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Newcastle – ein Jahr später

Wie es sich für einen Pornokönig gehörte, war der legendäre Peter Dean völlig auf den Hund gekommen. Nach einem weiteren spektakulären Hustenanfall stützte er sich auf das verkratzte Waschbecken, in das er gespuckt hatte, und betrachtete sein müdes, faltiges Gesicht in dem alten Badezimmerspiegel. Er starrte auf sein ungewaschenes, graubraunes Haar und den gnadenlos immer höher wandernden Ansatz. Inzwischen hatte sich schon eine richtige Schneise geöffnet. »Herrgott noch mal«, nuschelte er angesichts der kahlen Stellen und fragte sich, ob er für eine Haartransplantation vielleicht schon zu alt war. Er nahm seine aschfahle Gesichtsfarbe und seine wässrigen Augen zur Kenntnis. »Zu viele Kippen«, stellte er düster fest und griff unwillkürlich nach dem Päckchen, strich mit zitternden Händen ein Streichholz mehrmals an, bis es endlich brannte. Dean nahm einen wohltuenden Zug, blies den Rauch aus, absichtlich direkt an den Spiegel, so dass sein Bild völlig eingenebelt war.

Dann schlappte er in den Wohn- und Schlafraum seiner Einzimmerwohnung, der ihm gleichzeitig als Büro diente, setzte sich auf den alten kaputten Sessel und versuchte, die Kälte zu ignorieren, indem er sich die Arme um den Brustkorb schlang. Er vermied es möglichst, Geld für Luxusgüter wie Heizung auszugeben, und fragte sich jetzt, ob er noch einen zweiten Pullover überziehen sollte, wobei er sich zum tausendsten Mal einredete, zum Schluss würde doch noch alles irgendwie gut.

Das war nicht immer so gewesen. Es gab mal eine Zeit, in der er gemeinsam mit Bobby Mahoney und seiner kleinen Filmproduktionsfirma gutes Geld verdient hatte; sehr gutes Geld sogar. Aber damals war Bobby auch noch ein aufstrebender Gangster gewesen, der sich mit ein paar bewaffneten Überfällen hier und ein bisschen Schutzgelderpressung da, mit Gras und Nutten durchs Leben schlug – lange bevor er die gesamte Stadt unter seine Kontrolle brachte. Ende der siebziger Jahre war Peter ein angesagter Mann in Newcastle und, so schwer vorstellbar das heute auch ist, dem Mann, der später die größte Verbrecherorganisation von Tyneside leitete, auf Augenhöhe begegnet. Damals war er Mahoneys Mann für alle Sorten von Pornos und Sexspielzeug gewesen.

»Angel Productions« hatte als Schmalfilmvertrieb angefangen, mit großen unhandlichen Filmspulen, die auf laut ratternden Projektoren liefen und Bilder auf Leinwände oder für ein weniger anspruchsvolles Publikum auch direkt an eine weiße Wand warfen. Peter hatte Erfolg, weil sein Material krasser war als das Zeug, das die Westernfans unten in Soho so liebten. In Kinos konnte man das kaum zeigen. Das war die Zeit, als man sich, vorausgesetzt, man hatte überhaupt den Mumm dazu, No Sex Please, We’re British oder Confessions of a Window Cleaner ansah und Robin Askwith für den Gipfel des Unanständigen hielt. Den meisten ging das natürlich auch schon zu weit, aber Peter versicherte Bobby: »Da draußen wird es immer Leute geben, die schmutzigen, echten Sex sehen wollen.« Für Peter waren diese Leute wie Manna, das vom Himmel fiel.

Vor der Einführung des Internets war es verpönt, verboten und teuer, echten Menschen beim Sex zuzusehen, und Peter Dean war der Mann, der es möglich machte. Er verkaufte seine Filme unter dem Tresen seines Studios oder in den Hinterzimmern von Bobbys Pubs, und sie hatten ihren Preis. »Wenn du die mit nach Hause nimmst«, sagte er, »versteckst du sie vor deiner Frau, vor deinen Kindern und vor der Polizei. Du kennst mich nicht. Du bist mir nie begegnet, hast du verstanden?«

Heutzutage sieht man im Internet hundertmal härtere Pornos, als die alten Filmchen es waren, und allesamt sind sie kostenlos. Deshalb lebt Peter Dean heute in sehr bescheidenen Verhältnissen, in einer dreckigen Mietwohnung über einer Videothek, wobei er sich der Ironie gar nicht bewusst zu sein scheint.

Peters Abstieg kam schleichend. Zunächst hatte er sich als ehemaliger Schmalfilmkönig dem VHS-Zeitalter ausgezeichnet angepasst, seine Filme wurden verdorbener und fieser, und er stellte fest, dass er immer mehr davon absetzen konnte. Irgendwann führte er sogar eine Reihe großer Läden, was er unter anderem auch Bobbys Großzügigkeit zu verdanken hatte. Bobby Mahoney stellte sicher, dass Peter immer genug Bargeld hatte, um die Mädchen zu bezahlen und Filme zu drehen, die in den schwarzen Plastikkassetten damals absolut handlich und heute, im digitalen Zeitalter, unglaublich unförmig wirkten. Das Material bestand in der Regel aus körnigen Aufnahmen von »schönen Nachbarinnen«, die erbärmlich schlecht strippten und anschließend halbherzig an sich herumspielten, bis endlich ein Fensterputzer auftauchte, sie erwischte und »bestrafte«, und zwar so, wie er es für richtig hielt, nämlich mit einem guten harten Fick. Bobby Mahoney finanzierte Peter über lange Zeit, weil er wusste: Wo Sex ist, gibt’s auch Geld.

In den achtziger Jahren war Peter steinreich. Er hatte Autos, ein großes Haus, und er feierte legendäre Partys mit echtem Champagner und Drogen vom Feinsten. »Reiner bolivianischer Stoff!«, versicherte er allen.

Wo es Geld, Drogen und Partys gibt, gibt es auch Mädchen, und auch davon bekam Peter mehr, als ihm rechtmäßig zustand. Er konnte sie sich aussuchen – und nicht alle waren Pornosternchen, obwohl er sie natürlich ausnahmslos »vorsprechen« ließ. »Bevor ich Zeit, Mühe und Material auf dich verschwende, musst du mir schon zeigen, was du draufhast, Schatz«, erklärte er mit ernster Miene. Ein paar verzogen sich daraufhin, die meisten aber ließen ihn schulterzuckend gewähren. Kein einziges Mädchen tauchte je in Peters Filmen auf, ohne sich zunächst auf seiner Casting-Couch bewährt zu haben. »Keine schlechte Art, Geld zu verdienen«, vertraute er Bobby augenzwinkernd an.

Irgendwann war es aber vorbei mit dem schönen Leben, und seit der Einführung der DVD hatte Peter es sehr viel schwerer. Das Zeug, das er auf den Markt warf, wirkte urplötzlich überholt und peinlich. Er war loyal, vielleicht sogar ein bisschen zu loyal, denn er blieb denselben Mädchen treu, die er in den Achtzigern in knappen Schuluniformen hatte auftreten lassen und die er jetzt für seine »Gelangweilte Hausfrauen«-Serie »neu erfand«. Seine Hausfrauen wirkten jetzt allerdings sogar gelangweilt, während es ihnen der Fensterputzer auf dem Küchentisch besorgte. Die Verkaufszahlen sanken ins Bodenlose, und bei »Gelangweilte Hausfrauen 14« musste er sogar draufzahlen, was in der Pornobranche praktisch unmöglich ist.

Als das Internet einschlug, hatte Peter dann richtig zu kämpfen. Wie sollte er mit »MILFs aus dem Norden« für zwanzig Pfund pro DVD bestehen können, wenn der anspruchsvolle Konsument sich Pamela Anderson oder Abi Titmuss bei sehr viel schärferen Übungen einfach herunterladen konnte? »Heutzutage zeigen dir Paris Hilton und Britney Spears völlig umsonst ihre Puderdosen«, erklärte er Joe Kinane angewidert, als er ihm von seinen jüngsten Umsatzeinbußen berichtete. »Die lassen sich nicht mal mehr dafür bezahlen!«

Das einzig Vernünftige wäre gewesen, sich zur Ruhe zu setzen, aber dafür hatte Peter nicht genug auf der hohen Kante. Er bereute, in seinen Dreißigern so maßlos mit Geld um sich geworfen zu haben; die vielen Partys, der Champagner und das Koks waren nicht billig gewesen, aber damals hatte er sich keine Sorgen gemacht. Das Geld floss in Strömen, und er hatte geglaubt, es würde immer so weitergehen. In der Pornobranche gibt es keine Rente, und wie viele seiner »Schauspieler« fragte sich auch Peter, was er machen sollte, jetzt, wo sein Imperium zusammengebrochen war. Praktisch bankrott und dreimal geschieden, verkaufte er sein Haus, und anstatt sich einen kleinen Bungalow in Barnard Castle zuzulegen, mietete er eine winzige Wohnung über der Videothek und butterte den Rest seines Geldes in eine Neuauflage von »Angel Productions«.

»Ladies and Gentlemen, hier kommt Phoenix Films!« Peter Dean war wieder da.

Die Zeiten mochten sich geändert haben, aber für Peter war es noch nicht zu spät, mitzumachen. Er hielt sich immer noch für einen Mann der Ideen, und nun würde er die extremen Marktanteile bedienen. Er würde Filme an »Kenner« besonderer Kost verkaufen. »Wir bedienen alle Geschmäcker, egal, wie seltsam sie dem sogenannten normalen Mann auf der Straße auch vorkommen mögen.«

Es gab kleine Filmchen über kaum volljährige Babysitter, die von unerwartet früh heimkehrenden Ehepaaren dabei erwischt wurden, wie sie sich den Schlitz massierten und sich anschließend mit einem sadistischen Dreier »bestrafen« ließen; gefälschte Snuff-Movies, in denen Schauspielerinnen offenbar brutal vergewaltigt und anschließend »in echt« ermordet wurden, nur dass die sogenannten Schauspielerinnen nicht wirklich gut waren und ihre Angst nicht halb so gekonnt vortäuschten wie ihre Orgasmen. Vor Peters Kamera tauchten immer wieder dieselben Frauen auf und ließen sich mehrmals töten. »Ich drehe Filme auf Bestellung über jedes Thema, das Sie wünschen«, erzählte er potenziellen Geldgebern. »Kommt allein auf den Preis an.« Es gab Vergewaltigungen, Folter, Masochismus, Sadismus, Masturbation und Brutalität. Sex mit Minderjährigen, Volljährigen, Überfälligen und Senilen. Dreier, Vierer und Gruppenveranstaltungen, bei denen so gut wie jeder herkömmliche Haushaltsgegenstand in so gut wie jeder Körperöffnung verschwand. Peter arrangierte ganze Säle voller Mädchen und junger Männer, die untereinander tauschten, dabei aber ständig vergaßen, mit wem sie nur wenige Augenblicke zuvor gevögelt hatten. Die Drogen halfen. In der Hardcore-Porno-Branche kennt keiner den anderen, nur den Namen und die Telefonnummer seines Dealers vergisst man nicht.

Das Problem war: Egal, was Peter Dean machte, egal, wie verdorben es war, es reichte nie ganz. Mit dem Internet konnte er nicht konkurrieren. Jeder schmutzige Gedanke, jede Phantasie, die Peter in seinem schmutzigen Leben hatte, war längst irgendwo da draußen realisiert, tausendfach vergrößert und immer nur einen Mausklick entfernt, von irgendeinem Hornochsen oder seiner versauten »Ex-Freundin« kostenlos hochgeladen, entweder, weil sich einer der beiden nach der Trennung am anderen rächen wollte, oder, weil sie die Vorstellung reizvoll fanden, in ihren privatesten und intimsten Momenten von Millionen von Fremden im Netz beobachtet zu werden. Wie sollte Peter da mithalten?

Er hatte es nicht kommen sehen. Jetzt, mit über sechzig Jahren, war Peter Dean das Paradebeispiel eines Gescheiterten. Es dauerte ein oder zwei Jahre, bis ihm langsam, aber sicher das Geld ausging. Als es so weit war, beschloss er in einem letzten verzweifelten Versuch, noch einmal alles auf eine Karte zu setzen. Er besuchte David Blake.

Bobby Mahoney hatte sich schon eine ganze Weile nicht mehr blicken lassen, weshalb Peter unmöglich persönlich mit ihm sprechen konnte. Bobby hatte sich irgendwo in der Sonne zur Ruhe gesetzt, jedenfalls war das die Version, die offiziell verbreitet wurde. Es gab auch andere, zynischere Stimmen, die behaupteten, er sei in Wirklichkeit längst unter der Erde, von einer rivalisierenden Bande oder einem ehrgeizigen Mitarbeiter ermordet. Peter glaubte nicht daran, aber ihm war klar, dass er sich an einen anderen aus Bobbys Firma wenden musste. Der heutzutage wichtigste Mann dort war David Blake; mit Mitte dreißig noch recht jung, aber was man so hörte, durchaus schlau genug, zwar alles andere als ein harter Brocken, aber die tatsächlich knallharten Kerle aus Mahoneys Crew schienen gern für ihn zu arbeiten. Blake hatte jetzt das Sagen, und das wusste jeder, der in der Stadt einen Namen hatte. Und so ließ sich Peter Dean bei einem anständigen Herrenfriseur das schüttere Haar schneiden, zog seinen besten dunkelbraunen Ledermantel an, in dem er sich vorkam wie Humphrey Bogart in der Rolle des Philip Marlowe, und machte sich auf, um sich mit Blake im Cauldron zu unterhalten, einem alten Nachtclub, der seinen und Bobbys Leuten als Firmensitz diente.

Gleich bei seiner Ankunft reagierte er verstimmt, als ihm ein kahlrasierter Mann mit Lederjacke erklärte: »Du kannst den Chef nicht sprechen. Du hast keinen Termin.«

»Scheißegal«, erwiderte Peter, weil der Kerl nicht besonders einschüchternd wirkte. »Ich weiß, dass Blake da ist. Wir kennen uns seit Jahren, er will mich ganz bestimmt sehen.« Dann versuchte er, sich an dem Mann vorbeizuschieben, was keine gute Idee war, wie sich schnell herausstellte. Verdattert realisierte Peter, dass er hochgehoben, herumgewirbelt und mit Wucht gegen die Wand geschleudert wurde. Seine Brille fiel zu Boden, und er schürfte sich die Wange am Mauerwerk auf, so dass sie blutete. Bezeichnend für Peters prekäre Situation war, dass er sich größere Sorgen um seine Sehhilfe machte als um seine Gesundheit. Knochen heilen schließlich, aber eine neue Brille konnte er sich nicht leisten.

In diesem Moment trat David Blake selbst in den Flur, um nachzusehen, was los war, entdeckte den in die Ecke gedrängten Peter und fing bei dessen Anblick an zu lachen.

»Lass ihn runter, Palmer«, sagte er, »wenn du wüsstest, wo der überall seine Finger drin hatte, würdest du ihn nicht mal mit der Kneifzange anfassen.«

Kein vielversprechender Einstieg. Palmer löste seinen Griff. »Du hast fünf Minuten, Peter«, sagte Blake, als er Peter in sein Büro führte und sich beide jeweils auf einer Seite eines imposanten Schreibtischs niederließen. Peter sah durch die Tür nach draußen. Ein halbes Dutzend von Blakes Leuten stand da, aber er entdeckte kaum bekannte Gesichter. Allesamt knallharte Kerle, zwanzig bis dreißig Jahre alt, mit der Statur von Türstehern. Außer Kinane, dem legendären Vollstrecker der Firma, und Hunter, der praktisch mit Bobby Mahoneys Crew aufgewachsen war und zu den wenigen gehörte, die von der alte Garde übrig waren, kannte Peter keinen Einzigen mit Namen.

Blake war als Boss eines eigenen Unternehmens noch recht jung, aber andererseits kamen Peter heutzutage alle jung vor. Er schätzte ihn auf Mitte dreißig. Blake trug einen eleganten Anzug, allerdings ohne Krawatte, war ungefähr einen Meter achtzig groß und hatte volles, dunkles Haar, um das ihn Peter sofort beneidete.

»Warum willst du mich sprechen?«, fragte Blake ohne weitere Umschweife.

Peter fing mit seinem üblichen Gequatsche an, bemühte sich, ein bisschen was von dem Jargon aus der Wirtschaftsfachliteratur einzubauen, mit der er sich jüngst beschäftigt hatte. »Ich habe ein kleines Liquiditätsproblem«, erklärte er Bobbys jungem Protegé. »Eigentlich brauche ich nur ein bisschen Startkapital. Wenn du mir ein kleines Guthaben zur Verfügung stellen könntest, würde ich eine wunderbare neue Idee lancieren, die eine beeindruckend hohe Rendite auf deine Investitionen verspricht.« Auch wenn er sich nur ungern selbst lobte, sein Vortrag war ausgezeichnet, und er war ziemlich sicher, dass er Blakes Interesse geweckt hatte, zumindest dem sanften Lächeln nach zu urteilen, das die Lippen des jüngeren Mannes jetzt umspielte.

»Na, dann raus damit«, drängte Blake ihn, »worin besteht deine tolle Idee?«

Jetzt wusste er, dass Blake angebissen hatte. Peter beugte sich vor, aber nicht zu nah, denn gleichzeitig veränderte auch Palmer seine Position, als wollte er verhindern, dass er dem Chef zu sehr auf die Pelle rückte. Gott, diese Sicherheitsleute waren vielleicht schreckhaft.

Peter räusperte sich und fuhr fort: »Welches ist die erfolgreichste Pornoseite im Netz?«, fragte er.

Blake zögerte, da er nie darüber nachgedacht hatte: »YouPorn?«

»Korrekt!«, sagte Peter und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht des jungen Mannes herum, als wäre dieser ein ganz besonders aufgeweckter Schüler. »Und warum ist sie so erfolgreich?«

»Weil da alles umsonst ist«, antwortete Blake. »Klarer Fall.« Peter gelang es nicht, seine Enttäuschung zu verbergen.

»Eben nicht«, sagte er, »ich meine, ja, die Seite ist umsonst, aber nicht deshalb ist sie so erfolgreich.«

»Nein?« Blake schenkte ihm einen skeptischen Blick und hob anschließend, sehr zur Belustigung seiner brav schmunzelnden Entourage, die Augenbrauen. »Warum denn dann, Peter? Sag du’s mir.«

Peter hob die Hände, um zu signalisieren, dass er sich geschlagen gab. »Wegen des Namens.« Und als seine Feststellung auf wenig Zustimmung stieß, führte er den Gedanken weiter aus. »Wegen des Namens findet man die Seite. Es gibt Millionen von Pornoseiten im Internet, aber ›YouPorn‹ hat einen Namen, der ganz ähnlich klingt wie eine enorm erfolgreiche andere Seite, die es längst gab.« Er hielt inne. »YouTube, vielleicht kennst du die?«

»Klar kenne ich YouTube«, erklärte Blake, »der Name ist geschickt gewählt, aber ich glaube, das tatsächliche Alleinstellungsmerkmal ist dann doch eher, dass dort Unmengen von Hardcorepornos umsonst zu haben sind, meinst du nicht?«

Peter wusste nicht, was ein Alleinstellungsmerkmal war, also nickte er einfach. »Mag sein, aber ich glaube trotzdem, dass es am Namen liegt. Mit dem Namen steht und fällt alles«, behauptete er großspurig, hob eine Hand und fuhr damit über eine imaginäre Werbetafel direkt vor sich.

Blake seufzte und sagte: »Peter, du hast sechzig Sekunden, um auf den Punkt zu kommen. Ich muss gleich zum Flieger.«

»Ja, na klar, natürlich, kein Problem.« Peter griff in die große schwarze Dokumententasche, die er mitgebracht hatte, und zog einen Karton in DIN A3 heraus, den er von dem wenigen, das ihm vom Verkauf seines Hauses geblieben war, extra für diesen Anlass vorbereitet hatte. Er zog den Stoff ab, mit dem er sein Kunstwerk geschont hatte, und überreichte es Blake ehrfurchtsvoll. Zu sehen war darauf die graphische Präsentation der Website, die Peter mit Hilfe von David Blakes finanzieller Unterstützung ins Leben rufen wollte. Es war die Idee, die Peter dorthin zurückbringen sollte, wohin er gehörte: ganz nach oben an die Spitze.

Blake betrachtete den Entwurf. Er ließ sich Zeit. Peter hielt den Atem an. Zunächst schien Blake die Stirn zu runzeln, und Peter verlor allen Mut, dann aber lächelte er, und Peter hatte das Gefühl, ihm würde eine ungeheure Last von den Schultern genommen. Gott sei Dank, dachte er, der Mann mit dem Geld steht auf meine Idee. Jetzt würde doch noch alles gut werden. Peters Sorgen hatten ein Ende. Er war so glücklich, er hätte sich über den Tisch beugen und Blake küssen mögen, doch genau in diesem Moment geschah etwas Seltsames: Blakes Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen, das sich unglaublicherweise in spöttisches Gelächter verwandelte. Blake sah Peter an und lachte aus vollem Hals. Er warf erneut einen Blick auf den Entwurf und lachte noch lauter, bis er schließlich nicht mehr an sich halten konnte. Blake zeigte Palmer das Werk, und auch der lachte laut los, woraufhin sich alle darüberbeugten, das Bild betrachteten und in das dröhnende Gelächter einstimmten, alle zusammen, jeder einzelne arschkriecherische, erbärmliche Schwanzlutscher aus Blakes kleiner Crew der harten Jungs lachte sich schlapp über Peter und seine geniale Idee. Was, zum Teufel, stimmte nicht mit denen?

Endlich fasste sich Blake wieder und sagte: »Danke, Peter, war mir ein riesiges Vergnügen, nein, wirklich, das war’s. So was Lustiges hab ich lange nicht gesehen, aber jetzt muss ich wirklich los. Wie gesagt, ich muss zum Flieger. Wir sehen uns, ja?«

Und mit diesen Worten erhob sich Blake und verschwand. Seine Bodyguards glitten einer nach dem anderen aus dem Raum, die meisten immer noch kichernd. Peter betrachtete sein Kunstwerk, das für solche Heiterkeit gesorgt hatte, und konnte nicht nachvollziehen, weshalb ein intelligenter Mann wie Blake, ein erfolgreicher Mann, ein sogenannter Unternehmer, schlicht nicht erkannte, welche Goldgrube eine Pornoseite mit dem Titel »SitOnMyFacebook« zu werden versprach.

 

Peter Dean fuhr nach Hause und knickte ein; zuerst kroch er ins Bett, dann verfiel er in eine tiefe Depression. Er aß nicht mehr, zog sich nicht mehr an, wusch sich nicht mehr und reagierte nicht mehr auf die seltenen Anrufe der wenigen Bekannten, die er noch hatte. Rechnungen und Werbesendungen stapelten sich auf dem Fußabtreter vor seiner Tür. Er dachte häufig an Selbstmord, und mit der Zeit kam er auf immer einfallsreichere und effektivere Möglichkeiten, sich umzubringen.

Zwei Wochen später tauchte Peter jedoch noch einmal auf, um einen Anruf entgegenzunehmen, der sein Leben für immer verändern sollte. Eine Stimme erklärte ihm, er würde Geld bekommen, sehr viel Geld, und außerdem neue Freundschaften mit mächtigen Menschen schließen. Anscheinend sollten Peter Deans Träume doch noch in Erfüllung gehen, und alles war ganz einfach.

Er musste nur David Blake töten.

Gangland: Thriller
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