33

In einem geräumigen Zimmer des Schlosses in Nottingham saß die Prinzessin Eleonore, und in ihrer Nähe waren ein paar junge Hofdamen mit ihrer Stickerei beschäftigt. Während sie flink die Nadel handhabten, sprachen sie leise bald von den Gerüchten des Tages, bald über die Farben dieser oder jener Blume, die unter ihren Händen auf dem Stickrahmen entstand. Die Prinzessin beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Sie hatte sich abgewandt und las beim Licht einer neben ihr stehenden Kerze aufmerksam ein Papier, das sie in der Hand hielt. Ein vergnügtes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sei ein Schmerz oder Kummer von ihr genommen. Nachdem sie das Papier sorgfältig noch einmal gelesen hatte, ließ sie ihre Hand auf die Armlehne des Sessels hinabsinken und schaute mit ihren großen dunklen Augen nachdenklich auf die mit den Stickereien beschäftigten Mädchen.

»Ich war davon überzeugt«, murmelte sie vor sich hin, »dass dieser junge Mann nicht die Schuld trug an dem Verbrechen, dessen man ihn anklagte, und ich bin auch davon überzeugt, dass er ebensowenig die Schuld trägt an dem, was sie ihm jetzt zur Last legen.«

Ein Page stand an der Tür, als erwarte er eine Antwort. Bald die Augen auf den Boden heftend, bald einen verstohlenen Blick auf die hübschen Gesichter werfend, die sich über ihre Stickerei beugten. Eleonore winkte ihm und sagte: »Tragt den Brief zurück zu meinem Gatten. Sagt ihm, ich würde gern mit ihm sprechen, wenn seine Zeit es gestattet, und ich lasse ihn dringend bitten, wenn Lady Lucy kommt, sie zu mir zu schicken, damit ich sie zum König begleite. Sie wird den Beistand einer Freundin sicher nötig haben.«

Der Page nahm den Brief, verbeugte sich und ging. Eleonore nahm wieder ihren Stickrahmen auf, hielt aber von Zeit zu Zeit in ihrer Arbeit inne und dachte nach. Nach etwa einer Viertelstunde ging die Tür auf, und Edward trat mit finsterem Gesicht ein.

»Sie muss bald hier sein«, sagte er nach einigen Worten der Begrüßung. »Das ist eine seltsam undurchsichtige Angelegenheit.«

»Ihr haltet Hugh de Monthermer doch nicht etwa für schuldig?«, fragte Eleonore.

»Gewiss nicht!«, antwortete der Prinz. »Aber die Umstände haben sich so gestaltet, dass ich fürchte, er wird als schuldig erscheinen, obwohl er es nicht ist. Ihr habt diesen Brief gelesen und gesehen, wie leicht er alles erklärt, was an seinem früheren Benehmen verdächtig erschien. Und doch war eine Anzahl der Barone – Mortimer und Pembroke unter ihnen – geradezu versessen darauf, meinen Vater zu veranlassen, ihn zum Tode zu verurteilen, ohne die Formen eines gewöhnlichen Rechtsverfahrens zu wahren.«

»Glaubt Ihr, sie hätten ihn hingerichtet?«, fragte Eleonore zweifelnd.

»Sie hätten ihn ermordet«, versetzte der Prinz. »Denn eine Hinrichtung ohne Recht und Gesetz ist Mord. Außerdem«, fuhr er leiser fort, damit die Frauen in der Nähe seine Worte nicht hören konnten, »kenne ich die Männer zu gut, die für das Todesurteil stimmten. Eleonore, ich kenne Mortimer als grausam und verräterisch, ich kenne Pembroke als kalt, hart und selbstsüchtig. Und jetzt erfahre ich«, fuhr er mit einem verächtlichen Lächeln fort, »dass sie seine Ländereien unter sich aufteilen wollten. Da war auch Guy de Margan – der ist ein solches Blatt im Wind und so wetterwendisch – man sollte kaum glauben, dass er einen derartigen wilden Hass hegen könnte. Aber mit ist klar geworden, dass hier jede Menge Rachsucht und Erbitterung im Spiel war.«

»Oh, ich weiß!«, versetzte Eleonore. »Eines Nachts, als Lucy und ihr Geliebter – mit meiner Hilfe, ich will es gestehen – beim Mondschein unter den südlichen Kreuzgängen von Eltham lustwandelten, wollten dieser Guy de Margan und einige andere junge Müßiggänger des Hofes sie mit Gewalt aufhalten, als sie zu mir zurück wollte, worauf Hugh de Monthermer ihn mit einem Faustschlag zu Boden streckte. Aber horch! Sie kommt, Edward. Sieh, ob es Lady Lucy ist, Alice.«

Eine der Frauen, die in der Nähe saßen, stand auf, ging zur Tür und kam sogleich in Begleitung von Lucy de Ashby zurück. Sie war sehr blass und traurig, aber nicht weniger schön als sonst. Als sie sich der Prinzessin näherte und sich auf das Kissen zu ihren Füßen kniete, um ihre Hände zu küssen, hielt sie ihre dunklen Augen auf den Boden geheftet, als fürchte sie, wenn sie sie aufschlüge, die Tränen nicht mehr zurückhalten zu können.

»Der König hat nach Euch geschickt, schönes Fräulein«, sagte Prinz Edward, nachdem Eleonore einige Worte des Trostes zu ihr gesprochen hatte, »um Euch ein paar Fragen zu stellen in einer Angelegenheit, die für Euch in jeder Beziehung sehr bitter sein muss. Aber fasst Euch. Der Verlust, den Ihr erlitten habt, ist solcher Art, wie ihn jedes Kind, wenn das gewöhnliche Maß des Lebens erfüllt ist, einmal erleiden muss. Was die andere Ursache Eurer Bangigkeit und Eures Kummer betrifft, die sich zu Euren Gefühlen am heutigen Abend gesellen, so seid versichert, dass der edle Lord Hugh, auf den ein ungerechtfertigter Verdacht gefallen ist, jetzt die Stimme eines Freundes in der Nähe hat, die sich erheben wird, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wir vertrauen auf seine Unschuld und blieben dabei, bis er selbst erscheinen und seine Sache verteidigen kann.«

Der Prinz hielt inne, als erwarte er eine Antwort, aber Lucy erwiderte nur: »Ich danke Euch von ganzer Seele, mein edler Lord.«

»So will ich denn jetzt zum König gehen«, fuhr Edward fort. »Die Prinzessin wird Euch begleiten, wenn er Euch zu empfangen bereit ist. Seid ruhig und fest, teure Lady, und ehe Ihr antwortet, überlegt Euch vorher immer genau, was Ihr sagt.«

Der Prinz verließ das Zimmer, und Eleonore war bestrebt, ihrer schönen jungen Freundin Trost zuzusprechen.

Ihnen blieb jedoch nur wenig Zeit zu einem Gespräch, denn beinahe im nächsten Moment kam die Aufforderung, Lady Lucy möge vor dem König erscheinen. Eleonore legte den Arm des schönen Mädchens in den ihrigen und führte sie in den Saal, wo Heinrich saß. Der erste Blick auf das Gesicht des Königs zeigte, dass er in gereizter Stimmung war. Schwach und wankelmütig, wie er war, hatte er doch bei aller tyrannischen Willkür häufig dem Einfluss seines klügeren und edleren Sohnes nachgeben müssen. Aber er tat dies nie ohne Ungeduld und Widerstreben.

Der Prinz stand jetzt zu seiner Rechten, ein Kreis von Edelleuten ihm gegenüber. Neben Edward sah man Alured de Ashby, die Stirn gerunzelt, die Augen auf den Boden gerichtet und die linke Hand auf dem Schwertgriff ruhend. Er schaute seine Schwester nicht an, als sie eintrat. Die Prinzessin setzte sich in einen Sessel neben den König, behielt aber Lucys Hand in der ihrigen und zog sie sanft ganz nahe an sich.

»Lady«, sagte Heinrich, seine Miene etwas besänftigend und einen traurigen Ton heuchelnd, »wir haben uns genötigt gesehen, Euch holen zu lassen, obwohl wir dadurch in die Heiligkeit Eures Kummers störend eingreifen. Aber es ist nötig, so bald wie möglich den Täter des entsetzlichen Verbrechens zu ermitteln, das Euch des Vaters und uns eines treuen Untertanen und Freundes beraubt hat. So sprecht denn und sagt uns, was Ihr von dieser Sache wisst.«

»Sire, ich weiß weiter nichts«, antwortete Lucy, »als dass mein armer Vater mich bei bester Gesundheit verließ, kurz vor drei Uhr gestern, und dass lange nachher, während ich mit meinem Vetter Richard sprach, der eben aus Nottingham gekommen war, die Nachricht eintraf, mein Vater sei ermordet.«

»Nun gut«, sagte der König. »Aber wir müssen auch hören, was mit dem Gentleman geschah, der dieses Verbrechens angeklagt ist.«

»Ich weiß nicht, wer angeklagt ist, Sire«, sagte Lucy und schaute überrascht auf. »Ich habe nicht gehört, dass man den Mörder gefunden hätte.«

»Der Gentleman, auf den der Hauptverdacht fällt«, versetzte der König grollend, »ist der aus diesem Schloss entflohene Gefangene Hugh de Monthermer!«

Lucy fuhr zusammen, faltete die Hände und wurde blass wie der Tod. Im nächsten Augenblick jedoch wurde sie glutrot und mit blitzenden Augen und zuckenden Lippen warf sie den Kopf zurück und rief: »Das kann nicht sein, mein Herr König, das kann nicht sein! Ich weiß, woher dieser schändliche Verdacht kommt. Vielleicht hat da jemand sein Spiel zu schlau angelegt. Es ist mir jetzt etwas klar geworden, das vielleicht hilft, den Verbrecher der Gerechtigkeit zu überführen.«

Der König schien etwas überrascht durch die plötzliche Energie, die das zarte und schöne Wesen vor ihm bewies.

»Seid so gut und erklärt uns«, sagte er, nachdem er sie eine Weile abwägend angesehen hatte, »woher dieser Verdacht Eurer Meinung nach kommt, da Ihr es zu wissen behauptet.«

»Er kommt daher, Sire«, versetzte Lucy in ruhigerem Ton, »dass meinem Vater kurz vor seinem Tode ein Brief übergeben wurde. Er war gerade bei mir. Wir sprachen von dem Mann, der jetzt einer Tat beschuldigt wird, an die er nie im Traum dachte. Mein Vater zeigte mir den Brief und sagte, er komme von ihm. Ich entgegnete sogleich, es sei nicht seine Handschrift. Die habe ich oft gesehen. Mein Vater erwiderte, er müsse sich eines Schreibers bedient haben, wie man das häufig tue. Diese Erklärung stellte mich zufrieden, und ich dachte bis jetzt nicht mehr daran. Nun aber wird mir klar, dass dieser Brief eine Fälschung war, um meinen Vater in den Tod zu locken.«

»Ihr habt den Brief gelesen?«, forschte der König weiter.

»Ja«, antwortete Lucy.

»Könnt Ihr wiedergeben, was darin stand?«, fragte Edward mit gespannter Miene.

»Den Inhalt, aber nicht die Worte«, antwortete Lucy, und ihre Stimme bebte ein wenig. »Er setzte meinen Vater davon in Kenntnis, dass Hugh de Monthermer, ohne Anhörung zum Tode verurteilt, aus dem Schloss zu Nottingham geflohen war und seinen guten Namen unverteidigt lassen musste. Er enthielt die Bitte, der Graf möge ihn am Bullen-Weißdorn treffen.«

»Gerade dort, wo er ermordet wurde«, ließ sich eine Stimme aus dem Kreis vernehmen.

»Schweigt, Sir Guy de Margan!«, rief Prinz Edward scharf. »Ihr seid bekannt als ein Feind des Angeschuldigten.«

»Ich, mein Lord?«, rief Guy de Margan.

»Ja Ihr, Sir!«, versetzte der Prinz. »Wir wissen mehr als Ihr vermutet. Ihr hasst ihn, weil er Euch für Eure Unverschämtheit gegenüber einer Lady bestraft hat, und wir zweifeln kaum daran, dass Ihr sehr gut wusstet, dass der Mönch, den Ihr anklagtet, er trage verräterische Mitteilungen zwischen ihm und Sir William Lemwood hin und her, von dem alten Grafen von Monthermer nur deshalb geschickt worden war, um Sir William zu bitten, er möge das Leben seiner Freunde nicht durch hoffnungslose Auflehnung gegen den Thron aufs Spiel setzen. Hugh de Monthermer, Sir, hat mir das selbst geschrieben, und ich habe Grund zu glauben, dass Ihr es gewusst habt, als Ihr die Anklage erhobt. Wehe Euch, wenn ich feststelle, dass Ihr neue falsche Anschuldigungen vorbringt. Es gibt eine Strafe für solchen Frevel!«

»Fahrt fort, Fräulein«, sagte der König, während Guy de Margan vor dem drohenden Blick des Prinzen zurückzuckte. »Was enthielt der Brief weiter?«

»Lord Hugh versprach meinem Vater, den vollständigen Beweis für seine Unschuld zu liefern, und ersuchte ihn, allein zu kommen und nicht einmal einen Pagen mitzubringen. Aber ich behaupte jetzt fest, gnädiger Herr, der Brief war eine Fälschung von jemand, der meinen Vater in den Tod locken wollte.«

»Könnte es nicht«, fragte der König weiter, der sich sichtlich nicht von seinem Verdacht auf Hugh de Monthermer abbringen lassen wollte, »der Brief eines zornigen, in seinen Hoffnungen getäuschten Mannes gewesen sein, der eine Gelegenheit suchte, Rache zu nehmen an einem Mann, der ihm die Hand seiner Tochter verweigert hatte? Es ist bewiesen, schönes Fräulein, dass Euer Geliebter und Euer Vater Streit hatten und dass der Graf versprach, ihn zu treffen – warum oder wann, weiß niemand. Sobald der junge, verstockte Lord aus diesem Schloss geflohen war, empfing Euer Vater von ihm einen Brief, der ihn aufforderte, an einen abgelegenen Ort zu kommen. Dort wurde Euer Vater ermordet. Der Bursche, der den Brief überbrachte, hatte den Befehl, niemandem zu sagen, dass er von Hugh de Monthermer sei ... Hätte er den Brief auch noch selbst geschrieben, so läge der Fall klar.«

»Gnädiger Herr«, versetzte Lucy ernst, »macht Euch frei von den falschen Angaben betrügerischer Menschen. Hugh und mein Vater hatten keinen Streit, obwohl Hugh de Monthermer natürlich gekränkt war und möglicherweise laute und hitzige Worte selbst gegenüber dem Vater seiner Verlobten geäußert haben mag. Aber ich wiederhole: Sie hatten keinen Streit, Sire! Mein Vater ließ ihn in der festen Hoffnung gehen, er werde sich vor Eurer Majestät rechtfertigen und Euch dazu veranlassen können, die Schranke zu beseitigen, die Ihr unserer Verbindung in den Weg gelegt hattet. Das sagte er mir selbst, nachdem Hugh weg war. Was aber die verabredete Zusammenkunft betrifft, so kann ich Aufschluss geben über das Warum, Wann und Wo. Mein Vater sollte ihn hier vor Euch in diesem Saal treffen. Er sollte ihn gestern hier treffen, um ein Uhr nachmittags. Er sollte mit anhören, wie Hugh sich von der gegen ihn erhobenen Anschuldigung reinigte, nicht nur in Gegenwart Eurer Majestät, sondern auch in Gegenwart des Prinzen Edward. Der Prinz selbst weiß, dass mein Vater einen Boten an ihn sandte, der ihn bat, so schnell wie möglich nach Nottingham zu kommen, damit nicht die Stimme vieler Feinde gegen einen Mann ohne Freunde bei Eurer Majestät überwöge.«

»Das ist wahr«, sagte Edward. »Der Bote kam zu mir, und wäre er nicht durch ein Missgeschick von mir ferngehalten worden, so wäre ich gestern kurz nach Mittag hiergewesen.«

»Er hatte nicht das Recht«, sagte der König gereizt, »zu argwöhnen, dass Wir ihm nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen würden.«

Das Blut stieg Edward in die Wangen, und er richtete den Blick zu Boden, da er spürte, wie lächerlich es war, wenn sein Vater von Gerechtigkeit redete, nachdem erst kürzlich ein so grobes Unrecht wie die Verurteilung Hugh de Monthermers geschehen war. Aber Heinrich fuhr fort, die arme Lucy zu befragen, der die Angst um den Geliebten eine vorübergehende Stärke verliehen hatte, die jetzt rasch abnahm.

»Ihr habt gesagt, Fräulein«, fuhr er unbarmherzig in seinem Verhör fort, »die Erklärung, die Euch Euer Vater dafür gegeben hat, dass der Brief in einer anderen Handschrift geschrieben war, habe Euch für den Moment vollkommen zufriedengestellt. Was lässt Euch heute glauben, dass der Brief eine Fälschung war? Hat die Liebe keinen Anteil daran?«

Das Blut stieg Lucy in die Wangen, und Eleonore wollte sich schon einmischen, um sie gegen derartige Fragen vor einer solchen Versammlung zu schützen. Aber das Mädchen fasste wieder Mut, sowohl durch die Kraft ihrer Liebe als auch durch die Entrüstung über den unritterlichen Spott des Königs. Sie richtete sich auf und antwortete: »Vielleicht hat die Liebe daran einen Anteil, gnädiger Herr. Aber hat der Hass keinen Anteil an der Anklage? Gott gebe, dass er keinen Anteil am Urteil haben wird!«

Totenstille trat nach dieser kühnen Antwort ein. Dann fuhr Lucy, wieder erbleichend und die Augen senkend, fort: »Ihr habt mich gefragt, warum ich den Brief für eine Fälschung halte? Weil ich jetzt einen Beweggrund für die Fälschung sehe, den ich vorher nicht sah. Weil ich keinen Grund dafür erkennen kann, warum Hugh de Monthermer ihn nicht selbst hätte schreiben sollen. Weil er nicht in der Lage ist, den Vater seiner Geliebten zu töten. Weil er den Brief nicht einmal selbst unterzeichnete, denn auch die Unterschrift war nicht von ihm. Weil nicht einmal das Siegel sein Petschaft14 war. Das sind wichtige Gründe, gnädiger Herr. Und«, fuhr sie fort, und Tränen traten ihr in die Augen, »selbst wenn nicht ein noch wichtigerer Grund vorläge: er hat sich jederzeit rechtschaffen, ehrenhaft und ehrlich verhalten. Keiner kann ihm eine gemeine Handlung vorwerfen, er hat nie etwas getan, das er für Unrecht hielt, selbst wenn die Meinung der Welt die Handlung gepriesen hätte.«

Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, und Eleonore erhob sich von ihrem Sitz mit den Worten: »Ich bitte Euch, Sire, lasst sie sich jetzt entfernen. Sie ist erschöpft – ich sehe es.«

»Nur noch eine Frage, dann mag sie gehen«, erwiderte Heinrich, der von Lucys Aussagen beeindruckt schien. »Ihr sagtet, Fräulein, Ihr seht jetzt einen Beweggrund für die Fälschung. Hegt Ihr etwa einen Verdacht, wer die Tat verübt haben könnte?«

Lucy ließ ihren Blick über den Kreis der Anwesenden gleiten und ihn eine Weile auf dem Gesicht Richard de Ashbys ruhen, der unter diesen stummen Anklage blass wurde. Dann wandte sie jedoch ihre Augen zur entgegengesetzten Seite und sagte: »Ich hege einen starken Verdacht, Sire.«

»Gegen wen?«, fragte der König.

»Verzeiht mir, gnädiger Herr«, antwortete Lucy. »Obzwar der Verdacht stark ist, ist es doch nur ein Verdacht, und ich will keine Anklage auf bloßen Verdacht gründen. Aber lasst mich meinen Bruder Alured warnen, der zu edel ist, um argwöhnisch und zu mutig, um vorsichtig zu sein, dass diejenigen, die den Vater umgebracht haben, vielleicht seinem Sohn nicht freundlicher gesinnt sein mögen.«

Wieder folgte auf ihre Worte eine Pause. Eleonore nutzte sie, zog Lucy fort und sagte: »Wir sind von Euch entlassen, Sire, oder?«

Der König nickte. Sobald die Prinzessin mit Lucy de Ashby zur Tür hinaus war, durchlief ein Geflüster den Saal, während der Prinz und der König sich leise miteinander berieten.

Der junge Graf von Ashby hatte während des ganzen Verhörs seiner Schwester nicht ein Wort gesprochen und kaum eine Miene verzogen. Nur manchmal bewegte seine Hand sich vom Knauf seines Schwerts zum Griff seines Dolches. Jetzt trat er vor und sagte: »Sire, dies ist ein schwieriger Fall, der ohne weitere Zeugenaussagen nicht von einem gewöhnlichen Gerichtshof beurteilt werden kann. Vielleicht hat Lucy recht, und Hugh de Monthermer ist unschuldig. Sie liebt ihn, und ich liebe ihn nicht. Dennoch will ich ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen und gestehen, dass die Anklage gegen ihn nicht so weit bewiesen ist, dass sie die Peers15 berechtigt, ihn zu verurteilen. Aber ein Auge ist, das da sieht, wenn auch die unsrigen verblendet sind – ein Richter, der entscheidet. Diesem Richter will ich die Sache anheimgeben. Ich ersuche Euch deshalb, Sire, im ganzen Land verkünden zu lassen, dass Hugh de Monthermer des Mordes an William Graf von Ashby angeklagt ist, und verpflichtet ist, in vierzehn Tagen hier zu erscheinen, um sich im Zweikampf auf Leben und Tod von dem Verdacht zu reinigen.«

»Das darf ich nicht abschlagen«, versetzte der König. »Das Verlangen ist gerecht und gesetzlich.«

»Ich muss Euch weiter bitten, gnädiger Herr«, fuhr der junge Graf fort, »den Namen des Anklägers nicht nennen zu lassen. Ich sage das nicht aus Eitelkeit. Wenn auch meine Lanze eine gute sein mag, so kenne ich doch keine bessere als die Hugh de Monthermers. Aber ich bezweifle, ob er mir in solch einem Streit auf dem Kampfplatz entgegentreten würde. Um seiner Liebe willen wird er nicht für immer die Aussicht auf Lucys Hand verlieren wollen, indem er das Leben ihres Bruders aufs Spiel setzt. Das heißt, wenn er unschuldig ist.«

»Auch das ist recht und billig«, erwiderte der König. »Lord Pembroke! Sorgt, dass die Bekanntmachung erfolgt. Und jetzt zu lustigeren Dingen! Wir verbringen unsere Zeit hier wahrhaftig viel zu ernst!«