Steinbutt (großer Steinbutt)

Was für ein Fisch! Mit Augen, die sich beide auf einer Seite befinden, und der Fähigkeit, sich wie ein Chamäleon der Umgebung anzupassen. Flach wie eine Flunder. Das alles spricht für ein ausgefuchstes System der Futtersuche. Halb vergraben im Sand, wäre auf der Unterseite ein Auge nicht nur überflüssig, sondern auch ständig in Gefahr, verunreinigt zu werden. (Und da spricht man Nicht-Säugetieren ständig die Intelligenz ab! Was für eine Überheblichkeit!)

Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon einmal Steinbutt gegessen habe, aber »gelesen« habe ich schon einen. So wie viele mit mir auf der ganzen Welt: Günter Grass’ »Der Butt«, nach der »Blechtrommel« sein erfolgreichster Roman. Mit Anklängen an das Märchen »Der Fischer und seine Frau«. Der erste Satz »Ilsebill salzte nach« wurde erst vor ein paar Jahren zum schönsten ersten Satz eines deutschsprachigen Romans gekürt.

Abgesehen davon, dass ich neugierig bin, wie man dem Steinbutt kulinarisch gerecht wird, bin ich erstaunt über die Festlegung auf »Großer Steinbutt«. Heißt das, je älter der Fisch – denn die Größe hängt ja wohl vom Alter ab –, desto wohlschmeckender? Das ist eigentlich ungewöhnlich. Oder ziehe ich wieder einmal die falschen Schlüsse?

Absolut nicht. Kalb und Lamm mögen sich als kleine Säugetiere durch besonders feinen Geschmack auszeichnen. Bei Fischen ist es jedoch genau andersherum:

Die meisten Fische verfügen als schwergewichtige »Erwachsene« über eine größere Aromenfülle als Jungtiere. Für Seezunge und Steinbutt (Psetta maxima) gilt das ganz besonders. So ein Butt sollte schon sieben oder acht Kilo auf die Waage bringen. Er kann jedoch bis zu 20 Kilo schwer werden. Im Fischlokal »La Duchesse Anne« im bretonischen Saint Malo gibt es Steinbutt in vielen Größen. Folgerichtig ist der »Baby-Butt«, eine Einzelportion, günstiger als ein rarer Riesenfisch für viele Esser. Das schafft dem Wirt nicht nur Freunde: »Fünfmal Baby-Butt«, blaffte ein Familienvater vor mir den Oberkellner an. »Wir sind doch nicht blöd und kaufen diesen teuren Fisch für fünf Personen!« Mit Verlaub, blöd oder nicht, den wahren Butt-Genuss habt ihr verpasst!

Steinbutt lässt man meist nach dem Fang »ausbluten«. Sein Fleisch ist dann fast weiß wie Schnee. Als ideale Zeit für seinen Genuss gelten die Monate Mai, Juni und Juli, denn, jawohl, auch Fische haben Saison.

Kostspielig war Steinbutt wohl schon immer. Grimod de la Reynière, Urvater aller Gastronomiekritiker, beschwerte sich jedenfalls zu Zeiten der Französischen Revolution, dass kein schöner Steinbutt in die Pariser Hallen geliefert wurde. Napoleon liebte den Steinbutt, und sein Leibkoch Laguipière hatte sich ein besonderes Rezept ausgedacht: Dafür wurde der Butt in zwei Zentimeter dicke Scheiben geschnitten und mit Paprika, Feldthymian und Fenchel in Milch gegart. Beim Anrichten wurden die einzelnen Butt-Streifen durch Flusskrebse getrennt, dazu servierte der Meister eine Trüffelsauce.

So kompliziert muss es nicht sein, Steinbutt schmeckt auch gegrillt – und im Ganzen, hängend gegrillt, ist er sogar herausragend –, aus dem Ofen, pochiert, gekocht, ohne weitere Zugaben oder von einer Champagnersauce umzogen.

Falls Sie ihn mal selbst bei einem guten Fischhändler aussuchen, achten Sie darauf, dass seine Unterseite fleckenlos weiß ist. Sichtbare Hämatome können durch unachtsamen Transport verursacht werden. Falls ihn der Fischhändler nicht wäscht, ist der Butt, ähnlich wie die Seezunge, von einer schleimigen Substanz umzogen. Ist sein Fleisch starr und hart, sind seine Kiemen richtig rot, dann wurde er erst vor kurzem aus dem Meer gezogen und ist noch wirklich frisch. Doch Achtung, die Kiemen können mit Karotin oder anderen Farbstoffen »nachgeschminkt« worden sein.

Steinbutt wird heute nicht mehr nur gefangen, sondern auch in Aquakulturen gezüchtet. Blindtests zeigten, dass gerade zwischen wild lebendem Butt und Zuchtware große Unterschiede in Sachen Geschmack, Konsistenz und Fettverteilung herrschen. Was heißt: Zuchtbutt ist oft qualitativ mäßige Ware. Leider wird man beim Einkauf selten und im Restaurant fast nie darauf hingewiesen, ob Sie gerade ein wild aufgewachsenes oder ein gezüchtetes Exemplar erstehen oder auf dem Teller haben.

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
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