„Stimmt. Für ihn sind wir nur ein Haufen Spinner, keine Vampire”, warf Thomas ein, und diese Bemerkung ließ Lissianna r verärgert dreinschauen.

„Außerdem”, fügte Elspeth hinzu, „wenn er wirklich versuchte zubehaupten, dass man ihn entführt habe, würde ihm niemand glauben. Er ist aus eigenem Willen in den Kofferraum gestiegen, und genau das zeigt auch die Sicherheitsaufzeichnung im Parkhaus.”

„Er könnte sich höchstens darüber beschweren, dass er über nacht festgehalten wurde und deshalb seinen Flug verpasst hat”, ergänzte Jeanne Louise. „Die Polizei würde jedoch annehmen, es war ein Sexspielchen, das ein wenig länger gedauert hat, und er wolle nur versuchen, sich das Ticket rückerstatten zu lassen.”

Marguerite schloss die Kühlschranktür mit einem hörbaren Schnappen. „Und das war selbstverständlich sein eigenes Argument.”

Lissianna fluchte lautlos. Sobald sie Jeannes Bemerkung über Scxspielchen gehört hatte, hatte sie gewusst, dass das ein Fehler war. Jeanne Louise war die Konservativste der Gruppe und die letzte, die normalerweise auch nur einen Begriff wie Sexspielchen verwenden würde.

Marguerite ging um die Bar herum und warf ihnen einen scharfen Blick zu, bevor sie fragte: „Und was ist mit seinem Hals?”

„Sein Hals?” Lissianna sah sie verwirrt an.

„Du hattest ihn gebissen!”, erinnerte Thomas sie im Flüsterton, und sein Tonfall machte klar, dass auch er diese Tatsache vergessen hatte.

„Oh.... ja.” Lissianna spürte, wie ihre Schultern nach unten sackten. Für gewöhnlich achtete sie darauf, einem Spender in den Kopf zu setzen, dass ihre Bissspur ein Unfallbeim Rasieren gewesen sei und er einfach ein Pflaster drauftun sollte, bis es geheilt war. Oder dass es das Ergebnis eines dummen Unfalls mit einer zweizinkigen Barbecue-Gabel gewesen sei. Sie war nicht imstande gewesen, das in Gregs Kopf zu setzen. Und überhaupt hatte sie den Biss vollkommen vergessen. Das war schlecht. Er würde ihn sehen und sich fragen, woher er stammte. Er ging vielleicht sogar in ein Krankenhaus oder zu einem Arzt, um ihn untersuchen zu lassen, und so würden noch andere ihn sehen.

Ihre Miene verriet nun deutlich, wie besorgt sie war, und ihre Stimme hörte sich ganz elend an, als sie sagte: „Ich habe ganz vergessen, dass ich ihn gebissen habe. Ich habe nicht.... ”

„Schon gut”, unterbrach Marguerite sie mit einem Seufzen. „Ich kümmere mich darum.”

„Wie denn?”, fragte Lissianna nervös.

Ihre Mutter dachte nach, dann sagte sie: „Ich werde ihm einen kurzen Besuch abstatten, sein Gedächtnis auslöschen und ihm eine glaubwürdige Erklärung für die Bissspuren eingeben.”

„Es tut mir leid”, murmelte Lissianna, die ein schlechtes Gewissen hatte. Sie konnte überhaupt nicht verstehen, dass sie den Biss vergessen hatte. Dabei war es ein solch außergewöhnliches Erlebnis gewesen.

„Nicht so leid wie mir, meine Liebe”, sagte Marguerite. „Ich habe wirklich damit gerechnet, dass er imstande sein würde, deine Phobie zu heilen.” Ihre Enttäuschung war offensichtlich und machte Lissiannas schlechtes Gewissen nur noch schlimmer, besonders, als sie sie erbost anschaute und hinzufügte: „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass es unhöflich ist, ein Geschenk zurückzugeben?”

„Ich kann mir einen Termin von ihm geben lassen, wenn er aus dem Urlaub zurück ist”, schlug Lissianna vor, um wieder einzulenken.

„Lissianna, wenn das so einfach wäre, hätte ich schon vor Jahren einen Termin mit einem Psychologen für dich ausgemacht”, seufzte Marguerite. „Aber du weißt, dass wir eine Erinnerung nicht öfter als ein paar Mal verschleiern können, danach wird es zu riskant. Sie entwickelt einen gewissen Widerstand. Ein Teil von ihr erkennt dich wieder, und es wird jedes Mal schwieriger. Ein- oder zweimal ist kein Problem, aber öfter kann man es nicht empfehlen. Deshalb war ich so erfreut darüber, dass Dr. Hewitt bei Phobien in ein oder zwei Sitzungen eine Heilung herbeiführen kann. Ich dachte, wir könnten ihn hierher bringen, dich heilen lassen, ihn bis zum Ende seines Urlaubs behalten, um sicher zu sein, dass es funktioniert hat, und dann seine Erinnerung auslöschen und ihn wieder zurückschicken.”

„Nun, ich werde.... ” Lissianna zuckte hilflos die Schultern. „Ich werde mit jemand anderem einen Termin ausmachen. Es muss doch noch einen anderen Therapeuten geben, der diese Technik kennt”, sagte sie. „Wenn er nur eine oder zwei Sitzungen braucht, können wir hinterher ja seine Erinnerungen löschen.”

„Ja, aber wer sollte das sein?”

Einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte Tante Martine ruhig: „Wir könnten Dr. Hewitt nach dem Namen eines kompetenten Psychologen fragen, der sich mit diesen Dingen auskennt.”

Marguerite wandte sich ihrer Schwägerin zu, die aufstand. „.... Wir?”

„Nun ja.” Martine zuckte die Achseln. „Du hast doch nicht gedacht, dass ich dich dabei allein lasse? Meine Mädchen haben Lissianna geholfen, ihn zu befreien, also werde ich dir helfen, das Durcheinander wieder aufzuräumen, das die Kinder angerichtet haben.”

Als Marguerite zögerte, sagte Martine: „Vielleicht ist es ja schnellerledigt, und wir können sogar auf dem Weg zurück eine Pause bei der Maniküre einlegen und ein bisschen was einkaufen. Hier scheint alles so viel preiswerter zu sein als in England.”

Die Anspannung wich von Marguerite, und sie nickte. „Das wäre schön. Dann können wir in den Supermarkt gehen. Ich muss noch Lebensmittel für die Zwillinge besorgen, solange ihr drei hier seid.”

Lissianna wollte gerade aufatmen, als ihre Mutter und ihre Tante zur Tür gingen, doch sie erstarrte gleich wieder, als ihre Mutter sich noch einmal umdrehte und sie mit einem durchdringenden Blick bedachte. „Ich weiß, dass du bald zur Arbeit gehen musst, Lissianna, aber du wirst doch hinterher hierher zurückkommen, nicht wahr? Ich glaube, es ist besser, wenn du diese Woche hierbleibst, damit du mehr Zeit mit deinen Cousinen verbringen kannst.”

Lissianna wusste genau, dass das keine Frage oder Bitte war, und da sie bereits wegen Greg genug Ärger hatte, wollte sie sie nicht noch mehr gegen sich aufbringen. Also nickte sie zustimmend.

„Gut. Ich erwarte dich nach deiner Arbeit”, sagte ihre Mutter, und dann schweifte ihr Blick zu Thomas und Jeanne Louise. „Es würde euch nicht wehtun, wenn ihr beide ebenfalls mehr Zeit mit euren Cousinen verbringen würdet.”

„Ja, Ma’am”, sagte Jeanne Louise sofort.

Thomas grinste nur und sagte: „Du kennst mich doch, Tante Marguerite. Ich verbringe immer gerne Zeit mit hübschen Damen.”

Mit einem dünnen Lächeln sah sie Mirabeau an. „Auch du bist jederzeit will kommen hier, meine Liebe.”

„Oh.... äh.... ”

Lissianna lächelte amüsiert, als ihr klar wurde, dass Mirabeau verzweifelt nach einer Ausrede suchte, um das Angebot ablehnen zu können. Bevor ihr jedoch etwas eingefallen war, sagte Marguerite: „Dann ist es also abgemacht.”

Mit diesen Worten folgte sie Martine aus dem Zimmer.

Thomas lachte leise. „Willkommen in der Familie, Mirabeau.”