20

Es war ein schöner Anblick, der sich Hugh de Monthermer bot, als er, den man mit einer Schar berittener Bogenschützen und Gewappneter dem Hauptheer vorausgeschickt hatte, auf einem kleinen Hügel hielt. Von hier hatte er eine Aussicht auf das Tal von Evesham und konnte das Heer de Montforts betrachten, wie es des Weges zog.

Der Marsch eines mittelalterlichen Heeres bot ein farbenprächtiges Bild, obgleich im 13. Jahrhundert ein Teil des Glanzes, den es später gewann, als die Röcke der Ritter mit ihren Wappen bestickt wurden, damals noch fehlte. Doch waren die Wappen der Edelleute mit glänzenden Farben in die Banner gestickt und auf die Schilde gemalt. Die Ritter trugen schöne Schärpen, die über die rechte Schulter hingen und unter dem linken Arm nur locker befestigt waren, so dass sie bei jedem Windhauch wie farbige Flaggen in den Lüften flatterten.

Goldener Sonnenschein lag über der Landschaft. Auf der einen Seite ragte die Gebirgskette von Malvern in den Himmel, mit vielen kleinen vorspringenden Bergen, die bis zum Gipfel mit Wald bewachsen und oft mit einem befestigten Schloss gekrönt waren. Auf der anderen Seite erstreckte sich das Hochland in Richtung Sudleigh, bedeckt mit prächtigen Bäumen und unzählige Kastelle tragend, während da und dort die Spitze eines Kirchturms oder die Zinnen einer Abtei hervorlugten. In dem weiten Tal zwischen beiden sah man die sanften Anhöhen, die grünen Wiesen, die Kornfelder und die langen Waldzüge, die das liebliche Tal von Evesham zierten. In dieser schönen Landschaft marschierte das Heer de Montforts mit entfalteten Bannern und im Winde flatternden Fähnchen.

Zuerst kamen die Schleuderer mit ihren Stäben und ledernen Riemen, dann die leichten Pikenmänner zu Fuß. Während die Ersteren ohne jede Rüstung waren, trugen die Letzteren einen Brustharnisch von Stahlschuppen und einen runden stählernen Schild am Arm. Ihnen folgten die ersten regulären Truppen, bestehend aus schwerbewaffneten Lanzenmännern, geschützt durch die Stahlhaube, den langen ovalen Schild und das dick gefütterte Wams, das so steif und hart war, dass es Schwert und Dolch widerstand.

Daran schlossen sich die Bogenschützen an, der Stolz des englischen Heeres. Jeder trug über seiner Rüstung eine Art von ledernem Brustpanzer, geschmückt mit vier runden Eisenplatten. Ihre Pfeile staken in einem Gürtel um den Leib, die Bogen trugen sie entspannt in der Hand. Jeder hatte seinen kurzen Dolch an einem Riemen um den Hals hängen, und viele waren auch mit einem starken, breiten Schwert ausgerüstet.

Truppen von berittenen Bogenschützen folgten, und dann kam der lange Zug von gewappneten Kriegern, die zu je vier Mann nebeneinander ritten und in deren polierten Harnischen sich die Sonne spiegelte. Gewiss war selten ein glanzvolleres Schauspiel gesehen worden als der lange Zug von de Montforts Reitern, wie sie durch das Tal von Evesham dahinzogen.

Dann und wann trug der leichte Sommerwind dem Ohr Hugh de Monthermers das fröhliche Schmettern der Trompeten und laute Kommandorufe zu. Während er an der Spitze seiner Leute auf Nebenwegen ritt, auf denen er gegen Evesham vorzurücken angewiesen worden war, schwammen Traumbilder von Ruhm und Ritterehre vor seinem Auge und verscheuchten die schwermütigen Bilder, die von seinem Gemüt Besitz ergriffen hatten, seit der Vater seiner Geliebten zum Feind übergelaufen war. Nicht, dass die Hoffnung, Waffenruhm zu gewinnen, die Erinnerung an Lucy de Ashby aus seiner Seele hätte verbannen können, aber in jenen Tagen war für einen Ritter der Gedanke an Waffenruhm so eng verbunden mit den Gefühlen der Liebe, dass beides gar nicht voneinander zu trennen war. Das Bewusstsein, dass sie von seinen Waffentaten hören würde, war ihm Trost und Genugtuung. Glorreiche Kämpfe waren in ritterlichen Zeiten einer der Wege, um Liebe zu werben, und nur zu oft der einzige Weg, der dem Liebenden freistand.

Das Heer rückte weiter, und Hugh verfolgte seinen Weg. Von jeder kleinen Anhöhe in der Ebene spähte er in die Umgebung, ob nicht bewaffnete Freunde oder Feinde sich den Streitkräften de Montforts näherten. Aber alles war friedlich und ruhig. Dort ging ein Dorfmädchen durch die Felder, deren lange Kornähren ihr bis an die Schultern reichten, dort brachte ein Bauer die reiche und frühe Gerstenernte ein, dort auf der Straße lenkte ein Kärrner sein Gespann, und dort trieb ein Hirte sein Vieh nach Hause. Das einzig Kriegerische war das Blinken der Lanzen von de Montforts Heer, das jetzt in der Abenddämmerung in das kleine Städtchen Evesham einzog.

Etwa zwei Meilen vor der Stadt machte Hugh de Monthermer plötzlich Halt, denn in geringer Entfernung erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Die sich zum Untergang neigende Sonne wurde von einem glänzenden Gegenstand unter den Bäumen reflektiert. Eine Pflugschar vielleicht, dachte der junge Ritter. Aber gleich darauf schimmerte etwas Metallenes an einer anderen Stelle auf. Dorthin lenkte er nun über einen schmalen Heckenweg sein Pferd. Einige Bogenschützen wies er an, zu beiden Seiten auf den Feldern in derselben Richtung vorzurücken.

Nachdem sie ein paar Minuten geritten waren, bemerkten der junge Lord und die unmittelbar hinter ihm befindlichen Männer ein Wesen, das unter der Hecke dahinkroch. Aber in der Dämmerung konnten sie nicht ausmachen, was es war.

»Es ist ein Hund«, sagte Thomas Blawket, der in der ersten Reihe hinter seinem Anführer ritt.

»Oder ein Wolf«, sagte ein anderer in der Nähe.

Da spornte Hugh sein Pferd an und rief: »Tangel, Tangel, seid Ihr es?«

Der zwergenhafte Knabe sprang auf die Füße, als er die ihm wohlbekannte Stimme Lord Hughs vernahm. Mit wilden Gebärden rannte er ihm entgegen.

»Ihr seid es!«, rief er. »Robin, Ralph und die anderen werden froh sein, Euch zu sehen! Wir haben es in den letzten vier Tagen sehr schwer gehabt. Sie glaubten, es sei wieder des Prinzen Heer, das im Tal dahinzieht, und schickten mich, um es auszuspähen.«

»Auch wir werden sie freudig begrüßen«, versetzte Hugh. »Obgleich wir stark genug sind, und, wie ich hoffe, nun bald noch stärker sein werden, kommen doch sieben- oder achthundert tapfere Männer nie unerwünscht.«

»So viele sind es nicht, guter Ritter!«, rief Tangel mit einem bedauernden Schulterzucken. »Viele der Burschen aus Yorkshire fürchteten sich, weiter mit uns zu ziehen. Sie machten bei Stafford linksum, die Schelme! Es sind nur Robin Hood, Ralph Harland und zweihundertfünfzig Mann, genau gezählt. Aber es sind gute und treue Männer, die Euch einen Pfeil durch das Schlüsselloch der Kirchtüre von Mumbury jagen oder den Konstabler des Sheriffs krumm schlagen wie ein Hufeisen.«

»Sie sollen willkommen sein«, sagte Hugh. »Was aber die anderen betrifft: Ein Mann, der je Angst empfunden hat bei einer guten Sache, der tut am besten, wegzubleiben, um nicht Furcht im ganzen tapferen Heer zu verbreiten!«

Als dann jedoch der junge Ritter seine Freunde, die Freibauern, begrüßte, bemerkte er, dass der kühne Robin Hood ernster war, als er sonst zu sein pflegte.

»Was ist, Robin?«, fragte Hugh, nachdem sie einander freundlich willkommen geheißen hatten.

»Ich weiß nicht, mein Lord«, antwortete der Waidmann, »aber verworrene Gerüchte sind uns im Laufe des Tages zu Ohren gekommen, dass es eine Schlacht gegeben hätte und de Montfort geschlagen sei.«

Hugh de Monthermer lachte. »Nein, Robin! Von diesem kleinen Hügel aus könnt Ihr eben jetzt die letzten Truppen seines stattlichen Heeres nach Evesham marschieren sehen, dem keine Feder auf einem Helm geknickt, kein Banner zerrissen, kein Wappenrock zerhauen ist.«

»Das ist eine gute Neuigkeit, mein Lord«, versetzte Robin Hood, doch sein Gesicht blieb ernst. »Die Nachricht kam von Warwick. Ich liebe solche Gerüchte nicht, ob sie nun andeuten, was die Leute fürchten oder was sie hoffen.«

»Von Warwick her?«, sagte Hugh nachdenklich. »Mein Lord von Leicester muss davon unterrichtet werden. Kommt, Robin, kommt, Ralph, lasst uns schnell nach Evesham reiten. Meines Oheims Leute halten gute Quartiere für mich und die Meinigen bereit, und ich will sie heute Nacht mit Euch teilen. Habt Ihr keine Pferde?«

»Nein, mein Lord«, versetzte Ralph. »Wir sind mit unseren Leuten zu Fuß marschiert. Ich habe einhundert gute Lanzen, und Robin führt etwa hundertfünfzig Bogenschützen. Die letzten vier Tage haben wir in Feld und Wald geschlafen, denn die Märsche und Gegenmärsche Prinz Edwards haben uns mehr als einmal in Gefahr gebracht. Reitet nur zu, mein Lord, wir werden Euch folgen!«

Hugh de Monthermer zögerte nicht, denn er wusste, dass in einem so kritischen Augenblick die geringste Nachricht von Wichtigkeit für de Monfort sein konnte. Kaum hatte er Evesham erreicht, ließ er seine Leute unter dem Befehl eines treuen Anhängers seines Hauses zurück und drängte sich durch das Gewimmel auf den Straßen, um das Hauptquartier des Grafen von Leicester aufzusuchen.

Er fand ihn in der Abtei, umgeben von einer Anzahl von Offizieren, wie er eben den König mit allen äußeren Zeichen der Ehrerbietung in das für ihn vorbereitete Gemach führte. Nachdem dies geschehen und die üblichen Vorkehrungen gegen einen Fluchtversuch des königlichen Gefangenen getroffen waren, kehrte der Graf zurück in die Abtei.

Als er Hugh entdeckte, winkte er diesen in eine der tiefen Fensternischen und sagte zu ihm: »Ihr habt Neuigkeiten für mich, wie ich sehe. Was ist’s?«

Hugh berichtete ihm, dass er mit ihren Freunden aus dem Wald zusammengetroffen war und erwähnte das Gerücht, das sie gehört hatten. Sofort überzog sich de Montforts Stirn mit einer düsteren Wolke.

»Von Warwick her, sagen sie, sei die Nachricht gekommen?«, rief er aus. »Bei St. Jakob, das wäre böse, wenn es sich bestätigen sollte! Aber es kann nicht sein! Ich bekam ja gestern Nacht Briefe von meinem Sohn. Er habe Edward aufgelauert, schrieb er, aber der Prinz sei nicht erschienen. Dank, mein junger Freund! Diese trefflichen Waidmänner kommen gerade zur rechten Zeit. Seht zu, dass sie gut untergebracht werden, und sorgt auch für Eure eigenen Leute. Wir müssen morgen früh im Sattel sein!«