39

An diesem ereignisreichen Vorabend des Zweikampfes, etwa eine Stunde vor der Rückkehr Alured de Ashbys von seinem abgebrochenen Ritt nach Leicester, erschien sein Vetter Richard in seinem Vorzimmer, in der Hoffnung, ihn in seiner Wohnung anzutreffen. Er war nicht beliebt bei den Dienern des Hauses, man misstraute ihm allgemein. Kalte, abweisende Blicke von den Knappen und eine schnippische Antwort von einem Pagen, dass der Graf nicht da sei und niemand wisse, wann er zurückkommen würde, war alles, was Richard de Ashby erhielt. Er kehrte in den Schlosshof zurück und schritt langsam auf das Tor zu, wo er seine Pferde bei den Dienern gelassen hatte.

Sir William Geary kam gerade vorbei, blieb aber nicht stehen, sondern sagte nur mit hochmütig spöttischer Miene: »Na, Richard? Du bist auf dem besten Wege, einen vornehmen Mann aus dir zu machen, scheint es.«

»Halt, Geary! Warte!«, rief Richard.

Aber William Geary schritt weiter und versetzte nur: »Ich kann im Augenblick nicht, Richard. Ich bin beschäftigt.«

»Sie sehen mich alle abweisend an«, murmelte Richard de Ashby, während er langsam weiterging. »Haben sie vielleicht etwas gemerkt?« Das Herz stockte ihm bei diesem Gedanken, und die Idee zu fliehen durchzuckte ihn. Aber er fasste sich sofort wieder und dachte: Unsinn! Ich muss nur herausfinden, was passiert ist, dann wird es schon wieder gehen.

Er beschleunigte seine Schritte und hatte den Fuß bereits in den Steigbügel gesetzt, als er seinen Namen rufen hörte. Er schrak zusammen, blickte sich um und stellte fest, das Guy de Margan mit hastigen Schritten auf ihn zu eilte.

»Ich sah Euch von meinem Fenster aus«, sagte der Höfling atemlos. »Ich habe Euch einiges zu berichten. Lasst uns in die Stadt hinabgehen. Eure Diener mit den Pferden sollen uns folgen.«

Richard de Ashby verbannte sofort die Sorge aus seinem Gesicht, denn er wollte nicht, dass ein Mann, der schon mehr von seinem geheimen Treiben wusste, als ihm lieb war, etwas davon mitbekam. Das hätte ihn vielleicht, verbunden mit dem, was er schon wusste, nur auf einige abwegige Vermutungen gebracht.

»Nun, Guy«, sagte er gewollt munter, während sie nebeneinander herliefen, »ich habe gerade erfahren, dass mein edler Vetter, der Graf, nicht da ist. Ich wollte ihn zu einem Nachmittagsritt einladen. Normalerweise verbringt man die letzten paar Stunden vor einem Kampf auf Leben und Tod nicht so. Aber er will nur angeben. Wenn er sich nicht in Acht nimmt, wird er in dem Kampf morgen sein Leben und seinen Ruf verlieren.«

»Vielleicht wäre es das Beste«, sagte Guy de Margan kurz. Und als Antwort auf das erheuchelte Staunen, mit dem Richard de Ashby ihn ansah, fuhr er fort: »Ich kenne Eure Pläne oder Geheimnisse nicht, Richard, ich fürchte jedoch, Ihr werdet gegen Euren Vetter Alured einen schwereren Stand haben als gegen Hugh de Monthermer. Er zweifelt an der Wahrheit der von ihm erhobenen Anklage!«

»Dann hätte er sie nicht erheben sollen!« Richard de Ashby lachte höhnisch. »Was habe ich damit zu tun?«

»Nichts vielleicht«, versetzte Guy de Margan. »Aber er ist nicht gut zu sprechen auf die, deren Angaben ihn dazu verleiteten, die Anklage zu erheben. Ich fand das an mir selbst bestätigt, als ich gestern Abend bei ihm saß. Er war mit gegenüber auffallend unhöflich. Ihr aber seid der Erste auf dieser Liste, Richard!«

»Ach was!«, rief der. »Lasst ihn nur morgen siegen. Der Stolz darauf wird bewirken, dass er uns alle wieder freundlich ansieht. Ich kenne Alured! Wenn das alles ist ...«

»Es ist nicht alles!«, unterbrach ihn Guy de Margan unwillig. »Während ich bei ihm saß, kam ein altes Weib – ein runzliges altes Weib, wie mir die Diener berichteten – aufs Schloss, um ihn in Euer Haus zu rufen, mit einer Botschaft von Euch ...«

»Von mir? Ich war weit weg«, rief Richard de Ashby. »Ging er hin?«, fragte er erregt.

»Ja, und zwar sofort. Ich begleitete ihn und sah ihn in das Haus hineingehen.«

»In der Hölle Namen, warum hieltet Ihr ihn nicht zurück?«, schrie Richard de Ashby. »Ein altes Weib! Es gibt kein altes Weib dort!«

»Vielleicht ging er hin, um das junge Weib zu besuchen, das Ihr dort habt«, sagte Guy de Margan scheinbar gleichgültig.

»Sie soll verflucht sein, wenn sie ...«, rief Richard de Ashby, hielt aber plötzlich inne, ohne den Satz zu beenden.

»Ja«, fuhr Guy de Margan mit demselben erkünstelt gleichgültigen Ton fort, »er trat in das Haus und blieb über eine Stunde dort. Dann sah ich ihn zurückkommen. Später sprach ich mit seinem Knappen Peter, der mir erzählte, er sei die ganze Nacht sehr aufgeregt gewesen und habe ein Schriftstück, das er aus Eurem Haus mitgebracht habe, sorgfältig gesiegelt. Seid vorsichtig, Richard!«

Sie waren jetzt zu einer steilen Treppe gekommen, die einen felsigen Abhang hinabführte. Richard de Ashby blieb oben stehen und befahl, die Pferde unten herumzuführen, während er und Guy de Margan den kürzeren Weg nahmen. Er schwieg, bis sie unten an der Treppe angekommen waren. Hier aber blieb er plötzlich stehen, ergriff hastig den Arm seines Begleiters und schaute ihm forschend ins Gesicht.

»Was meint Ihr damit, Guy de Margan?«, fragte er. »Entweder Ihr wisst tatsächlich etwas, oder Ihr argwöhnt mehr, als Ihr sagt.«

»Ich weiß nichts«, versetzte Guy de Margan, »und ich will auch gar nichts wissen, mein guter Freund. Also sagt mir auch nichts. Was ich vermute, ist eine andere Sache. Aber jetzt hört mich an: Der Tod Hugh de Monthermers würde mir durchaus gelegen kommen. Der Tod des Grafen würde Euch, so habe ich Grund zu glauben, nicht gerade unerwünscht sein. Wenn diese zwei Männer morgen fechten, so wird Euer Vetter Alured, der offenbar an der Gerechtigkeit seiner Sache zweifelt, sicher Hugh de Monthermers unterliegen. Ihr denkt, das würde Euren Zwecken dienlich sein. Aber da irrt Ihr Euch. Nichts wird Monthermer dazu bringen, den jungen Grafen zu töten, und da der Prinz Kampfrichter sein wird, wird er seine Lanze bei dem geringsten Vorwand hinwerfen. So könnten Eure Pläne am Ende durchkreuzt werden, und wir beide würden unsere Hoffnungen in letzter Minute vereitelt sehen. Aber noch etwas ist zu sagen: Ich möchte nicht, dass nur Eure Absichten gefördert werden und die meinen nicht.«

»Aber, Guy de Margan«, rief Richard erbost. »Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich mir um Monthermers Leben Sorgen mache?«

»Genausowenig wie ich mich um das Leben Alured de Ashbys sorge«, antwortete de Margan. »Aber entweder sollen beide sterben oder beide leben, Richard de Ashby! Euer Vetter ist zur Zeit in einer Stimmung, wo nur drei Worte von mir, die seinen Verdacht auf einen anderen lenken, ihn veranlassen würden, seine Anklage zurückzuziehen und dem, den er verleumdet hat, Genugtuung anzubieten. Ja, noch Schlimmeres kann geschehen. Deshalb, Richard de Ashby, kurz und bündig: Ich werde diesen Kampf verhindern, wenn Ihr mir nicht die Versicherung gebt, dass beide sterben!«

»Aber wie kann ich das?«, fragte Richard de Ashby und starrte ihn mit sichtlicher Unruhe an. »Wie kann ich für ein Ereignis bürgen, dessen Ausgang allein in der Hand des Schicksals liegt?«

»In der Hand des Schicksals?«, rief Guy de Margan mit Hohn. »Wenn man dich reden hört, könnte man glauben, du seist so unschuldig wie ein Säugling. Bist du nicht morgen der Kampfzeuge deines Vetters?«

»Ja, das bin ich!«

»Dann belehre ihn, wie er seinen Gegner treffen muss. Sage ihm, er soll nicht auf Schild oder Helm zielen, sondern auf Schultern, Arm, Hals oder Hüfte, wo er nur den bloßen Harnisch sieht.«

»Alured versteht mehr davon als ich«, sagte Richard ablehnend. »Er wird mit seiner Lanze auf ihn losrennen, und dann wird das zäheste Holz, der festeste Sitz im Sattel, die sicherste Hand, das schärfste Auge zum Sieg führen!«

»Ja, aber sagt ihm«, flüsterte Guy de Margan nun, »dass Ihr seine Zweifel kennt und dass er nur im Kampf zu Fuß hoffen kann, den Sieg davonzutragen. Fragt ihn, ob er jemals gesehen hat, dass Hugh de Monthermer durch einen heftigen Lanzenstoß aus dem Sattel gehoben wurde, wer immer sein Gegner auch war. Und zeigt ihm, dass, wenn er ihn an der Seite trifft und ihn im Sattel zum Schwanken bringt, er ihn ohne Zweifel zu Boden zwingen kann.«

»Was soll das alles?«, fragte Richard ungeduldig. »Einer von beiden wird den Sieg davontragen, so ist das eben.«

»Eben nicht!«, rief Guy de Margan. »Ich will Euch ein Mittel verraten, das, wenn Ihr nur mit Sicherheit dafür sorgen könnt, dass sich die Spitze von Alured de Ashbys Lanze in Hugh de Monthermers Leib bohrt, so gewiss den Tod herbeiführt, als sei sie mitten durch sein Herz gedrungen. Ein einfacher Kratzer genügt! Als ich im Lande der alten Römer war, das jetzt voll ist von Mönchen und Tagedieben, die auf der Welt nichts anderes zu tun haben als herumzusitzen und die Bauernmädchen zu verführen und Mittel auszuhecken, mit deren Hilfe sie sich ihrer Feinde entledigen können, gab mir ein Mann, der stets dafür sorgte, dass niemand lange sein Feind war, ein Pulver von so großer Wirkung, dass es, entweder in einen Becher getan oder in eine frische Wunde gerieben, den stärksten Mann in einer halben Stunde ins Jenseits befördern kann!«

»Ich verstehe!«, sagte Richard de Ashby. »Gebt mir das Pulver. Aber wie kann man es so an die Spitze der Lanze reiben, dass es während des Kampfes nicht abgewischt wird?«

»Mischt es mit einem feinen Öl, dann bleibt es dort haften.«

»Das will ich«, versicherte Richard eifrig. »Direkt vor dem Kampf werde ich wie ein vorsichtiger Zeuge und Pate mit einem dicken Handschuh die Spitze der Lanze befühlen, um mich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung ist. Zuvor werde ich aber das Holz sorgfältig an meinem Knie erproben, nebst all der anderen Vorsichtsmaßregeln, die die in solchen Dingen Erfahrenen tun. Keine Angst, irgendeine Wunde wird Alured Hugh de Monthermer bestimmt zufügen. Eine halbe Stunde, sagt Ihr? Wird Monthermer noch Kraft genug haben, den Kampf zu Ende, ich meine zu einem glücklichen Ende für ihn, zu bringen?«

»Vollkommen«, versetzte Guy de Margan »Denn bis zwei Minuten vor seinem Tod wird er so stark sein wie immer.«

»Gebt es mir!«, rief Richard de Ashby und brach in lautes Gelächter aus, als wäre es der lustigste Spaß, der je gemacht worden war.

Guy de Margan steckte die Hand in die gestickte Tasche, die er unter dem Arm trug, und holte ein winziges Büchschen aus Elfenbein hervor.

»Was? Ist das wirklich genug?«, rief Richard und nahm das Gift an sich.

»Genug, um mehr Menschen zu töten, als bei Evesham fielen. Aber seid vorsichtig beim Mischen! Vergesst nicht: Ein Körnchen in den kleinsten Riss an Eurer Hand eingedrungen, schickt Euch vorzeitig ins Jenseits.«

»Ich will vorsichtig sein«, sagte Richard de Ashby mit teuflischem Grinsen. »Ihr habt damit wahrscheinlich schon Erfahrung. Morgen um diese Stunde sollt Ihr Eure Rache befriedigt sehen, und ich werde Graf von Ashby sein.«

»Haha! Endlich ist die Wahrheit heraus!«, rief Guy de Margan. »Nun, Richard, lebt wohl jetzt. Wir werden uns morgen wiedersehen, tief betrübt über den Ausgang dieses traurigen Kampfes. Ich will nachher zu Eurem Vetter gehen und ihn mit geheimnisvoller Miene davon in Kenntnis setzen, dass man mit allen Mitten versucht, ihn glauben zu lassen, sein Gegner sei unschuldig. Ihr erzählt ihm dasselbe, wenn Ihr ihn seht, und ich will ihm sogar versprechen, dass er morgen früh den Beweis von Monthermers Schuld in Händen haben soll. Wenn wir ihn nur auf den Kampfplatz bringen, haben wir es geschafft. Er wird dann nicht mehr zurückkönnen.«

»Lebt wohl, de Margan, lebt wohl!«, sagte Richard de Ashby mit größter Freundlichkeit. »Ich will jetzt herausfinden, was Alured in meinem Haus wollte.« Im Weggehen murmelte er vor sich hin: »Wenn dies Pulver so gewaltige Wirkung zeigt, wird es sicher auch für Euch noch reichen, mein guter Freund de Margan. Aber erst muss ich mit jemand anderem fertig werden. Kate Greenly, mein hübsches Kind, du hast ein Geheimnis zuviel. Wenn du mich nicht schon verraten hast, so will ich jetzt dafür sorgen, dass du es nicht mehr tun kannst.«

Nach wenigen Minuten befand er sich vor dem Haus, das er in Nottingham gemietet hatte. Auf sein heftiges Klopfen wurde die Tür beinahe augenblicklich von dem jungen Burschen geöffnet, den er als Bedienung bei Kate Greenly zurückgelassen hatte.

»Wo ist das Mädchen?«, fragte er kurz. »In ihrem Zimmer?«

»Nein, Sir«, antwortete der Diener. »Sie ist vor einiger Zeit ausgegangen.«

»Ausgegangen?«, rief Richard. »Obwohl ich ihr verbot, auch nur über die Schwelle zu treten?«

»Ich konnte sie nicht davon abhalten, Sir.«

»Du hast es bestimmt auch nicht versucht!«, schrie Richard erbost. »Aber heraus mit der Wahrheit: Wer ist hier gewesen, seit ich weggegangen bin?«

»Niemand, Sir«, versetzte der Junge. »Niemand als der alte Priester.«

»Welcher alte Priester?«, fragte Richard zornig.

»Der alte Priester, der früher schon hier war, Sir«, antwortete der Junge schüchtern, denn Richards Miene machte ihm Angst. »Der, der in der Nacht hier war, als Ihr nach Lindwell geritten seid.«

»Was?«, schrie Richard. »Ein Priester ist hier gewesen in jener Nacht? Ein Glück für ihn, dass ich ihm nicht begegnet bin! War er öfter hier?«

»Zweimal, Sir. Einmal morgens, und letzte Nacht schickte sie mich wieder, ihn zu holen.«

»Und sonst niemand?«

»Niemand«, entgegnete der Junge, fügte aber dann unsicher hinzu: »Niemand, soweit ich mich erinnere.«

»Bursche, das ist eine Lüge!«, herrschte Richard de Ashby ihn an. »Ich seh es dir an, dass du lügst!« Er packte den Jungen an der Brust und schüttelte ihn, dass ihm fast der Atem ausging. »Wer ist hier gewesen? Wenn du es nicht sofort sagst, sollst du dies zu spüren bekommen!« Und er griff nach seinem Dolch.

»Niemand, wahrhaftig, niemand«, stammelte der Junge. »Ich kann nur vermuten ...«

»Was vermutest du?«

»Nun, Sir, letzte Nacht, als ich die Straße hinaufging, um den Priester zu holen, sah ich zwei Gentlemen sich dem Haus nähern. Einer von ihnen war gewiss Euer Vetter Graf Alured. Er schritt auf die Tür des Hauses zu und wurde, glaube ich, eingelassen. Der andere setzte seinen Weg fort.«

»Ging mein Vetter ins Haus hinein? Ja oder nein! Ging er hinein, frage ich?«

»Ich vermute es, Sir, kann es aber nicht mit Gewissheit sagen. Es fiel plötzlich ein Licht über die Straße, als hätte man die Tür geöffnet, aber da war ich schon zu weit die Straße hinauf, um es zu sehen.«

Es ist, wie de Margan gesagt hat, dachte Richard de Ashby und ließ den Jungen los. Sofort lief er in die Kammer, in der der Tote lag. Er fand die Tür weit offen und den Leichnam dem Brauch gemäß gekleidet und geschmückt. Ein Kruzifix und ein paar Stechpalmenzweige lagen auf seiner Brust, ein kleines Gefäß mit Weihwasser stand daneben, eine Lampe brannte, obgleich die Sonne noch nicht untergegangen war. Alles wies deutlich daraufhin, dass er nicht ohne den Beistand der Kirche gestorben war.

»Ich bin verraten worden!«, murmelte Richard de Ashby vor sich hin. »Wenn es jedoch nur der Priester weiß, so ist der Schaden nicht groß, das Beichtgeheimnis bindet ihm die Zunge. Aber wo ist das Mädchen, und was hat es mit Alured zu besprechen gehabt? Das muss ich jetzt wissen. Was kann sie schon aussagen, als dass ein Verwundeter in meinem Hause gestorben ist, der von Leuten, die mich einmal besucht hatten, gebracht wurde, und dazu noch während meiner Abwesenheit? Wenn nur Ellerby endlich nach Frankreich verschwinden würde, so wäre alles sicher. Aber er treibt sich hier in der Nähe herum wie eine Motte, die ums Licht fliegt. Wo sind denn die Kleider des Toten?« Mit der Lampe in der Hand, denn es wurde rasch dunkel, suchte er sorgfältig das ganze Zimmer ab. Aber weder die Kleider noch das Schwert noch der Dolch waren zu finden.

»Ein Komplott gegen mich«, sagte er nun. »Das ist jetzt klar. Sie weiß vielleicht mehr als ich mir vorstellen kann. – Ein Schriftstück! Was für ein Schriftstück kann sie Alured gegeben haben? Vielleicht den Vertrag, den ich diesen Männern ausstellte! Das wäre das Ende! Vielleicht sollte ich fliehen, solange noch Zeit ist? Aber fliehen, wo das Grafentum Ashby mir schon so nahe ist, dass ich es beinahe mit den Händen greifen kann? Nein, ich verfolge meinen Plan weiter, und wehe dem, der sich mir in den Weg stellt! Wenn ich nur das Mädchen finden könnte. Horch! Unten ist ein Geräusch!«

In nervöser Aufregung lauschte er und vernahm bald, dass die Geräusche von den Dienern verursacht wurden, die inzwischen mit den Pferden eingetroffen waren.

»Ich verfolge meinen Plan weiter«, wiederholte er bei sich. »Ich will Alured in seiner Wohnung erwarten und herausfinden, was er weiß. Sicher hat er alles für sich behalten, denn er ist nicht der Mann, der einen Makel auf seinen Namen kommen lässt. Nein, er wird nie jemandem aus dem Hause Ashby anklagen!«

Damit stieg er die Treppe hinunter, befahl seinen Dienern, das Haus gut zu hüten, bis er zurück sei, und begab sich wieder ins Schloss. Als er die Gemächer seines Vetters erreichte, fand er in dem äußeren Zimmer eine Anzahl von Dienern vor, die allem Anschein nach erst vor kurzem von einem Ritt zurückgekommen waren. Sie aßen und tranken mit gutem Appetit und schienen wenig Lust zu haben, wegen des armen Verwandten ihres Lords ihre Mahlzeit zu unterbrechen.

»Lord Alured ist nicht zu Hause, Sir Richard«, sagte einer. »Er ist zum Prinzen gegangen.«

»Unsinn, Ned!«, rief ein anderer. »Er ist wieder zurück, hat aber zu Peter gesagt, er wolle von niemandem gestört werden.«

»Natürlich hat er damit nicht mich gemeint«, versetzte Richard de Ashby finster. »Geht hinein, Ned, und sagt ihm, ich sei da.«

Der Mann gehorchte widerwillig. Kurz darauf hörte Richard die Stimme seines Vetters, der aufgebracht sagte: »Ich will ihn nicht sehen! Sagt ihm, ich sei beschäftigt oder ich müsse gleich weg. Doch halt! Schickt ihn herein!«

Richard de Ashby heftete seinen Blick finster zu Boden und murmelte vor sich hin: »Er hat sicher mehr gehört, als er sollte!«

Als der Diener zurückkam und ihn in Lord Alureds Zimmer bat, setzte er jedoch eine heitere Miene auf und gab sich ganz unbefangen. Der Tisch war zum Nachtessen gedeckt, und sein Vetter stand an dem einen Ende davon und stellte gerade einen Trinkbecher aus geschliffenem Achat hin, den er halb geleert hatte.

»Ich störe Euch nur ungern, Alured, aber da ich Euch auf den Kampfplatz begleiten soll, ist es notwendig, dass wir noch über einige Vorbereitungen reden.«

»Ich habe keine Vorbereitungen zu machen«, schrie Alured de Ashby, den eine ohnmächtige Wut zu übermannen drohte. »Ich bin bereit zu fechten, das ist alles. Ich habe oft eine Lanze in der Hand gehabt und weiß damit umzugehen!«

»Ihr werdet Eure Sache gut machen, das weiß ich«, erwiderte Richard ungerührt. »Dennoch haben wir noch manches zu besprechen. Wenn man seinen Gegner kennt, kann man besser auf seine Eigentümlichkeiten und Kunstgriffe eingehen. Ich habe Hugh de Monthermer oft kämpfen gesehen, Ihr dagegen, glaube ich, nur einmal!«

»Ich traf mit ihm bei Evesham zusammen, das genügt mir«, sagte Alured ungeduldig, »ich brauche weder Rat noch Beistand, mein Vetter, und außerdem werdet Ihr mich nicht auf den Kampfplatz begleiten. Ich werde mir einen anderen Kampfzeugen wählen! Mir sind Dinge zu Ohren gekommen, die Euer Leben gefährden könnten. Mehr sage ich nicht. Die Zeit ist kurz, denn sobald der Prinz zurückkommt, wird er alles erfahren!«

»Aber, Alured, erklärt mir doch ...«, rief Richard de Ashby und wurde bleich.

»Es braucht keine Erklärung!«, unterbrach ihn sein Vetter. »Ihr werdet genug hören, wenn Ihr wartet. Euer Gewissen mag entscheiden, ob Ihr bleiben oder fliehen wollt. In jedem Fall verschwindet hier. Ich gehe für einen Augenblick weg, um Hugh de Monthermer die Hand zu schütteln, ehe ich ihm morgen mit der Lanze entgegentrete, und um ihm zu sagen, dass ich keinen Groll gegen ihn hege, auch wenn mich die Ehre zwingt, mit den Waffen gegen ihn anzutreten. Ich möchte Euch hier nicht mehr antreffen, wenn ich zurückkomme, und lasst mich Euer Gesicht auch nicht morgen beim Kampf sehen, denn es würde nur Unheil über mich bringen!«

Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er aus dem Zimmer. Richard de Ashby raufte sich in wütender Verzweiflung die Haare. »Der Prinz wird alles erfahren?«, rief er. »Er will den Namen Ashby für immer brandmarken? Mich an den Galgen bringen? Aber ich kann dafür sorgen«, fuhr er leise fort, »dass er das nicht tun wird.« Richard sah sich ängstlich im Zimmer um, zog das Elfenbeinbüchschen aus seiner Tasche, das ihm Guy de Margan gegeben hatte, näherte sich der Tür, die sein Vetter halb offengelassen hatte, drückte sie sacht zu und trat dann an den Tisch zurück. Dort schüttete er etwas von dem weißen Pulver in den Trinkbecher Alured de Ashbys. Ein triumphierendes Grinsen verzerrte sein Gesicht, als das Pulver sich in dem Wein auflöste.

»Er wird den Becher leeren, wenn er zurückkommt«, murmelte der Schurke vor sich hin. »Er muss Prinz Edward seine Geschichte bald vortragen, oder seine Zunge wird ihm den Dienst versagen! Ich glaube fast, er ist eine Memme und fürchtet sich, diesem Monthermer auf dem Kampfplatz zu begegnen. Aber bei mir sind jetzt Zweifel und Unentschlossenheit vorüber. Kate Greenly, jetzt bist du an der Reihe! Sie ist bestimmt bei dem Priester. Habe ich sie erst einmal zum Schweigen gebracht und bin ich Graf von Ashby, wer wird es dann wagen, mich anzuklagen? Und wenn sie es tun – sollen sie! Ich will sofort mein Banner auf den Mauern meines Schlosses entfalten und Edward Trotz bieten, bis ich durch eine Kapitulation gegen jede Untersuchung vergangener Dinge sicher bin. Aber jetzt zu dem Mädchen, sie darf die Sonne nicht mehr aufgehen sehen!«