Süß!

Nachdem aus der Welt des Computers jeder kleinste Rest des Spielerischen vertrieben wurde, bis dahin, dass die Computerspiele mit ihren endlosen Varianten auf Kampf und Konkurrenz ein reines Spiegelbild der Terrorwelt sind, die wir um uns herum erdulden, müssen Surrogate her, Fetische, quasireligiöse Erinnerungen daran, dass die Welt nicht nur eine Hundekampfarena ist. Der Linux-Tux ist ein sehr gutes Beispiel für solche minderen Ikonen der Erlösung zum Spiel, zum Kindlichen, zum Gelächter. Auf den 21-Zoll-Monitoren der Entwickler sitzt das Knuddelvieh als Erinnerung daran, dass auch sie einmal etwas anderes konnten als konkurrieren (und sei es nur mit Microsoft). Bei den weniger Gewieften reicht es nur zu Bildschirmschonern mit den letzten Korallenfischen vor der Ausrottung, Sonnenuntergängen über einsamen Inseln, auf denen es noch kein Internet gibt, und lustigen kleinen Programmassistenten in Büroklammerform, die einem beschwingt erklären, mit welchen Tricks man den Feind aus dem nächsten Hasenstall im Großraumbüro plattmacht.

Aber Achtung! Eile ist geboten! Denn der Feind hat denselben Programmassistenten, und er könnte schneller sein. Die Kampfhunde in der Arena werden überwacht von quietschbunten, gutgelaunten Schiedsrichtern in Plüsch, die echte Hölle des realen Lebens steht unter der Jurisdiktion von Maskottchen aus den Zeichenfedern von Comickünstlern. Allzuviel Gleichförmigkeit und Normierung schadet nur der Produktivität, daher wird das Milchvieh in Agrarfabriken mit Mozart stimuliert, und die Fließbandkreativen in den PR-Abteilungen, die Salesrats und die Produktmanager dürfen sich über Dilbert-Comics amüsieren. Die Galeerensklaven erzählen einander den neuesten Trommlerwitz, anders ist das Gerudere schon nicht mehr zu ertragen. Wer nicht mitmacht, gilt als Spielverderber, als Miesmacher, schon nicht mitzulachen ist verboten. Der letzte Rest von Freiheit kommt als Schlüsselanhänger in Pinguinform oder als Website mit tanzenden Hamstern auf Leute zurück, die nicht einmal mehr im Traum wissen, wie sie sich diesem Leben noch entziehen sollen.

Bald wird das Internet in eine Art kostenpflichtiges Fernsehen mit Millionen Programmen verwandelt sein, verbraucht auf alle Ewigkeit für die Chancen, die einmal in ihm gesteckt haben mögen, und was wird mit uns, wenn es dann kein neues Spielzeug gibt? Es wird eines geben, keine Sorge. Es wird bunt sein. Man könnte meinen, nach dem Moorhuhn gebe es keine Möglichkeit mehr zur engeren Fusionierung von kindlichem Knuddelbedürfnis und sadistischem Konkurrenzterror. Mehr Irrsinn als im Zwang zum Wegballern des netten und doofen Hühnchens, das man sich gerade zur Traumstunde auf den Schirm geholt hat, scheint kaum denkbar, aber keine Bange, keine Bange, es wird schon irgendwie weitergehen. Das ist ja das Furchtbare.