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Dejima

David Mitchells Roman spielt am Ort einer beispiellosen historischen Kuriosität: Das winzige Inselchen Dejima war für knapp 200 Jahre das einzige Schlupfloch eines Staates, der sich den Einflüssen der Welt durch konsequente Isolation entzog. Nachdem die ersten europäischen Handelspartner, die Portugiesen, durch massenhafte Christianisierung die Stabilität des Landes in Gefahr gebracht hatten, verjagte das Tokugawa-Shogunat sie im Jahre 1638, tötete 30.000 katholische Christen und schottete das Land systematisch ab. Einzig die protestantischen Niederländer durften, wenngleich strengstens bewacht und kontrolliert, weiter Handel treiben. Die 1602 gegründete Vereinigte Ostindische Kompanie erhielt 1639 das Handelsmonopol und bezog 1641 die künstliche Insel Dejima im Hafen von Nagasaki.

«Dejima, im Süden der Stadt Nagasaki am nordöstlichen Strande der Bai gelegen, hat die Form des entfalteten Blattes von einem japanischen Fächer. Durch Abtragung eines in der Nähe gelegenen Hügels ist dieses Inselchen errichtet und durch eine Mauer aus Basaltsteinen gegen den Anprall der Wogen geschützt worden. Gegen S. und W. schaut es in die Bai, gegen N. und O. liegt es, durch einen schmalen Kanal geschieden, gegenüber der Stadt Nagasaki, mit der es durch eine kleine steinerne Brücke und ein mit einer Wache besetztes Tor in Verbindung steht.»

So beschreibt der bayerische Ethnologe und Japanforscher Philipp Franz von Siebold die Insel Dejima, auf der er von 1823-1829 lebte. Sie war in den Jahren 1634-1636 auf Befehl des Shogun aufgeschüttet worden. Handelsgut waren vor allem Edelmetalle, aber auch Porzellan, Stoffe, Lackarbeiten. Der Handel wurde von japanischen Dolmetschern kontrolliert, die den einzigen Kommunikationskanal zwischen Holländern und Japanern darstellten. Siebold hat Dejima mit einem «Staatsgefängnis» verglichen. Trotzdem führten die Handelsbeziehungen, hauptsächlich auf dem Gebiet der Medizin, zu einem wissenschaftlichen Transfer zwischen Japan und der westlichen Welt. Das ist vor allem dem Wirken des Chirurgen Caspar Schamberger zu verdanken, dessen Aufenthalt (1649-1651) in Japan ein nachhaltiges Interesse an europäischen Naturwissenschaften auslöste.

Dejima erst verlor seine Daseinsberechtigung, als im Jahre 1854 die sogenannten «schwarzen Schiffe» auftauchten, eine dampfgetriebene amerikanische Kriegsflottille unter dem Kommando von Matthew Galbraith Perry, der den Japanern mit einem Vertrag über diplomatische Beziehungen die Öffnung des Landes aufzwang. Bald folgten europäische Nationen: die zweihundertjährige Isolation war beendet.