19

Als Hugh de Monthermer in Hereford einritt, fand er die Nachricht von Edwards Flucht schon in der ganzen Stadt verbreitet. Dennoch erachtete er es als notwendig, zuerst seinem Oheim und dann dem Grafen von Leicester alles mitzuteilen, was an diesem Nachmittag vorgefallen war.

»Etwa dreihundert Reiter!«, sagte Simon de Montfort, nachdem er den Bericht des jungen Ritters über seine Begegnung mit Richard de Ashby angehört hatte. »Sie sind dreist, bei meinem Leben! Aber sie zeigen uns, dass wir etwas nachlässig gewesen sind. So habt Ihr also den Verräter aus dem Sattel geworfen, habt ihn aber weder töten noch gefangennehmen können. Ihr seid sicher, dass er nicht tot ist?«

»Ich bin sicher, mein Lord«, versetzte Hugh, »denn ich fühlte, dass die Lanze abglitt.«

»Habt Ihr übrigens gehört«, sagte de Montfort, »dass unsere guten Freunde, der Graf von Ashby und sein Sohn, uns verlassen haben? Ich fürchte, gewisse Hoffnungen auf die Hand eines schönen Fräuleins, das Euer Oheim erwähnte, könnt Ihr nun aufgeben.«

»Ich habe es gehört, mein Lord«, antwortete Hugh. »Ich gestehe, ich bin nicht wenig bekümmert darüber. Dennoch ...«

»Nun, was dennoch?«, fragte de Montfort, als er ihn stocken sah.

»Dennoch, mein Lord«, vollendete Hugh, »habe ich Hoffnung, dass ich am Ende mein Ziel erreiche. Ich habe noch nie einen Liebeshandel, dem ein glückliches Ende bestimmt war, gleich glatt anfangen sehen.«

»Ja, die Hoffnung!«, erwiderte de Montfort. »Sie ist wie der hungrige Knabe, der sich an seiner Suppe den Mund verbrennt und sich immer wieder damit tröstet, dass sie nach und nach schon kalt genug werden würde. Möge es so werden, wie Ihr es wünscht, mein junger Freund! Und nun gute Nacht! Weder Ihr noch ich können etwas ändern an dem, was heute schiefgegangen ist.«

Als Hugh das Zimmer verlassen wollte, rief ihn de Montfort noch einmal zurück und sagte: »Seid so gut und ersucht Euern Oheim, mich heute Abend eine Stunde zu besuchen. Ich brauche seinen militärischen Rat in unserer gegenwärtigen bedrängten Lage.«

Unruhe, geräuschvolle Tätigkeit, Truppenbewegungen, Gerüchte von überraschenden Ereignissen, zum Teil falsch, zum Teil wahr, Berichte sogar über geschehene Wunder – denn es waren Zeiten, wo fast jeder die Vergrößerungsbrille des Aberglaubens trug – Zweifel und Erwartungen erfüllten die nächsten vierzehn Tage. In allen Gegenden des Landes wurden Truppen aufgeboten, um für die eine oder die andere Partei zu fechten, und nicht selten trafen Soldatenhaufen, die ihren Bannern entgegen zogen, aufeinander und gerieten in blutige Kämpfe.

Zuverlässigen Nachrichten zufolge war die Zahl der sich um Prinz Edward und den Grafen von Gloucester versammelnden Truppen beträchtlich größer als die derjenigen, welche in Hereford zu de Montfort stießen. Da jene hauptsächlich aus Reiterei bestanden, trafen sie viel schneller ein. Die Fußsoldaten, die die Partei de Montforts ergriffen, obwohl unendlich zahlreicher, waren bei weitem länger auf dem Marsch und wurden vom Feind viel leichter aufgehalten.

Einer sich ausbreitenden Niedergeschlagenheit im Lager der Konföderierten wirkten jedoch Gerüchte entgegen, die von einer großen Erhebung der Bürger der Hauptstadt zugunsten de Montforts berichteten. Zudem war auf seiner Seite auch jene große moralische Unterstützung, die aus dem Bewusstsein erwächst, an der Spitze einer Volksbewegung zu stehen. Dass die Sache de Montforts die des Volkes war, zeigte die große Verehrung, die ihm gerade von den niederen Ständen entgegengebracht wurde, während der Hochadel eben aus diesem Grunde seinen Sturz anstrebte. Das Volk verehrte seinen berühmten Anführer Simon de Montfort als den Vorkämpfer für seine Rechte und Freiheiten.

Dennoch erlitt das Lager de Montforts manchen schweren Schlag. Misshelligkeiten mit ihren Anführern oder Verdruss über kleine Vernachlässigungen lieferten einer großen Anzahl der Edelleute, die vor der berühmten Schlacht von Lewes12 den Grafen von Leicester unterstützt hatten, jetzt aber seine wachsende Macht fürchteten, einen willkommenen Vorwand, dem Beispiel des Grafen von Ashby und seines Sohnes zu folgen und sich der Streitmacht Gloucesters und Prinz Edwards anzuschließen. Viele von den schwächeren Anhängern de Montforts blieben zwar seiner Sache treu, wurden aber dadurch beunruhigt. Doch de Montforts engste Vertraute verloren ihre Zuversicht nicht.

Keiner aber schien so ruhig und unerschütterlich wie der alte Graf von Monthermer, der für jeden hoffnungsvolle und freundliche Worte fand. Einem mutlos gewordenen Ritter sagte er: »Wir werden sie schon noch schlagen, mein guter Freund, seid ohne Furcht. Wenn nicht ein großer, außerordentlicher Irrtum von unserer Seite begangen wird oder ein unbegreiflicher Glücksfall den Feinden zu Hilfe kommt, müssen sie geschlagen werden, wie sie es bei Lewes wurden.«

»Ich habe erfahren«, entgegnete der Ritter, »dass der Graf erklärt hat...«

»Nicht der Graf, sondern der König«, unterbrach ihn der alte Lord. »Der König hat Gloucester und alle seine Anhänger zu Verrätern erklärt, aber das ist nur ein sehr kleiner Unterschied. Was die betrifft, die zum Feind übergelaufen sind, so lasst Euch von ihnen nicht anfechten. Es ist immer besser, einen offenen Feind als einen falschen Freund zu haben, und ein weiser Feldherr gibt allen Schwankenden Befehl, die Reihen seines Heeres zu verlassen, da sie nicht bloß unnütz, sondern eine Last und Bürde sind.«

Solche Worte und einige tapfere Taten bei gelegentlichen Scharmützeln hielten den Mut der Soldaten in Hereford und den benachbarten Städten aufrecht, bis endlich eine so zahlreiche Mannschaft beisammen war, dass de Montfort sich berechtigt glauben durfte, sich auf dem Feld zu behaupten, obgleich das Heer des Prinzen vielleicht um die Hälfte zahlreicher sein mochte als das seinige.

Edward stellte seine große Streitmacht zwischen dem Heer der Konföderierten und London auf, mit der offenbaren Absicht, den Gegner von seinen Hilfsquellen entfernt zu halten. De Montfort versuchte inzwischen mit großer Geschicklichkeit, an Edwards überlegener Macht ohne eine Schlacht vorbeizuziehen und unmittelbar auf London zu marschieren. Aber bei diesen Operationen schien der Prinz im Vorteil zu bleiben und seinem Gegner überall den Rang abzulaufen.

Schärfere Beobachter vermuteten, der große Simon de Montfort habe einen geheimen Zweck im Auge und werde in Wahrheit von seinem Gegner nicht so vollständig überflügelt, wie es den Anschein hatte. Der vollkommene Gleichmut, den de Montfort bei allen scheinbaren Fehlschlägen an den Tag legte, und eine gewisse ängstliche Ungeduld, mit der er der Ankunft der vielen Boten entgegensah, die zwischen seinem Lager und den südlichen Gegenden des Landes ständig unterwegs waren, erregten bei vielen die Vermutung, der Graf erwarte Verstärkungen und wolle keine Schlacht wagen, ehe sie bei ihm eingetroffen seien. Endlich trat etwas ein, das diese Annahme zu bestätigen schien.

Mitte Juli näherte sich das Heer dem Städtchen Newport, nachdem es Uske angegriffen und eingenommen hatte, das von einigen Anhängern Gloucesters nur schwach verteidigt wurde. Es schien unverkennbar die Absicht de Montforts und seiner Räte zu sein, den Fluss Severn ein paar Meilen oberhalb Newports zu überschreiten und Bristol zu erobern. Wirklich waren dahingehende Befehle gegeben worden. Aber nur wenige Schiffe, die geeignet waren, die Truppen des Grafen überzusetzen, fanden sich an dem befohlenen Platz ein, und man wusste, dass Edward in der Nähe war. Auf der anderen Seite des Flusses lagen verschiedene Schiffe und Galeeren von ansehnlicher Größe vor Anker, und Hugh de Monthermer, der den Vortrupp kommandierte, stieg mit einer kleinen Schar in ein Boot, setzte über den breiten Strom und steuerte einem Punkt zu, wo er sich gut verteidigen zu können glaubte. Von dort schickte er die Boote zum anderen Ufer zurück, damit nun die Hauptmacht des Grafen übersetzen könne.

Sein Unternehmen verlief glücklich. Nach der Landung trieb er eine Schar von Feinden zurück und sicherte einen Platz, wo die übrigen Truppen ungefährdet an Land gehen konnten. Da erreichte ihn ein Bote mit dem völlig unverständlichen Befehl, unverzüglich umzukehren.

Hugh gehorchte sogleich, und als er im Hauptquartier de Montforts eintraf, fand er seinen Oheim und Lord Ralph Basset in Beratung mit dem Grafen von Leicester. Der junge Edelmann wollte ihnen die Beweggründe für sein wagemutiges Unternehmen auseinandersetzen, doch de Montfort unterbrach ihn freundlich und sagte: »Ihr tatet ganz recht, mein junger Freund. Aber Ihr müsst wissen, dass ich keinen übereilten Zug wagen darf, wenn wir den Untergang vermeiden wollen. Prinz Edward und ich sind wie zwei Schachspieler, und es ist deshalb notwendig, dass er mein Spiel bis zum letzten Augenblick nicht versteht.«

Unmittelbar darauf wandte sich de Montfort mit seiner Streitmacht nach dem südlichen Wales, besetzte einen Distrikt, der den Anhängern Gloucesters gehörte, und schloss einen Vertrag mit einigen Fürsten von Wales, wodurch er sich den Beistand einer ansehnlichen Masse ihrer leichtbewaffneten Truppen verschaffte. Während er seinen Soldaten nun einige Tage Ruhe gönnte, kamen und gingen unaufhörlich Boten. Der Graf war ständig beschäftigt, entweder mit Schreiben oder mit Truppenübungen. Nachts, wenn das ganze Heer, mit Ausnahme der Schildwachen, in tiefem Schlaf lag, sah man in seinem Zelt noch bis zwei oder drei Uhr morgens Licht brennen.

Während des größten Teils dieser Tage und wohl auch während der wachend zugebrachten Nächte blieben der alte Graf von Monthermer und Lord Le Despenser bei de Montfort. Manchmal berieten sie sich mit ihm, manchmal schrieben sie etwas, manchmal studierten sie die Landkarten jener Zeit, maßen Entfernungen und zogen Linien. Aber keiner von ihnen äußerte je ein Wort über die Pläne und Absichten des Feldherrn, selbst nicht gegenüber seinen nächsten Verwandten.

Endlich, eines Nachts gegen elf Uhr, erhielt Hugh de Monthermer eine Einladung von de Montforts eigener Hand. Die letzten Worte waren: »Bringt Euern zwergenhaften Pagen mit.«

Tangel wurde aus seinem Schlaf in einem Winkel des Zeltes geweckt und folgte Hugh in das Hauptquartier des Grafen, der in Gesellschaft von einigen Edelleuten im äußeren Zelt saß. Die Zeltleinwand war auf beiden Seiten hochgezogen, um frische Luft hineinzulassen, so gut das in der schwülen Sommernacht möglich war. Am Ende des Tisches, um den sich die Versammelten geschart hatten, stand ein Mann in der Tracht eines Waidmannes von Yorkshire, den Reisestaub noch an den Kleidern.

»Hier ist ein Brief für Euch, mein Lord Hugh«, sagte de Montfort, kaum dass Hugh eingetreten war, und händigte ihm ein kleines Päckchen aus, das mit gelbem Wachs gesiegelt war.

Hugh nahm den Brief, aber ehe er das Siegel erbrach, trat er an den Tisch und betrachtete ihn beim Licht einer Lampe genauer.

»Es scheint Euch etwas daran als ungewöhnlich aufzufallen«, sagte de Montfort. »Was ist es?«

»Ich will es Eurer Lordschaft sogleich sagen«, antwortete Hugh und öffnete den Brief. Aufmerksam las er ihn.

»Es ist eine gute Neuigkeit«, sagte er endlich leise. »Ich erfahre, dass mein alter Freund Ralph Harland unterwegs ist, um sich mit uns zu vereinigen, nebst einem gewissen, uns sehr vertrauten Freund aus dem Wald. Etwa siebenhundert kühne Freibauern und Waidmänner aus York und Nottingham werden folgen. Sie sollen schon ziemlich nahe sein. Aber ich kann nicht umhin zu glauben, mein guter Lord«, fuhr er mit erhobener Stimme fort, »dass dieser Brief, ehe er in meine Hände kam, schon geöffnet und gelesen wurde.«

Bei diesen Worten heftete der junge Ritter sein Auge auf den Boten, der zwar zuvor schon etwas blass gewesen war, aber nun noch bleicher wurde.

»Ich schwöre aufs Kreuz«, rief er, »dass ich den Brief nicht geöffnet, sondern ihn unversehrt hierhergebracht habe, wie man mir den Auftrag gab!«

»Wer trug Euch auf, ihn zu überbringen?« fragte de Montfort und sah ihn scharf an.

Der Mann zögerte einen Augenblick, dann antwortete er: »Robin von Barnesdale.«

»Was bringt Euch zu der Vermutung, dass der Brief geöffnet wurde, Hugh?«, fragte der Graf von Monthermer.

»Nun, Oheim«, antwortete der junge Edelmann, »dies Wachs ist gelb, aber daneben ist ein Fleckchen grün, so dass ich annehmen muss, der Brief sei zuerst mit grünem Wachs gesiegelt gewesen.

»Kann unser Freund Robin schreiben?«, erkundigte sich de Montfort.

»Ja!«, rief mit gellender Stimme Tangel, der hinter Hugh de Monthermer stand. »So gut wie der Kiel von einem welschen Hahn in der Hand eines Oxforder Gelehrten!«

»Wir werden bald mehr erfahren, mein Lord«, sagte Hugh de Monthermer. »Aber dieser Brief ist nicht von der Hand Robins, sondern von Ralph Harland, dem Freisassen.«

»Aber dieser«, versetzte der Graf und legte seine Hand auf einen anderen Brief, »soll von dem kühnen Waidmann sein, und er bittet mich darin, Euch mit einigen Bewaffneten zu seiner Verstärkung entgegenzuschicken, da Gloucester ihn und seine Männer bedrohe und sie sich deshalb scheuen, weiter vorzurücken.«

»Das beweist sofort, dass es eine Fälschung ist«, sagte Hugh mit leiser Stimme zu Leicester. »Robin sucht nie Hilfe bei einem Edelmann. Das hier ist ein Verrat, mein Lord. Aber wir haben Mittel, diesen Burschen zu überführen. Jetzt, Freund«, fuhr er fort, sich an den Waidmann wendend, »sagt mir ehrlich, wer Euch geschickt hat, und nehmt Euch wohl in Acht! Wenn Ihr mich belügt, so kann es Euch das Leben kosten!«

»Ich habe es Euch schon gesagt«, antwortete der Mann trotzig.

»Gut denn, tretet vor, mein kleiner Zauberer!«, rief Hugh und legte seine Hand auf Tangels Haupt. »Wir hören von morgenländischen Hellsehern, mein Lord, durch die Wahrheit und Lüge entdeckt werden. Dieser Knabe ist so ein Hellseher, der uns bald sagen wird, wie viel an den Angaben des Burschen wahr ist. Jetzt, Tangel, betrachte ihn recht und sag uns, ob er von Robin kommt!«

»Nein«, antwortete der Zwerg, sehr zufrieden über die Wichtigkeit der ihm zugewiesenen Funktion. »Ich höre, wie Robin erklärt, dass er ihn noch nie gesehen hat!« Dann zupfte er den jungen Edelmann am Ärmel und flüsterte ihm zu: »Weiter! Fragt mich noch mehr!«

»Und jetzt, Tangel«, redete Hugh weiter, »kannst du mir sagen, wessen Mann er ist?«

»Recht gut!«, versetzte der Zwerg, sein scharfes Auge auf das blasse Gesicht des Boten heftend. Nach einer Kunstpause fuhr er langsam fort: »Er ist der Mann Prinz Edwards.«

Ein leichtes Lächeln zeigte sich einen Augenblick auf dem Gesicht des Burschen, aber Tangel fuhr in seiner betont langsamen Sprechweise fort: »Er ist der Mann Prinz Edwards durch den Grafen von Gloucester und wiederum des Grafen von Gloucester durch Richard de Ashby. Hahaha! Ich höre sie lachen bei dem Gedanken, wie sie de Montfort täuschen und Lord Hugh in eine Falle locken. Und er hört es auch! Seht nur sein Gesicht, seht sein Gesicht!«

Wirklich war dies Gesicht jetzt völlig blutleer.

»Führt ihn fort!«, befahl de Montfort. »Führt ihn fort und hängt ihn an den nächsten Baum.«

»Ich will gestehen!«, schrie der Mann, auf die Knie niederfallend. »Schont mein Leben, und ich will gestehen!«

»Das ist das einzige Mittel, Euer Leben zu retten«, versetzte der Graf ernst. »Sagt die ganze Wahrheit, so sollt Ihr verschont werden. Heraus damit, sogleich und ohne Zögern!«

»Nun denn, ich bin Sir Richard de Ashbys Mann!«, sagte der entlarvte Betrüger wimmernd und berichtete, dass ein Mönch in einem Dorf bei Worcester von einem der Diener Sir Richard de Ashbys erkannt und festgenommen worden war. Als man ihn genau durchsuchte, fand man bei ihm einen Brief von Ralph Harland an Hugh de Monthermer. Sogleich fasste man den Plan, sowohl der Schar des jungen Freisassen und Robin Hoods den Weg abzuschneiden als auch Hugh de Monthermer in einen Hinterhalt zu locken. »Der Graf von Gloucester und Roger Mortimer«, fuhr der Betrüger fort, »sind mit dem Plan vertraut, nicht aber der Prinz.«

»Führt ihn fort!«, sagte de Montfort. »Führt ihn fort und bewacht ihn scharf! Wir hätten hier eine Gelegenheit«, wandte er sich an die Anwesenden, sobald der vorgebliche Waidmann weg war, »die Truppen abzufangen, die Gloucester abordnen wird, seinen jämmerlichen Anschlag auszuführen. Aber ich glaube, meine guten Lords, wir dürfen unsere Kräfte nicht mit Scharmützeln vergeuden. Es kann jedoch jeden Moment geschehen, dass wir mit unserer ganzen Streitmacht operieren müssen, daher wollen wir auf diese Gelegenheit verzichten. Jedoch dürfen wir die Sicherheit unserer Freunde nicht außer Acht lassen. Ein zuverlässiger Mann muss sofort der von Nottingham und Yorkshire her erwarteten Verstärkung entgegengeschickt werden und sie veranlassen, einen Umweg über Shropshire zu machen. Shrewsbury ist unser, ebenso die ganze Umgebung, also werden sie auf diesem Weg ungefährdet sein. Habt Ihr einen vertrauenswürdigen Boten, den Ihr schicken könnt?«

Hugh sah Tangel fragend an. Der Knabe klatschte freudig in die Hände und rief: »Lasst mich gehen!«

»Sei es denn so!«, sagte Hugh. »Ich will ihn sogleich mit allem Nötigen versehen, mein Lord. Es ist besser, er nimmt keinen Brief mit, aber einen wohlgefüllten Beutel und ein schnelles Pferd. Er ist ein kluger Bursche und wird kein Wort der ihm aufgetragenen Botschaft vergessen ...«

»Horch!«, rief de Montfort. »Auf der anderen Seite des Flusses galoppieren Pferde! Endlich, so hoffe ich, die erwarteten Boten! Wisst Ihr, was Ihr zu bestellen habt, Knabe?«

»Recht gut, großer Herr!«, antwortete Tangel. Und ich will es weder an Eile noch an pünktlicher Treue fehlen lassen.«

»Heda! Wer ist’s?«, hörte man jetzt die Schildwachen rufen, die etwa fünfzig Schritt von de Montforts Zelt standen.

»Gut Freund!«, war die Antwort.

»Steigt ab!«, rief einer der Posten, und nach einer kurzen Pause hörte man eine andere Stimme laut erwidern: »Briefe von dem Lord Simon de Montfort an seinen Vater, den Grafen von Leicester.«

»Ha!«, rief Leicester aufspringend, und sein Gesicht strahlte vor Freude. »Endlich! Lasst ihn eintreten«, schrie er hinaus, »lasst ihn eintreten!«

Ein Mann, blass, hohläugig und ganz erschöpft, mit einem kleinen Paket in der Hand, betrat wenig später das Zelt.

»Das ist von Eurem Sohn, Euer Lordschaft«, sagte er. »Ich habe ihn vor wenigen Stunden gesund in Oxford verlassen, mit dreißigtausend Mann unter den Waffen, alle bereit, einer Welt Trotz zu bieten für de Montfort.«

Zu gespannt, als dass er eine Antwort hätte geben können, ergriff der Graf von Leicester das Päckchen, riss es auf und las.

»Alles steht gut!«, rief er endlich, erhob sich mit vergnügtem Lächeln und wandte sich den Herren zu seiner Rechten zu. »Jetzt, meine guten Lords, ist der Augenblick zu entscheidendem Handeln gekommen. Euch, Monthermer, Euch, Le Despenser, herzlichen Dank für Euern weisen und umsichtigen Rat, der meiner etwas ungestümen Natur die Zügel notwendiger Geduld angelegt und mich in die Lage versetzt hat, meiner Neigung zum Vorrücken zu widerstehen. Bis heute haben wir die rebellischen Lords und den Prinzen mit Märschen und Gegenmärschen hingehalten, während mein Sohn das Land hinter ihnen zum Sich-Erheben gebracht hat und schon mit einer überwältigenden Streitmacht in Oxford steht. Er auf der einen, ich auf der anderen Seite – so haben wir sie in der Falle. Lasst sofort im Lager Befehl geben, dass alles eine Stunde vor Tagesanbruch zum Aufbruch bereit zu sein hat. Ihr, mein Lord Hugh, müsst jetzt Euern Boten anweisen, unsere Freunde von Nottingham über Clebury und den Wire-Wald nach Worcester zu führen und ein scharfes Auge auf den Feind zu haben. Ohne Zweifel werden wir, ehe sie eintreffen, diese Gegend geräumt haben. Ihr habt mir gute Nachricht gebracht«, fuhr er, sich zu dem Boten wendend, fort. »Geht zu meinem Vogt, er soll sich um Euch kümmern. Jetzt für einige Stunden gute Nacht, meine Lords.«

Am nächsten Morgen bei Tagesanbruch waren alle Zelte abgebrochen, und die Hauptmasse des Heeres hatte schon den Lug überschritten. De Montfort rückte noch immer mit großer Umsicht und Behutsamkeit vor, sandte nach allen Richtungen Späher aus und machte nie eine Bewegung, die einen Teil seines Heeres einem plötzlichen Angriff aussetzen konnte. Aber nirgends stieß man auf einen Feind. Es schien allen wahrscheinlich, dass Edward die Gefahr, die ihm drohte, erkannt hatte und sich ihr zu entziehen suchte.

Am Abend des 31. Juli 1265 erreichte de Montfort den prächtigen Landpalast des Bischofs von Worcester. Er war umgeben von einem ausgedehnten Park. Hier verbrachte das Heer die Nacht, während das Hauptquartier des Feldherrn und seines königlichen Gefangenen im Palast des Bischofs aufgeschlagen wurde. Die Entfernung zur Stadt Worcester betrug nur drei Meilen, aber keinerlei Nachricht kam über die Bewegung des Heeres des Prinzen.

Gegen sieben Uhr indessen erhielt de Montfort einen Brief von seinem ältesten Sohn, der an der Spitze der großen, von Oxford zu seiner Verstärkung herbeiziehenden Mannschaft stand. Als er ihn geöffnet hatte und das Datum las, umwölkte sich jedoch seine Stirn, und er murmelte vor sich hin: »Kenilworth, Kenilworth! Das ist ein großer Missgriff! Was tut er in Kenilworth?«

Er stellte weiterhin fest, dass der Brief unmittelbar nach einem langen nächtlichen Marsch geschrieben worden war, den sein Sohn unternommen hatte, um dem Heer des Prinzen Edward den Weg abzuschneiden, das, wie man sagte, aus Worcester fliehe. Am nächsten Freitag wollte sein Sohn zu ihm stoßen, da er vermute, dass der Prinz entkommen sei.

De Montfort las den Brief zweimal sehr sorgfältig und murmelte dann: »Das lässt sich nicht mehr ändern! Wir müssen weiter, nach Evesham, in aller Eile. Edward sollte mit einem großen Heer und im Besitz von Worcester und Gloucester fliehen? Nein. Das ist nicht wahrscheinlich. Wir müssen auf der Hut sein vor Überfällen, dahinter steckt etwas!«

Und nachdem er mit einer kleinen Handglocke, die auf seinem Tisch stand, einen seiner Offiziere herbeigeläutet hatte, befahl er diesem: »Verdoppelt die Wachen an allen Zugängen des Parks, stellt etwa fünfzig berittene Bogenschützen auf die Straße nach Worcester und verbarrikadiert das andere Ende des Dorfes. Veranlasst das sofort, und dann kommt wieder und holt einen Brief ab, nachdem Ihr einem der Reiter die Anweisung gegeben habt, sich bereitzuhalten, nach Kenilworth zu reiten. Kenilworth!«, wiederholte er nachdenklich. »Was hatte er in Kenilworth zu tun? Hört Ihr«, fuhr er, sich wieder an den Offizier wendend, fort, »bringt einige gescheite Burschen, die nicht um ihren Hals fürchten, dazu, dass sie sich, sobald die Tore offen sind, nach Worcester hineinschleichen und für mich erkunden, was dort vorgeht. Versprecht ihnen hohen Lohn, wir müssen das unbedingt herausfinden.«

Der Tag war seit etwa einer Stunde angebrochen, als einer der Kundschafter, die nach Worcester geschickt worden waren, in das Zimmer des Grafen von Leicester geführt wurde, der gerade damit beschäftigt war, seinen Harnisch anzulegen.

»Ich bin mit knapper Not entkommen, mein Lord!«, rief der Mann. »Alle Übrigen haben sie verhaftet!«

»Die Nachrichten!«, rief de Montfort. »Was habt Ihr erfahren?«

»Wenig oder nichts, mein Lord«, antwortete der Mann mürrisch. »Ich hörte, wie Befehl gegeben wurde, meine Kameraden zu hängen, und sah Prinz Edwards Truppen in Eile und Unordnung nach einem langen Nachtmarsch eintreffen. Aber ich konnte mich nur durch schnellste Flucht retten und war daher nicht imstande, mehr zu erfahren.«

»Es ist genug, es ist genug!«, rief de Montfort triumphierend. »Da, Freund, ist Eure Belohnung! Edward ist mit seinem Heer in Unordnung in Worcester angekommen? Das ist genug! Jetzt fort nach Evesham, in aller Eile, um mich mit der Streitmacht meines Sohnes zu vereinigen, und dann zurück, um dies Hornissennest zu zertreten!«