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„Du meine Güte, ich bin in einem Babydoll Himmel!”
Lissianna kicherte über Thomas’ scheinbar entsetzten Gesichtsausdruck, als er das Wohnzimmer betrat, wo sie ihre improvisierte NachGeburtstagsparty hatten, eine Pyjamaparty.
Thomas hatte nicht mehr mit dem Auto fahren wollen, da er Alkohol getrunken hatte. Also war beschlossen worden, hier zu übernachten, was bedeutete, dass Lissianna, Jeanne Louise und Mirabeau ebenfalls blieben. Da alle Schlafzimmer von älteren Verwandten besetzt waren, die länger blieben, hatte man sie auf den Sofas in dem großen Wohnzimmer untergebracht.... zusammen mit Cousine Elspeth und ihren Zwillingsschwestern Victoria und Julianna. Die drei Mädchen waren zusammen mit ihrer Mutter Martine aus England eingeflogen, um zur Party zu kommen, und hatten vor, ein paar Wochen zu Besuch zu bleiben.
„Thomas!”, keuchte Jeanne plötzlich. „Was um alles in der Welt hast du da an?”
„Was? Das?” Thomas streckte die Arme aus und drehte sich langsam um die eigene Achse. Er steckte vom Hals bis zu den Fußknöcheln in einem engen Spiderman-Schlafanzug. „Bastien war so nett, mir diesen supercoolen Schlafanzug zu leihen”, sagte er schleppend. „Gefällt er euch nicht? Der Mann hat für einen muffigen alten Knacker wirklich einen nicht zu schlagenden Geschmack, was Nachtzeug angeht!”
„Er gehört nicht Bastien.” Lissianna lachte. „Der Schlafanzug war ein scherzhaft gemeintes Geschenk für Etienne, als er dabei geholfen hat, ein Videospiel zu programmieren, das auf einem Comic basiert.”
„Das wusste ich nicht”, sagte Thomas grinsend. „Bastien war sehr verlegen über meine begeisterten Komplimente bezüglich seines, coolen Geschmacks’ in Sachen Schlafanzüge.”
Lissianna grinste zurück und sah ihn verständnisvol an. Sie stellte sich vor, wie Bastien wohl reagiert hatte, als ihm klar wurde, wie sein kleiner Versuch, Thomas in Verlegenheit zu bringen, nach hinten losgegangen war. Er würde sich schrecklich winden bei der Vorstellung, irgendjemand auf der Welt könnte glauben, er trüge ein solches Nachtgewand.
„Wie auch immer, mir ist es gleich. Und das Ding ist wirklich bequem”, stellte Thomas fest. Dann stemmte er lässig die Hände in die Hüften, um die Damen der Reihe nach zu beäugen, und sagte charmant, „Was euch Ladys angeht, so seht ihr aus wie ein Regenbogen reizender Blüten.”
Lissianna schaute an sich hinunter und sah dann die anderen an. Jeanne Louise und Mirabeau konnten nicht auf eigene Kleider im Haus von Lissiannas Mutter zurückgreifen. Lissianna schon, aber nicht auf Nachtzeug. Also trugen alle drei Nachtgewänder, die sie sich von Elspeth und den Zwillingen geliehen hatten. Die drei hatten offenbar eine Vorliebe für Babydolls.
Thomas’ Kompliment war durchaus zutreffend. Sie trug einen Babydoll aus hellrosa Spitze, Elspeth war in Rot, Victoria in Pfirsich, Mirabeau in Mintgrün und Julianna in Babyblau gekleidet, und Jeanne Louise trug Lavendel. Wenn man sie nebeneinanderstellte, bildeten sie beinahe einen Regenbogen.
„Und nun?” Thomas ließ sich auf den Schlafsack fallen, der für ihn hingelegt worden war. Er drückte sein Kissen zu einem festen Ball zusammen, stützte sich mit dem El bogen darauf und ließ seinen Blick in die Runde schweifen. „Was passiert denn bei Pyjamapartys?”
Die Mädchen lachten über die Neugier in seiner Stimme und verteilten sich auf die vorhandenen Schlafstellen, jeweils zwei Mädchen auf einem der drei Klappsofas im Raum. Innerhalb von Minuten hatten sie alle ein Plätzchen gefunden und sahen sich ratlos an.
„Seht mich nicht an”, sagte Mirabeau, als Thomas einen Blick in ihre Richtung warf. „Ich bin über vierhundert Jahre alt; es gab keine Pyjamapartys, als ich ein junges Mädchen war. Wahrscheinlich auch keine Babydolls und keinen Spiderman. Ich weiß nicht, was jetzt passiert.”
Lissianna kicherte und sagte dann angewidert: „Über zweihundert Jahre alt, und sie behandeln mich immer noch wie ein Kind.”
„Für Mutter und Tante Marguerite werden wir immer Kinder sein”, sagte Elspeth ruhig. „Wahrscheinlich ist es immer relativ. Verglichen mit ihnen sind wir tatsächlich Kinder.”
„Aber uralt, verglichen mit Sterblichen”, wandte Lissianna unglücklich ein. Sie spürte ihre zweihundertundzwei Jahre.
Geburtstage konnten einen richtig herunterziehen, wenn man älter war als das Land, in dem man lebte. Kanada war 1867 ein unabhängiges Land geworden, und damals war Lissianna schon neunundsechzig Jahre alt gewesen alt für eine Sterbliche, aber nicht für eine Vampirin, wie die meisten Sterblichen sie genannt hätten. Es war keine Bezeichnung, die ihresgleichen besonders gefiel. Man hielt Vampire oft für seelenlose Geschöpfe mit einer Aversion gegen Knoblauch, Weihwasser und Sonnenlicht. Soweit sie wusste, waren die Ihren nicht seelenloser als alle anderen Geschöpfe. Was die drei angeblichen Waffen gegen Vampire anging, würden weder Weihwasser noch Knoblauch ihnen etwas anhaben können. Sonnenlicht war eine andere Sache; sie gingen zwar nicht in Flammen auf, wenn sie in die Sonne kamen, aber es machte das Leben einfacher, wenn man sie mied. Die einzigen Funkte, die auf Vampire zutrafen, waren ihre Langlebigkeit, ihre Kraft und die Fähigkeit, Gedanken zu lesen und zu beeinflussen.... oh, und sie mussten sieh wirklich von Blut ernähren.
„Ihr mögt vielleicht alt sein, aber wir sind es nicht”, warf Julianna ein, und ihre Zwillingsschwester Victoria nickte. „Stimmt.”
Lissianna zwang sich zu einem Lächeln. Die Zwillinge waren erst siebzehn Jahre alt, was sie zu den Babys der Gruppe machte, dachte sie, und dann wurde ihr klar, dass Elspeth recht gehabt hatte. Alles war relativ.
„Also gut”, sagte sie, entschlossen, fröhlich zu bleiben. „Ihr beide seid jung genug, um es zu wissen. Was passiert bei Pyjamapartys?”
„Man hat viel Spaß miteinander.” Victoria strahlte in Erinnerung daran. „Man isst jede Menge gutes schlechtes Zeug wie Pizza und Schokolade und Kartoffelchips.”
Lissianna lächelte nachsichtig. Die Zwillinge waren noch so jung, dass Essen immer noch die größte Anziehungskraft auf sie hatte.
„Und man erzählt sich Gruselgeschichten und redet über Jungs”, fügte Julianna hinzu.
„Hmmm.” Thomas klang zweifelnd. „Das Gerede über Jungen könnt ihr überspringen, es sei denn, ihr wollt über mich reden. Und ich bin zum Platzen vol und brauche keine Pizza mehr.”
Lissianna bezweifelte das nicht. Ihre Mutter hatte eine Tonne Blut in Beuteln bestellt, ebenso wie normales Essen für die Party, und sie hatte erstaunt beobachtet, wie riesige Berge verputzt worden waren. Nach allem, was sie gehört hatte, war die Anzahl der Blutbeutel, die sie geleert hatten, einfach umwerfend gewesen. Offensichtlich war der Vorrat beinahe verbraucht. Denn Lissianna hatte mit halbem Ohr mitbekommen, dass ihre Mutter Bastien beauftragt hatte, für das Frühstück am nächsten Tag neues Blut liefern zu lassen.
„Damit bleiben uns also nur noch die Gruselgeschichten”, stellte Mirabeau fest. Sie sah einen Moment erwartungsvol in die Runde, aber niemand schien eine Geschichte erzählen zu wollen.
Da zuckte sie die Schultern, wandte sich Lissianna zu und fragte neugierig: „Was für ein Geschenk hat deine Mutter denn für dich in Toronto abgeholt? Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du es aufgemacht hast.”
„Ja, erzähl mal!”, sagte Jeanne Louise höchst interessiert. „Ich habe es auch nicht gesehen.”
„Hast du doch, Jeanne Louise”, erwiderte Thomas amüsiert, was seine Schwester zu einem verwirrten Stirnrunzeln veranlasste.
„Nein, habe ich nicht”, widersprach sie. „Ich.... ” Sie hielt inne, als sie begriffen hatte. „Der? Du meinst, sie hat Lissi eine Person geschenkt? Einen Mann?” Sie hatte plötzlich große Augen, und ihr Mund bildete ein „O”, dann rief sie: „Der Mann in ihrem Schlafzimmer? Er ist das Geschenk?”
„Was für ein Mann?” Mirabeau war verdutzt. „Marguerite hat dir einen Mann geschenkt?”
Lissianna warf Thomas einen bösen Blick zu, als die Cousinen in Schreie der Verwunderung ausbrachen. Ihre Reaktion war natürlich genau das, was sie befürchtet hatte.
„Es ist nicht ganz so, wie es sich anhört”, sagte sie mit beruhigender Stimme. „Er ist Arzt. Sie hat ihn hergebracht, damit er meine Hämophobie behandelt.”
„Ja”, versicherte Thomas ihnen. „Und die Tatsache, dass Lissianna sich im Bett auf ihm herumgerollt hat, war nur ein Zufall. Sie wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er ihr Therapeut ist.”
„Thomas!”, kreischte Lissianna, als die anderen Frauen anfingen, sie mit Fragen zu löchern. Sie schüttelte angewidert den Kopf, wandte sich den anderen zu und brachte rasch eine zensierte Version ihrer Begegnung mit Greg Hewitt zu Gehör. Dann lehnte sie sich zurück und wartete gespannt auf ihre Reaktionen.
Mirabeau war die Erste, die etwas sagte: „Und, wird er deine Phobie behandeln?”
Lissianna zögerte, dann gab sie zu: „Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, eher nicht.”
„Und warum nicht?”, fragte Elspeth erstaunt.
„Nun ja, offensichtlich hat er vor, morgen in Urlaub zu fahren.
Und dann ist da die geringfügige Kleinigkeit, dass Mutter ihn entführt hat”, fügte sie hinzu und verdrehte die Augen über die Einfälle ihrer Mutter.
„Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn sie einfach einen Termin bei ihm für dich ausgemacht hätte”, stellte Jeanne Louise fest.
„Ja, das meinte er auch”, gab Lissianna trocken zu.
„Und, dürfen wir ihn sehen?”, fragte Elspeth, und Lissi wandte sich ihr überrascht zu.
„Wie kommst du denn auf die Idee?”
„Wir haben all deine anderen Geschenke auch gesehen”, sagte sie, als gäbe es da einen logischen Zusammenhang.
„Ich bin wirklich neugierig”, verkündete Mirabeau.
„Ich hätte auch nichts gegen einen Blick”, fügte Jeanne Louise hinzu.
„Du hast ihn bereits gesehen”, protestierte Lissianna.
„Ja, aber nur ganz kurz, und ich wusste zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht, dass er dein Geschenk ist.”
„Was macht das denn für einen Unterschied?”, fragte sie gereizt, aber Jeanne Louise zuckte nur die Achseln. Lissianna schüttelte den Kopf und sagte: „Wir können uns doch nicht alle zusammen nach oben schleichen. Es ist noch nicht mal Morgen. Er schläft wahrscheinlich.”
„Das macht nichts, wir wollen ihn uns ja nur ansehen. Er braucht auch nicht mit uns zu sprechen”, verkündete Mirabeau und stand auf.
Lissianna klappte den Mund auf, während alle anderen ihr folgten. Als sie sich entschlossen auf die Tür zubewegten, lenkte sie ein: „Also gut, aber wir dürfen ihn nicht aufwecken.”
Die Verdunklungsvorhänge in ihrem Zimmer waren zugezogen und hüllten den Raum in tintenschwarze Dunkelheit, als Lissianna und die anderen eintraten. Doch dann drehte sie sich mit einem gereizten Zischen um, als jemand das Licht einschaltete.
„Wir sind hier, um ihn uns anzusehen, Lissi”, erinnerte sie Mirabeau. „Es ist sehr nützlich, wenn das Licht dabei brennt.”
Lissianna vergaß ihre Verärgerung bei diesen vernünftigen Worten und ging vorsichtig auf das Bett zu. Sie war erleichtert festzustellen, dass das Licht ihn nicht aufgeweckt hatte, obwohl er sich verschlafen regte, als die Gruppe sich um das Bett verteilte.
„Oh”, hauchte Elspeth und spähte auf den schlafenden Mann hinab.
„Er ist richtig süß.” Julianna klang überrascht.
„Total”, stimmte Victoria ihr zu.
„Ja”, sagte Mirabeau. „Aus irgendeinem Grund dachte ich, alle Psychologen sehen aus wie Freud, aber der da ist einfach süß.”
Julianna und Victoria fingen bei dieser Erklärung an zu kichern und Lissianna warf ihnen böse Blicke zu. Dann konnte sie gerade noch rechtzeitig sehen, dass Mirabeau die Knopfleiste von Gregs Anzugjacke ein wenig anhob. Ihre Augen weiteten sich ungläubig.
„Was machst du da?”
„Na ja, falsche Bräune hat er schon mal nicht”, sagte Mirabeau ruhig. „Also dachte ich, ich sehe mal nach, ob sein Sakko gepolstert ist.”
„Ist es nicht”, informierte Lissianna sie finster. „Das da sind seine eigenen Schultern.”
„Wie ? O ja. Du hasst ihn ja geküsst und so.” Jeanne Louise grinste.
„Ja, und aus seiner Reaktion auf ihre Küsse und so’ haben wir auch erfahren, dass er keine Gurke in der Hose hat”, verkündete Thomas und ließ Lissianna innerlich verlegen aufstöhnen, als sie sich an die Erektion erinnerte, die sehr deutlich gewesen war, bis ihre Mutter und Thomas hereingekommen waren.... und sie in sich zusammengesunken war. Sie wollte den anderen diese Bemerkung wirklich nicht erklären müssen, aber sie sah ihnen schon an, dass sie keine Ruhe geben würden. Sie kam zu dem Schluss, dass Thomas nicht mehr ihr Lieblingsvetter war.
Greg hatte im Allgemeinen einen tiefen Schlaf, aber als nun Licht vor seinen Lidern tanzte und es um ihn herum flüsterte, wurde es ihm fast unmöglich, in den warmen behaglichen Armen des Schlafes zu bleiben. Er kämpfte noch eine Weile gegen das erwachen an, doch als er schließlich aufgab und seinen Augen erlaubte sich zu öffnen, fand er zu seinem Erstaunen sechs hinreißende Frauen um sein Bett vor, die in die verdammt attraktivsten Babydolls gekleidet waren, die er je gesehen hatte. Als Erstes glaubte er, er würde immer noch träumen.... welch angenehmer Traum das ist, dachte er, und so viel nackte Haut, die von den knappen Gewändern kaum verhüllt wurde.... bis sein Blick schließlich auf die siebte Person fiel, die an seinem Bett stand.
„Spiderman?”, murmelte er verwirrt.
„Verdammt! Seht ihr, jetzt habt ihr ihn doch aufgeweckt.”
Gregs Blick fiel auf die Sprecherin, und er lächelte schwach, als er Lissianna erkannte. Es war kein bisschen überraschend, dass sie in seinen Träumen vorkam. Seine letzten Gedanken, bevor er eingeschlafen war, hatten schließlich den Dingen gegolten, die er gerne mit ihr machen würde. Diese Frau verwandelte ihn in ein Knäuel sexuell er Frustration. Das Schlimmste war, dass sie es nicht einmal darauf anlegte. Das schaffte er schon ganz alleine, mit all seinen Fantasien.
„Lass das Tante Marguerite lieber nicht hören, Lissi”, neckte Spiderman. „Sie wird dir den Mund mit Seife auswaschen.”
„Ach, halt die Klappe, Thomas. Dazu bin ich zu alt”, sagte sie finster, dann drehte sie sich um und beugte sich ein wenig zu Greg vor. „Tut mir leid”, sagte sie. „Wir wollten Sie nicht aufwecken.”
Er lächelte wohlwollend und sagte: „Schon gut. Sie können jederzeit in meine Träume eintreten.”
„Ist das nicht süß? Er glaubt, er träumt uns”, sagte eine Frau in einem lavendelfarbenen Babydoll lächelnd.
„Ich weiß nicht, ob ich es süß’ nennen würde, Jeanne Louise. Entweder hat er wirklich eine Gurke in seinen Boxershorts, oder er glaubt, er hat einen erotischen Traum”, stellte eine Frau in Mintgrün fest, und Greg blinzelte überrascht, als er die Farbe ihres Haars bemerkte. Kurzes, stachliges schwarzes Haar mit fuchsienroten Spitzen war nichts, was er normalerweise für erotisch gehalten hätte, und er fragte sich einen Moment lang, was sie in seinem Traum machte. Dann bemerkte er die Stille ringsumher, sah sich um und entdeckte, dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit seiner Lendengegend zugewandt hatte.
Greg hob den Kopf und spähte hinunter auf seine Erektion.
„Eindeutig ein erotischer Traum”, bemerkte eine hübsche Brünette in Bot ernst.
„Vielleicht sollten wir es überprüfen und uns überzeugen, dass es keine Gurke ist.” Ein Mädchen mit rotbraunem Haar in einem hellblauen Babydoll machte diesen Vorschlag und warf dann einem anderen Mädchen ein spitzbübisches Lächeln zu, das ihr genaues Spiegelbild war. Die zweite, pfirsichfarben gekleidet nickte und sagte: „Ja, sicher.”
Greg blinzelte überrascht, als ihm klar wurde, dass die beiden sehr jung waren, Teenager, nahm er an, und war beinahe entsetzt zu bemerken, wie sie ihre Babydolls ausfüllten. Wann hatten Teenager angefangen, so, äh, nichtteenagerhaft auszusehen?, fragte er sich bekümmert.
„Lasst das”, fauchte Lissianna, dann wandte sie sich wieder ihm zu. „Sie träumen nicht. Wir sind wirklich hier. Und es tut mir leid, dass wir Sie geweckt haben, aber die Mädchen wollten.... ”
„Wir haben alle anderen Geburtstagsgeschenke gesehen”, erklärte das Mädchen in Blau. „Also fanden wir es nur fair, dass wir Sie ebenfalls zu sehen bekommen, verstehen Sie?”
„Wir sind Lissiannas Cousinen”, informierte ihn die Brünette in Rot.
„Na ja, wir alle bis auf Mirabeau”, verbesserte das Mädchen in Lavendel, und Greg stellte fest, dass er sie anstarrte. Sie kam ihm vage bekannt vor, aber sein Kopf brauchte eine Weile, bis er sich erinnern konnte, wo er sie zuvor schon gesehen hatte. Sie war kurz ins Zimmer getreten, um Lissianna, ihre Mutter und einen Mann namens Thomas zu informieren, dass jemand eingetroffen sei.
Sich an diese Szene zu erinnern bewirkte, dass Greg Spiderman einen zweiten Blick zuwarf, und er erkannte, dass Spidey Thomas war. Er träumte wohl doch nicht.
„Ich habe mir also nicht nur eingebildet, Stimmen in diesem Zimmer zu hören.”
Greg warf einen Blick zur Tür, als alle Anwesenden zusammenfuhren und schuldbewusst die Person anschauten, die in der Tür stand. Die Frau in dem eleganten Morgenmantel aus rotem Satin mit Spitzenbesätzen hatte langes blondes Haar von der gleichen Farbe wie Lissiannas. Aber das war die einzige Ähnlichkeit. Ihre Züge waren schärfer, ihr Gesicht länger, und ihre Augen waren die kältesten, die Greg je gesehen hatte.
„Tante Martine!” Lissianna schien bestürzt. „Wir wollten nurich habe den Mädchen mein Geburtstagsgeschenk gezeigt.”
Die Frau blieb am Fuß des Bettes stehen und betrachtete Greg interessiert. „Das ist also der Psychologe, den deine Mutter hergebracht hat, um deine Phobie zu therapieren?”
„Was um alles in der Welt ist hier los?” Die Unruhe der Versammelten wurde noch gesteigert, als Lissiannas Mutter in der Tür erschien, ebenfalls in einem langen seidenen Morgenmantel.
„Ich hörte hier jemanden sprechen und kam, um nachzusehen”, verkündete Martine. „Lissianna hat den Mädchen ihr Geburtstagsgeschenk gezeigt. Er ist ziemlich jung, finde ich, Marguerite.”
„Sind sie das nicht alle?”, stellte Marguerite beinahe müde fest.
„Aber offensichtlich ist er einer der Besten in seinem Fach.”
„Hm.” Martine lenkte ihre Schritte wieder zur Tür und hatte offenbar das Interesse an Greg verloren.
„Zurück ins Bett, Mädchen. Die Sonne geht bereits auf. Ihr solltet jetzt lieber alle schlafen.”
Es gab Gemurmel und leise Proteste, aber sie folgten Marguerite und Martine nach draußen.
Dann schloss sich die Tür mit einem leisen Klicken, aber Greg konnte das Gemurmel weiblicher Stimmen immer noch hören, als die älteren Frauen den jüngeren Vorhaltungen machten. Erst als das Rascheln von Stoff seinen Blick auf sich lenkte, bemerkte Greg erschrocken, dass nicht alle gegangen waren. Spiderman stand immer noch an seinem Bett, und der Mann sah ihn mit entschlossener Miene an.