Kapitel 9

 

Die Malerei ist die einzige Kunstform, die in Westfall vom einfachen Volk ebenso sehr geschätzt wird wie von seinen Herren. Ein Maler beginnt seinen Tag nicht selten mit einem neuen Schild für eine Schlachterei und beendet ihn mit dem Portrait einer anmutigen Schönheit aus höheren Kreisen. Bei Ersterem ist Handwerkskunst gefragt, bei Letzterem Fantasie und diplomatisches Geschick.

Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1

 

Im Hof wurden Leichen verbrannt.

Syrah stand am Fenster ihres Gemachs und betrachtete die Feuer. Jeden Tag wurden es mehr. Die zunehmenden Angriffe der Nachtschatten rissen tiefe Löcher in die Verteidigungslinien. Sogar vier Magier waren bereits gefallen.

Doch die Leichen, die in den Feuern lagen, waren keine Menschen. Nachtschatten verbrannten dort unten, Saboteure und Verräter, die dank Adelus' Überprüfungen entdeckt worden waren.

Syrah dachte an die Worte, die Korvellan geschrieben hatte, als sie ihm davon berichtete. Aber was, wenn Adelus keinen Zauber gefunden hat, der uns offenbart, sondern nur einen, der Fell in den Handflächen sprießen lässt?

Sie strich die Papierfetzen glatt, die ihr heimlich aus dem Kerker zugespielt wurden. Ihre Hände wirkten alt, so viel älter als damals, als sie Korvellan berührt hatten. Wie viel war seitdem geschehen, wie sehr hatten sie sich verändert.

Sie dachte an den Soldaten im Thronsaal, den sie für ihren Mörder gehalten hatte. Mefrouw. So hatte er sie genannt. Selbst Tage danach klang das Wort noch in ihrem Geist nach. Es brachte Erinnerungen an Rickard mit, an den einen Besuch in Somerstorm bei dem ehemaligen Sklavenhändler, den sie so verabscheut hatte, und bei seiner kalten Frau.

Fürsten hatten sie sich genannt, dabei waren sie nur Pack, das zu Reichtum gekommen war. Balderick hatte das nicht gestört. Er hatte das Gold gesehen und einer Verlobung zwischen ihrem einzigen Sohn Rickard und Ana Somerstorm zugestimmt.

Vielleicht hätte sie ihm das ausreden können, denn Balderick war ein dummer Mann gewesen, der dazu neigte, die Ideen anderer für seine eigenen zu halten, wenn man nur lange genug auf ihn einredete. Aber Rickard hatte sich in Ana verliebt. Nur einmal danach hatte sie ihn so voller Glück gesehen, an dem Tag, als er in den Krieg gegen die Nachtschatten aufbrach, um ein Held zu werden.

Syrah schloss die Augen. Schmerz stieg bitter und heiß in ihr auf. Ihre Hände zitterten. Nur zwei Menschen hatte sie in ihrem Leben wirklich geliebt, und nun war der eine wegen der Pläne des anderen tot. Und doch konnte sie nicht aufhören, den anderen zu lieben.

Was bin ich nur für eine Mutter?, dachte sie, verstört über sich selbst. Sie öffnete die Augen. Satzfetzen, geschrieben in Korvellans präziser, gerader Handschrift, ragten unter ihren Fingern hervor.

unsere Tochter finden. Wenn Craymo

Fehler, die ich gemacht habe und die ich ber

dringend mit Craymorus sprechen. Ich verstehe nicht, wesh

war zu riskant, mich befreien zu wollen. Mach dir keine Sorgen, wir Vergangene werden uns

Syrah zuckte zusammen, als jemand an der inneren Tür ihrer Gemächer klopfte. Hastig faltete sie die Zettel zusammen und schob sie in den Ärmel ihres Kleides.

»Ja«, sagte sie dann. Ihre Stimme klang, als hätte sie geweint. Syrah strich sich mit den Fingerspitzen über die Wange. Sie war feucht.

Ein Soldat, den sie nicht kannte, öffnete die Tür. Craymorus hatte den Offizieren befohlen, nur Überprüfte als Wachen einzuteilen. Dass bisher niemand von ihrer Leibgarde dem Test unterzogen worden war, überraschte Syrah nicht.

»Sergeant Nyrdok wünscht, Euch zu sprechen, Fürstin«, sagte der Soldat.

»Lass ihn rein, und schließe die Tür.«

»Ja, Fürstin.«

Der Soldat verschwand. Seine Schritte hallten durch die vorderen Gemächer. Es gehörte sich nicht, einen fremden Mann in den eigenen Schlafgemächern zu empfangen, aber es war der einzige Raum, in dem sie sich sicher fühlte.

Syrah setzte sich an den kleinen Tisch unterhalb des Fensters. Das Licht der Morgensonne fiel als weißes Rechteck darauf. Sie wusste, dass es auch ihre Haare berührte und ihnen einen besonderen Schein verlieh.

Sie schlug die Beine übereinander und legte die Hände auf die Knie. Als junges Mädchen hatte ihre Mutter ihr beigebracht, wie eine Fürstin sitzen, stehen und sogar liegen musste. Syrah hatte sich stets daran gehalten.

»Sergeant«, sagte sie freundlich, als Nyrdok eintrat. »Ich hoffe, deine Familie ist wohlauf.«

Nyrdok kniete nieder. »Danke, Fürstin, allen geht es gut.«

Der Soldat schloss die Tür. Syrah wartete auf das Geräusch seiner Schritte, aber es blieb aus.

Nyrdok sah auf. Sie legte den Zeigefinger auf ihre Lippen und winkte ihn heran. Er sah schlecht aus. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Haut teigig. Als er näher kam, roch Syrah den Wein in seinem Atem.

»Wir müssen leise sein«, flüsterte sie. »Man belauscht uns.«

Nyrdok warf einen Blick zur Tür und nickte. »Ich war gerade bei Craymorus, Fürstin«, sagte er ebenso leise. Er nannte ihren Gatten nie bei seinem Titel. Keiner der Männer, die loyal zu ihr standen, tat das. Sie hatte sie noch nicht einmal darum bitten müssen.

Nyrdok fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht. »Er sagte, Adelus hätte seinen Zauber verbessert. Er will meine Männer noch einmal überprüfen lassen, und ich denke, auch Eure.«

»Das war zu erwarten. Craymorus' Puppenspieler wissen, dass ihre Macht über ihn schwindet, wenn es keine Nachtschatten mehr zu entdecken gibt.«

Nyrdok blinzelte. »Das ist nicht alles, Herrin. Seine Hure … verzeiht bitte, seine …«

Syrah winkte ab. Ich wünschte, sie wäre nur eine Hure, dachte sie. »Fahre fort.«

»Ja, Fürstin. Nun, sie betrat das Zimmer, als Craymorus mir das erklärte. Sie sagte, alle müssten überprüft werden, damit das Volk sich sicher fühle, vor allem die, die ganz oben sind, so wie er und …«

»Ich«, sagte Syrah. Sie schüttelte den Kopf. »Das würden sie nicht wagen.«

»Fürstin.« Nyrdok sah sich um, als befürchte er, Adelus stünde bereits hinter ihm. »Wenn Craymorus wüsste, dass Ihr versucht habt, Korvellan zu befreien, wäret Ihr bereits tot.«

Nyrdok und Forderak waren dagegen gewesen, aber Syrah hatte auf dem Versuch bestanden. Nur die Geistesgegenwart des Kerkermeisters, der den Wachmann, der ihn entdeckt hatte, niederschlug, und Nyrdok, der den Mann tötete, bevor er etwas sagen konnte, hatten sie gerettet.

»Wir stehen loyal zu Euch, Fürstin«, fuhr Nyrdok fort, »so wie wir es immer getan haben, unser ganzes Leben lang. Ich würde keinen Eurer Befehle je hinterfragen, weil ich weiß, dass Ihr mehr von der Welt versteht als ich. Aber dieses eine Mal, Herrin, verstehe ich vielleicht doch mehr als Ihr. Bitte hört auf mich. Verlasst Westfall.«

Syrah hätte ihm beinahe ins Gesicht gelacht. »Niemals. Mein Sohn und mein Gatte sind für dieses Land gestorben. Ich habe …«

… die Liebe meines Lebens dafür aufgegeben, wollte sie sagen, »… viel dafür geopfert. Ich werde es nicht einem Krüppel und seiner Hure überlassen.«

Sie stand auf. Nyrdok trat rasch einen Schritt zurück. »Fürstin …«

Syrah ließ ihn nicht ausreden. »Ich danke dir.« Sie bemerkte, dass sie zu laut sprach und senkte die Stimme. »Geh jetzt zurück auf deinen Posten. Ich werde dich rufen lassen, wenn ich neue Befehle für dich habe.«

»Ja, Fürstin.« Er senkte den Kopf. Seine Schultern sackten herab wie die eines geschlagenen Mannes, der das Henkersbeil bereits im Nacken spürte.

Er war dem Druck, der auf ihm lastete, nicht mehr gewachsen, das wurde Syrah in diesem Augenblick klar.

»Sieh mich an, Nyrdok.« Sie wartete, bis er ihr in die Augen blickte, dann sagte sie: »Du bist mein wertvollster Soldat. Du bist mein General. Wenn wir gesiegt haben – und wir werden siegen –, dann wirst du den Rang bekommen, der dir nach all den Jahren zusteht.«

Sie sah, wie sich sein ganzer Körper straffte. »Ihr meint …«

»Ja. Wenn ich Herrin von Westfall bin, wird man dich General Nyrdok nennen.« Er schien zu einem zweifellos langen und emotionalen Dank ansetzen zu wollen, aber Syrah zeigte zur Tür. »Geh.« Sie zwang sich zu einem Lächeln.

Es verschwand, als Nyrdok die Tür hinter sich schloss.

Er ist ein Narr, dachte Syrah, aber mit einem hat er recht: Ich muss endlich handeln.

Sie zog die Zettel aus ihrem Ärmel und ging zum Kamin. Das Feuer, das ihre Gemächer bei Nacht erwärmte, war fast niedergebrannt. Zwei Holzscheite glühten noch in der Asche. Kleine Flammen krochen darüber.

Syrah war in die Vergangenheit geflohen, hatte zugelassen, dass die Gegenwart sie vergaß und die Zukunft keinen Platz mehr für sie hatte.

»Es ist noch nicht zu spät«, flüsterte sie, »weder für mich noch für Westfall noch für …«

Sie ließ die Zettel los. Das Papier fing Feuer, noch bevor es die Holzscheite berührte. Die Flammen loderten für einen Augenblick auf, verschlangen Worte und Gedanken.

»… uns«, sagte Syrah.

 

 

»Aus dem Weg.«

Die beiden Leibgardisten sahen sich an.

Syrah blieb vor ihnen stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. »Ich sagte: Aus dem Weg!«

Beide zögerten, dann rang sich der rechte und jüngere der beiden zu einer Antwort durch. »Der Fürst verlangt, dass wir jeden Besucher ankündigen.«

Syrah drängte sich an ihm vorbei. »Ich bin seine Gemahlin, kein Besucher, Soldat«, sagte sie, während sie die Tür bereits aufstieß. »Ich brauche weder eine Ankündigung noch eine Erlaubnis.«

Sie warf die Tür hinter sich zu. »Ja, Herrin«, hörte sie den Soldaten dumpf durch das Holz sagen.

Craymorus war in Baldericks Gemächer gezogen, so wie es sich für ihn gehörte, aber er hatte nichts verändert. An den Wänden hingen immer noch Jagdwaffen und ausgestopfte Tierköpfe, die alten, dunklen Holzmöbel, die Balderick so geschätzt hatte, standen immer noch so, wie er sie aufgestellt hatte. Es roch sogar noch nach Balderick. Nur ein paar Schriftrollen auf einem der Tische verrieten, dass nun ein anderer diese Räume bewohnte.

Er lebt hier wie ein Gast, dachte Syrah, so als wisse er, dass er nicht lange bleiben wird.

Der Raum war leer, aber die Tür zum Schlafgemach stand offen. »Craymorus?«, rief Syrah. »Ich muss mit dir reden.«

Sie wartete. Niemand antwortete, aber sie glaubte ein trockenes Rascheln zu hören.

Langsam ging sie durch den Raum. Die tiefen Teppiche dämpften ihre Schritte.

»Craymorus?«, sagte sie.

Das Rascheln verstummte. Syrah blieb im Türrahmen des Schlafgemachs stehen. Die Vorhänge waren zugezogen, das Feuer ausgegangen. Der Raum lag im Halbdunkel.

Etwas bewegte sich auf dem breiten Bett. Es wölbte die Decken und Felle, glitt unter ihnen hindurch wie eine Schlange. Es raschelte wie Papier. Ein seltsam metallischer Geruch hing in der Luft.

Syrah wich zurück, nahm den Blick jedoch nicht von dem Ding unter der Decke. Es blähte sich auf und fiel in sich zusammen, so als würde es atmen. Etwas an seiner Form, den fließenden, weichen Bewegungen ekelte Syrah. Sie hustete.

Das Ding verschwand. Von einem Lidschlag zum nächsten lagen die Decken still. Unwillkürlich sah Syrah zu Boden, erwartete beinahe, etwas auf sich zukriechen zu sehen, aber da war nichts.

Sie drehte sich um. Mellie stand vor ihr.

Syrah hätte beinahe geschrien, doch sie biss sich auf die Lippen. »Wo ist der Fürst?«, fragte sie, um den Schreck zu überspielen.

Mellie neigte den Kopf. »Verzeiht, Herrin, das weiß ich nicht. Ich wollte hier nur etwas saubermachen.«

Wo kommt sie her?, fragte sich Syrah. Die Tür hätte sie gehört, und durch eines der geschlossenen Fenster hätte sie auch nicht klettern können. Wozu auch?

Ihr Blick fiel auf das Bett. Sie schüttelte sich innerlich. Nein, das kann nicht sein.

»Wenn du ihn siehst, dann sag ihm, dass ich ihn zu sprechen wünsche«, sagte Syrah. Sie ging so dicht an Mellie vorbei, dass die ausweichen musste.

»Ja, Herrin.«

Ihre Unterwürfigkeit war ekelerregend. Syrah schluckte ihre Wut hinunter. Sie legte die Hand auf die Türklinke, doch dann zögerte sie.

Ich bin es so satt, dachte sie, so satt.

Sie drehte sich um. »Wo ist meine Tochter?«

Mellie hielt den Kopf immer noch gesenkt. Das lange Haar verdeckte ihr Gesicht. »Ich verstehe Eure Frage nicht, Herrin. Von welcher Tochter sprecht …?«

»Lass das. Du und der Krüppel, ihr habt sie entführen lassen. Ich will wissen, wo sie ist.«

»Krüppel? Cray würde es sicher nicht gefallen, wenn er wüsste, wie du von ihm redest.«

»Die Peitsche wird dir deine Unverschämtheit austreiben, du kleine …«

Mellie hob den Kopf. Syrah unterbrach sich. Sie wich zurück, prallte mit dem Rücken gegen die Tür.

Die Unterwürfigkeit war aus Mellies Blick verschwunden. Alles war daraus verschwunden. Syrah glaubte in einen Abgrund zu starren, in einen dunklen Schacht, so tief, dass sie auf ewig fallen würde. Kein Leben lag in diesen Augen und kein Tod. Sie waren leer und kalt wie eine wolkenlose Nacht ohne Sterne.

Die Stimme eines Soldaten vor der Tür riss sie aus ihrer Erstarrung. »Alles in Ordnung?«

»Ja«, sagte Craymorus' Stimme aus Mellies Mund. »Ich war nur etwas ungeschickt.« Sie lächelte. Es war eine Grimasse.

»Siehst du«, fuhr sie mit ihrer eigenen Stimme fort. »Ich lerne mit jedem Tag etwas Neues dazu. Wer weiß, wo das enden wird.«

Syrah wollte fliehen, wollte die Tür aufreißen, den Gang hinunterlaufen, über den Hof, durch das Tor, den Hügel hinunter, über den Großen Fluss bis zum Rand der Welt und darüber hinaus.

Sie blieb stehen. Ihre Beine zitterten, ihre Hände waren kalt, ihr Kopf heiß, aber sie blieb stehen.

Ich habe nie an die Vergangenen geglaubt. Ich dachte, sie wären nur ein Märchen. Der Gedanke reizte sie zum Lachen. Sie drängte es in ihre Kehle zurück.

»Wir waren bei meiner Tochter stehen geblieben«, sagte sie. Ihre Stimme klang gepresst. »Wo ist sie?«

»Willst du nicht wissen, wer ich bin?«, fragte Mellie. Nur ihr Mund bewegte sich. Der Rest ihres Gesichts, ihr ganzer Körper blieb reglos. Der Anblick war verstörend.

»Ich weiß, was du bist«, sagte Syrah.

»Wirklich? Wer hat es dir gesagt? Korvellan?« Mellie nickte ruckartig. »Ja, Korvellan. Du bist nicht selbst darauf gekommen, und Cray hast du auch nicht gefragt. Er weiß es, aber er tut nichts. Er hält mich für einen Gott.« Ihr Lächeln kam und ging in einem Lidschlag. »Ich glaube, das kostet ihn den Verstand.«

»Ich will nicht über ihn reden.«

»Ich aber.« Mellies Worte knallten wie ein Peitschenhieb.

Syrah spürte, wie etwas warm über ihre Lippen lief. Sie wischte mit der Hand darüber. Es war Blut. Ihre Nase blutete.

»Er interessiert mich«, sagte Mellie in ihrem starren, leeren Körper. »Ich kann ihn dazu bringen, manche Dinge zu tun, andere nicht. Ich habe ihm gesagt, er solle Korvellan hinrichten lassen, aber er macht es nicht. Das ist seltsam. Ich werde wohl einen anderen bitten, ihn zu töten.«

Syrah spürte einen Stich. Nur die Tür in ihrem Rücken hielt sie noch aufrecht.

»Vielleicht dich.« Mellie hob den Arm und winkte sie heran. »Komm her!«

Syrah ging auf sie zu. Sie ekelte sich vor den leeren Augen und dem reglosen Körper, trotzdem ging sie darauf zu. »Was ist mit meiner Tochter?«

»Sei ruhig.«

Syrah schwieg.

»Geh zum Fenster.«

Syrah war froh, dass sie Mellie den Rücken kehren konnte. Sie ging zum Fenster.

»Öffne es.«

Sie öffnete es. Klare Morgenluft trocknete den Schweiß auf ihrem Gesicht. Dankbar atmete sie ein. Der Wind wehte aus Richtung des Großen Flusses. Sie roch seine Süße.

»Steig auf den Sims.«

Syrah stieg auf den Sims.

Sie hielt sich am Fensterrahmen fest und sah nach unten. Die Menschen auf dem Hof waren so groß wie ihre Hand. Sie sah Kinder, die zwischen den Unterständen und den Feuern spielten. Der Platz vor dem Tor war verschlammt. Einige Magier gingen darauf zu. Über der Stadt stiegen schmale Rauchsäulen auf. Es würde bald regnen.

»Ich kann mit dir machen, was ich will.« Mellies Stimme drang aus dem Zimmer zu ihr auf den Sims. »Wenn du wieder in deinen Gemächern bist, wirst du das erkennen. Ich werde dich nun um einige Dinge bitten. Zuerst Kor…«

Syrah ließ los.

Langsam kippte ihr Körper nach vorn. Sie spürte, wie sich ihre Füße vom Sims lösten, hörte Mellies kaltes »Das habe ich dir nicht befohlen« und sah den Hof tief unter sich. Einen Moment lang war es, als würde sie fliegen, als würde die Luft sie weg von der Festung und hinaus über den Rand der Welt tragen.

Dann fiel sie.

Mit geöffneten Augen stürzte sie den Steinen entgegen.

Der Aufprall riss sie aus der Welt.