13

»Glauben Sie, das war klug?«, fragte Farra Rimanava vorsichtig. Sie sah kurz Lucho an, dann wieder Trilby.

Trilby sackte gegen die Rückenlehne ihres Stuhles und ließ erst mal die Anspannung entweichen.

»Natürlich nicht.« Sie lächelte Farra matt zu. »Aber kluge Leute würden auch keine Frachtklitsche betreiben, die sich auf null Geld und eine schrottreife Circura Zwei gründet.«

Und kluge Leute spielten auch nicht Katz und Maus mit einem zafharischen Offizier, der ihnen – mit freundlicher Unterstützung der ’Sko – versehentlich direkt vor die Füße gepurzelt war.

Sie spähte zum weiten Eingangsbereich der Lounge, um zu sehen, ob er wirklich weg war. War er, und offenbar hatte außer ihrem Tisch niemand etwas von der Auseinandersetzung mitbekommen.

»Er hat sehr viel Macht«, sagte Leesa leise und nickte Farra zu.

»Und er hat irgendwelche wichtigen Codes, die für Captain Elliots Schiff von existenzieller Bedeutung sind«, fügte Dallon leise hinzu.

Trilby schaute ihn an. Er hatte ihren Arm losgelassen und beide Hände gefaltet vor sich auf den Tisch gelegt. Seine unbefangen lockere Art war plötzlichem Ernst gewichen.

»Oder habe ich mich da eben verhört?«, fragte er Trilby.

Sie nickte bestätigend. »Er hat sich in meine Systembetriebsprogramme gehackt. Er hatte mir versprochen, nein, geschworen, er würde nur meine konklavische ID in eine imperiale umwandeln.«

Er hatte ihr noch so einiges mehr versprochen. Aber darüber wollte sie jetzt lieber nicht nachdenken.

»Und Sie haben geglaubt, Captain Tivahr würde sich daran halten?«, fragte Lucho.

»Er hat sich ihr nicht als Tivahr vorgestellt«, erläuterte Farra, während Trilby noch überlegte, wo sie ihre Geschichte beginnen sollte. »Er nannte sich ihr gegenüber Vanur. Und von Captain war wohl auch nicht die Rede, oder?«

»Lieutenant«, sagte sie. »Und seine Rückkehr zur Razalka sei furchtbar dringend, weil er irgendwas über die ’Sko herausgefunden habe.«

»Also hat er kurzerhand Ihre Systemdaten gehackt und Sie gezwungen, mit hierherzukommen?«, fragte Dallon nach.

»Nein, so war es nicht.« Sie sah die stirnrunzelnden Gesichter vor sich und kratzte sich den Kopf. War es denn so unvorstellbar, dass sie beide zusammengearbeitet hatten? »Ich bin aus freien Stücken hier. Es gab keinerlei Zwangsmaßnahmen.« – Nun ja, wenn man von dem kleinen Scharmützel auf der Krankenstation mal absah. »Er hat behauptet, er wäre den ’Sko entkommen. Kurz nachdem wir Avanar verlassen hatten, erhielt ich die Nachricht, dass eine Freundin und ihr Frachtschiff von den ’Sko aufgebracht worden sind. Sie werden seitdem vermisst.«

Leesa seufzte betrübt. »Ist das die eben erwähnte Carina?«

»Carina und ihr Bruder Vitorio. Und die Bellas Dream. Dieser Vanur hat mir Hoffnung gemacht, das Imperium könne vielleicht helfen. Nein, nein, da gab es keinerlei Zwang und auch keinen blutigen Kampf zwecks Schiffsübernahme. Nein, er …« … hat mich verführt. Nein, ich habe ihn verführt. »Wir haben … zusammengearbeitet«, sagte sie schnell, konnte aber nicht verhindern, dass ihr eine heiße Röte in die Wangen stieg.

»Aber wieso hat er denn dann Ihr Schiff lahmgelegt?«, fragte Dallon.

»Wenn ich das verdammt noch mal bloß wüsste.«

»Und warum hat er Ihnen die Codes nicht mitgeteilt?«, ergänzte Lucho die Frage.

Trilby schüttelte nur ratlos den Kopf. Dann bemerkte sie Farras zweifelnden Blick.

Doch Farra sagte nichts, bis sie etwas später ohne die anderen in den Korridor einbogen. Ihre Freunde hatten wieder ihrer Wege gemusst, sich aber für später erneut verabredet.

»Ich muss jetzt auch wieder zum Dienst. Aber ich habe noch eine Frage, Captain Elliot.«

»Sagen Sie Trilby. Und was wollen Sie wissen?«

»Vad. Trilby. Ich muss Sie das fragen, aber Sie müssen mir nicht antworten, ja?« Farra schob Trilby etwas näher an die Wand. Sie waren immer noch im äußeren Zugangsbereich der Lounge, und jede Menge Stationspersonal kam und ging. »Diese Worte – diese Nachricht, die Tivahr für Sie hinterlassen hat.«

Yav chera. Trilby nickte zögernd.

»Das sind besondere Worte, wenn sie zwischen Mann und Frau ausgetauscht werden. Das ist nicht so gemeint wie ›Ich möchte eine Tasse Tee‹. Wenn wir so was meinen, sagen wir yav chalka. Das wissen Sie doch, oder?«

»So ungefähr.«

»Ein Mann würde nicht yav chera zu einer Frau sagen und dann so dermaßen kalt mit ihr umspringen, wie ich das eben erlebt habe. Vor allem nicht in so kurzer Zeit. Verstehen Sie? Es geht mich ja nichts an, aber …«

Trilby verschränkte die Arme vor der Brust und atmete einmal tief durch. »Falls Sie wissen wollen, ob etwas zwischen uns vorgefallen ist – ja. Aber dieser Tivahr, den Sie hier erlebt haben, ist nicht der Mann, den ich als Rhis Vanur kennengelernt habe.«

»Onkel Yavo glaubt, er hat Sie …«, Farra zog den Kopf etwas ein, »vergewaltigt?«

»Nein, nein! Ganz und gar nicht. Wie kommt Ihr Onkel denn auf so etwas?«

Moment mal. Wieso ging Mitkanos eigentlich davon aus, dass überhaupt irgendetwas vorgefallen war zwischen Tivahr und ihr? Farra hatte doch erst vor einer Stunde von der Yav-chera-Botschaft erfahren. Und als sie bei Mitkanos Schnaps tranken, hatten sie ausschließlich Standard gesprochen. Hatte Tivahr etwa schon überall herumgeprahlt mit seinem amourösen Abenteuer?

»Aus verschiedenen Gründen. Ich habe Onkel Yavo erzählt, wie Captain Tivahr auf die Nachricht reagiert hat, die Sie von hier an Ihre Freundin geschickt haben.«

»Ach, er hat meine Nachricht an Neadi gelesen?« Na, toll! Offenbar verdächtigte er sie, imperiale Geheimnisse durch den ganzen Kosmos zu posaunen.

»Er sah unglaublich traurig aus. Und Luchos älterer Bruder dient unter Lieutenant Gurdan. Und er hat gehört, wie Gurdan gesagt hat, Tivahr hege offenbar ein großes Interesse an dieser Captain Elliot.«

Farra hob ihren Finger und fuchtelte damit vor Trilby Gesicht herum, als wollte sie sie ermahnen.

»Für Dasja Trilby Elliot muss alles perfekt sein, es darf ihr an nichts fehlen. Gurdan wollte erst irgendwen von der Crew mit Ihnen in die Kommunikationszentrale schicken, vad? Doch Tivahr, nein. Er wollte nur Topleute. Wer ist der Sicherheitschef, fragte er. Und gab Gurdan entsprechend Befehl. Luchos Bruder hat auch noch das gehört: ›Dasja Trilby ist von allergrößtem Wert‹.«

Trilby biss sich auf die Unterlippe. »Weil ich Jagan Grantforth kenne?«, mutmaßte sie.

Farra zuckte die Achseln. »Ich kenne den Namen Grantforth, aber den Mann kenne ich nicht.«

»Er gehört zur GGA-Familie. Sein Onkel ist konklavischer Politiker.«

»Die Art, wie Tivahr Ihr Gesicht auf dem Bildschirm anschaute, sah mir nicht nach Politik aus.« Farra griff nach Trilbys Hand und drückte sie bekräftigend. »Ich muss jetzt los. Trinken wir später gemeinsam einen Tee, vad? Und zerbrechen uns weiter die Köpfe. Sie haben hier Freunde, Lucho und mich. Dallon. Leesa. Und Onkel Yavo sowieso.«

Trilby erwiderte Farras freundschaftliche Geste und sah ihr nach, als sie zum Fahrstuhl eilte und mit einer wartenden Gruppe der Stegzarda-Crew verschmolz.

Die Uhr im Korridor zeigte 0722. Sie hatte noch acht Minuten Zeit, zur Venture zurückzukehren, um Commander Jankova zur Verfügung zu stehen. Sie wusste, ein Commander der Razalka würde mit Sicherheit hyperpünktlich sein.

Zwei Dinge überraschten Trilby an Commander Jankova. Erstens war sie weiblich. Und zweitens war sie eine ausgesprochen sympathische Person. Nicht hölzern wie Pavor Gurdan, nicht überheblich und eingebildet wie Tivahr.

Die Befragung dauerte nicht sehr lange. Nach vierzig Minuten erhob sich Hana Jankova und reichte Trilby die Hand.

»Danke, dass Sie mir Ihre kostbare Zeit geopfert haben, Captain Elliot.«

Trilby war nicht der Typ, der gern herumjammerte, aber sie war auch nicht der Typ, der eine gute Gelegenheit ungenutzt verstreichen ließ. »Es ist ja nicht so, dass ich irgendwohin könnte. Ihr Captain hat mich aus meinen eigenen Systemprogrammen geworfen. Mein Schiff ist lahmgelegt. Ich bin hier praktisch festgenagelt, bis er zu einer anderen Entscheidung gelangt.«

Sie blieben vor der Tür der Venture-Lounge stehen.

»Ich bin über nichts dergleichen informiert.«

»Er hat Ihnen also nicht zufällig meine Codes mitgegeben?«

»Nein.«

»Wissen Sie, ob er überhaupt vorhat, mich freizulassen? Oder sollte ich mich besser gleich um einen Job auf der Station bemühen?« Es störte sie nicht, dass ihrer Stimme der bittere Sarkasmus deutlich anzuhören war. »Ich habe bereits viel kostbare Zeit verloren und Gott weiß wie viele Frachtaufträge. Ich muss ein Schiff unterhalten, das kostet Geld. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihren Herrn Kapitän von Groß und Mächtig mal daran erinnern könnten.«

Sie sah, wie Hana Jankova bei ihrer Zuschreibung den Mund zu einem amüsierten Lächeln verzog. »Ich werde dem Captain Ihr Anliegen gerne vortragen.«

Trilby lehnte an der geöffneten Hauptluke der Venture und sah Hana Jankova beim Weggehen nach. Wer weiß, wenn nur genügend Leute auf Degvar erfuhren, was für ein Dreckskerl er tatsächlich war, dann könnte sie sie vielleicht zu einer kleinen Meuterei anstiften.

Die Vorstellung, zuerst die Stegzarda und dann auch das Flottenpersonal um sich zu scharen, munterte sie vorübergehend auf. Vielleicht schafften sie es sogar, die Razalka zu entern. Dann konnte sie auf seinen Hightechspielwiesen auch ein paar Kettenkarusselle installieren. Alle seine Programme schön herumwirbeln, bis kein Bit mehr auf dem anderen saß. Ihn mal spüren lassen, wie es sich anfühlte, alles abgenommen zu bekommen, was man im Leben besaß. Von der Gnade eines Schufts abhängig zu sein, dem die Bedürfnisse, ja die Existenzen anderer vollkommen schnuppe waren.

Sie schlug donnernd mit der Faust gegen das Lukenschott und wünschte, es wäre sein selbstgefälliges Gesicht.

Rhis schlug mit der Faust auf die Schreibtischplatte. Er wünschte, es wäre Kospahrs selbstgefälliges Gesicht. Aber das wäre eine Maßnahme, die Kaiser Kasmov wohl nicht unbedingt gefallen hätte.

»Nicht Sie befehligen dieses Schiff«, erklärte er dem beleibten Mann, der ihm regungslos im Sessel gegenüber saß. »Ich bin der Kapitän. Der Commodore, wenn ich Sie daran erinnern darf. Sie haben die Befugnisse –«

»Ich bin stellvertretender Verteidigungsminister, Commodore Tivahr. Mein Cousin, der Kaiser, hat mich bevollmächtigt, die Situation zu untersuchen. Das habe ich getan. Ich habe Ihren Bericht gelesen und Gurdans. Ich werde mir gleich noch den von Commander Jankova anschauen, aber darauf kommt es nicht mehr an.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich glaube nicht, dass ich meine Meinung ändere. Dieses Elliot-Weibsbild wird noch gebraucht, um endlich die ’Sko zu schlagen. Und Generalsekretär Grantforth zu überführen. Und möglicherweise diesen jämmerlichen Jungköter Jagan Grantforth gleich mit. Wir können die Konklaven knacken, Tivahr. Und GGA vernichten.«

»Wir haben keine hieb- und stichfesten Beweise, dass Grantforth oder GGA beteiligt sind. Nur auf Verdachtsmomente hin zu handeln, birgt das Risiko –«

»Dies ist jedes Risiko wert! Es geht darum, etwas zu erreichen, was uns nicht einmal mit dem Krieg gegen die Konklaven gelang. Wollen Sie das Imperium um den endlich verdienten Sieg bringen? Was für ein Soldat sind Sie denn? Wem gehört denn Ihre Loyalität?«

Rhis faltete die Hände auf dem Tisch und knetete sie leicht. »Ich bin der beste Kapitän unserer Kriegsflotte, und das wissen Sie verdammt genau. Ich habe immer wieder mein Leben für das Imperium riskiert. Aber Captain Elliot ist konklavische Staatsbürgerin. Sie werden sie kaum davon überzeugen können, ihr Leben zu riskieren, um ihre eigene Regierung zu stürzen.«

»Ich kann. Und ich werde. Die Regierung dieses Weibsbilds ist korrupt. Und sie ist in der Position, das aufdecken zu können.«

»Und wenn die ’Sko sie schnappen?«

Kospahr zuckte die Achseln. »Das passiert frühestens, nachdem sie Grantforth ans Messer geliefert hat und wer sonst noch beteiligt ist. Und wenn die ’Sko sie dann erwischen, ach Gottchen, sie ist doch bloß eine unbedeutende Frachtschifferin. Wertlos für uns. Nicht mal mehr brauchbar wie seinerzeit, als sie noch Jagan Grantforths Flittchen war.«

Rhis sprang auf. Das Blut hämmerte in seinen Ohren. Er wollte kurz über den Schreibtisch greifen und dem Kerl die Kehle zudrücken.

»Reizen Sie mich nicht, Kospahr. Sie werden nicht gewinnen.«

Das Intracom klingelte. Er patschte auf das Pad und bellte: »Ja?«

Jankovas Gesicht erschien auf dem kleinen Schreibtischmonitor. »Sir. Ich habe hier den Bericht über Captain Elliot.«

»Na bitte, perfektes Timing«, warf Kospahr selbstgefällig ein.

»Schicken Sie ihn mir rüber. In meinen persönlichen Ordner«, sagte er zu Jankova und schaltete den Monitor aus.

Er blitzte Kospahr an. »Raus hier, Lord Minister. Ich bin beschäftigt.«

Er fragte sich, ob Trilby ihm überhaupt dafür dankbar sein würde, dass er ihr Leben zu retten versuchte. Er holte Jankovas Bericht auf den Monitor und scrollte durch die üblichen Einleitungsseiten.

Nein, sie würde ihm dafür nicht dankbar sein. Sie verabscheute ihn. Sofern er noch irgendwelche Zweifel daran gehabt hatte, waren ihm die spätestens nach dem Gespräch in der Lounge auf Degvar gründlich vergangen.

Zugegeben, ein wirkliches Gespräch war das nicht gewesen. Er hatte ihr in scharfem Ton befohlen, mit Jankova zu reden, obwohl er genau wusste, wie sie darauf reagieren würde.

Aber er hatte die Hand dieses Mannes auf ihrem Arm nicht gemocht, und erst recht nicht, wie nah er sich zu ihr rübergelehnt hatte. Er hatte das Abzeichen des Mannes an der schwarzen Uniform gesehen. Er gehörte zu einem Flottenversorgungsschiff. Im Moment lagen zwei davon in Degvar.

Mehr wusste Rhis nicht. Mehr wollte er auch nicht wissen. Außer, dass er diese kleine schleimige Schiffsratte nie wieder an Trilbys Seite sehen wollte.

Selbst wenn sie ihn dafür hasste.

Jankovas Bericht war hervorragend. Er konnte aus Trilbys Antworten klar herauslesen, dass sie sich gut verstanden hatten. Sie war Jankova gegenüber deutlich offener gewesen als Gurdan gegenüber. Vielleicht weil Jankova eine Frau war? Nein, daran lag es nicht. Es lag natürlich daran, dass sich alle Leute in Hana Jankovas Gesellschaft wohlfühlten. Sie ließ ihren schnellen, brillanten Verstand niemals ganz über ihr Herz regieren.

Ganz anders als er selbst.

Aber Jankova war ja schließlich auch nicht, wie Trilby es so abschätzig formuliert hatte, aus einem Reagenzglas geschlüpft. Jankova besaß natürlich eine große, voll und ganz hinter ihr stehende Familie. Eine Familie mit Stammbaum und allem Drum und Dran.

Und sie hatte zudem Zak Demarik.

Rhis wiederum hatte jetzt einen Bericht zu lesen. Und einen nervtötenden stellvertretenden Verteidigungsminister in den Griff zu kriegen. Und unter der Überschrift Trilby eine lange Liste von Problemen, für die er im Moment eigentlich gar keine Zeit hatte.

Dann entdeckte er den Nachtrag in Jankovas Bericht. Captain Trilby möchte den Herrn Kapitän von Groß und Mächtig daran erinnern, dass er ihr ihre Codes noch nicht zurückerstattet hat. Und dass sie ein Schiff und eine Existenz zu unterhalten hat, die Geld kosten.

Die Codes. Kospahr wollte Trilby und ihr Schiff als Köder benutzen. Aber wenn Captain Elliot und ihr Schiff gar nicht mehr auf der Station waren …

Entschlossen schlug er auf seinen Schreibtischcom. »Ich brauche ein Shuttle. Ich bin in fünf Minuten draußen.«

Er schaffte es in dreieinhalb.

Er schwieg, bis Dezi sich und das Schiff wortreich ausgewiesen hatte, und sprach dann die einzigen Worte, die infrage kamen, damit Trilby herauskam. »Sag Trilby, ich bringe die Codes, mit denen sie abreisen kann.«

Sie brauchte nicht lange. Die Hauptluke öffnete sich. Sie hatte das Gewehr über der Schulter hängen.

»Das ist jetzt hoffentlich kein Witz. Dafür bin ich gerade gar nicht in Stimmung.«

Er erkannte ihr T-Shirt. Es war das, das sie am ersten Tag auf der Krankenstation getragen hatte. Sie besaß ja nur fünf Stück. Alle grün. Er wusste das sehr genau. Dieses hatte einen kleinen Riss an der Schulter, und der Gewehrgurt hatte ihn leicht aufgezogen. Haut.

Er konzentrierte seine Gedanken auf Dringenderes. Zum Beispiel, sie so schnell wie möglich von dieser Station wegzubringen.

»Bitte an Bord kommen zu dürfen, Captain«, sagte er förmlich.

Ihre Augen verengten sich. Ihm war klar, dass sie ihm nicht traute. »Sie bringen die Codes?«

Er tippte sich mit einem Finger vielsagend an die Stirn.

»Na toll.« Sie zögerte. Offenbar hatte sie gehofft, er würde ihr bloß einen Datenträger in die Hand drücken. Ganz offensichtlich wollte sie ihn nicht an Bord haben. Einen Augenblick lang verkrampften sich seine Eingeweide. Was, wenn sie diesen Versorgerkapitän in ihrer Kabine hatte?

Er würde ihn mit Vergnügen fachgerecht zerlegen. Aber erst musste er die Codes eingeben. »Es wird nicht lange dauern.«

Widerwillig trat sie zur Seite und streckte ihre Hand Richtung Korridor aus. »Nach Ihnen, Captain.«

Er nahm auf dem Kopilotensessel Platz und bereitete die Initialisierung des Hauptbetriebssystems vor. Ihr Duft nach Puder und Blumen umgab ihn. Das Katzenspielzeug baumelte über seinem Kopf. Hinter ihm quietschten Dezis Bolzen.

Er bewahrte sich diesen Moment für die Erinnerung auf. Es würde wohl für lange Zeit die letzte an sie sein.

»Wollen Sie sich Kopien ziehen?«, fragte er, bevor er seine Programme endgültig entfernte. »Könnte sein, dass Sie sie irgendwann brauchen können.«

Sie machte kurz ein überraschtes Gesicht, dann nickte sie Dezi zu. Er hörte die Metallfinger des Droiden auf den Tasten der Steuerung klacken.

Rhis brauchte drei Minuten, um seine Programme zu entfernen, ihre zu reaktivieren und in die richtige Schaltfolge zu bringen.

Er hätte deutlich länger gebraucht, wenn sie nicht bereits daran zugange gewesen wäre. Er konnte es sehen, und was er da sah, war verdammt gute Arbeit. Er sah die beiden Hauptirrtümer, denen sie erlegen war und derentwegen sie nicht weitergekommen war. Hätte sie diese zwei Fehler nicht gemacht, dann wäre sie längst auf und davon.

Er lehnte sich zurück und deutete auf die Kontrollanzeigen. »So, jetzt können Sie in Frieden Ihrer Wege ziehen.«

»Nicht, bevor Sie mir eine letzte Frage beantwortet haben.«

Das überraschte ihn. Er hatte angenommen, sie würde ihn rausschmeißen und schneller aus Degvar verschwunden sein, als er ihr nachschauen konnte.

»Wenn ich kann.«

»Sind Sie schizophren?«

»Was?«

»Sie sind ein grober Klotz und ein arroganter Schnösel. Ihr Ego ist größer als die bevölkerte Welt, entsprechend mies ist Ihr Charakter. Sie scheren sich um nichts und niemanden, höchstens um sich selbst. Und dann plötzlich, selten, aber hin und wieder, sind Sie ein ganz umgänglicher Kerl. So wie jetzt gerade.« Sie tippte mit dem Finger auf seine Armlehne, als wollte sie sagen: Ja, du bist gemeint. »Sie sollten wirklich einen Arzt konsultieren. Das meine ich ganz ernst.«

Er sprang aus dem Pilotensessel. Sie war ihm zu nahe. Er musste Distanz zwischen sich und sie legen. Fürs Erste schien das Metall und die Polsterung des Sessels zu genügen, aber auf Dauer würde wohl nur die ganze Weite des Weltraums zwischen dem Imperium und Konklavien diesen Zweck erfüllen.

»Ich werde Ihren Rat beherzigen. Und ich bitte Sie, meinen zu berücksichtigen. Das ist sehr wichtig«, sagte er und schaute zu ihr hinab. »Zwei Dinge, Trilby-Chenka

Die liebevolle Floskel war ihm einfach so rausgerutscht. Er sah ein paar rote Flecken über ihre Wangen huschen. Doch ihr Blick war zornig.

Er hob den Zeigefinger. »Erstens, verwenden Sie nicht die ID der Venture, bevor Sie Port Rumor erreicht haben. Nehmen Sie die des Imperiums, die ich Ihnen bereitgestellt habe. Die Todesliste der ’Sko ist auf Ihre konklavische ID ausgestellt. Wenn Sie wieder zu Hause sind, müssen Sie unbedingt den Namen ihres Schiffs ändern und sich einen neuen ID-Code besorgen.«

Er hob einen weiteren Finger. »Und zweitens – Ihnen bleiben noch zehn Minuten, um Degvar zu verlassen. Danach wird mein böses Selbst zurückkehren, und ich werde wieder der arrogante, ekelhafte Scheißkerl sein, der alles und jeden aus dem Weg räumt, der ihm in die Quere kommen könnte.«

Sie nickte. Ihre Finger jagten bereits über die Tasten und Schalter der Konsole.

»Unterschallantrieb vorbereiten.« Die Anzeigelampen blinkten grün. Unter seinen Stiefeln spürte er das vertraute Vibrieren hochfahrender Antriebsturbinen.

An der Ausstiegsluke zum Korridor hielt ihre Stimme ihn auf.

»Tivahr.«

Er schaute zurück auf die Brücke, sie schwenkte ihren Sessel herum. »Ich habe niemals behauptet, dass Sie ekelhaft sind. Und jetzt runter von meinem Schiff.«

Er aktivierte sein Com-Abzeichen, als die Zugangsrampe der Venture hinter ihm eingezogen und verschlossen wurde.

»Tivahr an Towerkontrolle. Abflugerlaubnis für die Careless Venture erteilt. Meine Anordnung.«

Er wartete die Bestätigung nicht ab. Niemand auf Degvar würde es wagen, sich einer Anordnung zu widersetzen, die von dem Commodore Tivahr kam.