19
»Ich bin nicht mit Damon oder sonst jemandem zu einem Motel gefahren.« Madison verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich auf dem Sofa zurück, wobei sie Lieutenant Hamilton, der ihr gegenübersaß, grimmig musterte. Alle anderen waren unterwegs, um ihren jeweiligen Auftrag auszuführen. Hamilton bediente sich der üblichen Vernehmungsstrategie: Er wiederholte unablässig immer dieselben Fragen, in der offenkundigen Absicht, eine Ungereimtheit in ihrer Geschichte zu entdecken.
Beim Geräusch sich nähernder Schritte blickte sie auf und sah, wie Pierce die Treppe aus dem ersten Stock wieder herunterkam. Dorthin war er nach seinem »Treffen« mit Logan verschwunden. Sein Gesicht war kreidebleich, so bleich hatte sie ihn seit der Schießerei nicht mehr gesehen.
Obwohl er nach ihrer Rückkehr so grausam zu ihr gewesen war, konnte sie dem Drang nicht widerstehen, zu ihm zu gehen. Die Erinnerung an das Foto aus ihrer Gefängniszelle, auf dem sein schmerzverzerrtes Gesicht und sein blutdurchtränktes T-Shirt zu sehen gewesen waren, stieg in ihr auf und sie sehnte sich verzweifelt danach, ihn zu sehen, ihn zu berühren und sich zu vergewissern, dass mit ihm alles in Ordnung war.
Sie sprang auf und ging ihm bis an den Fuß der Treppe entgegen. »Alles okay mit dir?«, fragte sie leise, damit der Lieutenant sie nicht hören konnte.
»Natürlich. Warum nicht?«
»Ach, komm schon. Auf Logans Wange ist der Bluterguss schon deutlich zu sehen, und als er aus dem Keller gekommen ist, hat er wie ein Zwölfjähriger gegrinst, der seinen ersten Fisch gefangen hat. Mir ist klar, dass ihr beide euch gerauft habt.«
Pierce’ rechter Mundwinkel wanderte nach oben. »Gerauft?«
Sie wedelte mit der Hand in der Luft herum. »Geprügelt, was auch immer, total kindisch.« Sie trat einen Schritt näher und stach mit dem Finger gegen seinen Bauch. »Du hättest ihn nicht anrufen sollen. Du hast seine Flitterwochen ruiniert.«
Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Er ist dein Bruder. Er hatte das Recht zu erfahren, dass du entführt worden warst.«
»Dann … glaubst du mir jetzt?«
Sein Blick wurde weich und er sah sie reumütig an. »Ja, und es tut mir leid, dass ich mich wie ein Arsch verhalten habe. Ich glaube dir. Ich weiß nicht warum – deine Geschichte hat nämlich so große Löcher, dass ich mit meinem Pontiac hindurchfahren könnte. Aber ich glaube dir.« Er streckte die Hand nach ihr aus, zog sie zu sich heran und drückte seine Wange auf ihren Scheitel.
Sie hielt sich an ihm fest und genoss seine Umarmung, den vertrauten Geruch nach Seife und Eau de Cologne im Stoff seines Hemdes. Sie hatte keine Ahnung, warum er seine Meinung so plötzlich geändert hatte oder warum er sie in den Arm nahm, ohne sich etwas daraus zu machen, dass Hamilton sie sehen konnte, aber sie würde keine Fragen stellen. Die Erleichterung, dass er in Ordnung war, war einfach zu groß, und außerdem hatte sie sich so sehr danach gesehnt, von ihm gehalten zu werden.
Schließlich hob er den Kopf, gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und drückte sie an seine unverletzte Seite. Er zog sie hinter sich her und nickte Hamilton zu, als sie zusammen neben dem Sofa stehen blieben.
»Wo ist Logan?« Sein Blick suchte das Zimmer ab und blieb dann erwartungsvoll an ihr hängen.
»Er ist schon wieder weg. Er hat dir eine Nachricht hinterlassen, er musste schnell wieder los, um den Flieger nach New York zu erwischen. Tessa hat ihn gefahren. Logan wollte während der Fahrt alles von ihr hören, was ihre und Caseys Recherchen über Damon ergeben haben. Er will herausfinden, was Damon vorhat. Aus irgendeinem Grund glaubt er, dass er die nötigen Informationen in New York finden wird.«
Er nickte. »Wenn ich nicht hierbleiben müsste, um deinen Babysitter zu spielen, würde ich auch dort anfangen.«
Sie versetzte ihm einen Knuff, damit er sie losließ.
»Lass gut sein. Ich wollte dich nur ärgern, und das weißt du auch.« Er drückte sie noch fester an sich, als wollte er sie nicht gehen lassen.
Sie hörte auf, sich zur Wehr zu setzen. Es fühlte sich einfach viel zu gut an, von ihm gehalten zu werden. Schließlich war sie genau da, wo sie sein wollte.
Sie nahm die Nachricht vom Couchtisch, die Logan dort für Pierce hinterlassen hatte, und überreichte sie ihm, während sie sich setzten. »Aus irgendeinem Grund hat er darauf bestanden, den Umschlag zu versiegeln. Keine Ahnung, warum.«
Er riss den Umschlag auf und las die Nachricht schnell durch, dann steckte er den Zettel in die Tasche.
»Und?«, fragte sie. »Was stand drin?«
Er legte den Arm um ihre Schultern und beugte sich zu ihr hinunter, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. »Er hat mich gebeten, dich in meiner Nähe zu behalten, und genau das werde ich tun.«
Ihr Gesicht begann zu glühen, genau wie der Rest ihres Körpers.
»Hamilton, ich habe über die Frau nachgedacht, die auf den Fotos aus dem Motel zu sehen ist«, sagte Pierce. »Es würde mich nicht wundern, wenn sie eine Prostituierte wäre, die Damon für diese Rolle angeheuert hat.«
»Darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Das lässt sich aber relativ leicht überprüfen. Ich werde meinen Männern den Auftrag geben, unsere Quellen zu checken, vielleicht entspricht ja eine der Professionellen der Beschreibung von Mrs McKinleys Statur.«
»Wenn es sonst nichts gibt, fahre ich mit Madison nach Hause.«
Madisons Herzschlag machte einen kleinen Sprung, als sie hörte, wie er ›nach Hause‹ sagte – als wären sie ein Paar und sein Zuhause wäre auch ihres.
Hamilton sah ihn entschuldigend an. »Tut mir leid, Pierce. Ich möchte, dass sie in der Nähe ist, für den Fall, dass ich ihr weitere Fragen stellen muss. Könnten Sie sie nicht in einem Motel in der Stadt unterbringen?«
Pierce sah Madison fragend an.
Sie seufzte. »Also gut. Ich gehe nach oben und packe noch einen Koffer.« Sie stand auf und ging zur Treppe.
»Mads?«
Beinahe wäre sie auf dem Treppenabsatz zu einer Pfütze geschmolzen. Sie klammerte sich an das Geländer und drehte sich zu ihm um. »Ja?«
»Diesmal bitte kein geheimes Waffenlager im Koffer. Du weißt, dass ich ihn gründlich durchsuchen werde.«
Sie wandte sich schnell um, bevor er ihr Lächeln sehen konnte. Es gab mehr als eine Methode, eine Pistole zu verstecken, oder auch zwei oder drei … und ein paar Messer.
Madison fuhr mit den Fingern über die flauschige, weiße Daunendecke auf dem schmalen Doppelbett, während Pierce ihren Koffer neben den Wandschrank stellte. Die Frühstückspension, die er ausgewählt hatte, hatte sie immer schon einmal ausprobieren wollen, allerdings nicht unter solchen Umständen.
Er machte eine Runde durch das Zimmer, überprüfte die Schlösser an dem einzigen Fenster und durchsuchte den Wandschrank und das Badezimmer, um schließlich noch einen Sicherheitscheck im angrenzenden Schlafzimmer zu machen.
Als er zurückkam, sagte er: »Auf der Fahrt hierher hast du gesagt, dass ich dich noch mal zu der Stelle fahren soll, an der du in deinem Auto aufgewacht bist. Mir ist klar, dass du gern versuchen würdest, den Ort zu finden, an dem Damon dich festgehalten hat. Ich habe nichts dagegen, allerdings denke ich, dass es jetzt schon zu dunkel ist. Aber morgen früh können wir als Erstes dorthin fahren.«
Sie nickte dazu nur.
Er wirkte überrascht, und sie konnte es ihm nicht verübeln. Bisher hatte sie bei jedem Rat, den er ihr erteilt hatte, eine Diskussion begonnen. Ihr übersprudelndes Temperament zu zähmen und gelassen über alles nachzudenken fiel ihr sehr viel schwerer, als sie gedacht hätte. Aber sie war entschlossen, sich Mühe zu geben. Dieser Mann hatte wegen ihr schon so viel durchgemacht. Wenigstens das war sie ihm schuldig.
»Hast du Hunger?«, fragte er.
»Ich könnte schon einen Happen vertragen. Das Sandwich zu Hause war das Erste, was ich gegessen habe … seit … na ja … seitdem ich mich wieder an etwas erinnern kann.«
Sein Gesicht wurde ernst, und er durchquerte das Zimmer, um sie noch einmal fest an sich zu drücken. Seitdem sie wieder aufgetaucht war, hatte er sie mehrere Male fest in die Arme genommen, so als fiele es ihm schwer zu glauben, dass sie wieder da war – noch dazu unversehrt.
Er lehnte sich zurück und blickte auf sie hinunter. »Es ist schon zu spät, um in der Pension zu essen. Aber um die Ecke gibt es ein Lokal.«
»Mir ist egal, wohin wir gehen, solange es etwas Warmes zu essen gibt. Ich hole meine Handtasche.«
Er runzelte die Stirn, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. »Ich hole sie.« Er ging zu dem Beistelltischchen, auf das sie beim Hereinkommen ihre Handtasche gelegt hatte. Er öffnete sie, seufzte schwer und holte ihre Glock heraus, zusammen mit zwei vollen Magazinen.
Sie sah ihn aufgebracht an. »Wie soll ich dich denn dann beschützen, wenn Damon uns findet?«
Er schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich bin derjenige, der dich beschützt. Nicht umgekehrt.«
Schulterzuckend schnappte sie sich ihre Jacke, die über einer Stuhllehne hing.
Er musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. »Das war viel zu einfach. Gib sie mir.« Auffordernd streckte er die Hand aus.
»Was soll ich dir geben?«, fragte sie und versuchte, möglichst unschuldig auszusehen.
»Die Pistole, die du in deiner Jacke versteckt hast.«
Murrend öffnete sie den Reißverschluss ihrer Jackentasche und legte ihm widerwillig die zweite Glock in die Handfläche. »Woher hast du das gewusst?«
»Habe ich gar nicht. Es reicht schon, dass ich dich kenne.« Mit diesen Worten ging er hinüber ins Nebenzimmer und kehrte dann ohne die Pistolen zurück. »Wir können los.«
»Madison, wach auf.«
Die Stimme direkt neben ihrem Ohr ließ sie vor Schreck hochfahren.
Pierce griff nach der Waffe, die sie in der Hand hielt, und entwand sie ihr. »Grundgütiger! Eines Tages wirst du noch jemanden erschießen.«
»Dafür ist sie ja schließlich auch da.« Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und streckte sich, während er ihre Neun-Millimeter-Pistole entlud.
»Wo zum Henker hattest du die versteckt? Sie war nicht in deinem Koffer. Den habe ich überprüft.«
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, wobei sie gleichzeitig nach ihrem Wecker griff, um zu sehen, wie spät es war. »Was hast du gemacht? Meine Sachen durchwühlt, nachdem ich schlafen gegangen bin?«
»Verdammt richtig. Ich wollte nicht beim Aufwachen in die Mündung einer 3.57 blicken.«
Sie fluchte. Verdammt, sie hatte wirklich gehofft, dass er die Magnum nicht finden würde. Sie hatte die Bodenplatte ihres Koffers aufgeschlitzt und die Pistole darin versteckt. Nichtsdestotrotz zuckte sie die Achseln und tat so, als wäre es ihr egal.
»Genauso wenig wie in die Mündung eines 45. Colt.«
»Verdammter Mist.« Ihre Hände verdrehten das Laken.
»Wenn du so sauer reagierst, dann muss ich ja wirklich alle deine Pistolen gefunden haben. Jetzt kann ich in Frieden ruhen.«
Sie hob eine Augenbraue. »›In Frieden ruhen‹. Soso. Interessante Wortwahl.«
Er warf ihr einen warnenden Blick zu.
»Um Himmel willen!« Sie blinzelte den Wecker an und schaffte es endlich, ihren Blick zu fokussieren. »Es ist erst sieben Uhr morgens.« Sie ließ sich zurück auf das Kissen fallen und schloss die Augen. »Warum hast du mich so früh geweckt?«
»Braedon hat angerufen. Es gab Probleme bei deinem Haus.«
Sie riss die Augen auf. »Schon wieder? Mich muss wohl jemand verflucht haben. Was kann denn noch passiert sein? Ist es abgebrannt oder so ähnlich?«
»So ähnlich. Zieh dich an. Ich gebe dir zwanzig Minuten. Wir können uns unterwegs etwas fürs Frühstück besorgen.« Er schnappte sich ihr Waffenarsenal und ging zurück in das angrenzende Zimmer.
»Warte.« Rasch kletterte sie aus dem Bett und ging hinter ihm her.
Er drehte sich zu ihr um, und sein Blick wanderte sofort hinunter zu ihren nackten Beinen.
Zu spät fiel ihr ein, dass sie nur einen Tanga und ein T-Shirt trug. Und wenn schon, sollte er doch gucken. Er hatte ohnehin schon alles gesehen. Sie schnippte mit den Fingern vor seinem Gesicht herum. »Hey, sieh mich an.«
»Ich sehe dich an.«
»Schau in mein Gesicht, Freundchen. Was ist bei mir zu Hause los?«
Er schluckte und zwang sich, sie anzusehen. »Bei dir zu Hause?«
Sie boxte ihn in den Magen. »Du hast gesagt, Braedon hätte angerufen.«
Er fuhr sich mit der Hand über sein von Bartstoppeln bedecktes Kinn. Sein Blick wanderte an ihrem T-Shirt hinunter, blieb kurz an ihren Brüsten hängen, bevor er noch weiter nach unten glitt. Er fluchte leise und ging schnell ins Nachbarzimmer. »Neunzehn Minuten.« Damit warf er die Tür mit einem Knall zu.
Frustriert stampfte sie mit dem Fuß auf. Sie hasste es, früh aufzustehen, hasste es, herumkommandiert zu werden und am allermeisten hasste sie es, dass er ihr all ihre Pistolen weggenommen hatte. Na ja, zumindest fast alle. Eilig ging sie ins Bad, um sich fertigzumachen und um die Plastiktüte aus dem Spülkasten zu holen, in der sie ihre letzte verbliebene Pistole – einen .380 Colt – versteckt hatte, zusammen mit ihren beiden Lieblingsmessern.
Es war schon erstaunlich, was man mit etwas Klebeband alles in einem Wonderbra unterbringen konnte.
Ausnahmsweise hatte Pierce einmal nichts dagegen, dass Madison mit in den Garten kam, um zu sehen, was dort vor sich ging. Er griff nach ihrer Hand, half ihr beim Aussteigen und zog sie hinter sich her in den Garten.
Das Polizeiaufgebot vor ihrem Haus und im Garten war genauso groß – wenn nicht größer – wie bei ihrer Entführung. Und plötzlich registrierte sie ein weiteres Fahrzeug, das etwas weiter die Straße hinunter parkte.
»Oh nein«, flüsterte sie.
Pierce sah zu ihr und folgte ihrem Blick. »Ich weiß«, sagte er. »Komm schon. Bleib in meiner Nähe.«
Sie wandte den Blick von dem Transporter des Gerichtsmediziners ab. Ihre Begeisterung darüber, mit eigenen Augen zu sehen, was Braedons Team im Garten gefunden hatte, ließ stark nach.
Hamilton sah sie, als sie um die Ecke des Hauses kamen. Zusammen mit Tessa und einer Gruppe von Polizisten stand er neben einem Erdloch. Er warf ihnen einen verärgerten Blick zu und kam dann eilig auf sie zu.
»Sie sollte nicht hier sein.«
»Sie weicht mir nicht von der Seite.«
»Aber sie bleibt hinter dem Absperrband«, sagte er mit Blick auf das gelbe Band, das einen Teil ihres Gartens direkt am Haus abgrenzte.
Pierce machte Braedon ein Zeichen, der zusammen mit seinen anderen Brüdern in der Nähe des Zauns stand.
»Braedon, kümmert ihr euch um Madison, bis ich mich mit dem Lieutenant unterhalten habe?«
»Kein Problem.« Braedon lächelte und streckte die Hand aus. »Guten Morgen, Prinzessin. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu folgen?«
Sie zog eine Augenbraue hoch und ergriff seine Hand. »Gut zu wissen, dass es wenigstens einen Mann in deiner Familie gibt, der weiß, dass man eine Frau um etwas bittet, statt sie herumzukommandieren.«
Pierce verdrehte die Augen und ging zusammen mit Hamilton zur Absperrung.
»Sieht so aus, als hätten wir den vermissten Gärtner gefunden.« Hamilton hielt eine Brieftasche zwischen den behandschuhten Fingern, die er erst Tessa zeigte. Dann hielt er sie Pierce hin, um ihn auf den Führerschein aufmerksam zu machen, der darin steckte.
Pierce beobachtete, wie der Gerichtsmediziner die menschlichen Überreste studierte, die auf einer Plastikplane neben dem Erdloch drapiert lagen.
»Jetzt wissen wir endlich, warum der Täter meine Brüder davon abhalten wollte, die Fundamente zu graben«, sagte Pierce.
»Wie lange ist das Opfer schon tot?«, wollte Tessa von dem Gerichtsmediziner wissen.
»Zu lange, als dass ich Ihnen den genauen Todeszeitpunkt – geschweige denn das Datum – nennen könnte. Er liegt da schon seit Wochen, vielleicht auch länger.«
Hamilton nannte ein Datum. »Starb er davor oder danach?«
Pierce versteifte sich. Hamilton hatte dem Gerichtsmediziner den Tag genannt, an dem Madison nach Savannah gezogen war. »Was tun Sie da, Lieutenant?«
»Meine Arbeit.«
Tessas Blick wanderte zwischen ihnen hin und her. »Ist mir etwas entgangen?«
»Ja, er ist ungefähr um diesen Termin herum gestorben«, erwiderte der Gerichtsmediziner. »Vielleicht eine Woche früher, vielleicht auch eine später. Die Untersuchung der Insektenaktivität dürfte den Zeitraum eingrenzen. Mehr kann ich Ihnen zurzeit nicht sagen.«
Hamilton gab einem der uniformierten Beamten einen Wink, zu ihm zu kommen.
»Tun Sie das nicht, Lieutenant«, sagte Pierce.
»Halten Sie sich da raus, Buchanan. Mischen Sie sich nicht in eine laufende Ermittlung ein. Ich könnte Sie festnehmen lassen.«
Tessa packte Pierce am Arm. »Was hat das zu bedeuten?«
Sanft entzog er ihr den Arm. »Hamilton hat vor, Madison wegen des Mordes an dem Gärtner festzunehmen.« Er rannte hinter dem Lieutenant und dem uniformierten Polizisten her, die auf Madison zuhielten, als einer der sechs Kriminaltechniker laut nach Hamilton rief.
»Lieutenant, ich brauche Sie hier.«
Hamilton und der Beamte blieben stehen und rannten eilig zu dem Erdloch zurück.
»Haben Sie die Tatwaffe gefunden?«, fragte Hamilton.
Pierce ging neben dem Grab des Gärtners in die Hocke. Übelkeit stieg in ihm hoch, als er sah, was der Mann von der Spurensicherung dort entdeckt hatte. Vielleicht war an Madisons scherzhaft gemeinter Bemerkung, jemand habe sie verflucht, tatsächlich etwas dran. »Er hat noch viel mehr als das gefunden.« Er sah den Lieutenant an. »Hier liegt noch eine Leiche.«