Kapitel 11

14. Januar 2018

Während der Luftbremsung bei der Ankunft waren sie ordentlich durchgeschüttelt worden. Die Simulationen waren wirklich hart gewesen – stärkere Vibrationen als beim Start, schwindelerregende Kapriolen, als sie in großer Höhe in Turbulenzen gerieten, mit denen niemand gerechnet hatte (und was, wenn sie es gewußt hätten?).

Beim Anflug mußten sie ein paar Kilometer pro Sekunde abbremsen. Hätten sie die Geschwindigkeit mit Raketenbremsung aufgezehrt, wäre der Brennstoffverbrauch deutlich angestiegen. Also nutzten sie Reibung wie beim normalen Bremsvorgang. Selbst beim Eintritt in die dünne CO2-Atmosphäre unterlag die Hülle des Raumschiffs einer thermischen Belastung wie seinerzeit die gekachelten Hitzeschilde der Raumfähren.

Die hämmernden Stöße kamen nun aus drei Richtungen gleichzeitig. Wie ein Hund, der eine Stoffpuppe schüttelt, sagte sie sich und hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Sie versuchte, sich trotz des ohrenbetäubenden Lärms zu konzentrieren – eine Schallmauer im Wortsinn, die das Habitat bei jedem schrillen Ton zu zerschmettern drohte. Und durchdrungen wurde dieses Tosen von Viktors ruhiger Stimme, die irgendwie nah und persönlich im Kopfhörer ertönte.

»Nähern uns Delta max, heizen mit viervierdreisieben auf, nähern uns dem roten Bereich. In der Hüllkurve Nick-Korrektur, Höhe vierachtsieben.«

Er sprach zwar mit Marc, doch hatte der Klang seiner Stimme eine enorm tröstliche Wirkung auf sie. Sie wußte, daß er jeden Schritt in Echtzeit dokumentierte; falls etwas schiefging, existierten zumindest Aufzeichnungen über den Hergang des Unglücks. Einer der stationären Nachrichtensatelliten des Mars-Vorposten-Programms fing jedes Signal auf, dem es gelang, das Plasmaentladungs-Glühen zu durchdringen. Es vermittelte ihnen den Anschein eines orangefarbenen Kometen, der den Mars-Tag erhellte.

Sie riß sich zusammen und betete zu Viktor – nicht etwa zu Gott –, daß sie die quälend langen Minuten überstanden, während sie ein Viertel des Planeten umrundeten. Der Wind brandete heulend gegen sie an, und der Hitzeschild wurde rotglühend und verlor die Kacheln wie ein Raumschiff, das Schuppen hatte. Dann – krawumm!

klirr! – stießen sie den Hitzeschild ab, und die schwere Hand der negativen Beschleunigung wurde etwas leichter.

Plötzlich wurde das Habitat in Rotation versetzt, als die sich öffnenden Fallschirme das Modul in verschiedene Richtungen zerrten.

Der Lärm verhallte. Auf einmal war es still.

Am Fallschirm schwebten sie der Oberfläche entgegen, und plötzlich stießen alle Jubelschreie aus. Sie fielen noch immer, aber langsamer …

Das Triebwerk zündete brüllend und leitete zusätzlich zu den Fallschirmen einen angetriebenen Abstieg ein. Die Werte des Höhenmessers, die Viktor laut verkündete, wurden immer kleiner – 17, 14 Kilometer … Sie hatten mehrere hundert Millionen Kilometer zurückgelegt, und nun waren es noch acht Kilometer … fünf …

Sie hielt die Luft an. Nicht sehr professionell, aber zum Teufel damit!

Der Start war eine Strapaze gewesen, doch hatten sie kein Himmelsfenster mit einem Durchmesser von ein paar Kilometern anpeilen müssen. Hauptsache war, daß sie den Orbit überhaupt erreichten; eine Korrektur der Position war jederzeit möglich.

Diesmal mußte Viktor sie jedoch in unmittelbarer Nähe des ERV herunterbringen. Eine beliebige Distanz innerhalb des Aktionsradius eines Dünenbuggys wäre natürlich auch ausreichend gewesen, obwohl das ihnen während der nächsten anderthalb Jahre Umstände bereitet hätte.

Viktor hatte keinerlei Einwände gehabt, daß Raoul ihre Fäkalien in der Atmosphäre entsorgte – auf diese Weise hatten sie nämlich eine Tonne Masse eingespart, die nicht mehr mit dem wertvollen Brennstoff sanft auf dem Mars gelandet werden mußte. Den derart eingesparten Brennstoff nutzte er vielmehr, um aus einer Sinkgeschwindigkeit von weniger als hundert Kilometern pro Stunde so stark zu verzögern, daß sie in einer Höhe von ein paar Kilometern fast in der Luft hingen. Zur Orientierung verwendete er den Radar-Höhenmesser und das Zielsuchgerät. Nicht zu vergessen die Außenkamera, welche die Bilder direkt zur Erde übertrug, die Axelrod in jeder Sekunde Gewinne in Millionenhöhe bescherten.

»Langsam, Kurs einsachtdrei, nördliche Drift … ich sehe die Landezone. ERV. Sieht so aus, als ob wir es geschafft hätten! … komme rein … habe auch schon einen Parkplatz gefunden …«

Ein Brüllen. »Dichter Staub … Bodenberührung … Motoren stopp!«

* * *

Nach der ersten surrealen Stunde hatte der Zauber des Mars sich soweit abgeschwächt, daß Raoul imstande war, zum ERV hinüberzugehen. Die Überprüfung seiner Anzugssysteme hatte Vorrang. Es war ein schöner Spaziergang über das rostrote, geröllübersäte Land, das sie schon tausendmal durch die Fernsehkameras des Dünenbuggys gesehen hatten. Julia hielt sich links, trat gegen einen Stein und sah, wie er in der niedrigen Schwerkraft gemächlich davonflog.

Dann drang Raouls Stöhnen aus dem Anzuglautsprecher.

Als sie das ERV erreichte, war Raoul schon wieder unter ihm hervorgekrochen. Sie sah, was er gesehen hatte – einen dunklen Fleck im Sand, der vielleicht einen Durchmesser von zwei Handtellern hatte. Klein. Aber es genügte.

Wenn man berücksichtigte, daß das ERV ohne menschliche Piloten geflogen war, hatte es geradezu ein Wunder vollbracht. Es war zwei komma drei Kilometer vom exakten Mittelpunkt der Ellipse entfernt heruntergekommen. Das sprach für die Kompetenz der NASA.

Doch stellte Raoul alsbald fest, daß das Schiff mit ›Schlagseite‹ gelandet war. An sich kein Problem, doch war eine Verstrebung gegen einen Felsen gedrückt und verbogen worden. Die hohe Sinkgeschwindigkeit hatte eine harte Landung zur Folge gehabt, und durch das Zusammenwirken von Druck und Torsion waren Brennstoffleitungen und Ventile an der Peripherie des Triebwerks zerstört worden.

»Ich frage mich nur, wieso die Diagnosesysteme das nicht entdeckt haben«, sagte Marc.

Raoul hatte sich unter der Triebwerksverkleidung zu schaffen gemacht, während die anderen untätig herumstanden und beunruhigt die verbogene Strebe musterten. Nun kam er unter dem ERV hervorgekrochen.

»Die Leitungen standen nicht unter Druck«, erklärte Raoul.

Viktor sagte nichts, sondern kroch selbst unter das ERV, um sich zu vergewissern.

Mit gerunzelter Stirn kam er wieder zum Vorschein. »Ist wahrscheinlich durch einen Gier-Impuls beim Luftbrems-Manöver passiert. Das Schiff ist zu schnell reingekommen. Eine minimale Geschwindigkeitsüberschreitung hätte schon genügt.«

Marc fluchte.

»Wie schlimm ist es?«, fragte Julia.

»Nicht allzu schlimm, glaube ich«, sagte Raoul. Doch die Art und Weise, wie er das Gesicht verzog, sagte ihnen die ganze Wahrheit.

»Aber es gibt hier keine voll ausgerüstete Werkstatt.« Der Spruch wurde allmählich langweilig. »Ich werde improvisieren müssen.«

Der Schreck verschlug den Männern die Sprache. Für sie war der Fall klar. Wozu um den heißen Brei herumreden. Es hieß ›reparieren oder sterben‹.

Julia saß am Funkgerät und schlürfte genüßlich die letzte Tasse Tee. Schon bald würden sie und Marc die Raumanzüge anlegen und das Habitat verlassen müssen, um den Starttest durchzuführen.

Raoul und Viktor hatten das Habitat schon verlassen. Sie hatte es am Ruck gemerkt, der durchs Modul ging, als das Außenschott der Luftschleuse sich hinter ihnen schloß.

In der Regel arbeiteten sie zu zweit. Sicherheitssysteme waren unbedingt notwendig. Redundanz war der Schlüssel zum Überleben.

Denn auf dem Mars waren die Gefahren auch redundant. Wenn die Kälte einem nicht den Garaus machte, dann eben die Atmosphäre. Und wenn keiner von beiden es schaffte, dann gab es immer noch die Trockenheit. Ganz zu schweigen vom verdammt toxischen Staub.

Das Partner-Paradigma hatte auf der Erde eine lange Tradition, sagte sie sich. Es galt vom Gerätetauchen bis hin zur NASA. Auf dem Flachbildschirm sah sie zwei farbige Raumanzüge, einen gelben und einen purpurnen, über die Landschaft wandern. Einer hinkte leicht, und der andere marschierte bedächtig auf das ERV zu.

Sie hatten zwar in der Arktisstation auf Devon Island trainiert, doch damals hatten sie sich nur vor der Kälte schützen müssen. Und Shackleton, Amundsen, Peary und die anderen verrückten Polarforscher hatten sich gar nur mit einem ums Gesicht gewickelten Wollschal geschützt. Zumal ihre Technik kaum imstande gewesen war, sie vor dieser einen Gefahr zu bewahren. Etliche tiefgefrorene Leichen lagen an beiden Enden der Erde. Die neuen Textilien indes waren warm, leicht und atmungsaktiv, so daß man nur noch Nase und Atemwege schützen mußte.

Erst die Besteiger des Everest wurden der kombinierten Bedrohung durch Kälte und dünne Luft ausgesetzt. Sie bezeichneten den Abschnitt unterhalb des Gipfels als Todeszone, wo man selbst bei optimaler Vorbereitung ein extremes Risiko einging, wegen Sauerstoffmangels ständig Gehirnzellen einbüßte und mit jedem Tag schwächer wurde.

Und hier? Dieser ganze Planet ist eine Todeszone.

Wo sie hier im Habitat saß, eine Tasse Tee in der Hand und in warme Klamotten gehüllt, wähnte sie sich in Sicherheit. Doch vergaßen sie für keine Sekunde, daß draußen der unerbittliche und feindselige Mars lauerte. Kein schlechter Ort, nur war er eben nicht für Menschen gemacht.

Manchmal träumte sie, daß irgend etwas, ein unsichtbarer Schrecken, direkt vor der Tür lauerte. Sie mußte Vorsicht walten lassen, sonst wäre sie verloren. Der Verstand sagte ihr natürlich, daß es nur die ständige Anspannung war, durch die diese Träume ausgelöst wurden – doch ein Hauch von Unbehagen blieb.

Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, daß das Leben auf dem Mars mehr Ähnlichkeit mit dem Leben im Meer hatte als mit dem Dasein auf dem ebenso trockenen wie kalten Devon Island. Die NASA und die Mars Society hatten diese Anlage gemeinsam um die Jahrtausendwende errichtet, um dort Besatzungen für einen Flug zum Mars auszubilden. Die angehenden Astronauten wurden darauf gedrillt, immer den Anzug anzulegen, bevor sie nach draußen gingen und eine Prüfliste der notwendigen Ausrüstung abzuhaken.

Die NASA-Mitarbeiter, denen nie das Privileg eines Raumflugs zuteil werden würde, fanden das lustig. Ein paar von ihnen hatten sich an die Kälte gewöhnt und flitzten leichtbekleidet zwischen den Gebäuden hin und her.

Doch für Julia war es immer wieder ein Schock, wenn nach dem Verlassen des Gebäudes die eisige Luft ihr ins Gesicht schlug. Auf dem Mars, der doch so viel kälter war als die Arktis, spürte sie die Kälte merkwürdigerweise nie. Man mußte schon ein Selbstmörder oder ein Wahnsinniger sein, wenn man ohne Druckanzug und Helm nach draußen ging. Nach nicht einmal einer halben Minute würde man das Leben ausgehaucht haben.

Also kontrollierten sie auf dem kalten, trockenen Mars wie Taucher die Sauerstoffbehälter und Anschlüsse, Heizung und Sensoren – die eigenen und die des Partners, der einem nie von der Seite wich.

Und sie gaben sich gegenseitig Rückendeckung. Immer. So hatten sie für anderthalb Jahre überlebt.

* * *

Der Starttest erfolgte nach zwei Tagen harter Arbeit.

Seit über 500 Tagen hatten sie in den Rovern ein Methan-Sauerstoffgemisch verbrannt – allerdings mit Zufuhr von Kohlendioxid, um die Verbrennungstemperatur möglichst niedrig zu halten. Kohlendioxid diente als Trägheitspuffer – eine Funktion, die auf der Erde von Stickstoff übernommen wurde. Der Brennvorgang in den ERV-Boostern würde jedoch bei viel höheren Temperaturen ablaufen. In einer Reihe von Konstruktionsprüfungen war die thermische Belastbarkeit des Systems nachgewiesen worden, wobei diese Tests jedoch unter idealen Bedingungen in Labors auf der Erde erfolgt waren. Das Test-ERV hatte nicht für vier Jahre auf dem kalten, staubigen Mars herumgestanden. Weder war es bei der Landung beschädigt worden, noch hatte Raoul für ein paar Monate daran herumgeklempnert. Die Reparaturarbeiten waren auf Kosten der Forschung gegangen und hatten einen Schatten auf die Mission geworfen.

Sie hatten bereits in Erwägung gezogen, sich mit einem einzigen Triebwerkstest zu begnügen und die Systeme nicht unter Vollast laufen zu lassen.

»Vielleicht sollten wir das Triebwerk diesmal nur hochfahren«, sagte Marc.

»Du meinst, wir sollen den Test in mehreren Abschnitten durchführen?« Die permanente Anspannung stand Raoul ins Gesicht geschrieben.

»Dann können wir den Test auch gleich bleibenlassen.« Viktors Stimme hatte einen Unterton, der ihnen sagte, daß er sich beherrschen mußte. »Entweder funktioniert es, oder es funktioniert nicht.

Wir sollten das so bald wie möglich rausfinden.«

»Es ist vielleicht sicherer«, sagte Marc.

»Ein partieller Test wäre nur dann sinnvoll, falls es nicht funktioniert.« Viktor stach mit dem Finger in die Luft, wobei er es aber vermied, auf jemanden zu deuten. Er mußte sich Luft machen, wußte aber, daß er die anderen nicht brüskieren durfte.

»Falls der Start klappt und die Landung schiefgeht, weil der Wind vielleicht …«, sagte Marc.

»Wir haben ruhiges Wetter. Und ich bin durchaus in der Lage, aufwärts zu fliegen.«

Marc nickte. »Das hat etwas für sich«, sagte Julia mit Bedacht.

»Ja, und wenn wir zu viele Testzündungen durchführen, riskieren wir andere Probleme«, sagte Raoul. »Gegen den Teufel komme ich auch nicht an.«

Die Männer wechselten Blicke. Irgendwie hatte die Sache sich zu einem Reiz-Reaktions-Spiel zwischen den dreien entwickelt, an dem sie nicht beteiligt war. Wenn, wie in diesem Fall, technische Probleme erörtert wurden, von denen sie nichts verstand, betrachteten die anderen sie nur als Viktors Anhängsel.

»Wir ziehen es durch?« fragte Viktor. Allerdings war das keine Frage, sondern ein Befehl.

Die anderen nickten.

* * *

Auf einen Warnruf von Raoul hin duckte sie sich.

Sie hatten beschlossen, diesen Test auf zehn Prozent der Höchstleistung zu begrenzen. Das genügte schon, um einen verborgenen Defekt an einer Leitung festzustellen. Raoul und Viktor gingen allein an Bord; nur für den Fall. Viktor würde die Subsysteme von der Liege aus kontrollieren. Zumal Julia vermutete, daß er und Raoul ungestört arbeiten wollten.

Sie und Marc gingen ein paar hundert Meter entfernt in Deckung und hielten sich bereit, im Notfall einzugreifen. Wo die chemischen Systeme demontiert und die Ausrüstung entfernt worden war, wirkte das Retour-Schiff irgendwie nackt auf dem pinkfarbenen Boden, der so festgestampft war wie der Central Park in Manhattan – nur daß hier mehr Steine herumlagen.

Ihr und Marc blieb nichts anderes übrig, als auf und ab zu gehen, um das Adrenalin abzubauen. Die verdammte Kälte fraß sich wieder durch die Stiefel, und sie stampfte mit den Füßen auf den Boden, um die Blutzirkulation anzuregen. Nicht einmal die beste Isolierung und Stiefelheizung vermochten die Kälte daran zu hindern, durch die Sohlen zu kriechen. Es war noch früh am Morgen, so daß sie das Licht des ganzen Tags für Reparaturen zur Verfügung hätten. Falls erforderlich.

Es kam selten vor, daß sie schon zu so früher Stunde der schneidenden Kälte ausgesetzt wurde, die ein thermischer ›Nachhall‹ der Nacht war. Sie hatten alsbald gemerkt, daß es eine schmerzhafte Angelegenheit war, sich im Schatten aufzuhalten – von der Mars-Nacht gar nicht zu reden -; die Füße klebten an den Stiefeleinlagen fest, und trotz der Isolierung traten Erfrierungen auf. Raoul hinkte deshalb, weil er sich während der stundenlangen Reparaturarbeiten im Schatten des Retour-Schiffs schwere Erfrierungen an den Zehen zugezogen hatte.

Er hatte gesagt, er hätte die Kälte überhaupt nicht gespürt. Das bedeutete, daß er vor lauter Konzentration die Alarmanlage im Gehirn ausgeschaltet hatte. Sie waren allesamt konzentrierte Typen mit einer an Besessenheit grenzenden Detailgenauigkeit. Sonst wären sie wohl auch nicht hier.

Sie schloß die Augen und versuchte, sich zu entspannen. Sie würden gleich zum zweiten und letzten Mal auf dem Mars landen, auch wenn die Flugstrecke in diesem Fall nur ein paar Meter betrug.

Diese Methode, jedem Moment das Beste abzugewinnen und allzu offensichtliche Gefahrenmomente auszublenden, hatte es ihr auch ermöglicht, den Start von der Erde und die Luftbremsung durchzustehen. Die monatelange Beschäftigung mit Missions-Protokollen und der Besuch psychologischer Seminare hatten ihr eine Reihe spezieller Fertigkeiten vermittelt.

»Fertig«, ertönte Raouls Stimme im Anzugslautsprecher. »Wir schalten die Pumpen an.«

Viktor gab die Werte für Druck und Fließgeschwindigkeit durch.

Sie sah, wie Dunstschleier aus der Raketendüse quollen. Sie hatten Ähnlichkeit mit den Nebelschwaden, die manchmal vom Boden aufstiegen, wenn er von den ersten Sonnenstrahlen beschienen wurde.

Der Wortwechsel zwischen den Piloten wurde fortgesetzt. Sie waren schon immer kameradschaftlich verbunden gewesen, doch seit ein paar Tagen vermittelten sie förmlich den Eindruck, als wären sie zusammengeschweißt. Marc und Julia fühlten sich wie unsichtbare Non-Entitäten, als bloße ›Feldforschungs‹-Zeugen der Konzentration der Missions-Techniken, wie es in der einschlägigen Terminologie hieß. »Heben wir ab«, sagte Raoul schließlich. Die Worte waren fast geflüstert.

Die Nebelschwaden verdichteten sich an der Grundfläche des Retour-Schiffs. Es gab hier keinen Startturm, der das Raumfahrzeug fixiert hätte: das konische Schiff schwankte leicht und stieg dann auf.

»Gefühlvoller Gasfuß!«, rief Marc.

Julia jubelte.

Das Schiff erhob sich zwanzig Meter in die Luft, verharrte dort – und sackte ab. Eine dichte Wolke quoll aus der Flanke des Schiffs.

Fump! machte es in der dünnen Atmosphäre.

Ein Blech wurde abgesprengt und flog taumelnd davon. Das Schiff stürzte, stabilisierte sich, stürzte noch ein paar Meter – und schlug krachend auf.

»Alles aus!«, rief Raoul.

»Druck runter«, erwiderte Viktor. Seine Stimme war so sanft wie immer.

»Mein Gott, was …?«

Dann rannte sie los. Nicht daß sie etwas auszurichten vermocht hätte.