7. Das tägliche Leben wird teurer
Zurück ins Euro-Land. Das, was die Bürger am meisten und unmittelbarsten nach einem Wegfall des Euro spüren würden, sind die Veränderungen an den Grenzen. Wer von einem Mitgliedsland ins andere fährt, müsste wieder Geld umtauschen. Das sind zwar bei jeder Einzeltransaktion nur ein paar Cent (oder Pfennige), in der Summe addiert sich das bei häufigeren Auslandsreisen aber doch. Es ist auch unbequem, in der Tasche immer mehrere Portemonnaies mit unterschiedlichen Münzen und Noten mit sich zu führen. Das ist für Münchner, die zu den Opernfestspielen nach Salzburg fahren, genauso ärgerlich wie für Geschäftsreisende, die von Hamburg nach Brüssel oder Paris (oder in beide Städte) fahren.
Es ist schon jetzt umständlich, dass man bei Fahrten nach Zürich Schweizer Franken mitnehmen muss – obwohl man an der Grenze keinen Pass mehr zeigen muss. Oder dass man sich vor einer London-Fahrt Pfund Sterling besorgen muss. Wie oft passiert es mir, dass ich bei solchen Reisen das nationale Bargeld, das bei mir im Büro liegt, mitzunehmen vergesse und mir dann am Flughafen neues besorgen muss.
Auch Überweisungen ins europäische Ausland wären ohne den Euro teurer, komplizierter und langsamer. Der einzige Vorteil wäre, dass wir uns nicht mehr über die ewig langen Kontonummern in Europa aufregen müssten. Wir könnten die 18-stellige IBAN und die 11-stellige BIC (Swift-Code) wieder in die Tonne treten und stattdessen zu Bankleitzahl und einfacher Kontonummer zurückkehren. Dann würde mancher ärgerliche Fehler nicht mehr passieren.
Ob sich das Reiseverhalten bei einer Abschaffung des Euro ändern würde, möchte ich dennoch bezweifeln. Der Anteil der Urlaubsreisen der Deutschen in die europäischen Nachbarländer hat sich seit der Einführung der Gemeinschaftswährung nicht erhöht; er ist eher gefallen: Nach einer Zusammenstellung des Reisemonitors des ADAC gingen vor der Einführung des Euro 62,4 Prozent der Reisen nach Europa, 2009 waren es nur noch 55,3 Prozent. Stattdessen sind die Reisen innerhalb Deutschlands von 28,9 auf 38,2 Prozent gestiegen, und auch der Anteil der Fernreisen hat sich von 12,4 auf 12,6 Prozent leicht erhöht.
Das ist nicht weiter erstaunlich. Bei Reisen ist es so wie im Außenhandel mit Industriegütern. Man schaut nicht allein auf den Wechselkurs. Zum Teil hat sich der Euro negativ auf die Reisen in Euro-Land ausgewirkt. Italien beispielsweise ist durch die gemeinsame Währung bei vielen Urlaubseinkäufen relativ teuer geworden, weil es keine wechselkursbedingten »Schnäppchen« mehr gibt. Schuhe zu kaufen ist in Italien heute kaum billiger als in Deutschland.
Das Fazit: Rein wirtschaftlich gesehen kann Europa und können die Bürger Europas ohne den Euro leben. Natürlich gäbe es hie und da ein paar Einbußen am Wachstum. Manches wäre nicht mehr so komfortabel und manch ein Unternehmer mehr betroffen als andere. Aber aus wirtschaftlichen Erwägungen würde niemand für die Gemeinschaftswährung auf die Barrikaden gehen. Das, was zur wirtschaftlichen Notwendigkeit des Euro gesagt wird, ist zwar nicht alles falsch, aber das meiste davon ist übertrieben.