Epilog I

Früh am Morgen, die Sonne war noch nicht über die umwölkte Stadt geklettert, rollte ein Grummeln über die Hügel und gab den Männern der Feuerwehr neue Hoffnung. Die ganze Nacht hatten sie bis zur Erschöpfung gegen die Flammen angekämpft. Aber weder ihr schweres Gerät noch das immer wieder startende Löschflugzeug hatte verhindern können, dass sich das Feuer immer weiter ausbreitete. Jetzt drehte der Wind. Das Grummeln schwoll an, wurde kräftiger. Und mit den ersten Donnerschlägen setzte der Regen ein, ein gewaltiger, unablässiger Regen, der mit schweren, nasskalten Tropfen auf die rußverschmierten Gesichter und Helme trommelte.

Marti, der seit Stunden Berichte über den Einsatz der örtlichen Kräfte sammelte, drang am späten Nachmittag mit einem Fotografen zum vermuteten Zentrum des Brandes vor. Er musste den Wagen oberhalb eines Kiefernwäldchens auf einem schmalen Wendeplatz stehen lassen. Es regnete immer noch in Strömen. Er zog den Reißverschluss seiner Barbour-Jacke zu und schlug den Kragen hoch. Kurz schaute er zum Himmel. Grau, dachte er, dann sah er zu Boden. Er war vom Regen aufgeweicht und mit schlammigen lehmbraunen Pfützen bedeckt. Die falschen Schuhe, dachte er, während ihm das Regenwasser langsam zwischen die Zehen kroch. Keiner hatte ihm gesagt, dass er hier festes Schuhwerk brauchte.

»Verrückt, nicht wahr?«

Ein großer, bärtiger Kerl mit breiten Schultern schritt auf sie zu und drückte zuerst Martis Hand, dann die des Fotografen. Seine blauen Augen blitzten hell in seinem geschwärzten Gesicht. Er zeigte eine Reihe strahlender Zähne.

»Wieso?«, fragte Marti.

»Na, das Wäldchen da.« Der Einsatzleiter deutete zu den Knüppelkiefern und dann mit einer ausholenden Armbewegung über die qualmenden, verkohlten Hügel. Die Luft roch scharf und brandig. »Auf zehn Quadratkilometer steht doch hier kein Baum mehr. Bis auf diese Schonung.«

»Ja. Unglaublich.« Marti war genervt und hielt sich ein Taschentuch vor die Nase. Er war müde und hungrig.

»Kommen Sie. Da unten ist es.«

Während Marti hinter dem Mann herrutschte, machte der Fotograf noch ein paar Bilder aus einer erhöhten Position. Die beindicken Schläuche der Feuerwehrautos liefen wie Gedärm durch das rauchende Unterholz, das blaue Licht der Martinshörner tanzte stumm in den Pfützen.

»Wir müssen noch auf unsere Experten warten«, sagte der Einsatzleiter und blieb neben den gerippten Überresten einer Holzhütte stehen.

Zwei seiner Männer hatten damit begonnen, die rauchenden Balken auseinanderzuziehen. Immer wieder erstickten sie Flammen mit ihren Löschgeräten.

»Aber so viel kann ich schon sagen: Hier hat es angefangen.«

»Und wie?«

Marti spürte ein beißendes Kratzen in seiner Kehle.

Der Einsatzleiter bückte sich, hob einen verkohlten Ast vom Boden auf und stocherte damit an dem ausgeglühten Mofatank herum.

»Schwer zu sagen. War wohl Benzin im Spiel.«

»Also Brandstiftung?«

»Da können Sie einen drauf lassen.«

Die Feuerwehrleute riefen laut. Sie hatten mit Eisenstangen ein Stück Boden unter den Resten der Hütte ausgehoben. Qualm quoll aus dem Loch. Nachdem er sich verzogen hatte, leuchteten sie mit Taschenlampen hinein.

»Jungs, hier ist ein Keller.«

»Kommt mal her da.«

Marti machte dem Fotografen ein Zeichen. Dann stakste er selbst zum Tatort, sehr darauf bedacht, wenigstens seine Anzugshose nicht zu versauen.

»Was riecht denn hier so … verbrannt?«, fragte er die Männer, die sich zur Öffnung hinunterbeugten.

»Das wüssten wir auch gern. Muss irgendwas in oder unter der Hütte gewesen sein.«

»Wem gehörte die überhaupt?«

»Ich glaube, dem alten Zucker. Der wohnt doch hier gleich um die Ecke.«

»Dann sollten wir den mal fragen. Giftig riecht es ja nicht. Eher nach Pizzateig.«

»Oder verkohltem Toast.«

»Jemand sollte da runter, nachschauen.«

Einer der Männer ließ sich von den Kollegen ein Pressluftgerät umschnallen und setzte sich eine Atemschutzmaske auf. Der Fotograf war inzwischen auch da und knipste, was das Zeug hielt.

»Funktioniert der Totmannwarner?«

»Warte mal.«

Es piepste.

»Tut.«

»Dann runter mit ihm, Männer«, polterte der Einsatzleiter. Er warf sich für den Fotografen in Pose und setzte einen Stiefel dekorativ auf einen rauchenden Balken. Eine Serie von Klicks belohnte ihn dafür. Die Feuerwehrleute vergrößerten in der Zwischenzeit das Loch mit scharfkantigen Spitzhacken. Nun seilten sie den Mann mit dem Atemschutzgerät vorsichtig ab. Das alles dauerte Marti viel zu lange.

Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch hinauf in den hellgrauen Himmel. Kleine Regentropfen zerplatzten auf seinem Gesicht. Er dachte an eine warme Dusche. Und an sein Bett.

Zombifiziert, Band 5: Letzte Sekunden
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