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VALERIA GEHT HINUNTER zu den Gewächshäusern. Es ist kühl, und sie zieht ihre alte Strickjacke fester um den Körper. Sie überlegt, dass sie Micke bitten könnte, ihr beim Bau des Gerippes für das neue Tunnelgewächshaus zu helfen. Sie liebt ihren Gartenbetrieb, die sauerstoffschwangere Luft, die Reihen von Pflanzen und Bäumen.

Aber heute braust es leer durch ihre Brust.

Sie weiß, dass sie ihre in Wasser gesetzten Pflanzen in Töpfe umpflanzen muss, aber sie kann sich nicht aufraffen.

Sie schließt die Glastür hinter sich, schiebt ein paar Eimer zur Seite, setzt sich auf den einfachen Stahlhocker und starrt in die Luft. Als Micke die Tür öffnet, zuckt sie überrascht zusammen und steht auf.

»Hallo, Mama«, sagt er und hält eine Flasche Champagner in einer Geschenktüte hoch.

»Es hat nicht geklappt«, sagt sie verbissen.

»Was ist passiert?«

Sie wendet sich ab und beginnt ein paar vertrocknete Blätter von einer Ährigen Felsenbirne zu pflücken, damit ihre Hände etwas zu tun haben.

»Er lebt ein anderes Leben«, sagt sie.

»Ich dachte …«

Er verstummt, und sie wendet sich ihm wieder zu und seufzt. Sie ist immer noch erstaunt darüber, dass er erwachsen ist. In ihrer Erinnerung ist die Zeit, als sie im Gefängnis saß, zu Eis gefroren, und die Kinder blieben in ihren Gedanken fünf und sieben Jahre alt. Sie sind für alle Ewigkeit zwei schmächtige Jungen in Schlafanzügen, die es liebten, wenn sie sie jagte und kitzelte.

»Mama, es ist aber doch so, dass er dich glücklich zu machen scheint.«

»Er wird niemals aufhören, Polizist zu sein.«

»Das macht doch nichts«, sagt Micke. »Ich meine, ausgerechnet du wirst doch nicht allen Ernstes anderen Leuten vorschreiben wollen, wie sie ihr Leben zu leben haben.«

»Du verstehst das nicht … als er im Gefängnis saß, brauchte ich mich nicht dafür zu schämen, was aus mir geworden war.«

»Du hast dich seinetwegen geschämt?«

Sie nickt und weiß plötzlich nicht mehr, ob das stimmt. Eine unangenehme Kälte wächst plötzlich in ihrer Brust.

»Was ist eigentlich passiert, Mama?«, fragt Micke und stellt die Champagnerflasche vorsichtig auf den Betonboden.

Valeria flüstert, dass sie ihn vielleicht anrufen und mit ihm sprechen wird. Sie verlässt das Gewächshaus, wischt sich die Tränen von den Wangen, versucht Ruhe zu bewahren, beschleunigt trotzdem ihre Schritte auf den letzten Metern. Sie zieht sich die Stiefel in der Diele aus, eilt in ihr Schlafzimmer, nimmt das Telefon vom Nachttisch, zieht das Ladekabel heraus und ruft ihn an.

Die Signale werden weitergeleitet, und dann wird sie zu Joonas Mailbox weiterverbunden, hört das kurze Pfeifen und atmet ein.

»Ich brauche einen Polizisten, der herkommt und mich verhaftet, weil ich so dumm war«, sagt sie und beendet den Anruf.

Die Traurigkeit zieht ihren Hals zusammen, und Tränen steigen in ihre Augen. Sie setzt sich auf das Bett und hält sich beide Hände vor das Gesicht.

Hasenjagd
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