15

Pierce stieg über die zerstörten Ventile der Sprinkleranlage hinweg und postierte sich auf einem der wenigen Abschnitte in Madisons Garten, der sich nicht mit Wasser vollgesogen hatte.

Braedon stand mit in die Hüften gestemmten Händen da und schüttelte den Kopf, während er sich die schlammige Bescherung genauer ansah. »Jemand hat absichtlich alle Schläuche durchgeschnitten und die Ventile zerstört, damit die Sprinkleranlage verrückt spielt und den Garten überflutet. Warum tut jemand so etwas?«

»Ich vermute, dass er oder sie verhindern will, dass hier gegraben wird«, sagte Pierce. »Die Frage ist, wollen sie euch in erster Linie vom Graben abhalten oder euch gleich ganz verscheuchen?«

»Das ergibt überhaupt keinen Sinn«, sagte Matt. »Die Arbeiten an den Fundamenten sollten erst in der kommenden Woche beginnen. Niemand konnte wissen, dass wir heute hier graben würden.«

»Guter Einwand.« Pierce sah sich um. »Das hier ist erst vor ein paar Minuten passiert. Das Wasser fing gerade erst an, um das Haus herumzufließen. Wenn ihr es nicht abgedreht hättet, wäre die Straße jetzt bereits überflutet. Wer auch immer das hier getan hat, wollte Aufmerksamkeit erregen.«

»Die obere Erdschicht hat sich mit Wasser vollgesogen«, sagte Braedon. »Heute können wir auf keinen Fall graben. Wir haben die Wasserversorgung des Hauses unterbrochen und müssen erst einmal ein Absperrventil im Hauptversorgungskanal des Sprinklers installieren – das wäre von vornherein sinnvoll gewesen –, ehe wir das Wasser wieder andrehen.« Er schüttelte den Kopf. »Kein ordentliches Absperrventil einzubauen, ist schlicht nachlässig. Das war richtig schlampige Arbeit.«

Pierce warf Hamilton einen Blick zu. »Sie werden ihr hierfür doch nicht auch noch die Schuld geben, oder?«

Der Angesprochene schüttelte den Kopf, er sah genauso perplex aus, wie Pierce sich fühlte. »Nein, ich wüsste nicht, wie sie das getan haben könnte. Sie hatte keine Gelegenheit dazu.«

»Ich muss noch ein paar Dinge für die Reparaturen einkaufen.« Matt wandte sich an die restlichen Mitarbeiter des B&B-Teams. »Ihr könnt zurück ins Büro fahren und nachsehen, an welchen anderen Projekten heute noch gearbeitet werden kann. Braedon und ich kümmern uns um diese Schweinerei.«

»Und was werden Sie jetzt tun, Lieutenant?«, fragte Pierce.

»Ich und meine Männer werden tun, was wir immer tun – ermitteln. Ich unterstelle niemandem etwas. Wir werden die Nachbarschaft abgrasen und fragen, ob jemand etwas gesehen oder gehört hat. Einverstanden?«

Pierce nickte. »Dasselbe würde ich auch tun.«

Während Hamilton sein Handy herauszog, ging Pierce um das Haus herum zum Vordereingang. Er nickte Officer Williams auf der Vorderveranda zu und betrat die Eingangshalle. Es überraschte ihn, dass Madison nicht sofort auf ihn zugestürmt kam und ihn mit Fragen darüber bombardierte, was sie im Garten gefunden hatten. Aber vielleicht war sie ja in der Küche.

Pierce öffnete die Schiebetür zwischen Wohnzimmer und Küche, doch der Raum war leer. Er suchte die kleine Suite und den vorderen Teil des Hauses nach ihr ab.

»Madison, wo bist du?«, rief er, doch es kam keine Antwort. Langsam wurde er nervös.

»Madison«, rief er, lauter diesmal, doch sie antwortete immer noch nicht, während er eilig die restlichen Zimmer im Erdgeschoss inspizierte.

Gerade als er die Treppe hinaufgehen wollte, ging die Haustür auf. Er drehte sich um, musste jedoch enttäuscht feststellen, dass nur Officer Williams vor ihm stand.

»Wo ist Mrs McKinley?«, fragte Pierce.

Williams wirkte überrascht. »Sie müsste im Haus sein, Sir. Außer Ihnen ist niemand hinausgegangen.«

»Ich nehme mir den ersten Stock vor, und Sie durchsuchen den Keller. Der Kellereingang ist im Flurschrank.« Er deutete auf den hinteren Flur und lief dann die Stufen hinauf ins Obergeschoss.

Eine Minute später stürmte er in blanker Panik wieder nach unten. Williams und Hamilton erwarteten ihn im Erdgeschoss.

»Im Keller ist sie nicht«, sagte Williams schnell, noch ehe er fragen konnte.

»Was geht hier vor?«, fragte Hamilton.

»Sie ist weg.« Pierce rannte zur Haustür.

»Warten Sie. Was soll das heißen – sie ist weg?«

Pierce riss die Tür auf und blieb einen Moment lang auf der Schwelle stehen. »Vermisst, verschwunden, weg.«

Er warf die Tür hinter sich zu, ehe Hamilton weitere Fragen stellen konnte, und sprintete die Vorderstufen hinunter. Dann bog er um die Hausecke und hielt nach Fußspuren Ausschau, nach irgendetwas, das erklärte, wie es möglich war, dass Madison unbemerkt das Haus verlassen hatte. Er hielt sich rechts und blieb vor dem Kellereingang stehen, der sich in einiger Entfernung zu der mit Lkws vollgeparkten Einfahrt befand.

Rasch drückte er auf die Taste, die ihn per Kurzwahl mit Casey verband, und bückte sich, um die Erde rund um die Kellerstufen zu untersuchen. Obwohl das Gras sich wegen der Kälte bereits braun verfärbt hatte, war es immer noch zu dicht für brauchbare Spuren. Allerdings war es niedergedrückt, als wäre kürzlich jemand darauf getreten. Möglicherweise jemand, der eine andere Person getragen hatte?

»Pierce«, erklang Caseys Stimme am anderen Ende der Leitung, offenbar hatte er Pierce’ Namen auf dem Display gesehen. »Was ist los?«

»Madison McKinley wird vermisst.« Pierce richtete sich auf. »Es sieht so aus, als hätte jemand das Haus durch den Keller verlassen, aber ich kann leider keine deutlichen Fußabdrücke finden.«

Er verstärkte den Griff um das Handy und folgte den schwachen Abdrücken im Gras bis zur Straße, wo sie abrupt endeten. »Die Spur endet an der Straße. Es sind keine Reifenspuren zu sehen.«

»Was denkst du? Hat sie das Haus verlassen, ohne dir Bescheid zu sagen?«

»Nein, so etwas würde sie mir nicht antun.« Sein Herz schlug so schnell, dass es wehtat. »Er hat sie in seiner Gewalt, Casey. Ich hätte sie nicht allein im Haus zurücklassen sollen. Der Stalker, Damon, wer auch immer … er hat sie.«

»Ich tue alles, um dir zu helfen. Hamilton wird nicht begeistert über mein Engagement in dieser Sache sein, schließlich bin ich mit den ›Simon sagt‹-Morden beschäftigt. Ich schicke dir Tessa, inoffiziell – als Freundin. Das müsste Hamilton besänftigen. Ich halte mich zwar im Hintergrund, werde aber tun, was ich kann. Gib mir die Adresse.«

Pierce rasselte Madisons Adresse an der East Gaston Street herunter. »Sie ist innerhalb der letzten halben Stunde verschwunden.«

»Gib mir eine Beschreibung des Wagens.«

»Ich arbeite daran.« Pierce legte auf und rannte hinüber zur anderen Seite des Hauses. Er erwartete, Madisons kleines rotes Cabrio neben Braedons solidem B&B-Lkw in der Einfahrt stehen zu sehen.

Madisons Auto war nicht da.

Stirnrunzelnd betrachtete er die Reifenspuren. Wieder war das Gras zu dicht für deutliche Fußabdrücke, die ihm verraten hätten, wer das Auto benutzt hatte. Jeder hätte den Wagen wegfahren können.

Sogar Madison selbst.

Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? War sie entführt worden, oder hatte sie sich aus dem Haus geschlichen und dann aus dem Staub gemacht? Aber warum sollte sie so etwas tun?

Er drehte sich zum Haus um und blieb einen Moment lang unentschlossen stehen. Hamilton stand wartend auf der Veranda. Er hatte zwei Streifenpolizisten mitgebracht, die gerade in entgegengesetzte Richtungen rannten, um die Nachbarschaft zu befragen.

Genau, wie es ihre Aufgabe war.

Hamilton hielt sich an den Dienstweg.

Genau, wie es seine Aufgabe war.

War es Pierce selbst, der nicht alle Möglichkeiten in Betracht zog? Trübte seine gemeinsame Vergangenheit mit Madison sein Urteilsvermögen? War der überflutete Garten nur ein Ablenkungsmanöver? Damit alle kopflos dorthin rannten? Vielleicht hatten seine Brüder den Haupthahn eher zugedreht, als der Eindringling erwartet hatte, trotzdem wäre die Straße letzten Endes vom Wasser überflutet worden. Irgendjemand hätte bemerkt, was vor sich ging und die Hausbewohner alarmiert, damit sie nachsahen, was im Garten los war.

Moment mal, das ergab keinen Sinn. Es konnte kein Ablenkungsmanöver gewesen sein. Madison hatte in den letzten Tagen nicht im Haus gewohnt. Niemand hatte wissen können, dass sie sich heute hier aufhalten würde. Wenn Pierce sie nicht hergefahren hätte, um ihren Laptop zu holen, wäre sie gar nicht im Haus gewesen.

Es sei denn, sie hatte jemanden angerufen und ihm gesagt, dass sie zu Hause war und er ihr helfen sollte, das Haus zu verlassen, damit sie von Hamilton wegkam.

Sie hätte von der Küche aus telefonieren können. Als sie dort gewesen war, war die Tür geschlossen gewesen.

Dennoch, das alles ergab keinen Sinn. Madison wäre ihnen in den Garten gefolgt, wenn Pierce sie nicht daran gehindert hätte.

Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht war ihr klar gewesen, dass er sie am Mitkommen hindern würde?

Er schüttelte den Kopf, und obwohl er sich selbst sagte, dass dieser Gedanke verrückt war, ergab er auf absurde Art und Weise Sinn. Madison hatte ihm etwas verheimlicht, schon die ganze Zeit. Er hatte das gewusst und gehofft, dass sie ihm schließlich genug Vertrauen entgegenbringen würde, um ihm alles zu erzählen.

War das, was sie vor ihm geheim gehalten hatte, vielleicht etwas, das sie ins Gefängnis bringen konnte? Das würde auf jeden Fall erklären, warum sie nicht gewollt hatte, dass ihr Bruder etwas erfuhr. Sie hatte verhindern wollen, dass ihr Bruder, der Polizeichef, sich zwischen seiner Karriere und seiner kleinen Schwester entscheiden musste.

Diese These war insbesondere dann einleuchtend, wenn sie sich wirklich etwas hatte zuschulden kommen lassen.

Aber was? Was konnte sie getan haben?

Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. War sie wirklich entführt worden? Von ihrem angeblichen Stalker? Oder war sie auf der Flucht, weil sie Angst vor dem hatte, was Hamilton auf ihrem Computer finden würde? In der Nachricht hatte gestanden: ICH KOMME DICH HOLEN. Sicher, das konnte man als Drohung verstehen.

Vielleicht war es aber auch ein Versprechen … von jemandem, den sie kannte, von jemandem, der ihr zur Flucht verhelfen wollte, einem Liebhaber vielleicht.

Er schloss die Augen, überrascht von dem Schmerz, der ihn bei dem Gedanken durchzuckte.

»Buchanan? Kommen Sie?«

Er öffnete die Augen wieder. Hamilton starrte ihn erwartungsvoll an. Pierce ging zurück durch den Vorgarten und schenkte Hamilton nicht mehr als einen kurzen Blick, ehe er die Haustür öffnete. An der Wand zur Linken befand sich ein Haken, an den Madison immer ihre Autoschlüssel hängte.

Die Schlüssel waren nicht da.

Man kam nur an sie heran, wenn man ins Haus ging. Der einzige Weg hinein führte an dem Polizisten vorbei, der dort postiert gewesen war.

Oder durch den Keller.

Die Frage war, ob jemand durch den Kellereingang in das Haus eingedrungen war und Madison entführt hatte, oder ob sie das Haus selbst verlassen hatte, aus freiem Willen.

»Ich gehe davon aus, dass Sie Ihren Chef angerufen haben. Haben Sie schon etwas herausgefunden?«, fragte Hamilton.

Pierce musterte den anderen eindringlich. Weder Missfallen noch Wut darüber, dass Casey ihm möglicherweise mit Rat und Tat zur Seite stand, waren in seiner Miene zu lesen. Hamilton wirkte nur neugierig, besorgt – ein Polizist, der einem Kollegen half. Hatte Pierce sich die ganze Zeit nur eingebildet, dass Hamilton etwas gegen Madison hatte?

Geduldig wartete Hamilton auf die Antwort.

»Casey arbeitet immer noch am ›Simon sagt‹-Fall, aber er schickt inoffiziell eine Agentin – Tessa James – her.« Er ballte die Hände zu Fäusten. »Ich habe im Gras eine Spur gefunden, die vom Kellereingang bis zur Straße führt. Ich kann nicht erkennen, ob die Spur von einer oder zwei Personen stammt. Madisons Auto ist weg, genau wie ihre Schlüssel.«

Hamilton brauchte einen Moment, um diese Information zu verdauen. »Was glauben Sie, was passiert ist?«

»Bei Gott, ich wünschte wirklich, ich wüsste es.«

Madison kämpfte mit den Stoffstreifen, mit denen ihre Handgelenke gefesselt waren, doch durch ihre ungünstige Körperhaltung hatte sie kaum eine Chance. Sie lag auf der Seite, ihre Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden, die Knie angezogen und auch ihre Fußgelenke waren gefesselt.

Sie befand sich im Kofferraum eines Autos. So viel wusste sie trotz der Finsternis, die sie umgab. Die fluoreszierende Notentriegelung der Kofferraumklappe glühte in der Dunkelheit, verlockend nah, und doch außerhalb ihrer Reichweite.

Sie erinnerte sich daran, in die Küche gegangen zu sein, um mehr Kaffee zu holen. Jemand hatte von hinten nach ihr gegriffen und ihr ein süßlich riechendes Stück Stoff auf Nase und Mund gedrückt. Danach war ihr schwarz vor Augen geworden. Der Unbekannte musste es irgendwie geschafft haben, sie aus dem Haus zu tragen und in ein Auto zu bugsieren.

Aber wer? Damon? Oder jemand anderes?

Nach den Schmerzen in ihrem Rücken und ihrem Becken zu urteilen, befand sie sich wohl schon seit längerer Zeit in dem Kofferraum. Sie fröstelte. Ohne ihren schützenden Mantel ging ihr die Kälte durch und durch. Andererseits war sie froh, dass es draußen kalt war. Wenn man sie in der Sommerhitze in einem Autokofferraum liegen gelassen hätte, wäre sie gekocht worden.

Wieder zerrte Madison an den Handfesseln, drehte sich herum und zog mit aller Kraft. Sie versuchte, die Hände um Hintern und Beine herumzumanövrieren, um sie vor den Körper zu bringen. Wenn sie das fertigbrachte, dann konnte sie den Knopf für die Notentriegelung erreichen und versuchen, zu fliehen, ehe ihr Entführer zurückkehrte.

Nach mehreren Minuten sank sie erschöpft zurück auf den Kofferraumboden und sog in tiefen Atemzügen die kühle Luft ein. Es war sinnlos. Ihre Fesseln saßen immer noch genauso fest wie nach dem Aufwachen.

Wie lange konnte sie hier überleben? Wenn sie nicht an Unterkühlung starb, würde sie wohl bald keine Luft mehr zum Atmen haben. Oder waren Kofferräume heutzutage nicht mehr luftdicht? Wie viele Minuten oder Stunden Atemluft hatte sie noch?

Lieber Gott, bitte lass mich nicht sterben. Nicht so.

Falls es Menschen in der Nähe gab, konnten die sie hören? Was, wenn ihr Entführer draußen neben dem Auto stand? Dennoch, sie konnte nicht einfach hier herumliegen und nichts tun. Es blieb ihr nichts übrig als zu hoffen, dass jemand sie hörte und ihr zu Hilfe kam.

Sie atmete tief ein und schrie, so laut sie konnte.

Zwei Stunden.

Madison war jetzt seit zwei Stunden verschwunden, und Pierce hatte immer noch keine Ahnung, was mit ihr passiert war.

Er und Matt standen allein in Madisons Arbeitszimmer. Die Polizei hatte den Durchsuchungsbefehl ausgeführt und Hamilton war mit den übrigen Polizisten im Wohnzimmer, um die nächsten Schritte zu diskutieren.

Pierce war überrascht, dass Matt ihm seine Hilfe angeboten hatte. Er hatte einen Suchtrupp aus B&B-Mitarbeitern organisiert, der die Straßen absuchte. Doch trotz der vielen Helfer und einer Fahndungsausschreibung nach dem roten Cabrio war Madisons Wagen nicht gesehen worden.

»Das Gebiet, das überprüft werden muss, ist ziemlich groß.« Matt fuhr mit dem Finger über die Landkarte, die sie auf Madisons Schreibtisch ausgebreitet hatten.

»Ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen.«

»Dafür ist Familie da.«

Pierce legte Matt die Hand auf die Schulter und nickte dankbar. Ihm wurde erst allmählich bewusst, wie weit er sich in den Jahren, in denen er mit seinem Team an Serienmorden gearbeitet hatte, von seiner Familie entfernt hatte. Doch seine Brüder hatten ihm verziehen und taten alles, um ihm zu helfen. Sie halfen einander, wie es in einer Familie sein sollte.

Ein Geräusch an der Haustür ließ Pierce und Matt aufblicken. Eine Sekunde später kam Tessa ins Arbeitszimmer. Aus ihrem Gesichtsausdruck schloss Pierce, dass ihm nicht gefallen würde, was sie zu sagen hatte.

»Danke, dass du gekommen bist. Das hier ist Matt, einer meiner Brüder.«

Sie schüttelte Matt die Hand. »Schön, Sie kennenzulernen.« Dann sah sie hinüber zu den Polizisten, die sich im Nebenraum versammelt hatten. »Wir müssen reden, aber unter vier Augen.«

»Hinter der Küche ist eine kleine Suite. Wir können dort hineingehen.« Pierce führte sie durch das Wohnzimmer und wich Hamiltons neugierigem Blick aus, als sie zu dritt in die Küche gingen.

»Kommt er mit?«, fragte Tessa und sah demonstrativ zu Matt hinüber.

»Er hört jedes Wort, und ja, er kommt mit.« Matt starrte sie grimmig an, als würde er nur darauf warten, dass sie sich ihm in den Weg stellte.

Pierce öffnete die Tür zu dem kleinen Salon, der zur Einliegerwohnung gehörte, und scheuchte die beiden anderen hinein, ehe er die Tür hinter sich schloss. »Matt hilft uns bei der Suche, er ist klüger als du und ich zusammen. Er will helfen.«

Tessa zuckte mit den Schultern und drehte sich zu Pierce um, wobei sie Matt den Rücken zukehrte.

Matt ließ sich nicht abschrecken, ging einfach um sie herum und stellte sich neben sie.

Tessa würdigte ihn keines Blickes. »Ich habe die Bestätigung, dass Madisons Auto vor einem Motel außerhalb der Stadt gesichtet wurde, in der Nähe der Interstate.«

Erleichterung stieg in ihm auf. »Gehen wir.«

Sie packte ihn am Arm. »Warte, das ist noch nicht alles.«

Sein Magen krampfte sich zusammen. Er fürchtete sich jetzt schon vor dem, was sie als Nächstes sagen würde. »Spuck’s aus.«

»Der Wagen ist schon wieder weg, aber der Motelmanager hat ihn gesehen und bestätigt, dass es ihr Autokennzeichen war und dass die Frau, die ihn gefahren hat, ein Zimmer gemietet hat.«

»Die Frau?«, fragte Pierce.

»Eine zierliche Frau mit schulterlangem, dunklem Haar.« Tessa zog ein Foto aus ihrer Handtasche. »Ich habe die Geschichte des Managers persönlich überprüft. Er hat mir eine Aufnahme gegeben, die mit der Fotokamera an der Rezeption gemacht wurde.« Sie reichte ihm das Foto.

Er musterte die grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahme und hielt sie schließlich direkt vor sein Gesicht, um sie eingehender zu betrachten. »Die Frau sieht aus wie Madison, das muss ich zugeben. Allerdings trägt sie im Haus eine Sonnenbrille. Das wirkt verdächtig.«

»Du hast recht. Das ist auch der Grund, warum ich die Kreditkarte gleich mehrfach überprüft habe. Die Frau auf dem Foto hat Madisons Wagen gefahren und mit ihrer Kreditkarte bezahlt. Was hatte Madison an, als du sie zum letzten Mal gesehen hast?«

Er umklammerte die Fotografie so fest, dass er sie zerknitterte. Er zwang sich, die Finger zu entspannen. »Jeans und eine weiße Bluse, mit kleinen, pinkfarbenen Blumen darauf. Dasselbe Outfit wie die Frau auf dem Foto.«

»Das hier sieht immer weniger nach einer Entführung aus«, sagte Tessa.

Matt verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist einfach lächerlich.«

Sie sah ihn an, als wäre er eine lästige Fliege, die summend um ihre Köpfe herumschwirrte. »Es ist nur eine logische, auf Fakten basierende Schlussfolgerung.«

»Dennoch, es ergibt keinen Sinn«, sagte Pierce. »Warum sollte Madison sich aus dem Haus schleichen und ein Motelzimmer mieten? Sie ist eine erwachsene Frau. Wenn sie sich mit einem Mann treffen will …«, er schluckte und räusperte sich. »Wenn das ihre Absicht wäre, könnte sie das jederzeit tun. Es besteht kein Grund zu Heimlichkeiten.«

»Du hast recht«, gab Tessa zu. »Aus diesem Grund fahre ich auch noch einmal zurück zum Motel. Ich werde noch mal nachhaken, vielleicht finde ich weitere Augenzeugen. Aber dafür brauche ich ein Foto von Madison. Ich habe gesehen, dass in ihrem Arbeitszimmer Fotos von ihr sind. Ich nehme mir eins von denen.« Sie wollte zur Tür gehen, doch Pierce trat ihr in den Weg.

»Nicht nötig.« Er zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche und zog ein Foto von Madison heraus, das aus ihrer gemeinsamen Zeit stammte. Er hatte sich nicht überwinden können, es wegzuwerfen.

Kommentarlos überreichte er Tessa das Foto.

Bei ihrem mitfühlenden Blick biss er die Zähne zusammen.

»Ich sorge dafür, dass du es zurückbekommst.« Mit diesen Worten verließ sie eilig das Haus.

Matt sah ihr stirnrunzelnd nach. »Ich rufe Braedon an und frage ihn, wie weit sie sind, damit ich die abgesuchten Gebiete auf der Karte eintragen kann.« Er hatte die Hand bereits an der Türklinke und blieb abwartend stehen. »Kommst du?«

Pierce holte sein Handy aus der Tasche. »Ich muss erst noch einen Anruf machen, den ich schon länger aufgeschoben habe. Ich bin in einer Minute bei dir.«

Matt nickte und ging in die Küche.

Pierce trat zum Fenster, das den Blick auf den Garten freigab, und tippte eine Nummer ein. Jene Nummer, die er seit der Schießerei immer wieder anzurufen gedroht hatte.

»Hey, Pierce«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Ich hoffe, es ist wichtig. Ich bin … gerade etwas beschäftigt.«

Pierce drückte die Stirn gegen das kühle Glas der Fensterscheibe und schloss die Augen. »Logan, Madison ist in Schwierigkeiten.«

Madison atmete gerade ein weiteres Mal tief ein, um laut nach Hilfe zu schreien, als der Kofferraumdeckel geöffnet wurde.

Ein Stück hellblauen Himmels wurde sichtbar und ließ sie blinzeln, bis sich ihre Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten. Dann tauchte eine dunkle Gestalt in ihrem Blickfeld auf, und plötzlich drückte ihr jemand ein Stück rauen Stoffs auf Mund und Nase.

Sie schlug um sich und versuchte, den Kopf wegzudrehen, um dem Stofflappen zu entfliehen, der einen süßlichen Geruch verströmte. Es war derselbe Geruch, den sie auch in ihrer Küche wahrgenommen hatte. Sie versuchte, den Atem anzuhalten und gleichzeitig gegen den festen Griff des Unbekannten anzukämpfen. Ihre Lunge brannte. Sternchen tanzten vor ihren Augen, und schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als nach Luft zu schnappen.

Die Welt um sie herum versank in Dunkelheit.

Pierce weigerte sich, Madisons Haus zu verlassen – vielleicht würde ja jemand anrufen, um eine Lösegeldforderung zu stellen.

Hamilton weigerte sich ebenfalls zu gehen, denn vielleicht würde Madison ja auf wundersame Weise wieder auftauchen. Er war immer noch nicht davon überzeugt, dass sie entführt worden war. Genauso wenig wie Tessa.

Pierce hingegen hatte inzwischen keine Zweifel mehr.

Madison war jetzt seit mehr als sechs Stunden verschwunden. Sie wäre niemals so lange weggeblieben, ohne mit ihm Kontakt aufzunehmen. Ihr wäre klar gewesen, dass er sich Sorgen machte, und das hätte sie nicht gewollt, ganz gleich, welche Probleme sie in der Vergangenheit miteinander gehabt hatten. Etwas Schlimmes war passiert. Er spürte es. Ihm blieb nichts weiter übrig, als zu beten, dass er sie bald fand.

Er weigerte sich, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ihm das vielleicht nicht gelingen könnte.

Tessa hatte sich auf eins der beiden Sofas im Wohnzimmer gesetzt, um Lieutenant Hamilton über das zu informieren, was sie herausgefunden hatte. Matt war mit dem B&B-Team unterwegs, um Madison zu suchen. Und Pierce hatte Hamilton von dem Foto berichtet, das Tessa aus dem Motel mitgebracht hatte.

Der Lieutenant freute sich über die zusätzliche Hilfe bei der Lösung des Falles, deshalb war er auch nicht aufgebracht, als er hörte, dass Tessa weitere Nachforschungen angestellt hatte. Pierce fand, dass er sich ein bisschen zu sehr freute, vor allem darüber, dass die neuen Informationen die Entführungsthese nicht stützten.

»Okay«, sagte Tessa. »Der bisherige Stand der Ermittlungen ist folgender: Ich habe mit mehreren Augenzeugen gesprochen, die eine Frau gesehen haben, auf die die Beschreibung von Madison McKinley passt und die ihren Wagen gefahren hat, was durch die Fotos des Autokennzeichens bestätigt wird. Die Frau wurde dreißig Minuten nach Madisons Verschwinden im Super 8 Motel an der Interstate 95, also südlich der Stadt, gesehen. Die fragliche Person benutzte Mrs McKinleys Kreditkarte, um sich ein Zimmer zu mieten.«

Sie warf Pierce einen entschuldigenden Blick zu. »Die Gesuchte wurde gesehen, wie sie das Motelzimmer zusammen mit einem Mann betrat, der der Beschreibung des Unbekannten entspricht, den Mrs McKinley kürzlich durch den Forsyth Park gejagt hat – das ist der Vorfall, bei dem auf Special Agent Buchanan geschossen wurde. Eine halbe Stunde später wurden die Gesuchte und der nicht identifizierte Begleiter dabei beobachtet, wie sie das Motel wieder verließen und in Mrs McKinleys Wagen wegfuhren.«

Pierce umfasste die Sofalehne mit festem Griff. »Wenn es sich bei der Frau um Madison gehandelt hat, dann wurde sie dazu gezwungen. Der Mann muss eine Pistole auf sie gerichtet haben.«

Sie schüttelte den Kopf. »Das deckt sich aber nicht mit dem, was die Augenzeugen beobachtet haben.«

»Vielleicht hatte er eine Pistole unter seiner Jacke versteckt. Nur weil sie niemand gesehen hat, heißt das nicht, dass sie nicht da gewesen ist.«

Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Sie wurden dabei beobachtet, wie sie sich auf dem Parkplatz leidenschaftlich küssten. Ich habe das Foto mit eigenen Augen gesehen.«

Er schüttelte ihre Hand ab. »Mir ist klar, dass alle glauben, dass mein Urteilsvermögen aufgrund meiner früheren Beziehung zu Madison beeinträchtigt ist. Und vielleicht stimmt das ja auch. Dennoch, insgesamt gibt es einfach zu viele Dinge, die dagegen sprechen, dass sie mit dem Unbekannten unter einer Decke steckt. Argumente, die man nicht ignorieren kann.«

»Wie zum Beispiel?«, fragte Hamilton. Er hob beschwichtigend die Hände, als Pierce ihn grimmig ansah. »Es ist mein Ernst. Wenn es etwas gibt, das ich übersehen habe, dann sagen Sie es mir. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich voreilige Schlüsse ziehen würde. Genauso wie Sie bin ich bereit, Fehler zuzugeben. Geben Sie mir etwas, womit ich arbeiten kann. Es gibt keine Lösegeldforderung, keine Nachricht, keinen Telefonanruf, rein gar nichts, was darauf hindeutet, dass Mrs McKinley gegen ihren Willen weggefahren ist. Alles deutet auf das Gegenteil hin. Also sagen Sie mir, was Sie denken. Geben Sie mir etwas, damit ich Ihre Einschätzung der Lage besser verstehe.«

Pierce seufzte frustriert. »Abgesehen von dem offenkundigen Argument, dass Madison kein Motiv hat, die Polizei anzulügen …«

»Zumindest keins, von dem du weißt«, wandte Tessa ein.

»Also gut. Keins, von dem wir wissen. Abgesehen von dem Fehlen eines Motivs, das alles klingt zu … glatt.«

»Zum Beispiel?«, fragte Tessa.

»Als Erstes die Sache mit dem Motel. Wie hast du herausgefunden, dass sie dort abgestiegen ist?«

»Ich habe ihre Kreditkartenbewegungen überprüft, festgestellt, dass die Karte belastet worden ist, und bin zu dem Motel gefahren, um Nachforschungen anzustellen. Die übliche Vorgehensweise.«

»Genau. Madisons Bruder ist Polizeichef. Davor hat er als Detective in New York gearbeitet. Madison und Logan stehen sich nahe. Ich weiß ganz genau, dass sie bei mehreren Gelegenheiten über polizeiliche Verfahrensweisen gesprochen haben. Sie kennt sich mit den standardmäßigen Polizeimethoden aus. Wenn sie wirklich verschwinden wollte, dann würde sie nicht ihre Kreditkarte benutzen. Und ganz sicher würde sie kein auffälliges, rotes Cabrio als Fluchtauto benutzen.«

Das schien Hamilton zu denken zu geben. »Wenn man es so ausdrückt, dann klingt es tatsächlich weit hergeholt. Bei der Sorgfalt, mit der alles Übrige ausgeführt wurde, erwartet man diese Art von Fehler nicht.«

Pierce nickte, erleichtert darüber, dass Hamilton ihm wenigstens zuhörte. »Die Sprinkleranlage war ebenfalls zu viel des Guten. Falls Madison wirklich ein Ablenkungsmanöver inszenieren wollte, damit sie unbemerkt das Haus verlassen konnte – hätte sie sich dann nicht für eine zuverlässigere Methode entschieden? Sie konnte nicht wissen, dass die Leute von B&B ausgerechnet an diesem Tag kommen würden und wie lange es dauern würde, bis das Wasser über die Straße floss. Es hätte ziemlich viel Zeit vergehen können, bis jemandem etwas aufgefallen wäre. Die Sprinkleranlage war kein wirklich gutes Ablenkungsmanöver.«

Hamilton schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Vielleicht haben Sie recht«, gab er zu. »Es könnte aber auch sein, dass Mrs McKinley in Panik geraten ist, als ihr klar wurde, dass ich mir einen Durchsuchungsbefehl besorgen würde. Die Bewässerungsanlage zu sabotieren war das Einzige, was ihr einfiel. Es war kein perfekter Plan, aber es hat funktioniert. Sie könnte durch das hintere Schlafzimmer nach draußen gegangen sein. Ohne gesehen zu werden.«

Pierce verschränkte die Arme vor der Brust. Hamiltons Theorie war einleuchtend, und es fiel Pierce schwer, ihm zu widersprechen.

Tessa zog eine Aktenmappe aus ihrer Handtasche. Sie legte sie auf den Tisch und holte einen dünnen Stapel Schwarz-Weiß-Fotos heraus. »Das hier sind die Aufnahmen, die die Sicherheitskamera des Motels geschossen hat. Die Qualität lässt zwar zu wünschen übrig, aber ich fand sie dennoch ziemlich überzeugend. Das Autokennzeichen ist deutlich zusehen.« Sie reichte Pierce die Fotos.

Er betrachtete sie gut eine Minute, bevor er sie wieder auf den Tisch warf. »Das ist zwar Madisons Auto, aber die Frau ist nicht Madison.«

Sie nahm die Fotos in die Hand und studierte sie gründlich. »Wie kommst du darauf?«

»Irgendetwas stimmt nicht, aber ich bin mir noch nicht sicher, was es ist. Ich komm schon noch darauf. Aber eine Sache kann ich dir jetzt schon sagen: Wer immer die Frau auf dem Foto ist, sie gibt sich alle Mühe zu verhindern, dass die Kamera eine gute Aufnahme von ihrem Gesicht schießen kann.«

Tessa sah sich noch einmal in Ruhe jedes einzelne Foto an. »Du hast recht. Ihr Gesicht ist auf keiner Aufnahme vollständig zu sehen. Auf der einen Hälfte der Fotos trägt sie eine Sonnenbrille, und auf den übrigen Aufnahmen dreht sie das Gesicht zur Seite. Alles, was man sicher sagen kann, ist, dass sie dunkles Haar und eine ähnliche Figur wie Mrs McKinley hat und dass sie dieselbe Kleidung trägt.« Sie sah ihn an. »Bei der Kleidung sind wir uns aber einig, stimmt’s?«

»Ja, das sind Madisons Kleider.« Er versuchte nicht daran zu denken, was es bedeuten mochte, wenn jemand ihr ihre Kleider ausgezogen hatte. Der Gedanke war einfach zu schmerzhaft.

»Nehmen wir mal an, dass Sie recht haben und sie wirklich entführt worden ist. Wie sieht Ihre Theorie aus?«, fragte Hamilton.

»Madison ist ursprünglich nach Savannah gekommen, weil jemand an ihrer Stelle ein Kündigungsschreiben an ihre Immobilienfirma geschickt hat. Außerdem ist der Mann, der sich einmal in der Woche um den Garten gekümmert hat, verschwunden. Zumindest ist das meine Vermutung. Haben Sie eigentlich inzwischen persönlich mit Newsome gesprochen?«

Hamilton schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es ist auch keine Vermisstenanzeige aufgegeben worden.«

»Vielleicht hat er keine Familie, die ihn vermisst melden könnte«, schlug Tessa vor.

»Möglicherweise. Ich kann jemanden damit beauftragen, das zu überprüfen.«

»Das wäre ein Anfang«, stimmte Pierce zu. »Also, welchen Gewinn hätte jemand davon, der Immobilienfirma zu kündigen und möglicherweise den Gärtner verschwinden zu lassen?«

»Weil er oder sie nicht möchte, dass jemand dieses Haus überprüft«, sagte Tessa.

»Richtig. Wenn wir davon ausgehen, dass Madison heute Morgen entführt worden ist, dann ist anzunehmen, dass der Entführer dieses Haus sehr gut kannte. Er kannte einen zweiten Weg ins Haus, sodass er sie entführen konnte, ohne dass ihn jemand dabei beobachtete. Und wenn wir dann noch die Botschaften, die Anrufe und die zerstörten Gartengeräte mitbedenken …«

»Es geht um das Haus«, sagte Tessa.

Pierce nickte. »Es wirkt jedenfalls so. Ich glaube, dass jemand in diesem Haus gewohnt hat, und dass er sowohl den Immobilienmanager als auch den Gärtner loswerden wollte, damit sie ihn nicht anzeigten. Der Großteil der Nachbarn verbringt den Winter nicht in Savannah, also kann auch niemand wissen, dass das Haus eigentlich leer stehen sollte. Niemand würde es der Polizei melden, wenn nachts mal Licht im Haus brennt oder ein Auto vor der Tür parkt. Als Madison herflog, um sich zu vergewissern, dass mit dem Haus alles in Ordnung war, und dann blieb, beschloss der Unbekannte, ihr das Leben schwer zu machen oder sie einzuschüchtern, damit sie freiwillig ging.«

»Wenn es wirklich so ist, warum dann die Entführung?«, fragte Hamilton.

»Er wollte sichergehen, dass die Botschaft ankommt«, vermutete Tessa.

»Und welche Botschaft wäre das?«, fragte der Lieutenant.

»Dass er sie aus dem Haus haben will.«

Pierce schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Tessa. Ich glaube, dass er ihr am Anfang wirklich nur Angst einjagen wollte, aber mittlerweile macht ihm die ganze Sache Spaß. Er hat seine Pläne geändert. Die Aufmerksamkeit, die er erregt hat, und die Polizeiermittlungen sind ihm egal. Denkt mal darüber nach – wenn er immer noch darauf aus wäre, sie zum Gehen zu zwingen, damit er im Haus wohnen könnte, dann würde er vermeiden, dass die Polizei mit hineingezogen wird. Nach allem, was passiert ist, könnte er mittlerweile ohnehin nicht mehr hier wohnen.«

»Und welchen Plan verfolgt er nun?«, fragte Tessa.

Seine Finger krampften sich so fest um die Stuhllehne, dass sie zu schmerzen begannen. »Wenn ich das nur wüsste.«