Tron
Wann war das eigentlich genau, als die totale Durchsetzung des Hollywoodfilms mit Computern auch dem letzten Hinterwäldler anzeigte, dass er in Zukunft um diese Geräte in der einen oder anderen Form nicht würde herumkommen können? Ab wann genau tauchte eigentlich in jedem Film mindestens ein PC auf, entweder als Held oder als Statist? Man denkt an “War Games” oder “Tron”, aber das war weit vor der Zeit, selbst für die Amerikaner. “War Games” (1983) handelte von geheimen Computern des amerikanischen Militärs, und sprach selbst bei den Amerikanern damals nur die Hackerszene an, wie man heute aus den Kommentaren der Veteranen von damals entnehmen kann, und “Tron” (1982) wurde mit Computern hergestellt, war aber eine seltsame Kreuzung aus weit vorausschauender Cyberspace-Opera und völlig antiquiertem SciFi-Gedöhns aus den Vierzigern, so dass es wiederum nur die Computer-Geeks, und selbst unter ihnen nur eine bestimmte Fraktion ansprach. In Deutschland hatte man gerade eben davon gehört, dass Computer zur Erzeugung von Filmen benutzt werden konnten wie beim “Millenium Falcon” aus “Star Wars”, aber die Leute, die wirklich wussten, wie das vonstatten gehen mochte, waren dünn gesäht, zu dünn für eine Durchdringung des Massenbewußtseins. “Blade Runner” (1982) handelte von Androiden, und es ist trotz des berühmten Auftauchens der Atari-Logos in dem Film erstaunlich, wie wenig er sich um die technische Seite der ganzen Story kümmert, möglicherweise ein Reflex auf die Tatsache, wie wenig Philip K. Dick selbst daran interessiert war. Auch der erste “Terminator” (1984) behauptet Technik, statt sie vorzuführen, aber die Szene änderte sich radikal mit Terminator 2 (1991). Ich sah diesen Film 1994. Natürlich war ich immer noch völlig verblüfft von dem sich selbst aus dem Boden schälenden Roboter aus geschmolzenem Metall. Die Schlüsselszene im Bezug auf Computer ist aber eine andere, nämlich jene, in der ein Kind einen Atari Portfolio benutzt, um Geldautomaten auszurauben, was niemanden mehr groß überraschte. Kinder, die mit Computern herumhantierten, waren keine große Sensation mehr: Spätestens 1991 hatte sich im kollektiven Matschbewußtsein die Erkenntnis durchgesetzt, dass Computer unvermeidlich sein würden.
Es dauert aber noch bis 1993, bis der Befehl, dem ich ja seit Jahren schon gehorchte, klar erschallte: In “Im Namen des Vaters” gibt es eine Szene, in der Emma Thompson in der Rolle der Rechtsanwältin von einem hochrangigen britischen Polizisten Erklärungen für die Behandlung ihres Mandanten verlangt. Sie prallt an der Charaktermaske ab. Der Mann sitzt mit arroganter Miene da und erklärt ihr, dass nichts von dem geht, was sie will. Hinter ihm, in einiger Entfernung, steht ein PC, und es ist durchaus bemerkenswert, dass dieser PC leicht anachronistisch wirkt, weil er sich zur erzählten Zeit des Films noch relativ rar machte in Polizeidienststellen. Er steht nur zu dem einen Zweck da, dem Publikum eine Gleichung vorzuführen, an die es im Jahre 1993 bereits gewöhnt war: Uniform + Computer = Macht. Die Tatsache, dass Sneakers, ein Film über alternde Hacker, die noch einmal ihr ganzes Können aufbringen müssen, etwa um die gleiche Zeit gedreht wurde (1992), lässt mich die endgültige Durchsetzung der Computer als Machtmetapher im Massenbewusstsein auf die Jahreswende 1992/93 datieren. Wir leben im Jahr 10 des Computerzeitalters.