direkt neben mir stehen würde. Was er tatsächlich auch tat, als ich mich umdrehte. Er sagte meinen Namen und kam näher. Er sah aus wie sonst auch. Wollmantel, grauer Anzug, viel zu bunte Krawatte, die Haare in einen ordentlich geflochtenem Zopf. Nur auf seiner Stirn war eine neue, tiefe Falte erschienen. Er sah mir nicht in die Augen und seine Haltung wirkte gebückter als sonst.
»Was siehst du dir da an?«, fragte er und wühlte unruhig in seiner Manteltasche.
Ich streckte mich und ließ mich in das plötzlich auftauchende Gras fallen. Es war mein Traum und ich merkte, dass sich alles nach meinen Wünschen richtete. Bäume tauchten wie aus dem Nichts auf und die Umgebung wandelte sich zu einer einladenden Wiese am Waldrand mit einem plätschernden Bach.
Kay drehte den Kopf, um sich umzusehen, aber er wirkte nicht überrascht. Ich musste meinem Unterbewusstsein gratulieren – das war eine sehr realistische Ausgabe meines Chefs.
»Keine Ahnung, sah aus wie ein paar Engel«, sagte ich im Plauderton. Kay lächelte schief, aber noch immer wich er meinem Blicken aus.
»Mich wundert, dass du hier bist. Aber eigentlich sollte es das nicht, oder?«, fuhr ich fort. Kay kam näher und scharrte nervös mit seiner Schuhspitze in der Erde neben mir. »Du träumst nicht, Feline.«
Ich breitete die Arme aus. »Natürlich träume ich.«
»Nein. Du schläfst, aber du träumst nicht. Zumindest jetzt nicht. Das davor sah nach einem Traum aus.«
»Na dann… und was tue ich deiner Meinung nach dann gerade, wenn ich nicht träume?«
»Du bist im Reich des Zwielichts. So etwas wie der Garten, den ich dir gezeigt habe. Nur neutraler.« Kays Stimme war sehr leise. Ich musste mich anstrengen, ihn zu hören. Was sollte das?
Nicht einmal die Träume waren noch das, als das ich sie kannte. Resignierend hob ich die Schultern. »Und warum bin ich hier?«
Kay wirkte mit einem Mal noch nervöser. Das Loch, das er mit seinem Schuh gebohrt hatte, war groß genug, dass ich meine Faust hätte hineinstecken können.
»Es geht um deine Mutter.«
Seine Miene… ich spürte mit einem Mal einen Knoten im Hals. »Was ist mit ihr?«, brachte ich heraus.
»Ich…« Kay fuhr sich über die Augen. »Es tut mir Leid«, sagte er schließlich leise.
Der Knoten wurde größer. Ich starrte ihn an.
»Was ist passiert?«
»Ich habe sie gestern Nacht gefunden. Sie ist… sie wurde von einem Vampir überfallen. Ich konnte leider nichts mehr tun.«
Nicht ein Muskel in meinem Körper ließ sich noch bewegen. Taubheit kroch durch jede Faser und lähmte meine Zunge und meine Gedanken. Das war nicht möglich. Meine Mutter war weggefahren, sie war nicht tot, dieser Mann erzählte Lügen. Sie war nicht tot. Niemals.
In diesem Moment erwachte ich.