7
Mit einem lauten, metallischen Klang, der durchs ganze Schiff hallte, rasteten die Landestützen der Venture in die Dockschienen ein.
»Wäre schön, wenn das Flutlicht noch funktioniert.« Trilby deutete auf den dunklen Lichterkranz, der das riesige Eingangsschott umgab. »Dann könnten wir außen am Schiff vernünftig arbeiten.« Sie achtete darauf, ihre Stimme nüchtern und sachlich klingen zu lassen. Rhis verfügte offenbar über die unheimliche Fähigkeit, ihre Emotionen Fahrstuhl fahren zu lassen, und das hatte sie schlicht und einfach gründlich satt. Eins musste sie sich klarmachen: Er war nicht ihr Held. Er war ihr Passagier. Und zwar einer, der in Port Rumor ausstieg, und das war’s dann.
»Wie es aussieht«, begann sie und löste ihren Gurt, »kann uns die Mine wenigstens mit Energie versorgen. Wir saugen den Sonnenkollektoren Saft ab.«
Rhis drehte sich um. »Haben Sie keine Außenbordraumanzüge?«
»Einen. Meinen. Glaube kaum, dass Sie sich da reinquetschen können.« Sie blieb vor der Tür stehen und musterte die intakte Beleuchtung darüber. Die Venture schien wieder auf normaler Leistung zu sein, zumindest was den Strom betraf.
Sie wollte gerade die Tür öffnen, als Rhis sie aufhielt: »Wie viel Erfahrung haben Sie mit Außerbordaktivitäten in Schwerelosigkeit?«
Er klang, als mache er sich Sorgen um sie, und das gefiel ihr nicht. Denn ihrem Gefühl nach verschwieg er ihr irgendwas, etwas, was ihn beschäftigte. Und deshalb fühlte sich auch seine Besorgnis falsch an. Sie lehnte sich an den Türrahmen. »Das ist so eine Sache mit diesen Raumanzügen: je größer, desto teurer. Tja, Herkoid hat das natürlich schon vor langer Zeit herausgefunden. Und deshalb finden Sie in ganz Port Rumor kein Kind, besonders kein Mädchen, das nicht reichlich Erfahrung mit Außerbordaktivitäten in Schwerelosigkeit hat. Und ich spreche keineswegs von Simulationen. Alles klar?«
Sie sah, wie er die Augen schloss, und biss sich auf die Unterlippe. Ihre Ansage war wohl etwas ruppig gewesen. Aber wenn er sich ehrlich um sie sorgte, dann sollte er lieber ganz ehrlich zu ihr sein. Als die Tarks über sie hergefallen waren, hatte sie an nichts anderes gedacht als ans Überleben. Keine Sekunde lang hatte sie sich die Frage gestellt, ob die Tarks sie vielleicht gezielt abgepasst hatten. Doch dank Rhis und seiner Flotten-Paranoia ging ihr diese Frage jetzt nicht mehr aus dem Kopf.
Es ärgerte sie gewaltig, dass sie die Antwort nicht kannte. Aber noch mehr erboste sie das dumpfe Gefühl, dass er die Antwort kannte. Und obwohl er ihre Hand gehalten und sie aus den dunklen Tiefen seiner Augen angestrahlt hatte, weigerte er sich, diese Antwort mit ihr zu teilen.
Das verletzte sie fast genauso wie Jagans Lügen und salbungsvolle Ausflüchte. Oder die Klugscheißerei der angeblich so zugewandten Sozialarbeiter in Port Rumor. Jeder schien sich einzubilden, dass er besser wusste als sie, wie sie ihr Leben zu führen hatte. Und keiner machte sich die Mühe, ihr zuzuhören. Wer war sie denn schon? Nichts weiter als irgendein Findelkind für die Bemijufa – ja, die erhabene Bemijufa –, und nichts als ein billig zu habendes Seitensprung-Pferdchen für Jagan Grantforth. Ja, den erhabenen Jagan Grantforth.
Sie schlug auf den Türöffner. Die Tür rauschte zur Seite und ließ eine kleine Brise Ventilatorenluft auf die Brücke dringen. Das Lüftungssystem war offenbar auch wieder angesprungen.
»Dez und ich werden etwa zwei Stunden brauchen, das Nötigste in Schuss zu bringen. Sie erreichen mich übers Intracom.« Sie deutete auf einen kleinen Lautsprecher in der Korridordecke. »Ich halte Sie auf dem Laufenden. Und Sie sagen Bescheid, sowie sich auch nur der kleinste Hinweis auf irgendwelche Besucher auf meinen Schirmen zeigt.«
Er stützte den Ellenbogen auf die Armlehne und legte nachdenklich einen Finger an den Mund. Dann nickte er zögernd.
Sprich mit mir! Am liebsten hätte sie ihn angebrüllt. Aber nein, er stellte sich tot. Verkroch sich. Sie konnte sich nur vorstellen, dass es was mit den ’Sko-Schiffen zu tun hatte.
»Verstanden«, sagte er schließlich.
Sie wünschte nur, sie wüsste, was genau er verstanden hatte.
Rhis lauschte dem Klang ihrer Stiefel, als sie sich entfernte. Schrittrhythmus, Schrittweite. Eher leicht und von kleiner Gestalt. Vermutlich weiblich. Er erinnerte sich an diese erste Einschätzung, als er noch auf der Krankenstation gelegen hatte.
Definitiv weiblich. Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht und ließ sich in den Sitz zurückfallen. Er fühlte sich, als stünde er auf irgendeiner verfluchten Abschussliste der Götter, und zwar an erster Stelle.
Er musste ihr die Wahrheit sagen. Sofort. Wer er war, und warum er hierher geraten war. Und dass sie direkt ins Zentrum des Imperiums unterwegs waren.
Er hatte gehofft, die Venture in etwa sechs Stunden übernehmen zu können. Da würden sie sehr nahe an einem Hyperraumtunnel vorbeikommen, den er von früheren Missionen her kannte und schon manches Mal für eine rasche Rückkehr ins Imperium genutzt hatte. Er brauchte auch noch etwas Zeit, um die Kettenkarusselle, die er ihrem Hauptsystem implantiert hatte, so zu justieren, dass ein Knopfdruck genügte, um die vollständige Kontrolle über das gesamte Schiff zu übernehmen. Aber die Codefetzchen, die er vom ’Sko-Mutterschiff empfangen hatte, zwangen ihn jetzt, seine Pläne zu beschleunigen.
Die ’Sko waren hinter ihm her. Warteten auf ihn. Er hätte wissen müssen, dass sie die Energiesignatur des Tarks sondieren und einfach ein paar Patrouillen an den infrage kommenden Koordinatenschnittpunkten in der Nähe Avanars positionieren würden. Allerdings waren sie davon ausgegangen, es mit einem Imperialen Rettungsschiff zu tun zu bekommen.
Stattdessen tauchte bloß ein alter Circula-Zwei-Frachter auf ihren Schirmen auf, den sie unbeachtet passieren ließen.
Bis zu der Sekunde, in der er ihre Übertragungsdaten angezapft hatte.
Die Careless Venture war jetzt im System der ’Sko als umgehend zu zerstören eingestuft. Seine Funkenfee war identifiziert und zum Abschuss freigegeben. Die Signatur unter dem Exekutionsbefehl lautete »Schwarzes Schwert«.
Das musste er nicht erst von Ycskrit in Zafharisch übersetzen. Diese Signatur hatte er im Krieg oft genug gesehen und sofort wiedererkannt. »Schwarzes Schwert« lautete der Deckname des ’Sko-Verbindungsoffiziers in Konklavien. Ein unbekannter, aber in bester Position agierender Doppelagent. Vielleicht auch mehrere. Mehr hatte das Imperium bisher nicht herausfinden können.
Er biss die Zähne zusammen. Die Daten, die er bei seiner fast gescheiterten Mission auf Szed wiederbeschafft hatte, deuteten auch auf diese Verbindung in Konklavien hin. Ein großer Frachtkonzern mischte offenbar ebenfalls mit, als Umschlagplatz für Kapitaltransfers und Informationen. Beide Großkonzerne entsprachen dem Profil, also konnten sowohl Rinnaker als auch GGA dahinterstecken. Aber für das entscheidende Leck auf Regierungsebene gab es viel zu viele vage Möglichkeiten. Und keinerlei neue Hinweise.
Bis jetzt.
Aber warum wollte das »Schwarze Schwert« seine Funkenfee tot sehen? Rhis trommelte mit den Fingern auf der Armlehne. Er hatte keine Antwort parat. Alles was er wusste, war: Wenn sie diesen Teil ihrer Mission erfüllen wollten, mussten die ’Sko und ihr verfluchter Spion zuerst ihn umbringen. Und die Razalka neutralisieren.
Denn genau da würde er seine Funkenfee hinbringen. Und dort würde sie bleiben.
Übers Intracom hörte er Trilbys Geplauder mit Dezi zu, während sie dabei waren, gebogene Plaststahlbleche an die Außenhülle des Schiffs zu montieren. Sie arbeitete mit einem Werkzeugvorrat, der so abgenutzt und heruntergekommen war wie der Rest des Schiffs. Und so dürftig wie der Inhalt ihres Kleiderschranks.
Das hatte ihn erschüttert. Er hatte in ihren leeren Schrank gestarrt, um nicht auf die Schlüpfer und BHs auf dem Boden schauen zu müssen. Er hatte sich immer selbst gelobt für seine spartanische Lebensweise. Aber in seinem Schrank hingen sieben Tagesuniformen, drei Schmuckuniformen und ein brauchbares Sortiment Freizeitkleidung.
Trilby Elliot besaß praktisch nichts. Im Vergleich war sein Schrank, sein Quartier, sein ganzer Lebensstil regelrecht verschwenderisch.
Er hatte nicht nur einen einsatzbereiten Raumanzug. Und seine heiklen Aufgaben wurden ihm wegen seiner Fähigkeiten übertragen, wegen seiner geschulten Intelligenz und seiner körperlichen Stärke.
Niemand schickte ihn einfach so durch die Gegend. Er war nicht entbehrlich. Niemand nutzte ihn aus.
Aber Trilby war entbehrlich. Und sie war ausgenutzt worden. Nicht nur von Herkoid, auch von Jagan Grantforth. Beide hatten sie einfach benutzt. Hatten sie ohne Rücksicht in Gefahr gebracht. Bei dem bloßen Gedanken hätte er am liebsten mit der Faust Löcher in den Scheißkerl geschlagen.
Trilby meldete sich über das Intracom. Als er ihr antwortete, geriet ihm sein Ton schärfer als gewollt. »Nein, das Scannerlaufwerk reagiert immer noch nicht!«
»Hu, Mister Vanur, beißen Sie mir doch nicht gleich den Kopf ab.« Durch das Intracom klang ihre Stimme hohl. Trotzdem konnte er sich bildhaft vorstellen, wie sie genervt die Augen verdrehte. »Wir tun ja unser Bestes.«
»Natürlich. Entschuldigung.«
»Aber die Langwellen sind online?«
»Langwellen sind klar. Keine Aktivität.« Er hatte schon die ganze Zeit auf die Langwellen-Scans gestarrt und konnte damit auch nicht aufhören. Denn die Venture war jetzt in einem äußerst verwundbaren Zustand, auch wenn die Asteroiden und die Minen ihnen für den Augenblick einigen Schutz boten.
»Wir versuchen noch einen letzten Schild zu reparieren. Wenn das nicht funktioniert, wird es wohl ein sehr langsamer, vorsichtiger Flug nach Port Rumor.«
Nein. Ein langsamer, vorsichtiger Flug zur Grenze.
Die zurückliegenden Stunden, die sie mit Reparaturen beschäftigt gewesen waren, hatten nicht nur dem Schiff gutgetan, sondern auch Trilbys Stimmung aufgehellt. Ihre Unruhe hatte sich gelegt. Und ihre Rückenschmerzen störten sie im Augenblick weit mehr als Rhis’ ausweichendes Verhalten. Sie vernahm das Klacken seines einrastenden Gurtes, als sie die Antriebsturbinen ihres Schiffs hochfuhr. Vielleicht war es einfach langsam Zeit, in die Normalität zurückzufinden. »Falls wir nicht neue Überraschungen erleben, können wir in etwa dreiundvierzig Stunden in Port Rumor andocken.«
»Bodenhalterungen gelöst«, verkündete Dezi.
»Bestätigt«, rief sie zurück. Sie brachte die Schubdüsen in die richtige Position und spürte, wie das Schiff leicht zu flattern begann. »Mitbekommen, Vanur? In dreiundvierzig Stunden sind Sie frei.«
»Werden Sie mich vermissen?«
Seine Frage ließ sie aufhorchen. Ebenso sein flockiger Tonfall. Seine ausweichende Art schien sich in gleichem Maße aufgelöst zu haben wie ihre Verärgerung.
Während sie sich mit den Schiffsreparaturen herumgeschlagen hatte, hatte sie darüber nachgedacht. Vielleicht hatte er ihr die Wahrheit gesagt, als er behauptete, es wäre nur eine Routinepatrouille gewesen. Sie musste sich eingestehen, dass er, was diese Ecke des Weltraums anging, deutlich mehr Erfahrung zusammenbrachte als sie. Wenn die Venture mit dem Tempo durchs Universum flitzen würde, in dem sie ihre Ansichten wechselte, könnte sie sich glatt ein Patent auf einen neuen Wunder-Hyper-Antrieb geben lassen.
Sie lächelte ihm kurz über die Schulter zu und bemerkte seinen fragenden Blick. »Ich werde Sie jede Minute einer jeden Stunde eines jeden Tages vermissen. Und jetzt stecken Sie Ihre Nase in Ihre Daten und beten Sie, dass da draußen nicht die nächste unangenehme Begegnung der dritten Art auf uns harrt.«
»Captain.« Dezi hob sein mattiertes Haupt. »Ich fürchte, die Sensoren sind auf emotionale Parameter wie ›unangenehm‹ nicht –«
»Lang- und Kurzwellen haben volle Scankraft«, meldete Rhis.
»Dann also raus hier!« Sie gab Schub. Die Venture glitt sanft aus dem Dock und aufwärts.
Trilby prüfte die ersten Koordinaten, die ihr Schirm meldete. Sie bat Rhis, ihnen einen Kurs durch das Trümmerfeld zu berechnen. Er hatte sie immerhin hier reingebracht, ziemlich geschickt und in einem Stück. Jetzt lag nur noch ein wenig Handarbeit vor ihnen, bis sie endlich in Richtung Port Rumor durchstarten konnten.
Ab der Acht-Minuten-Koordinate wurden die Asteroiden kleiner und dünnten sich aus. Sie erhöhte den Schub und freute sich, wie gut die Venture reagierte. Vielleicht hatte es dem alten Mädchen am Ende gutgetan, ein bisschen herumgestoßen zu werden.
Bei Minute fünfzehn waren sie am Rand des äußersten Feldes angekommen. Bei Minute zwanzig lag der Raum leer und klar vor ihnen.
»Logbucheintrag: Wir verlassen den Ring bei neunzehn Minuten, einunddreißig Sekunden und –«
»Danke, Dez. Wir haben’s verstanden.« Sie sah sich kurz nach Rhis um, der langsam den Kopf schüttelte. Sie grinste und lehnte sich zurück. Dann verlosch ihr Lächeln. Sie mochten noch an die dreiundvierzig Stunden vor sich haben, ehe sie Port Rumor erreichten – Dezi würde jederzeit bereitwillig eine präzisere Zeitangabe liefern –, aber die nächsten zwei Stunden waren entschieden die heikelsten. Sollte das ’Sko-Mutterschiff hier noch irgendwo rumgondeln, so würde die Venture das noch innerhalb des Quadranten 84 zu spüren bekommen. Erst dahinter begann geschütztes konklavisches Gebiet.
Das war einer der Gründe, warum sie schon seit Langem immer wieder Avanar aufsuchte. Niemand, nicht mal die Konklaven waren so weit draußen unterwegs. Gewesen. Bis jetzt. Bis die ’Sko sie hier aufgestöbert hatten.
Eine Stunde verging, und die Turbinen röhrten unter voller Schublast. Lang- und Kurzwellen-Scanner gaben keinen Mucks von sich. Sie waren nach wie vor viel zu weit ab von jeder bekannten Handelsroute, um andere Frachtschiffe auf den Schirm zu kriegen.
Rhis musste wohl recht gehabt haben. Es war wirklich nur ein dummer Zufall gewesen, dass sich ihre Bahn mit der der ’Sko gekreuzt hatte. Jetzt gab es hier draußen nichts. Totaler Frieden. Trilby entspannte sich und stellte fest, dass sie hungrig war. Eine Suppe wäre jetzt gut. Sie löste ihren Gurt.
»Übernimm bitte, Dez. Ich schau mal, ob ich in der Kombüse etwas zusammenschustern kann. Mögen Sie Suppe?«, fragte sie Rhis, als sie aufstand.
»Brauchen Sie Hilfe?«
»Nix da. Ich bringe Ihnen eine Ladung mit.«
Sie stöberte zwei Beutel Gemüsesuppe im Vorratsschrank auf und stellte den Timer auf drei Minuten. Dann bückte sie sich, um zwei große Becher vom unteren Regalbord zu nehmen, als sie Schritte im Korridor hörte.
Sie spähte über den Tresen und sah Rhis um die Ecke in die Lounge biegen. Er hatte die Hände tief in die Jackentaschen gesteckt. Und sein Gesichtsausdruck war der eines kleinen Jungen, der weiß, dass er gleich in großen Schwierigkeiten stecken wird.
»Ich muss mit Ihnen sprechen.« Seine Stimme hatte den bedrückten Tonfall eines erwachsenen Mannes, der weiß, dass er jetzt schon in Schwierigkeiten steckt.
Verdammt und zugenäht. Ihr Herz rutschte ihr in die Hosen, und gleichzeitig kroch Unbehagen ihr Rückgrat hoch. Ihr schossen jede Menge panische Gedanken durch den Kopf. Erstens: Er kannte Aufbewahrungsort und Zustand ihrer Waffen. Sie hatte ihm zwar nie den Zugangscode zum Waffenschrank gegeben, aber er war immerhin Zafharier. Seine Hände in den Taschen wirkten allerdings nicht so, als hielten sie heimlich Laserkanonen versteckt.
Zweitens: Die ’Sko waren zurück. Aber der Alarm hatte nicht angeschlagen. Außerdem hätte Dezi sie längst übers Intracom gewarnt, lange bevor Rhis den ganzen Weg bis zu ihr runtergetapert kam.
Als Nächstes fragte sie sich einen Augenblick lang, ob er ernstlich krank war. Sein Absturz mit dem Tark war ja keine Kleinigkeit gewesen. Und er war auf der Krankenstation zu früh unter der Regenerationsglocke hervorgesprungen – und zwar splitternackt, wie sie sich nicht ungern erinnerte. Sein Heilungsprozess war jedoch noch nicht abgeschlossen gewesen. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. Nein, er sah fit aus, geradezu unnatürlich fit. Sollte er jetzt tot umfallen, wäre er wirklich die attraktivste Leiche, die sie je gesehen hatte.
Also musste es was mit seinen Ausflüchten nach dem Angriff der ’Sko zu tun haben. Und seinen kryptischen Andeutungen. Vielleicht war an seiner Paranoia doch etwas dran gewesen.
Und vielleicht, ganz vielleicht, hatte er sich endlich entschlossen, sie einzuweihen. Ein Punkt für ihn, falls dem so war. Sie klopfte auf den Tresen. »Setzen Sie sich. Die Suppe ist gleich fertig.«
Der Timer piepste. Sie stellte die Becher auf den Tresen. Er setzte sich auf einen Barhocker, brachte aber kein Wort hervor, während sie die dicke, duftende Flüssigkeit aus Süßwurzeln und Goldbirnen in die Becher füllte. Knackige Grünspitzen trieben an die Oberfläche.
Sie schob sich auf den Stuhl neben ihm und wedelte mit dem Löffel. »Reden Sie.«
Er nahm ein Löffelchen Suppe und nippte gedankenverloren daran herum. Sie hätte ihm am liebsten ihren Löffel um die Ohren geschlagen, dass er sie so lange warten ließ.
»Ich war auf keinem Übungseinsatz«, sagte er schließlich. »Ich war an einer Geheimmission beteiligt. Die ’Sko haben mich gefangen genommen. Ich stahl den Tark und entkam.«
Sie ließ den Atem fahren, den sie die ganze Zeit angehalten hatte. Es gab nicht den geringsten Grund, warum sie – oder sonst wer in der konklavischen Welt – dafür keine Sympathie empfinden sollte. »Warum haben Sie mich belogen?«
»Ich kann Ihnen das gleich erklären.«
»Also waren diese ’Sko vorhin tatsächlich hinter Ihnen her?«
»Trilby, ich bitte Sie, hören Sie mir zu Ende zu.«
Sie klopfte mit dem Löffel an den Rand ihrer Suppentasse und konnte ihre Ungeduld nur schwer zügeln. »Fahren Sie fort.«
»Sie waren auch hinter Ihnen her.«
Der Löffel in ihrer Hand begann zu zittern. »Aber das ist doch Unsinn. Warum ich? Keiner meiner Aufträge war jemals mehr wert als –«
»Es könnte etwas mit Grantforth zu tun haben.«
Sie ließ den Löffel fallen. Er schepperte auf den Tresen. »Jag – wovon zum Teufel reden Sie da?«
»Ich habe während des Angriffs eine Nachrichtensignatur des Mutterschiffs abgefangen, die in einen Suchbefehl implantiert war.« Er fuchtelte abwehrend mit der Hand. »Ja, ich hab das Programm verwendet, von dem ich sprach. Bitte. Lassen Sie mich zu Ende reden.«
Trilby schloss den Mund.
»Was ich da aufgedröselt habe, war ein codierter Geheimbefehl des Mutterschiffs an seine Tarks. Aber ich konnte die Daten erst dekodieren, nachdem wir den Tark zerstört hatten. Es gab so vieles gleichzeitig zu tun.« Er strich in einer verlegenen Geste mit seinen Händen über den Tresen. »Uns zu retten ging erst mal vor.«
»Ach was!«
Er seufzte kurz. »Aber gleich nachdem Sie den Systemcheck gestartet hatten, hab ich es dekodiert.«
Und laut und lange geflucht, erinnerte sich Trilby. Und war auf einmal ausweichend geworden. Nicht, weil er sie belügen, sondern weil er sie schützen wollte.
»Das Mutterschiff hatte den Auftrag, mich zu suchen. Aber die Venture stand schon auf ihrer Todesliste. Kaum hatten sie Ihre ID ermittelt, waren sie uns auf den Fersen.«
Todesliste. Trilby hatte von diesen Todeslisten der ’Sko gehört. Jeder, der berufsmäßig da draußen umherflog, hatte davon gehört. Aber Todeslisten wurden normalerweise aus Rache geführt. Gerätst du mit einer ’Sko-Schwadron aneinander oder beklaust einen ’Sko-Stützpunkt, kommst du auf die Todesliste.
»Aber ich hab ihnen doch überhaupt nichts getan!«, protestierte sie. »Schauen Sie mich an. Ich bin ein kleiner Fisch. Ich bin pleite. Ich überfalle keine ’Sko-Siedlungen oder –«
»Ich weiß nicht, warum Sie auf der Liste stehen. Aber Sie sind drauf. Und der Befehl, der Code, den ich vom Mutterschiff abgefangen habe, enthielt außerdem eine Signatur, die ich noch aus dem Krieg kenne. Sie legt eine Spur, die zu einem Doppelagenten oder vielleicht einem ganzen Verschwörerkreis in Ihrer Regierung führt. Er nennt sich ›Schwarzes Schwert‹. Und es gibt Hinweise darauf, dass ein konklavisches Transportunternehmen diesen Leuten in die Hände spielt. GGA ist einer der Konzerne, die dafür infrage kommen.«
Sie setzte sich aufrecht hin. Grantforth Galaktik Amalgam. Nicht Jagan. Als Rhis von Grantforth sprach, war sie automatisch davon ausgegangen, dass er Jagan meinte. Aber warum sollte er? Er konnte nicht das Geringste wissen über ihre Verbindung zu Jagan.
»GGA würde doch niemals mit den ’Sko zusammenarbeiten«, wandte sie ein. »Ich meine, Himmel, Garold Grantforth ist immerhin im Vorstand der Handelskommission. Sie wollen doch wohl nicht sagen, jemand aus seiner Familie würde ihn verraten? Seine politische Karriere wäre ruiniert, um nur das Mindeste zu nennen.«
Jetzt löffelte Rhis auf einmal gierig seine Suppe. »Die Nachricht hat GGA auch nicht ausdrücklich erwähnt. Aber erzählen Sie mir von Garold Grantforth. Kennen Sie ihn?«
»So was in der Art«, sagte sie nach kurzem Überlegen. War es auf einer oder zwei Cocktailparties gewesen, oder auf dreien? Ein Jahr her vielleicht? »Ich bin ihm ein paar Mal zufällig bei irgendwelchen gesellschaftlichen Anlässen begegnet.« Sie bemerkte einen seltsamen Zug in Rhis’ Gesichtsausdruck, aber sie verstand nicht, was er bedeutete. Vermutlich fragte er sich, bei welchen gesellschaftlichen Anlässen ein kleiner Fisch wie Trilby Elliot mit hochrangigen Politikern zusammengetroffen sein wollte.
Oh Göttin, dachte sie dann. Er hält mich jetzt bestimmt für eine Prosti.
Hastig winkte sie ab. »Nein, nein, nicht solche Partys. Ich kannte seinen Neffen. Jagan. Jagan Grantforth. Er hat mich seinem Onkel vorgestellt. Das ist alles.«
Rhis’ Löffel schlug hohl klingend gegen die leere Suppentasse. Er starrte sie an. Sein Schweigen schien sie zum Sprechen drängen zu sollen. Aber sie wusste nicht, was er von ihr hören wollte.
»Ich war mal mit Jagan Grantforth liiert, okay? Ich weiß, das können Sie kaum glauben. Er ist reich. Er hat einen Namen. Er ist in einer hohen Position. Aber wir waren nun mal liiert. Wir …« Sie brach ab und wich seinem eindringlichen Blick aus. Nein, das war kein Unglauben in seinen Augen. Das war Mitleid.
Zum Teufel mit ihm und seiner imperialen Arroganz! Sie konnte sich genauso gut ein Schild auf die Stirn pappen. Ich bin ein Niemand und lasse mich von reichen, mächtigen Leuten ausnutzen. Genau das entnahm sie seinem Blick. Arme, dumme Trilby. Hast du geglaubt, einer wie Jagan Grantforth habe dich ernsthaft gewollt?
»Also, Sie haben sich mit Grantforth eingelassen.«
Sie wandte sich ihm zu und hob trotzig das Kinn. »Ja. Und?«
»Und was hat er von Ihnen gelernt?«
»Wie bitte?« Ihre Stimme vereiste.
»Nein, nein.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich meine Ihre Routen. Ihre Frachtaufträge. All die Dinge, von denen Sie sagten, dass Neadi sie die ganze Zeit in ihrem Pub hört. Was hat er alles durch Sie erfahren?«
Das Eis zog sich aus Trilbys Mund zurück und wanderte aufwärts in ihr Gehirn. Ihre Gedanken froren ein, ihr Verstand verstopfte.
»Ich … ich weiß nicht. Vieles. Jede Menge. Ich hab ja nicht gedacht …« Sie wandte sich ab. Dann stützte sie den Ellenbogen auf den Tresen und schob sich die Hand unter das Kinn. Wie oft war Jagan mit bei Neadi gewesen? Was hatte er alles gehört? Was konnte er erfahren haben, das sowohl für GGA als auch für die ’Sko von Interesse war? »Ich hab keine Ahnung«, sagte sie leise. »Halten Sie das alles wirklich für möglich?«
»Zuerst nicht. Aber dann war ich auf Szedcafar und entdeckte die Beweise.«
Sie brauchte einen Moment, bis sie seinen letzen Satz verarbeitet hatte. »Sie waren auf Szed?« Sie musste sich verhört haben. Letztes Mal ging die Geschichte noch so, dass er versehentlich in die Nähe von Szedcafar geraten war. Ob man aber nur in der Nähe oder mittendrin war, wenn die ’Sko mitmischten, machte den Riesenunterschied von Leben und Tod aus.
Er nickte. »Ich … meinem Team und mir gelang es vor ein paar Monaten, in ein Depot auf Syar einzudringen.«
Erst Szed, und jetzt noch Syar. »Das ist konklavisches Gebiet!«
Er zuckte die Achseln. »Wir gingen Informationen nach und entdeckten eine Spur. Sie führte von den Kolonien auf Syar nach Szedcafar. Mit Umwegen zwar, aber da führte sie hin.«
Port Rumor war auf Gensiira, den halben konklavischen Raum von der Grenze Syars entfernt. Sie konnte die zwingende Verbindung nicht erkennen. »Was haben die Kolonien mit Neadis Pub zu tun?«
»So direkt wohl nichts. Aber Grantforth unterhält enge Beziehungen zu den Kolonien …«
»Das tun andere auch. Rinnaker und GGA unterhalten dort jeweils einen eigenen Hafen.« Jagan hatte immer versprochen, sie mal mitzunehmen. Aber der Trip hatte natürlich nie stattgefunden, wie so vieles, was Jagan versprochen hatte. »Und in zwei Minen und einem halben Dutzend anderer Unternehmen dort steckt Grantforth-Kapital.«
Irgendetwas drängte sich in ihre Gedanken. Etwas Untergründiges, Dunkles und Bedrohliches. Sie versuchte, es zu fassen zu kriegen, aber es war zu ungreifbar, zu unscharf.
»Warum sollte sich GGA ausgerechnet für mein Frachtgeschäft interessieren oder für die Frachtrouten von Schiffen wie Carinas Bellas Dream?«
»Ich weiß es nicht. Was wir wissen, ist, dass es die ’Sko interessiert. Nur nicht, warum. Wir haben eine Verbindung, aber keinen Grund. Nach diesem Grund haben wir auf Szed gesucht.«
Wo er in Gefangenschaft geriet und entkommen konnte. Soweit sie sich mit den ’Sko auskannte, war eine Flucht von Szedcafar praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Sie musste wohl ihre Meinung ändern über Rhis Vanur und das Trainingsprogramm, das die zafharische Flotte ihren gemeinen Lieutenants angedeihen ließ. Held traf es jetzt nicht mehr so ganz.
»Und das, was Ihr Team fand …?«
»Deutet auf eine Verbindung zwischen einem hochrangigen Konklavier, einem großen Transportkonzern und den ’Sko hin«, sagte er sanft. Er hob die Hand und begann fingerweise aufzuzählen: »GGA oder Rinnaker. Die ’Sko.«
Trilby starrte ihn zuerst ungläubig an. Dann gesellte sich Bausteinchen zu Bausteinchen, und sie fühlte ein eiskaltes Kribbeln in ihrem Rückenmark aufsteigen. »Sie halten Jagans Onkel für einen Landesverräter? Oder glauben, Rinnaker habe die ’Sko angeheuert?« Die Carina wurde vermisst. Chaser arbeitete für GGA. Sie kannte auch Leute bei Rinnaker. Waren jetzt alle ihre Freunde in Gefahr?
Er schüttelte den Kopf. »Ich sage nur, es gibt signifikante Beweise, dass etwas läuft zwischen den ’Sko und jemandem in Konklavien. Wir haben noch nicht alle Daten.«
»Warum nicht?«
»Weil, liebe Trilby-Chenka, sich wesentliche Daten auf Ihrem Schiff befinden. Erinnern Sie sich an die Nachricht, die ich abgefangen habe? Aus diesem Grunde kann ich nicht mit Verspätung nach Port Rumor fliegen.« Er zögerte einen Moment. »Wir fliegen zurück nach Yanir in imperiales Gebiet.«
Seine Stimme war so sanft, so angenehm, dass sie die Worte beinahe ungehört vorbeigleiten ließ. Wir fliegen zurück nach Yanir.
Dann meldete sich die Wirklichkeit zurück. Krachend. Die ’Sko wollten sie umbringen. Und ihr Schiff war unterwegs ins Imperium. Ohne ihre Einwilligung.
Jemand, der nicht Trilby Elliot war, kommandierte die Careless Venture.
Zorn wallte heiß in ihr auf. »Warten Sie bitte mal einen verdammten Augenblick!«
Er fasste ihre Hand, als sie ihn am Arm packen wollte. »Hören Sie mir zu. Bitte. Ich habe mein Leben für diese Sache riskiert. Die ’Sko haben versucht, mich zu töten. Sie haben eine Todesliste, auf der Sie ganz oben stehen. Reicht Ihnen das nicht, einzusehen, dass es um ein wenig mehr geht als den entgangenen Gewinn aus einem einzelnen Frachtgeschäft?«
Das Gewicht seiner Worte traf sie wie ein Rammbock. Sie umklammerte seine Hand, als wäre sie lebensrettend. Ihr Held. Und nicht nur ihrer. GGA oder Rinnaker machten mit den ’Sko dreckige Geschäfte. Das brachte praktisch jeden, der jemals bei Neadi ein Bier getrunken hatte, in die Schusslinie der Tarks.
Den Versuch, diese Verschwörung aufzudecken, hatte Rhis um ein Haar mit dem Leben bezahlt. Und alles, was ihr einfiel, war nach Port Rumor zu wollen, um Geld in die Kasse zu kriegen. Beschämt fragte sie: »Warum haben Sie nicht gleich was gesagt?«
»Ich hätte Ihnen also gleich erzählen sollen, dass es in Ihrer Heimat Konklavien verbrecherische Korruption gibt?« Er streichelte rückversichernd ihre Finger. »Hätten Sie mir denn geglaubt? Einem Zafharier? Obendrein einem nackten, wenn ich mich recht entsinne, der gerade dabei war, Ihnen Gewalt anzudrohen?«
Sie bemerkte das kleine Schmunzeln, das seine Mundwinkel umspielte, merkte, wie er sich bemühte, der Situation Leichtigkeit zu verleihen, und bei seiner Wortwahl jede Spitze vermied. Er hatte jedes Recht der Welt, ihr Vorwürfe zu machen. Jagan hätte das auf jeden Fall getan. Aber bei Rhis klang alles, als treffe sie keinerlei Schuld. »Vielleicht nicht auf Anhieb, aber …«
»Nein, hätten Sie nicht. Also ich an Ihrer Stelle hätte meine Geschichte nicht geglaubt. Aber ich schwöre, ich habe nichts mit dem Verschwinden der Bellas Dream zu tun. Und ich habe die ’Sko nicht zu den Minen eingeladen. Sie müssen einsehen, dass ich Ihnen jetzt die Wahrheit sage.«
Eine sehr verstörende Wahrheit, die Neadis Gerüchten eine ganz neue Bedeutung verlieh. Die ’Sko unterwanderten Konklavien. Jetzt verstand sie den Druck, unter dem Rhis stand, und warum er auf ihre Kooperation angewiesen war. Jeglicher Zorn war von ihr abgefallen. »Wie haben Sie Dezi dazu –«
»Ich hab ihm die Nachricht der ’Sko gezeigt.«
Dezis Sprachzentrum dürfte für Ycskrit ähnlich mager ausgelegt sein wie für Zafharisch. Aber sie wusste, dass er spezifische Codesequenzen erkennen konnte, zum Beispiel die eines Exekutionsbefehls. Sie nickte, ausnahmsweise dankbar für die normalerweise lästigen, überbehütenden Tendenzen ihres Droiden.
Und sie war Rhis dankbar. Seit sie ihn gerettet hatte, war er nichts als hilfreich gewesen, seine imperiale Arroganz mal außer Acht gelassen. Und sie hatte ihm nichts als Schwierigkeiten gemacht, ihn mit Leuten wie Jagan in einen Topf geworfen, ihm insgeheim unterstellt, er wolle nur so dringend ins Imperium zurück, um irgendeiner dunkeläugigen Schönheit in die Arme zu sinken. »Ich komme mir so was von blöd vor. Ich wünschte, Sie hätten mir früher …«
»Das wollte ich.« Er zog ihre Hand an seine Lippen und bedeckte ihre Finger mit einem lange verweilenden Kuss. »S’viek noyet. Es tut mir leid.«
Sie musste sich zwingen, weiterzuatmen. Die Berührung seiner Lippen löste ein berauschendes Kribbeln aus, das langsam ihren Arm aufwärts tanzte. Und die Hitze, die sich im Laufe der letzten Tage immer wieder zwischen ihnen aufgebaut hatte, hing auf einmal schwer und süß im Raum.
Benommen konzentrierte sie sich auf die großen, starken Finger, die ihre Hand umschlossen. Über seinen Knöchel zog sich eine verblasste, helle Narbe. Ein kleines Anschauungsbeispiel seiner Opferbereitschaft für das Imperium, und in gewisser Weise auch für sie.
Sie fühlte einfach nur noch Dankbarkeit. Das durch ihren Körper kreisende Wärmegefühl stockte kurz. »Hat Ihr Team denn nicht versucht, Sie zu retten?«
»Sie hatten den eindeutigen Befehl, genau das zu unterlassen. Das ist eins der Risiken in meiner Position. Die Informationen, die sie hatten, und das Schiff waren wichtiger.«
Leben ist austauschbar. Seht zu, dass ihr das Material heil nach Hause bringt. Und die Zafharier, oder nein, vielmehr Tivahr? Rhis war auf der Razalka stationiert. Und Commodore Tivahr hatte Rhis’ wahrscheinlichen Tod bestimmt als hinnehmbaren Verlust einkalkuliert. Das passte zu allem, was sie über diesen Mann bisher gehört hatte.
»Also hat man Sie den ’Sko überlassen?« Ihre Stimme zitterte leicht. Als sie bei Herkoid unter Vertrag stand, hatte sie gesehen, was die ’Sko anrichten konnten. Die wenigen, die überlebt hatten, waren kaum mehr als gebrochene Seelen und geschundene Körper, die durch die dunklen Ecken Port Rumors geisterten.
Rhis beugte sich vor und umrahmte ihr Gesicht mit beiden Händen. »Mir geht es gut. Ich lebe. Nicht mal die Vampirschlangen«, er fuhr ihr mit dem Daumen über die Lippenbögen, »hatten die Chance, mich auszusaugen. Wegen dir. Alles wird gut werden, Trilby-Chenka. Wenn wir in meine Welt –«
Sie schmiegte sich an ihn. Ihre Arme umschlossen seinen Nacken. Ihren rechten Fuß hatte sie unter den Fußring des Barhockers gehakt, um nicht vornüberzufallen. Ihr Mund presste sich fest gegen seinen. Er schmeckte leicht salzig, ein bisschen nach Suppe. Und als seine Lippen begannen, ihr Gesicht mit Küssen zu bedecken, wusste sie, dass sie verloren war.
Was sie nicht die Bohne kümmerte.
Sie wollte sich ihr ergeben, dieser Urhitze, die jedes Mal aufgelodert war, wenn sie sich nicht weit entfernt voneinander aufgehalten hatten. Sie wollte eintauchen in diesen verführerischen Blick, der in seinen Augen glitzerte wie tausend kleine Explosionen. Sie wollte jeden Millimeter von ihm erkunden, wollte den Schmerz von jeder Narbe an seinem harten und perfekten Körper wegküssen. Sie wollte ihm zeigen, dass das Leben lebenswert war, auch wenn sein berüchtigter befehlshabender Commander das nicht so sah.
Als seine Hände begannen, an ihrem T-Shirt zu zupfen, hinderte sie ihn nicht daran. Stattdessen knabberte sie an seinem Ohr.
Auch, als er den Stuhl unter ihr wegstieß und sie in seine Arme hob, hinderte sie ihn nicht daran. Stattdessen küsste sie seinen Nacken.
Auch, als er sie in seine enge Kabine trug, sie auf das schmale Bett legte, ihr auf Zafharisch Dinge zuflüsterte, die sie nicht verstand, die aber wundervoll klangen, hinderte sie ihn nicht daran. Stattdessen ließ sie ihre Hände über die Vorderseite seines Hemdes gleiten und öffnete es. Als er über ihr kniete, lockerte sie seinen Gürtel, machte seine Hose auf und ließ ihre Hände über die muskulösen Flächen seines Körpers gleiten. Und übernahm mit dem Mund, wo ihre Hände bereits gewesen waren.
Er rief heiser ihren Namen und zog ihr Gesicht zu seinem hoch. »Nein«, sagte er. »Ich will …« Sein Mund bedeckte ihren. Seine Zunge erforschte ihre. Dann zog er sich zurück und saugte sehr sanft an ihrer Unterlippe, bevor er seine Hand unter sie schob und sie fest an sich presste.
»Ich will«, wiederholte er. Er legte eine Spur heißer Küsse von ihrem Hals abwärts über ihre Brüste, bis sie zu zittern begann. Eine Hand umfasste ihren Busen, dann streichelte er ganz sanft und verführerisch ihre strammen Nippel. Seine Zunge folgte liebkosend.
Gerade als sie dachte, die Explosionen in ihrem Körper könnten nicht mehr zunehmen, küsste er sie erneut. Fordernd diesmal. Eine Welle flüssiger Lust durchflutete sie.
»Ich will dich. Yav chera«, hauchte er ihr flüsternd ins Ohr. »Yav chera, Trilby-Chenka. Sag mir, dass du mich willst.«
Sie drehte den Kopf, um ihn anzuschauen. In seinem Gesicht lag etwas so ungeheuer Sanftes, wie sie es nie zuvor gesehen hatte. Eine Offenheit. Eine Verletzlichkeit. Es berührte zutiefst ihr Herz.
»Yav chera«, wiederholte sie sanft.
Sein Daumen versiegelte ihre Lippen. »Yav cheron. Falls du mich willst, heißt es yav cheron. Wenn ich dich will, was ich immer will, heißt es yav chera.«
Er nahm den Daumen zur Seite und strich mit seinen Lippen über ihre.
»Yav cheron«, sagte sie zu ihm. Sie glitt mit ihren Fingern durch sein Haar und zog sein Gesicht wieder an ihres heran.
Er erwiderte ihre Küsse mit gieriger Lust, presste seine ganze Härte fest an sie. Sie wölbte sich gegen ihn und schlang ein Bein um seine Hüfte. Er raunte etwas auf Zafharisch. Sie verstand nur ihren Namen, aber durch seine Hände und Küsse sprach eine Sprache, die keine Übersetzung brauchte.
Dann war er in ihr. Sie klammerte sich an ihn. Er erbebte und küsste sie drängend, während er rhythmisch etwas nachgab und dann wieder in sie drang. Sie fühlte lange Wogen der Lust durch ihren Körper ziehen und spürte seine Lust als Antwort. Bis schließlich die Hitze, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, in einem gewaltigen Feuerpilz explodierte.
Er hielt sie fest an sich gedrückt, vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und flüsterte immer und immer wieder diese verdammten zafharischen Worte gegen ihre Haut.
Sie klangen wundervoll.