6
Er stakste davon und stellte sich mit dem Rücken zu mir ans Fenster, wo er, die Hände in die Hüften gestemmt, tief und beherrscht durchatmete. Ich schaute ihm zu und wäre vor Schadenfreude beinahe explodiert. Ihn so zu triezen war fast noch lustiger als auf die andere Weise – fast, weil bei der anderen Art von Triezen mehr für mich raussprang.
Schließlich sagte er: »Du kleine Ratte«, und drehte sich zu mir um. Das Glänzen in seinen Augen verhieß mir Vergeltung.
Ich strahlte ihn an.
Täuschend sanft fragte er: »Du hast mit Siana über meinen Penis geplaudert?«
»Nur weil du gelauscht hast. Ich dachte, wenn du dich schon so bemühst, solltest du auch was zu hören bekommen.«
Es schien ihn kein bisschen verlegen zu machen, dass wir ihn beim Lauschen erwischt hatten, vielleicht, weil das Schnüffeln zu seinem Job gehörte. Stattdessen kam er ans Bett, beugte sich vor und stemmte die Hände links und rechts neben meinem Kopf auf die Matratze. Wenn er glaubte, dass er mich einschüchtern konnte, indem er mich so umzingelte und gefangen nahm, hatte er sich getäuscht. Zum einen war es Wyatt. Zum anderen war es, na gut, Wyatt; ich konnte mir kaum etwas Schöneres vorstellen, als von ihm umzingelt und gefangen genommen zu werden. Wenn er mir so nahe war, passierten fast immer höchst amüsante und interessante Dinge.
Ich hob den Kopf nicht vom Kissen, aber ich legte die Hand auf sein Gesicht, um die markanten Umrisse seines Kinns und Kiefers zu erspüren, die Wärme seiner Haut, den Anflug von Bartstoppeln, obwohl er sich erst vor ein paar Stunden rasiert hatte. »Drangekriegt«, sagte ich überheblich. Ja, ich weiß, es ist nicht nett, so schadenfroh zu sein, auch weil Wyatt nicht zu den Männern gehört, die so etwas mit einem Grinsen wegstecken. Er würde sich etwas einfallen lassen, um sich zu rächen, selbst wenn es etwas so Peinigendes war, wie mich durch Raffinesse zu einer Wette zu zwingen, die ich mit Sicherheit verlieren würde und nach der ich zur Strafe die World Series mit ihm anschauen musste. Ich kann mit Baseball null anfangen.
Er schenkte mir ein nicht weniger überhebliches Lächeln, das meine Alarmglocken zum Schrillen brachte. »Du hast also mit keinem Mann geschlafen, nachdem wir uns getrennt hatten, wie? Du hast auf mich gewartet.«
»Eigentlich nicht. Ich bin bloß heikel.« Dieser verfluchte Kerl hatte natürlich etwas gefunden, um die ganze Sache zu seinem Vorteil hinzudrehen.
»Mein Produktionssystem hat dich beeindruckt.«
»Das habe ich nur gesagt, weil ich genau wusste, dass du lauschst.«
»Du wolltest Zugriff darauf haben. Du wolltest es benutzen, wenn ich mich recht entsinne.«,
Das ist das Dumme an Cops: Sie behalten alles im Gedächtnis. Wahrscheinlich hätte er meine Unterhaltung mit Siana wortgetreu wiedergeben können. Außerdem hatte ich auf verschiedenste Weise zu erkennen gegeben, dass ich sein SPS ausgesprochen gern hatte. Also bitte. Was mir nicht schmeckt, kommt nicht in meinen Mund – oder sonstwo in meinen Körper, um das ganz klarzustellen.
Okay, manchmal kann frau eine Situation nur dadurch unter Kontrolle bekommen, dass sie sich absolut und bedingungslos ergibt. Ich lächelte ihn an und ließ meine Finger von seinem Gesicht abwärts auf seine Brust und über seinen Bauch wandern, bis ich sein SPS in meiner Hand umschlossen hielt. Zu meiner großen Freude konnte ich spüren, dass er schon halb erigiert war. Das ist mein Wyatt; ein Wort über Sex, und er ist bereit. Toll, wie? »Du entsinnst dich ganz richtig. Ich wollte es haben, und jetzt habe ich es.« Ich spürte einen leichten Schauer, denn die Berührung seines SPS ließ auch mich nicht unberührt.
Er beugte sich tiefer über mich, sein Atem ging schneller, sein Blick wurde dunkler, und er drängte stärker gegen meine Hand. Inzwischen war von »halb« nicht mehr die Rede; er war hart und bereit. Dann sagte er gepresst »Ach, Fuck«, richtete sich auf und trat einen Schritt zurück.
»Gute Idee«, sagte ich. War das nicht offensichtlich gewesen?
Er warf mir einen brennenden Blick zu und drehte sich wieder zum Fenster um. »Du hast eine Gehirnerschütterung«, erklärte er angespannt.
Stöhnend erkannte ich das Problem. Für mich war jedes Rütteln und Schütteln tabu, wenigstens während der nächsten Tage, und wenn jemand weiß, wie man Sex ohne wenigstens leichtes Rütteln und Schütteln haben kann, dann wünschte ich, er würde mich in sein Geheimnis einweihen. Kein Sex gestern, kein Sex heute, kein Sex morgen – kein Sex, solange mich diese Kopfschmerzen plagten, die wahrscheinlich noch einige Tage anhalten würden. Jetzt war ich wirklich stinkwütend auf diese dumme Kuh im Buick, der ich diese unerwartete Enthaltsamkeit zu verdanken hatte – nicht dass eine erwartete Enthaltsamkeit besser gewesen wäre, denn schließlich können wir Frauen unsere Orgasmen schlecht einfrieren und in der Speisekammer einlagern, bis wir sie brauchen.
Wobei mir etwas in den Sinn kam, und konnte es einen besseren Zeitpunkt geben, dieses Thema anzuschneiden, als jetzt, wo ich verletzt und sein Beschützerinstinkt geweckt war? Außerdem hatte ich sowieso nichts Besseres zu tun. »Wir müssen dein Haus umbauen.«
Sofort fuhr er auf dem Absatz herum. Sein Schritt war immer noch ausgebeult, aber jetzt konzentrierte er sich wieder ganz und gar auf mich. So misstrauisch, wie er mich ansah, hätte man meinen können, ich hätte gesagt: »Ich habe eine Waffe, und sie ist genau auf dein Herz gerichtet.«
Er starrte mich sekundenlang an und ging in Gedanken noch einmal unsere Unterhaltung durch. Schließlich sagte er: »Ich gebe auf. Wie kommst du von meinem SPS und deiner Gehirnerschütterung auf mein Haus?«
»Weil ich an die Speisekammer gedacht habe.« Das war nicht die ganze Wahrheit, aber ich wollte mich lieber nicht über meine Orgasmen-Einfriertheorie auslassen. Außerdem ging es ihn überhaupt nichts an, wie ich wohin kam, konversationsmäßig gesprochen.
Er gab es auf, eine Verbindung ziehen zu wollen. »Und mit welchem Ergebnis?«
»Du hast keine.«
»Klar doch. Die kleine Kammer neben der Küche, oder hast du die vergessen?«
»In der du dein Arbeitszimmer hast, womit sie keine Speisekammer mehr ist. Außerdem ist dein Haus absolut unpraktisch eingerichtet. Die Möbel sind komplett ungeeignet.«
Sein Blick wurde schmal. »Was stört dich an meinem Haus? Es ist ein gutes Haus. Mit anständigen Möbeln.«
»Mit Männermöbeln.«
»Ich bin ein Mann«, merkte er an. »Was für Möbel sollte ich sonst haben?«
»Aber ich bin keiner.« Wie konnte er etwas so Offensichtliches nicht begreifen? »Ich brauche Frauensachen. Also müssen wir entweder dein Haus neu einrichten, oder wir müssen umziehen.«
»Ich mag mein Haus.« Er begann diese störrische Miene aufzusetzen, die alle Männer bekommen, wenn sie etwas nicht wollen. »Und alle Sachen stehen genauso, wie ich sie haben will.«
Ich sah ihn vielsagend an, wobei mein Schädel noch mehr dröhnte, weil man irgendwie die Augen verdrehen muss, um jemanden wirklich vielsagend anzusehen. »Und ab wann soll es unser Haus werden?«
»Sobald du einziehst.« Er sagte das, als wäre es die einfachste, naheliegendste Schlussfolgerung der Welt. Wahrscheinlich war sie das für ihn.
»Aber du möchtest nicht, dass ich irgendetwas darin anrühre, dass ich einen Sessel kaufe, der mir passt, dass ich ein Arbeitszimmer für mich einrichte und so weiter und so fort?« Meine hochgezogene Braue verriet ihm, was ich von diesem Gedanken hielt – auch die Brauen hochzuziehen schmerzte, aber solange du kein Botox spritzt, ist es wirklich schwierig, ohne jede Mimik zu sprechen. Trotzdem nahm ich mir fest vor, mich während der nächsten Tage in meinem Mienenspiel an Cher zu orientieren.
Er sah mich düster an. »Scheiße.« Er konnte schon erkennen, worauf das Gespräch hinauslaufen würde – dass ich mich um keinen Preis der Welt mit dem Status Quo seiner Einrichtung abfinden würde, und dass er, ob es ihm gefiel oder nicht, ein paar Korrekturen vornehmen musste, wenn er wollte, dass ich zu ihm zog. Seine Augen zogen sich wieder zu diesem schmalen, bohrenden Blick zusammen. »Mein Fernsehsessel bleibt, wo er ist. Und der Fernseher auch.«
Ich wollte schon mit den Achseln zucken, konnte mich aber gerade noch bremsen, weil mir einfiel, dass ich mich lieber nicht bewegen sollte. »Kein Problem. Ich bin sowieso nicht in dem Zimmer.«
»Was?« Das war mehr als bloßes Missfallen, jetzt wurde er richtig sauer.
»Denk doch mal nach. Schauen wir die gleichen Sendungen an? Nein. Du willst Baseball sehen; ich hasse Baseball. Du siehst dir jede Sportart an. Ich mag Football und Basketball und damit basta. Ich mag Einrichtungsshows, während du dir lieber Streichhölzer unter die Fingernägel schieben würdest, als eine Einrichtungsshow anzusehen. Wenn du also nicht willst, dass ich durchdrehe und dich umbringe, werde ich einen eigenen Fernseher und einen eigenen Platz zum Fernsehen brauchen.«
In Wahrheit sehe ich nicht viel fern, abgesehen von College Football, für den ich wirklich einiges auf mich nehme. Zum einen komme ich abends oft erst um neun heim und muss dann gewöhnlich noch am Schreibtisch arbeiten. Es gibt ein paar Sendungen, die ich ab und zu aufzeichne und sonntags anschaue, aber meist ist mir selbst das zu mühsam. Das heißt aber nicht, dass ich Lust habe, Wyatt die Fernbedienung aus der Hand reißen zu müssen, wenn ich doch einmal etwas sehen möchte, und es heißt noch weniger, dass ich bereit bin, meine paar Lieblingsshows aufzugeben. Er brauchte gar nicht zu wissen, wie selten ich fernsehe; hier ging es ums Prinzip.
»Na schön«, meinte er mürrisch, als ihm kein guter Einwand einfallen wollte. »Obwohl ich lieber mit dir zusammen fernsehen würde.«
»Dann müssten wir die Hälfte der Zeit das sehen, was mir gefällt.«
Und das wäre eine echte Katastrophe. Das wusste er so gut wie ich. Nach kurzem Nachdenken verwarf er den Gedanken und knickte ein. »Und welches Zimmer willst du haben? Eines von den Schlafzimmern oben?«
»Nein, weil ich das in wenigen Jahren wieder renovieren und umdekorieren müsste, wenn die Kinder ein eigenes Zimmer bekommen.«
Seine Miene wurde keineswegs weicher, sondern sichtbar hitziger – ich-will-dich-nackt-sehen-hitzig, nicht ich-bring-dich-um-hitzig. »Wir haben vier Schlafzimmer«, merkte er an, wobei er sich offenbar ausmalte, wie er die Babys zeugte, um all die Schlafzimmer zu füllen.
»Ich weiß. Wir haben das große Schlafzimmer für uns, dann werden wir zwei Kinder haben – möglicherweise auch drei, aber wahrscheinlich werden es zwei –, und wir brauchen ein Gästezimmer. Ich glaube, das große Wohnzimmer würde sich am besten eignen. Wer braucht schon einen Empfangssalon? Ach ja, und wir müssen die Fenster neu dekorieren. Sei nicht böse, aber dein Fensterdekorationsgeschmack lässt zu wünschen übrig.«
Die Hände lagen wieder auf den Hüften. »Was noch?«, fragte er resigniert.
Mann. Er gab sich schneller geschlagen, als ich gedacht hatte. Das machte fast keinen Spaß mehr. »Streichen. Nicht dass es nicht schlau gewesen wäre, die Räume neutral zu halten, nachdem das Dekorieren nicht so dein Ding ist«, ergänzte ich hastig. »Aber mein Ding ist das Dekorieren sehr wohl, darum kannst du dich entspannen und mir alle Entscheidungen überlassen. Vertrau mir, ein wenig Farbe an den Wänden wird Wunder wirken. Genau wie ein paar Pflanzen.« Er hatte keine einzige Pflanze im Haus, worauf ich ihn bereits hingewiesen hatte. Wie konnte ein geistig gesunder Mensch ohne jede Zimmerpflanze auskommen?
»Ich habe dir schon eine Pflanze gekauft.«
»Du hast mir einen Busch gekauft. Und der steht draußen, wo er hingehört. Keine Sorge, du brauchst dich nicht um die Pflanzen zu kümmern, du musst sie nur aufstellen, wie ich es sage und wenn ich es sage.«
»Warum stellst du sie nicht gleich dorthin, wo du sie haben willst?«
Wer außer einem Mann konnte so etwas fragen? »Bei einigen werde ich das tun. Andere stelle ich im Sommer auf die Veranda und hole sie den Winter über ins Haus. Vertrau mir mit den Pflanzen einfach, okay?«
Er konnte sich nicht vorstellen, dass ich mit meinen Pflanzen krumme Dinger anstellte, darum nickte er widerstrebend. »Okay, wir können ein paar Pflanzen besorgen.«
Ein paar? Er hatte wirklich gar keine Ahnung. Ich liebte ihn trotzdem.
»Und ein paar Teppiche.«
»Ich habe Teppichboden.«
»Die Teppiche kommen auf den Teppichboden.«
Er fuhr sich in nackter Frustration mit der Hand durchs Haar. »Warum um Gottes willen willst du einen Teppich auf meinen Teppichboden legen?«
»Weil es nett aussieht, Dummerjan. Außerdem sollte unter dem Frühstückstisch ein Teppich liegen.« Der Boden im Frühstückseck war genauso gefliest wie der Küchenboden und genauso kalt. Ein Teppich für die Essecke wäre eine meiner ersten Erwerbungen. Ich lächelte ihn an; lächeln tat gar nicht weh. »Das ist alles.« Jedenfalls fürs Erste.
Plötzlich grinste er. »Okay, das hört sich nicht weiter schlimm an.«
Ein grauenhafter Verdacht begann in mir zu keimen. Hatte er mich ausgespielt? Hatte er mich an der Nase herumgeführt? Also, generell sagte ich ungefähr jeden zweiten Satz zu ihm nur, um ihn zu foppen, denn nichts tat ich lieber, als jene Knöpfe zu drücken, die ihn auf die Palme brachten, weil das den Umgang mit einem Alphamann wie ihm besonders spaßig macht. Glaubt mir: Woody Allen zu foppen wäre nicht halb so spannend wie, mal sehen, Hugh Jackman.
Aber nur weil es mir Spaß machte, Knöpfchen zu drücken, war es noch lange nicht fair, mir das heimzuzahlen.
»Hast du mit Daddy geredet?«, fragte ich misstrauisch.
»Natürlich. Ich weiß, dass ich einen Höllenjob übernehme, wenn ich dich heirate, darum hole ich mir kundigen Rat, wo es nur geht. Er hat mir geraten, mich auf die wichtigen Schlachten zu konzentrieren und nicht über Sachen zu streiten, die mich eigentlich nicht interessieren. Solange du meinen Fernsehsessel und den Fernseher in Ruhe lässt, kannst du tun, was du willst.«
Ich wusste nicht, ob ich schmollen oder erleichtert sein sollte. Einerseits würde Daddy ihn nicht irreleiten, und mein Leben wäre entschieden einfacher, wenn Wyatts Umerziehung nicht ganz allein an mir hängen blieb. Andererseits drücke ich, ich geb’s zu, für mein Leben gern Knöpfe.
»Du kannst für den Anfang einen Scheck ausschreiben«, sagte ich fröhlich. »Ich werde dir sagen, wenn ich mehr brauche. Ich kenne einen genialen Schreiner, der wahrscheinlich nicht sofort anfangen kann, aber ich könnte mich nächste Woche mit ihm treffen und ihm zeigen, was ich haben will, damit er alles planen kann.«
Er erstarrte und wurde sofort wieder misstrauisch. »Einen Scheck? Einen Schreiner? Was für Pläne?«
Ein dicker, großer Knopf, liebevoll gedrückt. Das Leben war schön.
»Du hast doch nicht vergessen, wie dieses Gespräch begonnen hat, oder?«
»Klar doch. Du hast mit Siana über meinen Penis gesprochen.«
»Nicht dieses Gespräch, sondern das hier. Das übers Einrichten.«
»Kapiert. Ich weiß nur immer noch nicht, was mein Penis mit meiner Fensterdekoration zu tun hat«, meinte er spröde, »aber damit kann ich leben. Was ist jetzt mit dem Anfang dieses Gesprächs?«
»Da ging es um eine Speisekammer. Du hast keine. Ich brauche eine.«
Ein fassungsloser Blick trat in seine Augen. »Du wirfst mich aus meinem Arbeitszimmer? Und erwartest, dass ich das bezahle?«
»Ich erwarte, dass du den Löwenanteil bezahlst, genau. Du hast mehr Geld als ich.«
Er schnaubte. »Ich fahre einen Chevrolet. Du fährst einen Mercedes.«
Ich wedelte das Argument beiseite. Belanglosigkeiten. »Ich werfe dich nicht aus deinem Arbeitszimmer. Ich siedle dich in ein neues Arbeitszimmer um. Wir werden das Wohnzimmer aufteilen.« Es war ein großes Zimmer, und so viel Platz brauchte ich nicht für meinen Schreibtisch und mich. Das meiste davon, gut, aber nicht alles. »Du brauchst sowieso ein größeres Arbeitszimmer, weil du deine Speisekammer so vollgestopft hast, dass du kaum noch hineinpasst.«
Das war die reine, nackte Wahrheit. Es war mir ein Mysterium, warum er kein Arbeitszimmer eingerichtet hatte, als er das Haus nach dem Kauf umbauen ließ. Die einzige Erklärung war, dass er ein Mann war. Zumindest hatte er damals genügend Toiletten einbauen lassen, obwohl das möglicherweise die Idee des Bauunternehmers gewesen war; auf die Idee mit der Speisekammer war Wyatt jedenfalls nicht selbst gekommen.
Ich beobachtete, wie er sich immer mehr mit dem Gedanken an ein größeres Arbeitszimmer anfreundete, und erkannte, dass ich recht hatte – er brauchte mehr Platz, und ich brauchte eine Speisekammer. »Na schön, na schön. Mach, was du willst, ich bezahle.« Er stöhnte auf. »Eigentlich bin ich hergekommen, weil ich dir von den Überwachungsbändern erzählen wollte, und ehe ich mich’s versehe, kostet mich dieser Besuch zwanzigtausend Dollar«, murmelte er mehr oder weniger vor sich hin.
Zwanzigtausend? Das waren Wunschträume. Allerdings behielt ich das für mich. Er würde es noch früh genug merken. »Du hast die Bänder aus den Überwachungskameras?« Ich konnte das kaum glauben. »Das hätte ich nicht gedacht, schließlich hat sie mich nicht erwischt. Hat man sie dir einfach ausgehändigt?«
»Das hat man, richtig, aber ich hätte sie so oder so bekommen.«
»Dazu hättest du einen Durchsuchungsbefehl gebraucht, aber es liegt kein Verbrechen vor.«
»Grob fahrlässige Körperverletzung ist ein Verbrechen, Süße.«
»Gestern Abend hast du nichts von einer grob fahrlässigen Körperverletzung gesagt.«
Er zuckte mit den Achseln. So wie er es sah, war die Polizeiarbeit seine Sache, so wie es meine Sache war, den Pool im Great Bods zu chloren; ich besprach nicht jedes kleine Detail mit ihm, und wenn ich es recht bedachte, besprach auch er seine Polizeiarbeit kaum mit mir. Ich fand das ungerecht, weil Polizeiarbeit eindeutig interessanter ist als Poolpflege, und darum schnüffelte ich ab und zu in seinen Akten. Okay, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Ich tat dieses Kommunikationsdefizit mit einer Handbewegung ab, weil mir klar war, dass er nicht die Absicht hatte, etwas daran zu ändern. »Was hast du herausgefunden?«
»Nicht viel«, gab er zu. Seine Augen glitzerten ärgerlich. »Zum einen hat das Einkaufszentrum ein uraltes System, das mit Videobändern statt digital arbeitet. Das Band ist kaum mehr zu gebrauchen; ich konnte kein Kennzeichen ausmachen, sondern nur sehen, dass der Wagen tatsächlich ein Buick war. Unsere Techniker meinen, das Band hätte schon vor Monaten ausgewechselt werden müssen, weil es im wahrsten Sinn des Wortes Löcher hat. Sie konnten nichts Vernünftiges darauf erkennen.«
»Das Einkaufszentrum wechselt die Bänder nicht regelmäßig aus?«, fragte ich entrüstet. Das Einkaufszentrum schlampte? Ich fühlte mich hintergangen.
»Das unterlassen viele Geschäfte, wenigstens solange nichts passiert. Danach bekommt der Zuständige ordentlich Feuer unter dem Hintern, und anschließend werden die Bänder eine Zeitlang so gewartet, wie es sein sollte. Du würdest nicht glauben, mit welchem Dreck wir manchmal arbeiten müssen.« Er klang zynisch. Wyatt hielt nicht viel von Menschen, die bei der Arbeit schlampten.
Er fasste unter die Decke, griff nach meinem Schenkel, und ich spürte seine feste, leicht raue und ach so warme Hand. »Sie hat dich nur um ein paar Zentimeter verfehlt«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich hätte fast einen Herzanfall bekommen, als ich sah, wie knapp das war. Wenn du nicht so schnell reagiert hättest, hätte sie dich umgebracht.«