1. So viel Krise war nie
Wie mit nahezu allen gesellschaftlichen Neuerungen gilt auch für neue Währungen: Man muss sie erst langsam einführen und härten, bevor sie dem vollen Stress ausgesetzt werden.
Der Euro dagegen wurde 1999 gleich ins »kalte Wasser« geworfen. So viel Unsicherheit, Krisen und Tohuwabohu wie in den letzten 10 bis 15 Jahren war selten. Konsequenz einer solchen Entwicklung kann entweder sein, dass die Währung am Ende besonders stark und krisenerfahren ist oder dass sie ewig kränkelt und anfällig bleibt. Beides kann man vom Euro nicht sagen. Die Krisen haben aber dazu beigetragen, dass er nicht zum Motor der europäischen Integration wurde und dass er heute, über ein Jahrzehnt nach seiner Einführung, weniger populär ist als damals.
Es fing an mit der Asien- und Russlandkrise. Ende der 1990er Jahre gab es in einigen Ländern Südostasiens erhebliche Zahlungsprobleme. Das strahlte dann auf Russland aus. Das Land musste eine Umschuldung mit seinen Gläubigern vereinbaren. Das war damals noch weit weg. Die Europäer konnten sich damit trösten, dass sie nicht die einzige Region waren, in der manches schieflief. Immerhin verloren einige europäische Banken, die in Russland engagiert waren, viel Geld. Die breite Masse der EU-Bevölkerung interessierte sich dafür nicht sehr.
Dann kamen die Einschläge näher und wurden heftiger. Im März 2000 brachen die Aktienkurse im Zuge der New-Economy-Krise zusammen. Gemessen am Deutschen Aktienindex DAX verringerten sie sich über drei Jahre von knapp 8000 auf 2400. Das Aktienvermögen der Sparer, auch das für die Altersvorsorge angesparte, ging auf etwas weniger als ein Drittel zurück. Pensionsfonds mussten Einbußen hinnehmen. Einige Renten wurden gekürzt.
Besonders schwierig auch für die Notenbanken und das Geldwesen war der 11. September 2001 mit dem Angriff der Terroristen auf das World Trade Center in New York. Zeitweise brach der transatlantische Geldverkehr zusammen. Die Europäische Notenbank (die die Amerikaner damals noch nicht richtig kannten und schon gar nicht ernst nahmen) musste improvisieren und binnen weniger Stunden für die internationalen Banken Liquiditätslinien zur Verfügung stellen. Nur so konnte ein Übergreifen der politischen Krise auf die Wirtschaft verhindert werden. Auf die Devisenmärkte musste beruhigend eingewirkt werden.
In den Jahren 2000/2001 sackte dann der Euro auf den Devisenmärkten auf Rekordniveau ab. Manch ein Finanzmarkt-Guru sah das Ende der Gemeinschaftswährung gekommen. Die Abwertung war vor allem für die deutschen Vertreter in der Europäischen Zentralbank eine ganz neue Erfahrung. Das hatten sie zum letzten Mal in den 1980er Jahren bei der Dollar-Hausse unter Präsident Reagan erlebt.
Anfang 2007 brannte es schon wieder. Die ersten Hypothekenbanken in Kalifornien mussten ihre Türen schließen. Die Finanzkrise hatte begonnen. Im Sommer geriet die IKB Industriekreditbank in Düsseldorf in Schwierigkeiten. Kurz darauf war die SachsenLB in Problemen und musste von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen werden. Die Finanzkrise erreichte am 15. September 2008 mit der Pleite der Lehman Bank ihren Höhepunkt.
Viele waren der Ansicht, dass das eine globale Krise war, in die Europa ohne eigenes Zutun geraten war. So einfach war es aber nicht. Weite Teile der Welt, vor allem die Schwellen- und Entwicklungsländer in Asien, Afrika und Lateinamerika, hatten mit der Krise nicht viel zu tun. Es waren die Amerikaner, die die toxischen Wertpapiere, wie man damals sagte, geschnürt hatten, und es waren die Europäer mit einem verletzlichen und wenig widerstandsfähigen Bankensystem, die sich beim Kauf der Papiere über den Tisch ziehen ließen. Die »globale« Finanzkrise erfasste nur die Hälfte der Welt. Und Europa war dabei.
Die Finanzkrise ging beinahe nahtlos über in die schwerste Rezession der Nachkriegszeit. Auch hier stand die Europäische Zentralbank wieder mitten im Feuer. Sie tat alles, um einen Zusammenbruch des Bankensystems und ein stärkeres Abrutschen ihrer Volkswirtschaften zu verhindern. Die Zinsen gingen weiter zurück, als das je in Zeiten der Bundesbank der Fall gewesen war. Auch die EZB kaufte (allerdings weniger als andere) Wertpapiere am offenen Markt, um die Liquidität der Banken zu erhöhen.
Gleichzeitig weiteten sich die öffentlichen Defizite drastisch aus. Die Folge: Das Bewusstsein der Menschen für die Problematik der öffentlichen Verschuldung schärfte sich. Länder mit einer ohnehin schon hohen Defizitquote gerieten in den Fokus. Die EuroKrise begann.
In all dem hat sich die EZB hervorragend geschlagen, besser als die meisten es vorher für möglich gehalten hatten. Der Euro gewann im internationalen Finanzsystem an Statur.