FÜNFZEHN

Der Wodka war kalt, die Flasche wanderte zwischen uns hin und her.

»Nachts finde ich es hier wundervoll.« Sarah bohrte ihre Füße in den Sand. Wir saßen auf einem leeren Strand, nicht weit von Fisk Hall entfernt. Der Wind zeichnete weiße Schaumkronen in den See. Wellen schwappten seufzend vor und zogen sich flüsternd zurück.

»Kommst du oft her?«, fragte ich.

»Ab und zu. Wenn es wie jetzt ist.« Sie streckte die Hand aus, ich reichte ihr den Absolut, der einsam und kalt in meinem Kühlschrank gelegen hatte. Sarah trank einen Schluck und gab mir die Flasche zurück.

»Warst du schon mal verliebt, Ian?«

Mein Versuch, schief zu grinsen, haute nicht ganz hin.

»Wie hieß sie?«

»Spielt keine Rolle.«

»Warum hältst du immer alles zurück?«

»Was soll das heißen?«

»Na, du verschließt dich. Oder einen Teil von dir. In der Uni und außerhalb der Uni. Selbst jetzt, wenn wir uns unterhalten.«

Ich schwenkte die Flasche vor ihrer Nase. »Ich glaube, du hast genug.«

»Nein, ich meine es ernst.«

»Ich auch.«

»Vier Jahre Uni, und keiner wusste etwas über dich. Oder nur ganz wenig.«

»Und du glaubst, das war mein Fehler?«

»Das habe ich nicht gesagt.« Sarah malte mit einem großen Zeh in den Sand und senkte den Blick. »Ist es wegen deiner Mom?« Sie schaute hoch. »Tut mir leid. Du willst nicht, dass ich das anspreche, oder?«

»Wenn du der Ansicht bist, dann sprich es auch nicht an. Und wenn du es schon angesprochen hast, dann entschuldige dich hinterher nicht dafür.«

»Ian –«

»Denkst du, ich habe erst angefangen zu existieren, als du mich plötzlich wahrgenommen hast?«

»So habe ich das nicht gemeint.«

Ich wusste, wie sie es gemeint hatte, und hasste mich, weil ich dabei war, uns den Abend zu verderben.

»Mach dir deswegen keine Gedanken.« Ich wischte mir über den Mund. Sarah sah mich aufmerksam an.

»Wirklich, Sarah. Der Zustand meiner Mutter war eine Sache für sich. Und ja, vielleicht war ich deshalb so in mich gekehrt. Aber das ist kein Grund zum Rumjammern.«

»Manchmal tut es aber gut, es auszusprechen.«

»Das weiß ich.« Ich wollte den Schnaps wieder spüren und nahm den nächsten Schluck. »Komm, wir reden über was anderes.«

»Über was?«

»Ist mir egal.«

»Ian.«

»Alles ist okay, Sarah. Wirklich.«

Wir schwiegen und ließen die Nacht ringsum niedersinken. Wir saßen nicht weit vom Wasser entfernt, doch der Wind trocknete die feuchte Luft.

»Soll ich noch was sagen?«, fragte sie.

»Nur zu.«

»Ich bin froh, dass wir uns kennengelernt haben. Auch wenn es gute vier Jahre gedauert hat.« Ihr Lächeln erhellte die Dunkelheit.

»Ich auch.«

»Gut.« Sie neigte sich zu mir und küsste mich sanft und wie selbstverständlich auf den Mund. Sie schmeckte nach Zitrone und Sand. Dann sprang sie auf.

»Wohin willst du?«, erkundigte ich mich.

»Schwimmen.«

»Nicht im Ernst.«

Sie wandte sich um und lief mit leichten Schritten zum Wasser. Auf dem Weg dorthin warf sie ihre Kleidung ab. Ich stand auf und zog meine Klamotten aus. Alles andere wäre ja auch idiotisch gewesen.