18
»Kommt überhaupt nicht infrage.« Rhis faltete die Hände und legte sie auf die Tischplatte. Nur zu gern hätte er sie um Kospahrs Hals gelegt und zugedrückt. »Captain Elliot ist gar nicht ausgebildet für einen Einsatz dieser Dimension.«
»Sie braucht doch keine Ausbildung mehr«, entgegnete Kospahr gelassen. Er fläzte sich im Stuhl am anderen Ende des langen Konferenzraumtisches. Osmar, Jankova und Trilby saßen links vom Lord Minister, Bervanik, Cosaros und Demarik rechts. »Sie ist ein erfahrener Captain. Sie muss lediglich die Strecken fliegen, die wir ihr vorgeben. Was dann geschieht, hängt ohnehin von den ’Sko ab.«
Ein Köder, Rhis verstand schon. Kospahr wollte seine Funkenfee zur Zielscheibe machen. Die Diskussion hatten sie schon mal geführt, und es hatte Trilby fast das Leben gekostet. Immerhin war Kospahr diesmal bereit, die Razalka mit einzubeziehen.
Der ursprüngliche Plan des Ministers hatte vorgesehen, die ’Sko mittels der Careless Venture zu ködern und ihnen eine Schwadron Kampfschiffe auf den Hals zu schicken. Aber dafür müsste Rhis’ Schiff großen Abstand zur Careless Venture halten, um nicht entdeckt zu werden. Zu großen Abstand. Viel zu unsicher, seiner Einschätzung nach. Trilby und wer sonst noch an Bord der Venture war, würde sich in große Gefahr begeben.
Den ’Sko war es ziemlich gleichgültig, wen sie töteten.
Doch nun hatte Grantforth bei seiner flehentlichen Bitte an Trilby mit einem lukrativen Auftrag für GGA gewinkt. Rhis schloss daraus, dass Jagan wieder Zugriff auf ihr Schiff haben wollte. Er überlegte, welche Gründe es dafür geben konnte.
Das Dumme war, von der Venture war einfach nicht genug übrig geblieben, was man Jagan noch als Köder hinhalten konnte. Und das Schiff wieder instand zu setzen, würde seine Zeit brauchen, wenn es überhaupt möglich war.
Das alles hatte er Kospahr zu bedenken gegeben, doch der hatte nur eine wegwerfende Handbewegung gemacht.
»Vergessen Sie diese Idee, ihr kaputtes Schiff flottzumachen. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, es dauert viel zu lange. Das Imperium hat für so was weder Zeit noch Geld. Rüsten Sie eines unserer neuen Schiffe um und halten Sie es den ’Sko vor die Nase. Packen Sie an Waffensystemen an Bord, was Sie für richtig halten.«
Rhis sah Trilby bei der letzten Bemerkung kurz aufhorchen. Offenbar hatte Jankova bei ihrer geflüsterten Übersetzung nichts weggelassen. Was gut war. Er wollte, dass Trilby Kospahrs Prioritäten und Ansichten ungeschönt mitbekam.
Lieutenant Osmar blickte von seinem Datapad auf und brachte seine Bedenken zum Ausdruck. »Die Konklaven und die ’Sko würden eine ungewöhnliche Bewaffnung vermutlich registrieren, Lord Minister.«
»Nun, dagegen könnte ich sicherlich etwas programmieren«, räumte Rhis ein. Er hatte schon etliche Tarnprogramme entworfen. »Aber das rechtfertigt nicht das Risiko. Und die ’Sko einfach nur zu ködern, bringt uns noch nicht zu Garold Grantforth. Ich sage, wir warten und sehen, wie sich die Sache mit Jagan Grantforth entwickelt. Wenn er sich wieder meldet –«
Kospahr schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Das gesamte Imperium steht auf dem Spiel, wenn wir die ’Sko nicht daran hindern, Einfluss in Konklavien zu erlangen!«
»Ich glaube nicht, dass die Lage schon so ernst ist«, entgegnete Rhis. Er hob gelassen den Lichtstift von der Tischplatte und begann, ihn zwischen Daumen und Zeigefinger auszubalancieren. »Und den ’Sko Captain Elliot vor die Nase zu halten, ohne gezielt auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein und für ihre Sicherheit garantieren zu können, könnte zu erheblich größeren Komplikationen führen. Wie ich bereits sagte, sie ist für solche Operationen nicht ausgebildet –«
»Dann bilden Sie sie aus. Oder geben Sie ihr ein ausgebildetes Team mit«, erklärte Kospahr leichthin.
Rhis spürte Jankovas Blick und sah Osmar von seinem Datapad hochschauen. Cosaros und Bervanik schwiegen. Doch er wusste, sollte er nach Freiwilligen suchen, so würden sie sofort Schulter an Schulter stehen wie die Glieder einer Kette.
Aber das wäre genauso dumm, wie Trilby alleine zu schicken.
»Jankovas Team ist eben erst von einem Einsatz zurückgekehrt. Ich habe nicht vor, sie gleich wieder loszuschicken. Cosaros und Osmar sind gerade erst von ihren Verletzungen geheilt. Das war der dritte Einsatz in sechs Monaten.«
Außerdem hatte Jankovas Abwesenheit Demarik überhaupt nicht gutgetan. Zum ersten Mal konnte sich Rhis in die Lage seines Ersten Offiziers versetzen.
»Dann schicken Sie eben nicht Jankovas Team. Lieutenant Gurdans Leute sind einsatzbereit. Ich habe vorhin mit ihm gesprochen.«
»Aber ich nicht.« Und das hatte er auch nicht vor. »Sie haben hier nicht das letzte Wort, Lord Minister. Das habe ich.«
»Wir brauchen doch keine Zeit zu verschwenden, nur weil sich Ihre Leute die Wunden lecken müssen.«
Rhis Augen verengten sich. Der Mann war nicht nur eine einzige Beleidigung, er war auch noch ein unfähiger Idiot. »Angeschlagenes Personal auf eine Mission zu schicken ist wirklich der Gipfel an Dämlichkeit. Die einzig vertretbare Antwort lautet, wir warten einen Monat, bis Commander Jankovas Team wieder fit und Captain Elliots Schiff wieder flott ist.«
»Einen Monat? Wir haben keinen Monat. Der junge Grantforth ist jetzt heiß auf sie. Wir können uns keine Verzögerung leisten …«
Die Erwähnung von Jagan ließ Rhis Worte fast zornig klingen. »Meine Antwort, Kospahr, lautet: Nein!«
»Cordag merash!« Trilbys Stimme schallte durch den Raum, befahl ihm, befahl allen, ihr zuzuhören. In fast lupenreinem Zafharisch.
Er linste zu ihr hinüber, bemerkte Jankovas überraschtes Lächeln. Trilby lernte schnell.
Zu schnell für Kospahrs Geschmack. Der Lord Minister erhob sich.
»Viek«, fügte Trilby an. Bitte.
Rhis erkannte, dass ihr Lächeln für Kospahr genauso gespielt war wie ihr höfliches ›Bitte‹.
»Ich glaube, ich habe dank der Übersetzung des Commanders sehr gut verstanden, worum es geht und wie Sie es erreichen wollen. Der Lord Minister Kospahr hat recht: Ich bin eine erfahrene Frachterkapitänin. Und aus eben diesem Grunde sage ich Ihnen jetzt: Captain Tivahrs Plan wird nicht funktionieren.«
Kospahr, sichtlich erfreut von ihrer Zustimmung, machte es sich bequem. Mit wichtig hochgezogenen Augenbrauen und einem selbstzufriedenen Lächeln um die geschürzten Lippen saß er bräsig da. Rhis hingegen war klar, das Trilby noch mehr zu sagen hatte. Und er glaubte nicht, dass ihre taktisch kluge Übereinstimmung mit dem Lord Minister lange anhalten würde.
Trilby deutete auf Cosaros und Bervanik, dann nickte sie Jankova zu ihrer Rechten zu. »Das richtet sich gegen keinen von Ihnen persönlich. Aber auf den Frachtdocks, auf denen ich arbeite und gearbeitet habe, würden Sie alle auffallen wie bunte Hunde. Zu groß, zu gesund, zu gut ernährt. Sie wollen aus einer zafharischen Truppe eine fiktive Frachter-Crew zusammenstellen und mich als Captain verpflichten? Und diese kleine Gesellschaft soll dann mit GGA ins Geschäft kommen? Also, wenn Sie das wollen, dann sollten Sie vor allem eines tun: mir als Captain die Auswahl meiner Crew selbst überlassen. Allerdings wäre dann von Ihnen hier niemand dabei, weil Sie alle nämlich viel zu … respektabel sind. Und Gurdans Leute«, sie wandte sich an Kospahr, »laufen allesamt durch die Gegend, als hätten sie Stöcke im Hintern.«
»Ihre Ausdrucksweise ist etwas gewöhnungsbedürftig«, bemerkte Kospahr trocken.
»Das ist Teil meines Charmes«, gab sie kampflustig zurück.
Rhis trommelte mit dem Lichtstift auf die Tischplatte. Trilbys Ausführungen leuchteten zwar ein, änderten aber nichts am Hauptproblem. Sie präsentierte ihnen keine Lösung. Sie mussten aber weiterkommen. Er wollte gerade mit einer entsprechenden Ermahnung das Wort ergreifen, als Osmar sich vorbeugte und in akzentuiertem Standard seine Gedanken vortrug.
»Captain Elliot hat recht. Wir sind keine Arbeiter und keine Händler. Natürlich können wir Lingo und ein paar Handgriffe lernen. Aber das braucht auch Zeit. Würden wir das Projekt also verschieben, so wie Captain Tivahr es vorschlägt, und mit Captain Elliots Hilfe an uns arbeiten, so dürften wir durchaus in der Lage sein, uns an einem Ort wie Port Rumor anzupassen. Wir wären dann«, er grinste Trilby an, »nicht mehr zu respektabel.«
Und nicht mehr zu angeschlagen. Cosaros hatte bei der letzten Flucht zwei Lasertreffer ins Bein bekommen. Osmar hatte sich den linken Arm gebrochen und eine Gehirnerschütterung erlitten. Doc hatte sie beide noch immer in ambulanter Behandlung.
Trilby selbst war weit entfernt davon, geheilt zu sein. Ihre Verletzungen quälten sie nach wie vor. Rhis sah die Ringe unter den Augen, sah, wie sie zusammenzuckte, wenn sie sich zu schnell bewegte.
Kospahr reichte es. Er wollte nichts mehr hören von den guten Gründen für eine Verschiebung der Operation und setzte eben an, lautstark zu protestieren, als Jankova mit den Fingern schnippte.
»Wir müssen vielleicht gar nichts verschieben. Mitkanos.«, sagte sie. Rhis sah, wie Demarik zustimmend nickte. »Ich hab nicht daran gedacht, bis Andrez die Händler erwähnte. Mitkanos’ Familie betreibt ein Handelskontor in Port Balara. Wir könnten ihn bitten, die Crew zu verstärken.«
»Er ist ein Stegzarda«, sagte Cosaros. Er musste ›und kein Mann der Flotte‹ gar nicht erst aussprechen.
Das könnte ein Problem werden, und zwar nicht nur wegen der Konkurrenz von Stegzarda und Flotte. Rhis wollte auf jeden Fall Trilbys Crew angehören, egal ob es ihr passte oder nicht. Und egal, ob es Mitkanos passte oder nicht. Er hatte allerdings den Verdacht, es würde Mitkanos nicht passen.
Der Major hatte Rhis einen Gefallen getan, indem er alle Aufzeichnungen um die Abfluggenehmigung der Careless Venture gelöscht hatte. Aber Mitkanos hatte auch unmissverständlich klargemacht, dass er das ausschließlich auf Demariks Bitte hin tat. Zwischen ihnen gab es irgendein Problem aus Urzeiten. Rhis hatte ihn nie gefragt, worum es eigentlich ging. Außer der Geschichte mit Demarik war es Mitkanos’ Sympathie für Captain Elliot zu verdanken, dass der Trick mit Lieutenant Luchos ›Beihilfe‹ zu Trilbys ›Flucht‹ funktioniert hatte. Captain Tivahr zu schützen war das Letzte, worum es Mitkanos dabei ging.
Zugegeben, für diese Nummer war Rhis Mitkanos noch was schuldig. Aber das machte die Aussicht, bei einer Mission mit dem Stegzarda-Chef zusammenarbeiten zu müssen, nicht gerade angenehmer.
Yavo Mitkanos nahm Rhis’ Angebot, sich zu setzen, mit beherrschter Höflichkeit an. Er lauschte Rhis’ Ausführungen mit berufsmäßiger Aufmerksamkeit. Aber Rhis spürte dennoch, was er sich schon gedacht hatte. Der Mann konnte ihn nicht leiden. Man merkte es deutlich – an der Art, wie er sich äußerst beherrscht gab. Wie er seine professionelle Fassade trug. Wie er gleichgültig über den breiten Tisch zwischen ihnen blickte.
Rhis war es gewohnt, dass die Leute sich, wenn sie schon nicht eingeschüchtert waren, wenigstens demütig verhielten. Doch Mitkanos hatte sich schon in der Offiziersmesse auf Degvar, als Rhis an seinem Tisch stehen geblieben war, gleichgültig und zugeknöpft gegeben. Er wirkte auch jetzt nur mäßig offener.
Das Einzige, was den Mann vielleicht motivieren konnte, war Trilbys Sicherheit.
»Sie ist bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten?«, fragte Mitkanos.
»Ja.«
»Das überrascht mich. Ich überschreite mal meine Befugnisse und sage Ihnen, Sie sind äußerst übel mit ihr umgesprungen.«
Rhis setzte sich zurecht. »Sie haben ganz recht, Sie überschreiten Ihre Befugnisse, Major. Und ich habe ihr die Schwadron nicht auf den Hals geschickt.«
»Das ist mir sehr wohl bekannt. Ich sprach von Vorkommnissen, die etwas weiter zurückliegen.«
Zorn loderte auf und wurde gleich darauf von Beschämung gelöscht. Rhis wusste, er hatte Trilby verletzt, weil er ihr nicht gesagt hatte, wer er wirklich war.
Aber dass sie sich an einer Schulter wie der von Mitkanos ausweinte, hatte er nicht erwartet. »Ich bin nicht an Ihrer Einschätzung meiner Verbindung zu Captain Elliot interessiert. Ich sitze hier lediglich mit Ihnen, weil Commander Demarik der Ansicht ist, Sie könnten uns bei einer Operation unterstützen, bei der es darum geht, Grantforth und die ’Sko zur Strecke zu bringen.«
»Zak Demarik ist ein prima Bursche. Ich bin neben dem Handelskontor meiner Eltern aufgewachsen. Hab in dem Laden sechs Jahre als Frachtgutverwalter gearbeitet, bevor ich zur Stegzarda stieß. Das war es doch, was Sie wissen wollten, richtig?«
»Wie lange ist das her?«
»Dreiundzwanzig Jahre, aber meine Familie betreibt das Kontor nach wie vor. Und nach wie vor kenne ich mich im Geschäft gut aus.«
»Ich versuche, eine glaubhafte, arbeitsfähige, fünfköpfige Frachter-Crew zusammenzustellen. Ich und Captain Elliot sind Fixpunkte. Ich brauche also noch drei. Sofern Captain Elliot zustimmt, könnten Sie uns vielleicht mit Leuten unterstützen, die über militärische Ausbildung sowie Erfahrung mit Frachtguttransporten verfügen und den Anforderungen gewachsen sind.«
»Sie brauchen nur noch zwei, Captain Tivahr. Wenn Sie vorhaben, sowohl von Port Rumor als auch von Saldika aus zu operieren, brauchen Sie mich an Bord. Und ja, ich kann Sie auch mit Leuten unterstützen, die sich auskennen und den Anforderungen gewachsen sind.«
»Ich würde Mitglieder des Flottenbodenpersonals von Degvar bevorzugen.«
»Ich hab einige im Kopf, sowohl Flottisten als auch Stegzarda. Aber ich finde, Captain Elliot sollte das letzte Wort haben. Von uns allen hat sie schließlich am meisten zu verlieren. Und sie hat jetzt schon mehr verloren, als gesund ist. Kann sie mich eigentlich jetzt zurück nach Degvar begleiten, oder haben Sie sie in ihrer Kabine eingesperrt?«
Rhis ballte die Faust. »Sprechen Sie immer alles, was Ihnen gerade durch den Kopf geht, so offen aus?«
»Wenn ich das Gefühl habe, es ist notwendig.«
»Ich wiederum könnte es notwendig finden, Ihre Dienste doch nicht in Anspruch zu nehmen.« Er wusste, dass Demarik auf Mitkanos hoffte, aber wenn es nicht anders ging, würde sich schon ein anderer finden.
Jemand, der wusste, wer hier das Kommando hatte.
»Tja, dann bliebe Ihnen wohl noch die Möglichkeit, Pavor Gurdan an Bord zu holen. Ich kann ihn nicht empfehlen.«
Kospahr wäre außer sich vor Begeisterung, Gurdan an Bord zu wissen. Nein, ausgeschlossen. Rhis war auf Mitkanos angewiesen, und das wussten sie beide.
Er blickte den Major stahlhart an und ließ keinen Zweifel daran, wie wenig ihm die Situation behagte. »Captain Elliot ist keine Gefangene. Sie kooperiert vollständig. Sie haben eine Stunde, um Ihre besten Leute auszusuchen und für Captain Elliots Entscheidung bereitzustellen. Schicken Sie mir ein Dossier, wenn Sie Ihre Auswahl getroffen haben. Ich reiche es dann an Captain Elliot weiter, damit sie Zeit hat, es durchzusehen. Dann«, er blickte auf die Zeitanzeige auf dem Schreibtisch, »um 1600 Uhr bringe ich sie zu Ihrem Büro. Sie kann sich dann Ihre Kandidaten anschauen und endgültig entscheiden.«
Mitkanos sah aus, als wolle er noch etwas sagen, entschied sich dann aber offenbar dagegen. Rhis nahm das als gutes Zeichen.
Der Stegzarda-Major erhob sich. »Dossier in einer Stunde. Mein Büro 1600.«
Er marschierte zur Tür hinaus. Rhis lockerte die Faust.
Rhis wartete, während sie das Dossier las. Sie saß in dem Sessel, in dem vorhin Mitkanos gesessen hatte. Mitkanos hatte ihn praktisch ausgefüllt, wohingegen Trilbys schlanke, in Dunkelgrün und Grau gekleidete Gestalt gut zweimal hineingepasst hätte. Der Bildschirm war zu ihr herumgedreht. Per Lichtstift folgte sie dem Bildschirmtext, markierte etwas und scrollte weiter.
Er war das Dossier schon durchgegangen, bevor er sie in sein Büro rufen ließ, und hatte seine Anmerkungen zu Mitkanos’ sechs Kandidaten eingefügt.
»Möchtest du einen Kaffee? Tee?«
Sie blickte auf und runzelte wegen der Störung die Stirn. »Was? Nein danke.« Und senkte den Kopf wieder. Tipp, tipp.
Sein Büroreplikator stand in der Ecke. Er entschied sich für Tee. Sie las gerade seine Schlussbemerkung, als er mit dem dampfenden Teebecher hinter ihr vorbei an den Schreibtisch ging.
»Gut.« Sie sprach durch die Zähne und nickte mehr sich selbst als ihm zu.
Er zog den Bildschirm zu sich herum und überflog ihre Zusammenstellung.
Yavo Mitkanos. Natürlich. Das hatte er erwartet. Dann drei weitere Namen. Zwei Flottisten. Basil Enzio. Dallon Patruzius. Und ein Name von der Stegzarda. Farra Rimanava. Auch nicht überraschend. Alles gute Leute, soweit er sich an Einzelheiten aus dem Dossier erinnerte. Nur einer zu viel.
Er tippte mit seinem eigenen Lichtstift auf die Liste. »Du hast hier vier.«
»Ja.«
»Ich wollte nicht sechs. Nur fünf.«
»Ich hab dir doch fünf gegeben. Mit mir als Captain. Patruzius als Kopilot. Enzio, Rimanava und Major Mitkanos. Das sind fünf.«
»Und ich.« Einen Moment glaubte er noch, sie hätte ihn versehentlich vergessen. Dann sah er ihren zusammengekniffenen Mund. Sie wollte ihn tatsächlich nicht dabeihaben.
»Ich bin für diese Operation verantwortlich«, sagte er sanft. Er wollte keinesfalls bedrohlich klingen. Er wollte, dass sie verstand, wie sehr er sie schätzte. Ihr vertraute.
Aber sie schien noch nicht so weit, ihm zu vertrauen. »Das heißt doch nicht, dass du zu meiner Crew gehören musst.«
»Trilby …«
»Du wolltest meine Auswahl.« Sie lehnte sich vor und schob den Bildschirm aus dem Weg. »Und hier ist sie: Mitkanos, Enzio, Rimanava und Patruzius. Du bist nicht dabei.«
War er doch. Musste er. Er wollte sie wieder auf Jagan Grantforth treffen lassen. Er musste dabei sein. »Ich habe einen großen Teil meines Lebens mit Geheimdiensttätigkeiten verbracht. Ich muss und ich will dabei sein. Ich trage die Verantwortung für die gesamte Mission«, entgegnete er.
»Muss ich es denn erst deutlich sagen? Ich will dich nicht dabeihaben.« Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie war immer noch wütend auf ihn. Stieß ihn von sich, wo sie nur konnte. Er wusste, weshalb, und hoffte, sie würde eines Tages verstehen, warum er sie belogen und ihr nicht gesagt hatte, wer er war.
Doch das erklärte nur einen Teil ihres Verhaltens, nicht alles. Eine kleine, gemeine Stimme in ihm flüsterte, dass es nicht nur ihr gerechtfertigter Zorn war. Dass da noch etwas anderes sein könnte. Etwas, worauf sie in der Offizierslounge auf Degvar bereits angespielt hatte.
Etwas, was ihn zur Missgeburt machte. Zu einem unseligen Experiment. Oder schlimmer. So, wie Malika ihn gesehen hatte. Eine Kuriosität, die man erobern konnte, mit der man dann prahlte – und über die man lachte.
»Ich werde als Kopilot an Bord sein. Und als Leiter der Mission.« Er schaute auf den Bildschirm. »Ich denke, auf Mitkanos können wir uns einigen. Die anderen suchst du aus. Aber nur zwei.«
Sie fixierte ihn einen Moment scharf. »Rimanava«, sagte sie. »Und Patruzius.«
Er scrollte zu ihren Personaldaten, überflog sie. Patruzius kam von der Flotte und war zurzeit auf Degvar im Büro der Quartiersmeisterei tätig. Er hatte auf Saldika gearbeitet und sprach fließend Standard. Ja, Patruzius schien auch ihm eine gute Wahl. Als er das Foto betrachtete, kam ihm das Gesicht mit dem sauber gestutzten Dreitagebart und dem Kurzhaarschnitt irgendwie bekannt vor. Aber er konnte es nicht unterbringen.
Rimanava beherrschte Standard zwar nicht fließend, passte andererseits aber gut in das, was man eine gemischte Crew nannte. Sie war in Port Balara aufgewachsen, hatte zwei Jahre auf den Marktdocks gearbeitet. Ihr Werdegang war makellos. Und ihre Anwesenheit würde Mitkanos besänftigen.
»Gut«, sagte er. »Dann ist das geklärt. Ich geb Mitkanos Bescheid. Wir treffen uns in zwei Stunden bei ihm.«
Er erkannte den Mann in der Sekunde, in der er und Trilby Mitkanos’ Büro betraten. Der Bart war ab, die langen Haare wurden im Nacken von einem schwarzen Band zusammengehalten. Schwarz wie die Uniform. Ein Versorgerkapitän der Flotte.
Patruzius. Der Kerl, der in der Offizierslounge so dicht neben Trilby gesessen hatte, der seine Hand so plump vertraut auf Trilbys Arm gelegt hatte, das war Dallon Patruzius.
Und Rhis hatte gerade seine Zugehörigkeit zum Team abgenickt. Auf Trilbys Schiff.
Er unterdrückte ein Stöhnen. Nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen fragte er sich, ob er jetzt eigentlich einen Dauerstammplatz auf der göttlichen Abschussliste hatte.
Er nickte Mitkanos zu. Die junge Frau, die neben ihm stand, war Stegzarda-Korporal Farra Rimanava.
Trilby schüttelte erst Rimanava die Hand. Dann Patruzius. Der Schweinehund zwinkerte ihr zu.
»Schön, Sie wiederzusehen«, sagte sie.
Nein, das ist es nicht. Nicht, soweit es Rhis betraf. In der Offizierslounge waren schlimme Dinge über ihn gesagt worden, und Patruzius und Rimanava waren da gewesen und hatten zugehört. Plötzlich war er von seiner Crew nicht mehr so angetan wie zuvor.
Immerhin, Patruzius war Flottist. Einer von seinen Leuten. Seine Loyalität hatte Flottencommodore Tivahr zu gehören. Er würde dafür sorgen, dass Patruzius das nicht vergaß.