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Ich heiße Blair Mallory, und ich versuche zu heiraten, aber Fortuna will nicht kooperieren … ich hasse Fortuna! Die blöde Kuh soll sich nicht so anstellen.
Ich saß an meinem Esstisch, starrte auf den Kalender und versuchte, die verfügbaren Termine mit den verschiedenen Terminplänen auf meinem Tisch abzugleichen: meinem Terminplan, Wyatts Terminplan, Moms und Dads Terminplan, dem meiner Schwester, dem von Wyatts Mutter, dem von Wyatts Schwester, dem der Kinder von Wyatts Schwester und dem von ihrem Mann … es war kein Ende abzusehen. Bis zum ersten Weihnachtsfeiertag gab es keinen einzigen Termin, der allen gepasst hätte, und da würde ich so was von auf gar keinen Fall heiraten. Wenn wir am ersten Weihnachtsfeiertag heirateten, konnte ich den Hochzeitstag für alle Zeiten vergessen, weil Wyatt mir alles, was ihm Schönes einfiel, schon zu Weihnachten geschenkt hätte. Nicht mit mir. Ich sabotiere mich doch nicht selbst.
»Du schnaufst wie eine alte Dampflok«, bemerkte Wyatt, ohne von dem Bericht aufzusehen, den er gerade las. Ich nahm an, dass es ein Polizeibericht war, schließlich ist er Lieutenant bei der hiesigen Polizei, aber ich fragte ihn nicht; lieber würde ich warten, bis er rausgegangen war, und den Bericht dann lesen, um festzustellen, ob jemand aus meinem Bekanntenkreis darin erwähnt wurde. Es ist kaum zu glauben, was manche Menschen anstellen, Menschen, denen man so einen Quatsch nicht in einer Million Jahren zugetraut hätte; seit ich mit Wyatt ausging, waren mir definitiv die Augen geöffnet worden – na schön, jedenfalls seit ich seine Berichte las, womit ich, wenn ich es recht bedenke, eigentlich schon davor angefangen habe, also mindestens etwa zur gleichen Zeit. Es hat Vorteile, mit einem Cop zusammen zu sein, vor allem mit einem, der ziemlich weit oben in der Nahrungskette steht. Du salbtest mein Haupt mit Tratsch und schenktest mir voll ein.
»Du würdest auch schnaufen, wenn du einen geeigneten Termin suchen würdest, statt nur dazusitzen und zu lesen.«
»Ich arbeite«, gab er zurück, womit klar war, dass er tatsächlich einen Bericht las; ich hoffte, dass er möglichst deftig war und dass Wyatt ihn auf dem Tisch liegen lassen würde, wenn er auf die Toilette oder sonst wo hinging. »Und du hättest keine Terminprobleme, wenn du tun würdest, was ich vorgeschlagen habe.«
Vorgeschlagen hatte er, dass wir in Gatlinburg heiraten sollten, in einer piefigen Hochzeitskapelle und weit weg von meinem ganzen Zeug. Das mit der Hochzeitskapelle ließ ich mir noch gefallen, aber ich habe schon mehr als einmal vor einem wichtigen Ereignis Koffer gepackt und musste eines schmerzhaft lernen: Irgendwas vergesse ich immer. Ich wollte meinen Hochzeitstag nicht damit verbringen, in aller Eile einen Ersatz für irgendwas zu besorgen, das ich zu Hause gelassen hatte.
»Oder wir heiraten hier im Rathaus«, merkte er an.
Der Mann hat wirklich keinen Funken Romantik im Leib, was mich eigentlich nicht stört, weil ich selbst keine große Romantikerin bin und mir zu viel Gefühlsduselei auf die Nerven geht. Andererseits weiß ich genau, was sich gehört, und ich wollte Beweisfotos für unsere zukünftigen Kinder machen.
Das war der zweite Punkt, der mich absolut stresste. Mein einunddreißigster Geburtstag lag schon hinter mir, und die Fruchtwasseruntersuchung rückte unaufhaltsam näher. Wenn ich je Kinder bekommen sollte, wollte ich sie bekommen, bevor ich so alt war, dass jeder Gynäkologe mit einem Funken Selbsterhaltungstrieb und etwas gesundem Respekt vor einer Kunstfehlerklage automatisch eine Fruchtwasseruntersuchung anordnen würde. Ich möchte keine lange Nadel in den Bauch gesteckt bekommen. Was, wenn das Baby dabei ins Auge gepiekt wird oder so? Oder wenn dieser elend lange Spieß durch mich hindurchgeht und mein Rückgrat trifft? Wer kennt nicht die Stelle in Peter Pan, an der das Krokodil den Wecker verschluckt hat und jeder weiß, dass es gleich auftauchen muss, weil das Ticken immer lauter wird? Meine biologische Uhr tickte wie das verfluchte Krokodil. Vielleicht war es auch ein Alligator. Egal. Statt »Tick-tock« flüsterte es »Frucht-wasser« (das ganze Wort hätte rhythmisch nicht gepasst), und bescherte mir damit Albträume.
Ich musste heiraten, und zwar schnell, damit ich endlich die Antibabypillen absetzen konnte.
Währenddessen saß Wyatt seelenruhig da und las seinen verfluchten Bericht, obwohl ich so gestresst war, dass ich fast geschrien hätte. Er versuchte nicht einmal, mich aufzumuntern, indem er mir erzählte, was in seinem Bericht stand; dann hätte ich mir ausrechnen können, ob ich ihn später lesen musste, um alle Details zu erfahren – nicht dass er mir je etwas erzählt hätte. Wenn es um Polizeiarbeit ging, hockte er auf seinen Akten wie die Henne auf dem Ei und behielt all sein kostbares Wissen für sich.
»Allmählich glaube ich, dass es nie passieren wird, dass wir nie mehr heiraten«, beschwerte ich mich finster und knallte den Stift auf den Tisch.
Er sah mich vielsagend an, ohne sich aus seiner hingestreckten, entspannten Lage aufzurichten. »Wenn es dir zu viel wird, dann lass mich die Einzelheiten regeln«, sagte er. Falls in seinem Ton eine gewisse Schärfe schwang, dann deswegen, weil er allmählich der scheinbar endlosen Parade von Verzögerungen und Hindernissen überdrüssig wurde. Er wollte endlich heiraten; er fand es unpraktisch, in meinem Apartment übernachten zu müssen – ganz abgesehen davon, dass es ihm nicht einleuchtete, warum ich immer noch dort wohnte und nicht bei ihm –, und er wartete nur darauf, dass ich den ganzen »Mädchenkram« regelte, womit er die Details der Hochzeit meinte, damit er endlich weiter seinem Männerkram nachgehen konnte. »Du könntest noch in dieser Woche Blair Bloodsworth werden.«
»Da es schon Mittwoch ist, wäre das –« Ich verstummte, denn mein Hirn war in Schockstarre verfallen, als mir aufging, was er eben gesagt hatte. Nein. Nein! Etwas so Entscheidendes, Das-springt-doch-ins-Auge-Mäßiges konnte ich unmöglich übersehen haben. Das war einfach nicht möglich, es sei denn, ich war so lustbesessen, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Was bei mir durchaus vorkommen kann. Aber dass ich erklären konnte, wie es zu diesem Fehler gekommen war, machte ihn nicht ungeschehen. Ich nahm den Stift, kritzelte die gruseligen Worte hin und schrieb sie gleich nochmals nieder, nur um sicherzugehen, dass ich keinen Synapsen-Kurzschluss erlitten hatte. Pech gehabt.
»O nein.« Voller Grauen starrte ich auf meine Niederschrift, wodurch ich Wyatts Aufmerksamkeit erregte, was ich natürlich von Anfang an beabsichtigt hatte. Nicht dass ich diese kleinen Episoden planen würde, aber wenn sich die Gelegenheit ergibt – ich sah ihn mit Trauerblick an und wiederholte betont: »Ich kann dich nicht heiraten.«
Wyatt Bloodsworth, Police Lieutenant, Alphatier, dieser durch und durch harte Bursche und der Mann meines Lebens, beugte sich vor und schlug mit der Stirn auf die Tischplatte. »Warum ich?« Bonk. »Was habe ich in meinem letzten Leben nur verbrochen?« Bonk. »Wie lange muss ich noch dafür bezahlen?« Bonk.
Man sollte meinen, er würde mich fragen, warum ich ihn nicht heiraten konnte, aber nein, er musste sich natürlich aufspielen. Ehrlich gesagt glaube ich, dass er mich an die Wand zu spielen versuchte, entsprechend der Theorie, dass man Feuer mit Feuer bekämpfen soll. Ich weiß nicht, was mir mehr aufstieß, die Vorstellung, dass er sich für eine Dramaqueen hielt, oder dass er meinte, mich an die Wand spielen zu können. Der Mann, der das kann, ist noch nicht geboren – ach, vergiss es. Manche Gedanken sollte man einfach nicht zu Ende denken.
Ich verschränkte die Arme unter den Brüsten und sah ihn wütend an. Ich kann nichts dafür, dass meine Brüste dabei angehoben und vorgeschoben wurden, und ich kann erst recht nichts dafür, dass Wyatt so auf Frauenbrüste fixiert ist – genau wie auf Frauenhintern und Frauenbeine und alle anderen Frauenkörperteile, die man sich nur denken kann –, weshalb ich absolut rein gar nichts dafür kann, dass sein Blick, als er den Kopf hob, um ihn noch mal auf den Tisch zu knallen, auf oder besser in meinem Ausschnitt hängen blieb und Wyatt schlagartig vergessen hatte, was er eigentlich sagen wollte. Ich hatte gerade geduscht und trug nur einen Morgenmantel und einen Slip, es war daher kein großes Wunder, dass der Morgenmantel reagiert hatte, wie Morgenmäntel in so einem Fall reagieren, also sich geöffnet hatte, weshalb ich nicht das Allergeringste dafür kann, dass er ein wenig mehr als nur den Ausschnitt zu sehen bekam.
Es setzt mich immer wieder in Erstaunen, was ein unschuldiger kleiner Nippel bei einem normalerweise klar denkenden Mann anrichten kann – der Herr sei gepriesen.
Nun ist Wyatt aus härterem Holz geschnitzt als der Durchschnittsmann, wie er mir immer wieder erklärt, um gleich danach vorzubringen, dass er mich nur aus Mitleid mit besagtem Durchschnittsmann vom Markt nimmt und selbst heiratet. Irgendwie hat er die abwegige Vorstellung, dass ich in unserer Beziehung ständig die Oberhand zu behalten versuche, was nur zeigt, wie schlau er ist. Verdammt, ich hasse es, wenn er recht hat.
Er fasste meinen Nippel ins Auge, und sein Gesicht nahm jenen rücksichtlosen, konzentrierten Ausdruck an, den alle Männer zeigen, wenn sie Sex haben wollen und ziemlich sicher sind, dass sie ihn bekommen. Dann wurden seine Augen schmal, er riss den Blick los und hob ihn wieder zu meinem Gesicht.
Dazu muss ich sagen, dass Wyatts Blick echt intensiv sein kann. Seine Augen sind von einem Blassgrün, das mir durch Mark und Bein geht. Außerdem ist er ein Bulle, was ich glaube ich schon ein- oder dreimal erwähnt habe, und wenn er diesen harten Bullenblick auf mich richtet, fühle ich mich wie festgenagelt. Aber ich bin ebenfalls nicht aus Zucker und reagierte so gut ich konnte mit gleicher Münze. Einen Sekundenbruchteil später sah ich an mir herab, als hätte ich keine Ahnung, worauf er gestarrt hatte, und schloss energisch den Bademantel, bevor ich Wyatt erneut fixierte.
»Das hast du mit Absicht gemacht«, warf er mir vor.
»Das ist ein Bademantel«, bemerkte ich. Ich liebe es, Selbstverständlichkeiten zu betonen, vor allem gegenüber Wyatt. Das treibt ihn zum Wahnsinn. »Ich habe noch keinen Bademantel gesehen, der nicht von selbst aufgegangen wäre.«
»Du leugnest also nicht.«
Ich weiß nicht, wie er darauf kommt, dass ich alles gestehen würde, was er mir unterstellt, nur weil ich seine Fragen nicht direkt beantworte. In diesem Fall fühlte ich mich jedoch absolut im Recht, diesen Vorwurf rundheraus abzustreiten, weil die Nippelgeschichte nur ein Zufall gewesen war und jede Frau mit etwas Grips so eine Gelegenheit genutzt hätte. »Ich leugne es sehr wohl.« Mein Ton war dezent provokativ. »Ich versuche ein ernsthaftes Gespräch mit dir zu führen, und du denkst nur an Sex.«
Natürlich musste er daraufhin beweisen, dass ich log, und warf seinen Bericht auf den Tisch. »Na schön, dann führen wir eben dieses ernsthafte Gespräch.«
»Ich habe längst angefangen. Jetzt liegt der Ball in deiner Hälfte.«
Daran, wie er die Augen zusammenkniff, erkannte ich, dass er sich das Gespräch wieder ins Gedächtnis rufen musste, aber er war nicht auf den Kopf gefallen; nach ein paar Sekunden hatte er alles wieder parat. »Na gut, warum kannst du mich nicht heiraten? Aber bevor du anfängst, lass dir gesagt sein, dass du mich heiraten wirst, und dass du noch genau eine Woche hast, um das Datum festzuklopfen, weil sonst ich bestimme, wie wir heiraten, und wenn ich dich dafür entführen und bis nach Las Vegas schleifen muss.«
»Las Vegas?«, stammelte ich. »Las Vegas? Nur über meine Leiche. Seit Britney dort geheiratet hat, steht Las Vegas ganz oben auf der Out-Liste. Deine Las-Vegas-Hochzeit kannst du dir sonst wohin schieben.«
Er sah aus, als würde er gleich wieder den Kopf auf die Tischplatte knallen. »Was redest du da, verflucht noch mal. Wer ist Britney?«
»Geschenkt, du Nullchecker. Jedenfalls kannst du dir Las Vegas als Hochzeitsort ein für alle Mal abschminken.«
»Meinetwegen können wir auf dem Mittelstreifen des Highways heiraten«, meinte er ungeduldig.
»Ich will am liebsten im Garten deiner Mutter heiraten, aber das tut nichts mehr zu Sache, weil ich dich sowieso nicht heiraten kann. Basta.«
»Lass uns noch mal von vorn anfangen. Warum nicht?«
»Weil ich dann Blair Bloodsworth heißen würde!«, heulte ich. »Das hast du selbst gesagt!« Wie konnte er das so schnell vergessen haben?
»Na … und?« Er sah mich ahnungslos an.
Er kapierte es nicht. Er kapierte es wirklich nicht. »Das geht so was von überhaupt nicht. Das klingt viel zu niedlich. Da könntest du mich genauso gut Buffy nennen.« Klar, ich weiß, ich musste seinen Namen nicht annehmen, aber wenn man die Verhandlungen eröffnet, sollte man immer Maximalforderungen stellen, damit man möglichst viel Spielraum hat. Ich hatte die Verhandlungen eröffnet. Was er aber nicht zu wissen brauchte.
Seine Frustration steigerte sich zur Klimax, und er röhrte: »Wer ist verflucht noch mal Buffy? Ich kenne diese Leute nicht!«
Jetzt hätte ich am liebsten den Kopf auf die Tischplatte geschlagen. Las er denn keine Zeitschriften? Sah er im Fernsehen nichts als Sportübertragungen und Nachrichten? Es war beängstigend zu wissen, dass wir in zwei vollkommen getrennten Kulturkreisen lebten und dass wir bis auf ein paar Footballspiele, die ich liebe, nie gemeinsam fernsehen würden. Nie könnten wir einen gemütlichen gemeinschaftlichen Abend vor dem romantisch flimmernden Bildschirm verbringen. Ich müsste ihn irgendwann umbringen, und keine Frau in der Geschworenenjury würde mich dafür schuldig sprechen.
Von meinen Augen blitzte ein Bild unseres zukünftigen Ehelebens auf: Ich brauchte einen eigenen Fernseher, was wiederum hieß, dass ich ein eigenes Fernsehzimmer brauchte … und das wiederum bedeutete, dass wir Wyatts Haus umbauen oder zumindest neu einrichten mussten. Der Gedanke stimmte mich ungemein fröhlich, denn ich hatte mich schon gefragt, wie ich ihm das beibringen sollte. Das Haus gefällt mir echt gut, ehrlich, wenigstens der Grundriss, aber die Einrichtung ist durch und durch »Einsamer Wolf«, was nur ein anderer Ausdruck für »praktisch unbewohnbar« ist. Ich musste meine Markierung setzen.
»Du weißt nicht, wer Buffy ist?«, flüsterte ich mit entsetzt geweiteten Augen. Wenn schon, denn schon.
Er fing praktisch an zu winseln. »Bitte. Sag mir nur, warum du beschlossen hast, dass du mich nicht heiraten kannst.«
Eine Woge des Wohlgefühls erfasste mich. Es ist so ungemein befriedigend, einen erwachsenen Mann winseln zu hören. Auch wenn Wyatt klangmäßig nicht direkt winselte, war er doch verflucht dicht dran, und das reichte mir allemal, denn, ganz ehrlich, er ist eindeutig kein Winsler.
»Weil Blair Bloodsworth so bescheuert klingt, dass es eine Beleidigung ist!« O Gott, ich war besessen von B-Worten. »Wer diesen Namen hört, denkt sofort, bah, das ist bestimmt eine von diesen blöden Blondinen, die Bubblegum bläst und ihre gebleichten Haare um den Finger wickelt. Kein Mensch würde mich ernst nehmen!«
Er massierte seine Stirn, als hätte er plötzlich Kopfschmerzen bekommen. »Du meinst, du machst so ein Theater, bloß weil Blair und Bloodsworth beide mit B anfangen?«
Ich sah nach oben. »Es werde Licht.«
»Was für ein Blödsinn.«
»Und schon brannte die Birne wieder durch.« O Mann! Wann würde die Lawine an B’s endlich enden? Das passiert mir ständig. Wenn mich irgendwas bedrückt (O nein! Schon wieder!), beginne ich wie beknackt stabzureimen.
»Bloodsworth ist bestimmt kein niedlicher Name, ganz gleich, wie du mit Vornamen heißt.« Er betrachtete mich unter brummig herabgezogenen Brauen hervor. »In dem Namen kommt Blut vor, Himmel noch mal. Wie in Blut- und Leberwurst. Das ist eindeutig nicht niedlich.«
»Was weißt du denn schon? Du weißt nicht mal, wer Britney und Buffy sind.«
»Das ist mir auch egal, weil ich die beiden nicht heiraten werde. Sondern dich. Und zwar bald. Obwohl ich eventuell zuvor mein Hirn untersuchen lassen sollte.«
Ich hätte ihn am liebsten dahin getreten, wo es wehtut. Aus seinem Mund klang es so, als wäre ich irrsinnig anstrengend, dabei bin ich ein äußerst umgänglicher Mensch; wer das nicht glaubt, braucht nur meine Angestellten zu fragen. Ich besitze und leite ein Fitnessstudio namens Great Bods, und meine Angestellten mögen mich, weil ich sie anständig bezahle und anständig behandle. Der einzige Mensch, mit dem ich nicht reibungslos auskomme, ist – abgesehen von der jetzigen Frau meines Exmannes, die mich umzubringen versuchte – Wyatt, und das auch nur, weil wir immer noch darum kämpfen, wer obenauf ist – Wyatt und ich, meine ich. Das Problem ist, dass wir beide Alphatypen sind und wir unser Beziehungsterritorium noch abstecken müssen.
Okay, mit Nicole Goodwin war ich auch nicht wirklich gut ausgekommen, aber die war eine geisteskranke, andere Menschen nachäffende Ziege, die auf dem Parkplatz des Great Bods ermordet wurde und daher tot ist, also zählt sie nicht. Manchmal vergebe ich der Ziege beinahe, dass sie mich zu imitieren versuchte, weil ihr Tod dazu geführt hat, dass Wyatt nach zwei Jahren Auszeit – ich will jetzt nicht damit anfangen – in mein Leben zurückkehrte, aber dann brauche ich nur daran zu denken, was für eine Nervensäge sie noch als Tote war, und schon hat sich diese Geistesblähung wieder verflüchtigt.
»Die Kosten für den Psychiater kannst du dir sparen«, sagte ich und sah ihn mit schmalen Augen an. »Die Hochzeit findet nicht statt.«
»Findet sie wohl. So oder so.«
»Ich kann unmöglich ein Leben als Blair Bloodsworth führen. Obwohl …« Ich tippte mit dem Zeigefinger gegen mein Kinn und sah versonnen auf meine nachtdunkle Terrasse hinaus; die Bradford-Birnbäume hinter der Terrasse waren mit weißen Lichterketten behängt, die meinen winzigen Garten in etwas ganz Besonderes verzauberten. Es war ein hübscher Anblick, der mir fehlen würde, wenn ich erst zu Wyatt gezogen war, und das musste er irgendwie gutmachen. »… ich andererseits weiterhin Blair Mallory heißen könnte.«
»Kommt überhaupt nicht in die Tüte«, bemerkte er knapp.
»Viele Frauen behalten ihren Nachnamen.«
»Mir egal, was viele Frauen tun. Du wirst meinen Namen annehmen.«
»Alle meine Geschäftspartner kennen mich als Blair Mallory. Und ich mag meinen Nachnamen.«
»Wir werden denselben Nachnamen führen. Basta.«
Ich lächelte ihn zuckersüß an. »Wie nett von dir, dass du meinen Namen annehmen willst. Danke. Das ist tatsächlich die perfekte Lösung, und nur ein Mann, der sich seiner Männlichkeit absolut sicher ist, gibt seinen Geburtsnamen auf und –«
»Blair.« Er stand auf und versuchte, die geraden dunklen Brauen zu einem steilen V über der Nase zusammengezogen, mich mit seiner Größe einzuschüchtern. Er ist einen Meter neunzig groß, und wenn er jemanden einzuschüchtern versucht, dann tut er das richtig.
Um mich nicht einschüchtern zu lassen, stand ich ebenfalls auf und starrte genauso finster zurück. Okay, wir standen uns nicht wirklich Auge in Auge gegenüber, dafür fehlen mir fast dreißig Zentimeter, aber dafür stellte ich mich auf die Zehenspitzen und reckte das Kinn hoch, bis wir praktisch Nase an Nase standen. »Dass du erwartest, ich würde meinen Namen ändern, während du deinen behältst, ist vorsintflutlich –«
Seine Augen waren schmal, das Kinn energisch vorgereckt, die Lippen ein dünner Strich, der sich kaum bewegte, während er die Worte ausspuckte wie Maschinengewehrkugeln. »Im Tierreich markiert das Männchen sein Territorium, indem es darauf pinkelt. Ich bitte dich lediglich darum, meinen Nachnamen anzunehmen. Such’s. Dir. Aus.«
Mir standen die Haare zu Berge, was ein echt dämlicher Ausdruck ist, denn zu Tale können sie kaum stehen. Nicht mal zu Hanglage. »Wag es bloß nicht, auf mich zu pinkeln!«, schrie ich ihn zornig an. Wyatt kann mich schneller als irgendwer sonst auf die Palme bringen, womit wohl so etwas wie Waffengleichheit herrscht, genau darum brauchte ich ein paar Sekunden, bevor ich das Bild vor Augen hatte und mein Schreien abrupt in Lachen umkippte.
Er war so wütend und frustriert, dass er eine Sekunde länger brauchte, aber noch während er wütend schnaubte, senkte sich sein Blick auf meinen Bademantel, der inzwischen ganz aufgegangen war, und als er die Hand nach mir ausstreckte, hatte sich seine Miene bereits komplett verändert. »Vergiss es«, knurrte er, als ich nach dem Gürtel fasste, um ihn wieder zuzuknoten.
Beim Sex mit Wyatt wird es oft stürmisch. Wir sind ständig scharf aufeinander, mit Betonung auf aufeinander. Ich stehe echt darauf, mit ihm zu schlafen, weil ich dabei relativ sicher auf ein, zwei Orgasmen zählen kann, aber das bedeutet auch, dass wir uns immer noch ständig die Kleider vom Leib reißen, obwohl wir schon ein paar Monate miteinander gehen, und er mich anspringt, wo er gerade steht und ich gehe, außer natürlich in der Öffentlichkeit.
Den Morgenmantel zog er mir nicht aus, das ist nicht so sein Ding, nur den Slip. Der Morgenmantel bewahrte mich davor, mir den Hintern auf dem Teppichboden wund zu scheuern, als er mich direkt auf den Esszimmerboden legte, meine Beine spreizte und dazwischen rutschte. Als er sich auf mir niederließ, funkelten in seinen grünen Augen Geilheit, Besitzgier, Triumph und haufenweise andere unbenennbare männliche Gefühlsregungen.
»Blair Bloodsworth«, sagte er rau und brachte dabei mit einer Hand seinen Penis in Position. »Keine Verhandlungen.«
Mir stockte der Atem, als ich ihn fest, hart und so verflucht tief in mir spürte, dass ich es kaum aushielt. Ich bohrte die Nägel in seine Schultern und spannte die Beine um seine Hüften, weil ich ihn möglichst ruhig halten wollte, obwohl mein Herzschlag ins Stottern kam und meine Augen um keinen Preis offen bleiben wollten. Er packte mit der linken Hand mein Knie und öffnete mich noch weiter, bis er noch tiefer, bis ans hinterste Ende vordringen konnte. Er begann zu beben, sein Atem wurde immer schwerer und abgehackter. O ja, er schaffte es, mich raketenschnell in die Umlaufbahn zu katapultieren, aber er war mit an Bord.
»Na gut«, klammerte ich mich keuchend an das letzte Fitzelchen Zurechnungsfähigkeit. »Aber du bist mir was schuldig! Und zwar bis an unser Lebensende!« Keine Verhandlungen, leck mich! Was glaubte er eigentlich, was wir hier trieben?
Er knurrte etwas Unverständliches und stieß wieder zu, während er sich gleichzeitig vorbeugte, um meinen Hals zu küssen, im nächsten Moment sah ich Sterne, ehrlich!
Als wir zwanzig Minuten später verschwitzt, erschöpft und überglücklich nebeneinanderlagen, hob er eine Strähne aus meinem Gesicht. »Einen Monat«, sagte er. »Ich gebe dir genau einen Monat, von heute an gerechnet. Entweder sind wir bis dahin verheiratet, oder wir heiraten so, wie ich es will, ganz egal wo und mit wem. Klar?«
Pff. Wenn er glaubte, mich damit zu verschrecken, hatte er sich geschnitten. Gleichzeitig hörte ich ihm an, dass er es ernst meinte. Ich musste bei meinen Hochzeitsvorbereitungen ganz entschieden einen Zahn, ach was, ein ganzes Gebiss zulegen.