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Der Sherwood Forst war, obwohl zu jener Zeit berühmt wegen seiner Größe und wegen der Dichte seines Baumbestandes, in vielen Gegenden doch schon damals nicht mehr das, was er einmal gewesen war. Seine frühere, weit gewaltigere Ausdehnung war jedoch noch daran zu erkennen, dass sich viele Meilen jenseits der königlichen Grenzpfähle Wälder befanden, die einmal zum Sherwood gehört hatten. Einer der größten dieser Wälder lag im südöstlichen Teil von Yorkshire. Er war durch drei oder vier Meilen unregelmäßig bepflanzten Geländes, wo hin und wieder Gruppen von Bäumen und kleine Wäldchen standen, vom Sherwood selbst getrennt und, weil weiter weg von der Heerstraße, wilder und öder als der eigentliche Sherwood. Da in der Nähe keine großen Städte und keine Schlösser lagen, die einem mächtigen Baron gehörten, war dieses Gebiet ohne ständige Aufsicht und Überwachung.
Am Fuße eines Sandhügels am Saum dieses Waldes, wo hohe Bäume aufragten und das braune Laub des Herbstes raschelte, saßen an einem schönen Nachmittag, etwa drei Tage nach der Flucht des jungen Ritters aus dem Schloss von Nottingham, der alte Graf von Monthermer, sein Neffe Hugh, sechs oder acht von dessen Dienstleuten und vier von den Männern des kühnen Geächteten und verzehrten ihr ländliches Waldmahl.
Der alte Graf und seine Dienstleute hatten alle das grüne Kleid der Waidleute angelegt, während Hugh so gekleidet war, wie er den Hof verlassen hatte. Er hoffte täglich, die Nachricht zu erhalten, dass Prinz Edward ihn vor dem König gerechtfertigt und sich seiner Sache bei dem alten Grafen von Ashby mit Erfolg angenommen hatte. Er hegte nicht die Absicht, die Lebensweise oder die Tracht eines Geächteten anzunehmen, solange Prinz Edward am Hof seinem tyrannischen Vater offen entgegentrat.
Sein Oheim entstammte aber einer etwas geradlinigeren Schule des Rittertums, so dass er alles, was Unterwerfung unter den Thron Heinrichs bedeutete, grundsätzlich ablehnte, obwohl er sich nicht der Ansicht verschließen konnte, dass Prinz Edward bei seinem Wirken zum Wohle des Volkes gewichtige Bundesgenossen gegen seinen Vater und dessen einflussreiche Ratgeber, Pembroke und Mortimer, brauchte. Zudem hatte er von seiner frühesten Jugend an ein Leben voller Abenteuer und Entbehrungen kennengelernt. Das wilde Treiben im Walde, die Jagd, der beständige Wechsel der Umstände und der Umgebung und selbst die Gefahren des Lebens eines Geächteten waren ihm ebenso angenehm wie sie ihm wohltaten.
Die Männer sahen fröhlich die Sonne sinken, die im Untergehen ein immer glänzenderes Gold annahm, um schließlich die Spitzen der Berge von Derbyshire und die Wolken darunter mit Purpur und Gold zu überziehen. Lustiger Gesang, Scherze und fröhliches Gelächter gingen im Kreis herum, und wenn die Erinnerung an Freunde, die er verloren hatte, an sein Vermögen, das dahin war, an vereitelte Pläne und zerstörte Hoffnungen durch die Seele des alten Grafen flog, so verdunkelte sie sie doch nur für einen Augenblick, und mit der Philosophie eines alten Ritters dachte er: Ich habe das mir Mögliche getan, ich habe Ruhm gewonnen, ich habe für die Freiheit meines Landes gefochten. Was nun kommt, muss eine neue Generation in Angriff nehmen.
»Schaut dort!«, rief jetzt Hugh. »Da kommen drei Reiter! Neuigkeiten vom Hof, denke ich. Ein Brief von Prinz Edward vielleicht.«
»Wer sind die Reiter, Scathelock?«, fragte der Graf. »Meine Augen werden langsam trübe, und die Eurigen sind noch scharf.«
»Mein Lord, sie sind noch viel zu weit entfernt, als dass ich sagen könnte, wer sie sind. Obwohl ich von ganzem Herzen wünschte, mein guter Lord hätte meinen Augen vor sechs Monaten etwa geglaubt. Dann hätten wir kein Evesham gehabt.«
»Wieso?«, fragte der Graf und wandte sich zu ihm hin.
»Nun!«, antwortete Scathelock, »ich ließ Euch wissen, es sei ein Verräter unter Euch, und sagte Euch, wer es war. Aber man glaubte mir nicht. Und man ließ Richard de Ashby das Band zwischen seinem Haus und der Sache des Volkes zerreißen und das Pferd liefern, das den Prinzen Edward von Hereford wegtrug. Es ist noch mehr Gift in den Zähnen dieser Natter – es wäre gut, wenn man sie ihr zöge!«
Der alte Graf von Monthermer ließ sein Haupt sinken bei den Erinnerungen, die Scathelocks Worte in ihm weckten, und sah traurig auf die grünen Grashalme nieder.
»Es ist Robin selbst!«, rief da ein anderer von den Männern, der aufgestanden war und, die Augen mit der Hand gegen die untergehende Sonne beschattend, über den Talgrund geschaut hatte. »Es ist Robin selbst! Ich sehe seine breiten Schultern und seinen schmalen Kopf. Ihr werdet schon bald sein Horn hören.«
»Tatsächlich, Eure Augen sind scharf!«, sagte Scathelock, als kurz darauf der weiche Ton eines Horns die Anhöhe heraufschallte. »Es ist Robins Zeichen! Kein Mensch kann dem Metall so sanfte Töne entlocken wie er. Verzeiht mir, mein Lord!«, fuhr er, zu dem Grafen gewandt, fort. »Ich habe Euch vorhin verletzt!«
»Habt Ihr nicht, mein guter Kamerad!«, antwortete der alte Mann. »Es waren nur die Erinnerungen an die Vergangenheit. Ich handelte damals so, wie zu handeln mir am besten und edelsten schien, Scathelock! Also kommt da wirklich Robin? Ohne Zweifel bringt er gute Nachrichten.«
»Für uns ist er selten ein Unglücksbote«, antwortete Scathelock, »aber ich bin sicher, der Abt von St. Anna, nachdem er seinen Pächtern eine große Schenkung abgepresst hat, oder ein königlicher Vogt, beladen mit schönen ›freiwilligen‹ Gaben, oder der Steuereinnehmer des Grafschaftsbeamten von Nottingham würden den Anblick von Robins sonnverbranntem Kopf und seinen kräftigen Armen nicht für die angenehmste Erscheinung halten, die ihnen zwischen Nottingham und Doncaster begegnen könnte.«
»Gut, gut«, erwiderte der Graf. »Wenn er die Geldgierigen und die Habsüchtigen erschreckt, so hat sein Schritt dagegen auf der Schwelle der Armen und Unterdrückten keinen schlimmen Klang, Scathelock!«
»Stoßt in Euer Horn, Tom von der Lane!«, rief Scathelock. »Er kann uns nicht sehen, obwohl wir ihn schon erspäht haben.«
Es dauerte noch etwa zehn Minuten, bis Robin Hood und seine beiden Begleiter vor der Anhöhe auftauchten. Er begrüßte alle herzlich und mit fröhlichen Worten. Aber wenn auch keine Falte seine Stirn zusammenzog, war doch leicht zu sehen, dass seine Stimmung nicht heiter war.
»Nun«, sagte er, sich mit seinen Begleitern neben die beiden Edelleute setzend, »was habt Ihr denn hier zu essen? Wir drei sind elend hungrig und durstig dazu. Ein fetter Wildschweinkopf und eine Trappe, kaum berührt! Bei meinem Leben! Ein Abendessen für einen Kaiser! Aber, mein Lord, es scheint, Ihr seid noch nicht fertig?«
»Wir waren beinahe mit dem Essen zu Ende«, sagte der alte Graf. »Doch an einem Abend wie diesem verlängert man gern die Mahlzeit mit Gesprächen, lieber Robin. Es ist auch noch ein guter Vorrat vom Wein des Priors vorhanden. Scathelock hat sich, scheint es, vorgenommen, uns lustig zu machen.«
»Daran tut er recht«, versetzte Robin. »Der König kann die Leute reich und adlig machen, aber nicht jeder kann sie so leicht lustig machen. Ich wollte, ich könnte es.«
»Ihr scheint traurig zu sein, Robin«, bemerkte Hugh de Monthermer. »Wenn Ihr mir eine schlechte Nachricht bringt, lasst sie mich besser gleich hören.«
»Gute oder schlechte Nachrichten, wie Ihr es nehmt«, antwortete Robin Hood. »Aber zum Teil sind sie schlecht genug für jedes Ohr.«
»So sprecht endlich!«, sagte Hugh de Monthermer. »Lange Ungewissheit ist schlimmer als eine schlechte Nachricht, Robin. Die Last trägt sich leicht, wenn sie einmal aufgeladen ist. Sie glauben bei Hofe meiner Aussage nicht?«
»Doch«, antwortete Robin Hood. »Der Prinz, wie ich höre, hat Euch Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er kam sogleich von Derby herüber, und ich sorgte dafür, dass er Euern Brief ohne Verzug erhielt. Keine zwölf Stunden nach dem Zeitpunkt, an dem Euer Kopf fallen sollte, wurde das Urteil aufgehoben und Ihr für unschuldig erklärt.«
»Ist das die Handhabung und Pflege des Rechts unter Heinrich III.?«, sagte der alte Graf bitter. »Das Leben eines Peers von England ist ein Spielzeug in den Händen des Königs. Das wird sich von selbst rächen!«
»Ha!«, rief Robin Hood mit einer gewissen kummervollen Ungeduld in der Stimme. »Auch andere haben ihr Spiel getrieben mit dem Leben von Peers. Ist Euch die Nachricht noch nicht zugekommen, dass Lindwell Castle einen neuen Herrn hat?«
Hugh de Monthermer fuhr mit einer Miene ungläubigen Staunens auf. »Tot?«, rief er. »Der alte Graf von Ashby tot?«
»Ja«, antwortete Robin Hood. »Ermordet, so heißt es, bei dem Bullen-Weißdorn unterhalb von Lindwell Green, nicht weit von der Grenze zu Thornywood. Ihr kennt den Platz, mein Lord?«
»Recht gut«, antwortete Hugh de Monthermer. »Aber ist es gewiss, Robin?«
»Nichts ist gewiss«, versetzte der Geächtete bissig. »Nichts ist gewiss in dieser Welt, soviel ich weiß. Doch diese Neuigkeit ist leider im ganzen Land bekannt. Als ich heute Morgen an Southwell vorbeikam, hörte ich auf dem Rasenplatz eine Verkündigung ausrufen, die diesen traurigen Mord betraf.«
»Das ist ja seltsam«, sagte Hugh. »Solche Dinge werden uns noch an allem verzweifeln lassen. Während Narren und Schurken zu hohen Ehren emporsteigen, werden ehrliche Leute in den Sherwood getrieben, um bei den Tieren des Waldes zu hausen, und rechtschaffene Männer werden vor den Toren ihres eigenen Schlosses ermordet. Wer kann das getan haben, Robin? Wisst Ihr es?«
»Ich weiß es natürlich«, versetzte Robin Hood. »Richard de Ashby hat es getan. Und diese niederträchtige Bestie – teils Wolf, teils Fuchs, teils Schlange – weiß den Verdacht der blutigen Tat auf einen anderen zu schieben. Aber er soll sich getäuscht finden, wenn man meinem Rat folgt! Ich will dafür sorgen, denn ich habe mir etwas vorzuwerfen bei dieser Sache. Ich war von dem Plan in Kenntnis gesetzt und hätte ihn vielleicht vereiteln können. Aber über anderen Dingen vergaß ich es und kam zu spät.«
»Ja«, sagte Hugh de Monthermer, »es konnte kein anderer sein. Aber wie wollt Ihr ihn der Strafe zuführen, Robin?«
»Das muss Eure Aufgabe sein«, versetzte Robin Hood. »Ich will seine Schuld beweisen, Ihr aber müsst ihn bestrafen.«
»Das will ich!«, rief Hugh de Monthermer und sprang auf. »Ich will ihn der Tat anklagen und ihn auffordern, sich mit den Waffen zu rechtfertigen.«
»Das ist nicht nötig«, antwortete Robin Hood trocken. »Er klagt Euch an!«
»Mich?«, fragte Hugh de Monthermer ungläubig.
»Was? Meinen Neffen?«, rief der alte Graf empört.
»Jawohl«, versetzte der Geächtete, »und mit scheinbar unumstößlichen Beweisen! Richard hat, wie ich hörte, einen Brief gefälscht und sich ohne Zweifel auch falsche Zeugen beschafft. Ich bin nicht imstande gewesen, genauer zu erfahren, wie er das alles gemacht hat. Aber was ich Euch eben erzählen wollte, meine guten Lords: Auf dem Rasenplatz von Southwell sah ich heute Morgen einen Beamten des Königs mit verschiedenen Bewaffneten. Ich blieb unter der Volksmenge stehen, die lachte, als sie Robin Hood, den Geächteten, den Räuber, den Mörder von vielem Wildbret, den königlichen Beamten gegenüberstehen sah, und hörte so den Beamten ausrufen: ›Kund und zu wissen geben Wir allen, dass Hugh de Monthermer, Lord von Amesbury und Lenton, auf starken Verdacht hin, angeschuldigt ist, William, Graf von Ashby, verräterischer- und böswillerweise umgebracht zu haben, und dass er deshalb geladen wird, vor dem König in Nottingham zu erscheinen, sich von besagter Anschuldigung durch gerichtliche Untersuchung, Eid, Gottesurteil oder Zweikampf, je nach seiner Wahl, zu reinigen gemäß den Gesetzen des Königreichs und des Rittertums.‹ So lauteten die Worte.«
»Sonderbar genug sind sie«, sagte der alte Graf. »Die Form weicht etwas ab von der üblichen Art, und der Name des Anklägers ist nicht genannt.«
»Alles ist jetzt aus seinem Geleise«, versetzte Robin Hood, »und dies ist eben wie das Übrige. Aber es macht nichts, es läuft am Ende auf eines hinaus.«
Hugh de Monthermer stand, die Arme über der Brust gekreuzt, da, in Nachsinnen versunken.
»Der Schurke!«, sagte er endlich. »Der Schurke! Aber er soll den Tag noch bereuen. Ich will sofort losreiten, Robin, und ihm entgegentreten. Wenn meine Rechte mich im Stich ließe gegen Richard de Ashby, müsste mein Gewissen tatsächlich nicht rein sein. Ich will sofort losreiten, eine solche Anklage darf ich nicht eine Stunde länger als nötig auf mir sitzenlassen.«
»Nein, mein guter Lord!«, rief Robin Hood. »Setzt Euch hin und lasst Euch von mir raten. Zu große Eile kann alles verderben. Ich habe den Schlüssel schon in meiner Hand, und obgleich ich hoffe und darauf vertraue, Eure Lanze eine Armeslänge durch den Verräter hindurchgerammt oder Euer gutes Schwert in seiner lügenhaften Kehle zu sehen, verspreche ich doch, dass Ihr außerdem die Mittel in die Hand bekommen sollt, jedermann zu beweisen, dass Ihr unschuldig seid und er selbst der Mörder ist. Fürs Erste also dürft Ihr nicht an den Hof von England gehen ohne sicheres Geleit. Ich denke, Ihr solltet das nun schon aus Erfahrung wissen.«
»Aber Prinz Edward ...«, rief Hugh de Monthermer.
»Prinz Edward kann wieder fort sein«, unterbrach ihn der Geächtete. »Ihr müsst sicheres Geleit haben, und die darüber vergehende Zeit wird nicht verloren sein. Setzt Euch hin, mein Lord, und trinkt einen Becher Wein. Die Nachricht hat Euch erschüttert. Ich verstehe das. Lasst mich nur alles vorbereiten. Heute nach drei Tagen sollt Ihr am englischen Hof sein. Dort müsst Ihr unbedingt dafür sorgen, dass der Kampf um acht Tage verschoben wird. Dann sollt Ihr, ehe Ihr in die Schranken reitet, die Beweise, die ich Euch liefern werde, dem Prinzen aushändigen, damit sie bekanntgemacht werden, sobald der Kampf vorüber ist. Kommt nur, setzt Euch! Ich will Euch die Gründe darlegen, warum Ihr so handeln müsst. Zunächst soll einer von Euern Leuten zum Prinzen reiten und sicheres Geleit für Euch erbitten. Er kann bis morgen Nacht wieder zurück sein.«
Hugh, der erregt auf und ab geschritten war, setzte sich nun wieder neben ihn, der alte Lord lehnte sich gegen einen Baum, die getreuen Dienstleute und Gefährten des kühnen Waidmanns bildeten einen Kreis und ließen den Weinbecher herumgehen. Eine kalte, klare Herbstnacht brach an, und ein wärmendes Feuer wurde angezündet, das zugleich auch der Beleuchtung diente, und lange noch saßen die drei Männer und erörterten den Gegenstand, der ihre Gedanken vor allem beschäftigte, in ernstem Gespräch.
Etwa eine Stunde nach Einbruch der Nacht wurde ein Brief geschrieben, und sobald er gesiegelt war, wurde er mit einem Diener des alten Grafen nach Nottingham losgeschickt. Danach setzten der Graf, sein Neffe und Robin Hood ihr Gespräch fort, während die Sterne glänzend und klar hervortraten und sich alles ringsumher, außer den dämmernden Umrissen der Bäume, dem Auge entzog. Der Wind flüsterte durch die Zweige mit einem langgedehnten, seufzenden Laut, und hin und wieder, während der vielen nachdenklichen Pausen, die in der Beratung eintraten, hörte man das Geraschel zur Erde niederfallender Blätter.
Kurz nach Mitternacht vernahm das feine Ohr des Geächteten plötzlich ein leises Geräusch. »Hört!«, sagte er verhalten und schaute sich um. Dann rief er laut: »Wer ist da?«
Keine Antwort erfolgte, aber im nächsten Augenblick landete mit einem Sprung von der Anhöhe Tangel inmitten der Gesellschaft, die um das Lagerfeuer saß.
»Haha, Robin!«, rief er lachend. »Ich konnte noch nie herausfinden, ob du ein Esel oder ein Hase bist.«
»Wie, Bursche?«, rief Robin amüsiert. »Ich bitte dich, hast du noch mehr solcher geschmackvollen Vergleiche?«
»So lange Ohren wie du hast, musst du das eine oder das andere sein«, sagte Tangel. »Was ich auch tun mag, ich treffe dich nie schlafend an. Aber ich glaube, du hast mehr von einem Hasen: das eine lange Ohr ruht, während das andere aufrecht steht wie eine Schildwache auf einem Hügel. Aber ich komme von weither, Robin, um die Botschaft einer Dame an einen müßigen Ritter auszurichten! Da, Robin, ist ein Brief für dich! Er ist adressiert an Robin Hood oder einen von seinen Leuten. Der Bote hielt mich für einen davon und gab ihn mir deshalb.«
Er händigte Robin Hood einen kleinen Brief aus. Dieser schürte das Feuer, damit es heller aufloderte, und wollte ihn gerade öffnen, als er einige Worte bemerkte, die außen darauf geschrieben waren: Dem Lord Hugh de Monthermer, in Eile, wenn er zu finden ist – wenn nicht, für Robin Hood vom Sherwood.
»Er ist an Euch gerichtet, mein Lord«, sagte er, den Brief an Hugh weitergebend, der ihn sofort aufriss und den Blick über die Zeilen gleiten ließ. Als er fertig war, fing er an, die Nachricht laut vorzulesen, ließ jedoch den ersten Satz weg:
»Euer Ankläger ist Richard de Ashby, und ich zittere bei dem Gedanken, er könnte Euch wissentlich falsch beschuldigen. Aber ich habe es seinem Gesicht angesehen, habe es aus dem Ton seiner Stimme gehört, dass dies Verbrechen seine Tat ist. Ich weiß nicht, was ich Euch raten soll, aber Ihr musstet es erfahren. Eure eigene Klugheit muss das Übrige tun. Ich habe Angst um Euch, ich habe auch Angst um meinen Bruder Alured. Es steht jetzt nur noch einer zwischen Richard und dem Reichtum und dem Rang, nachdem es ihn gelüstet. Er ist zu weit gegangen, um noch irgendein Mittel in der Welt zu scheuen, und meine Befürchtungen für den, der ihm im Wege steht, sind sehr groß.«
»So geht es den Bösewichten«, meinte der alte Graf und nickte bedächtig. »Sehr oft wissen sie ihre Taten vor den Weisen und Klugen dieser Welt zu verbergen, aber der Unschuld und Einfalt gelingt es häufig, sie unter jeder Maske zu erkennen.«
»Ich lobe mir ein Weib, das das Herz eines Mannes zu ergründen sucht«, sagte Robin Hood, für den die Nachricht nichts Neues enthielt. »Das heißt, nur, wenn sie ihn nicht liebt, denn wenn sie lieben, sind alle Weiber Närrinnen. Aber kommt, mein Lord, lasst uns ein besseres Obdach für die Nacht suchen. Es ist ein wenig kalt hier. Bewirtet Tangel gut, meine lustigen Männer, gebt ihm eine Keule von der Trappe und einen Becher Wein. Aber hütet die Flasche vor ihm. Denke an den letzten Weihnachtsabend, Tangel, wo du einen Jagdhund für ein Fräulein hieltest und dich in deinem Rausch sehr gewundert hast, wie sie zu einem Bart kommt!«