20. Kapitel
Komm schnell rein, Lulu!«
Lavender, einen Schal mollig um den Fahrradhelm gewickelt und mit
zweierlei Fäustlingen an den Händen, zog die Tür auf. »Erstaunlich,
dass du dich heute Abend aus dem Haus wagst. Dieser Nebel ist sehr
gefährlich.«
»Ich bin ja nur über die Mauer gehüpft«, meinte
Lulu grinsend. »Ich halte es doch für unwahrscheinlich, dass mir
auf dem kurzen Weg von Haus zu Haus etwas Schreckliches zustößt.
Ist Shay fertig?«
»Ich sehe mal nach. Komm herein und setz dich.
Lobelia wird dir Gesellschaft leisten.«
Lu bibberte und zog den Afghanenmantel enger um
sich. »Schon gut, ich geh eben hoch -«
»Das wirst du nicht«, sagte Lav streng. »Shay kennt
die Regeln. Keine Damenbesuche auf dem Zimmer.«
»Aber er ist doch nicht, und ich bin nicht – ich
meine, wir sind ja ein Paar, und ich will ihn doch nur ein bisschen
zur Eile antreiben.«
»Du«, sagte Lavender mit tadelndem Blick, »magst ja
freizügige Moralvorstellungen haben, aber wir halten in diesem Haus
auf gewisse Prinzipien. Mir ist sehr wohl bewusst, dass Shay
gelegentlich bei euch übernachtet. Lobelia und ich, da wir anderes
ganz undenkbar finden, gehen aber doch lieber davon aus, dass Mitzi
ihn im Gästezimmer unterbringt.«
Lu grinste. »Ganz sicher nicht. Aber ich akzeptiere
eure Hausordnung. Tut mir leid.«
»Ist schon gut. Ich war ja auch mal jung, weißt du.
Nicht dass Lobelia und ich je unsere Betten mit jungen Männern
geteilt hätten, natürlich nicht. Zu unserer Zeit war das alles ganz
anders. Wir haben uns aufgespart.« Sie seufzte. »Vielleicht ein
bisschen zu lange aufgespart … Jetzt geh schön ins Wohnzimmer und
wärm dich auf.«
Was für ein fettes Paradoxon, dachte Lu, als sie
sich in den pilz- und senffarbenen Raum schob, in dem es weitaus
feuchter und kälter war als draußen bei Nacht und Nebel.
Lobelia, in mehrere handgestrickte Patchwork-Decken
gehüllt und die Fußballerstrümpfe bis weit über die Knie
hochgezogen, kauerte vor einem Paraffinofen, der beißende
Qualmwolken absonderte. »Hallo, Lulu – ach, bist du aber hübsch
heute. Seh ich da ein neues Kleid unter deinem Fellmantel? Ich
hatte auch mal so eins, als ich noch jung war. Geht ihr fein aus,
du und Shay?«
»Bloß irgendwo in Winterbrook, glaube ich.« Lu
kämpfte gegen klappernde Zähne und tränende Augen an. »Habt ihr es
hier wirklich warm genug? Warum macht ihr das Kaminfeuer nicht
an?«
»Weil wir es uns nicht leisten können. Es ist nicht
so einfach, von der Rente zu leben, weißt du. Und unsere
Ersparnisse sind schon seit Jahren aufgebraucht. Ohne Shays Geld
für Kost und Logis wären wir in schrecklicher Not. Wahrscheinlich
würde man uns irgendwann tot in unseren Betten finden, erfroren und
verhungert. Wir unterhalten uns so manches Mal am Abend darüber,
nur so zum Spaß.«
Lulu hockte sich so nah an den Paraffinofen, wie es
möglich war, ohne in den Dämpfen ohnmächtig zu werden, und
fühlte sich scheußlich. Sie freute sich so sehr darauf, eines
Tages mit Shay zusammenzuziehen … mit ihm irgendwo im Dorf eine
eigene Wohnung zu mieten … ein gemeinsames Leben zu führen … ihm
einfach nur beim Schlafen zusehen zu können, wenn sie
aufwachte.
Aber offenbar wären die Bandings ja vollkommen
mittellos, wenn er bei ihnen ausziehen würde. Und sie könnte auch
nicht hier einziehen, um mit ihm gemeinsam zu hungern und zu
frieren, weil Lav und Lob das nicht zulassen würden und – ach,
Mist.
»Kommst du zu unserer Aufführung von Hair?«, fragte Lobelia und zog mit den knotigen
dunkelroten Händen ihre Strümpfe hoch. »Shay sagt, er hat extra die
Schicht getauscht, um dabei sein zu können.«
Lu nickte. »Das lasse ich mir auf gar keinen Fall
entgehen. Ich glaube, das wird der größte Lacherfolg, den es in
Hazy Hassocks je gegeben hat.«
»Es ist aber gar keine Komödie – oder? Vielleicht
ja doch? Das würde so manches erklären. Um ehrlich zu sein, Liebes,
verstehe ich ja nicht alles so ganz, aber es sind einige hübsche
Lieder dabei, und wir haben viel Spaß bei den Proben. Sehr clever
von deiner Mutter, wie sie uns ältere Leute so auf Trab gebracht
hat. Und auch der Basar war wirklich lustig, als alle so grün
angelaufen sind. Ach, da kommt ja Shay.«
»Hallo, Liebste.« Shay zog Lulu auf die Beine und
küsste sie. »Wow. Tolles Kleid. Besonders zu den
Yak-Imitat-Stiefeln. Herrgott, ist das kalt hier drin.«
»Wir sprachen gerade darüber«, sagte Lob und nickte
ihm zu, »dass dein Geld und die netten kleinen Extras, die du uns
kaufst, unsere Lage deutlich bessern. Wir wüssten gar nicht mehr,
was wir ohne dich täten, du Guter.«
»Und ich wüsste nicht, was ich ohne dich und
Lavender täte.« Shay küsste Lob auf die Wange. »Es ist, als hätte
ich zwei ganz besondere Pflegemütter. Bleibt nicht auf, bis ich
zurückkomme – ich hab ja meinen Schlüssel.«
»Wir werden nicht auf dich warten« – Lavender
erschien im Türrahmen und wickelte gerade ihren Schal noch wärmer
um den Kopf -, »weil wir wissen, dass du wahrscheinlich nebenan
übernachtest. Wir heißen das nicht gut, das weißt du ja, auch wenn
wir Verständnis dafür haben – aber, und das muss doch gesagt
werden, Lobelia, nachdem wir uns schon lange deswegen Sorgen machen
– wir fürchten, dass du für die Nächte, in denen du nicht hier
bist, einen Mietnachlass verlangen könntest und -«
»Red doch keinen Quatsch.« Shay grinste Lavender
an. »Ihr wisst doch, dass ich so was nicht mache. Ihr wisst, dass
mir derlei nicht mal im Traum einfallen würde. Jetzt haltet euch
schön warm und macht um Gottes willen das Feuer an. Wie oft soll
ich denn noch erklären, dass ich die Rechnung bezahle?! Ihr könnt
doch nicht den ganzen Abend hier herumsitzen und frieren. Es ist ja
wie im Eisschrank – und ich will euch nicht mit Frostbeulen in
meinen Krankenwagen verfrachten müssen, hört ihr!«
»Liebe Güte«, sagte Lu und verschränkte ihre Finger
mit Shays, als sie im Nebel den Gartenweg entlangstolperten. »Ich
wusste ja, dass sie nicht viel Geld haben, aber ich dachte immer,
sie wären nur, na ja, eben sparsam. Ich weiß, dass Mum und Flo und
andere Leute aus der Straße ihnen seit Jahren immer wieder mal mit
Lebensmitteln und anderen Sachen aushelfen, aber ich hatte keine
Ahnung, dass sie dermaßen abgebrannt sind.«
»Arm wie Kirchenmäuse«, sagte Shay, als er den
Wagen
aufschloss und sie Lav und Lob, die auf der Türschwelle standen,
zum Abschied winkten. »Sie essen nicht richtig und heizen nicht –
dabei habe ich ihnen schon x-mal gesagt, dass ich alle Rechnungen
übernehme. Himmel, dieser Nebel wird ja immer schlimmer. Ich bin
froh, dass ich heute Nacht nicht arbeite. Wahrscheinlich gibt’s
jede Menge Auffahrunfälle.«
Das Gebläse erwärmte den Wagen im Nu, Lu wurstelte
sich aus dem Afghanenmantel und schnallte sich an. Dann beugte sie
sich hinüber und küsste Shay ausgiebig.
»Ooooh – das ist schon besser. Konnte ich doch vor
Lav und Lob vorhin nicht bringen. Sie haben mir ohnehin schon eine
Standpauke wegen meiner Moralvorstellungen gehalten – oder vielmehr
über meinen Mangel daran.«
»Sie sind echte Museumsstücke«, stimmte Shay ihr
zu, nachdem er sie zurückgeküsst hatte. »Und ganz schön
durchgeknallt. Aber auf eine nette Art. Und ich fühle mich
inzwischen ganz schön verantwortlich für sie.«
Lu nickte, und der Wagen schlich durch den Nebel
voran. Sie hätte auch nichts Geringeres von ihm erwartet. Shay war
ein sehr mitfühlender Mann. Das gehörte zu den Eigenschaften, die
sie am meisten an ihm liebte – nun, mal abgesehen von dem
Ja-Wahnsinn!-Faktor natürlich -, und sie wusste, dass er die
Bandings niemals hängen lassen würde.
Sie kicherte. Niall hatte sie wegen einer
karrieregeilen Kollegin im Designerkostüm verlassen – und bei Shay
spielte sie die zweite Geige hinter einem Paar abgedrehter
Omis.
»Vielleicht könntest du sie ja aber doch dazu
bringen, die Fahrradhelme wegzulassen. Ich meine, ich weiß ja, dass
sie dich missverstanden haben, als du ihnen erklärt hast, man
müsste die Dinger jetzt immer tragen, aber die Leute lachen schon
über sie, und das ist doch traurig …«
»Auf keinen Fall. Neunzig Prozent der Körperwärme
gehen über den Kopf verloren. Solange sie die ganze Zeit eisern
diese Helme tragen, haben sie wenigstens eine Chance, in diesem
verdammten Eishaus am Leben zu bleiben.« Shay seufzte. »Wir müssen
eben versuchen, für sie in der Lotterie zu gewinnen. Sie
qualifizieren sich doch von allein schon als guter Zweck.«
»Hmmm … da müssten wir es uns erst mal leisten
können, ein Los zu kaufen.« Lu schmiegte sich in der Dunkelheit an
ihn, mit der Hand auf seinem Schenkel in den verwaschenen Jeans
spürte sie seine Muskeln, wenn er die Kupplung betätigte. »Wo
fahren wir hin?«
»Zu Lorenzo – mit einem kleinen Abstecher
vorher.«
»Wow. Zu Lorenzo? Spitze. Ein Glück, dass ich das
schicke Kleid angezogen habe.«
Sie bestand immer darauf, für sich selbst zu
bezahlen, wenn sie zusammen ausgingen, da Shays Lohn als Sanitäter
ebenso mickrig war wie ihrer. Nun überschlug Lu im Kopf rasch die
Kosten, ob ihrer beider Kassen ein Essen und ein Getränk bei
Lorenzo denn hergäben, und befand, dass es wohl ginge – gerade
so.
Sie lächelte ihn an. »Da werden wir ja echt edle
Restehäppchen für Lav und Lob mit heimnehmen können. Und wohin geht
der Abstecher?«
Shay wandte den Blick nicht von der Straße. Die
Scheinwerfer des Wagens schienen auf eine dichte Nebelwand zu
prallen. »Wart’s nur ab, dann siehst du’s gleich.«
»Zum Tierheim?« Lu beugte sich vor und spähte in
die Finsternis. »Ist das hier der Abstecher? Ach, klasse. Wir haben
die Welpen ja ewig nicht gesehen. Ich frag mich, ob sie inzwischen
wohl alle schon vermittelt sind.«
Wieder in den Afghanen gehüllt, bibberte sie in der
feuchten
Finsternis. Shay zog sie an sich, und gemeinsam gingen sie zum
hell erleuchteten Büro des Tierheims.
»Ah, hallo! Sie werden schon erwartet«, begrüßte
die Empfangsdame sie strahlend. »Und genau pünktlich, trotz dieses
scheußlichen Wetters. Kommen Sie nur herein.«
Lu machte ein erstauntes Gesicht, als sie den Flur
entlangeilten. Erwartet? Von wem denn? Hier vereinbarte man
normalerweise keine Termine. Man besuchte das Tierheim doch sonst
einfach unangemeldet.
In den warmen und gemütlichen Käfigen und Zwingern
wurden auf einmal Hunde und Katzen lebendig, wedelnde Schwänze und
anschmiegsame Körper hießen sie willkommen. Alle Tiere begrüßten
Shay und Lu wie alte Freunde.
»Sind die Welpen aus der Hundezucht inzwischen
schon untergebracht?«
»Noch nicht alle.« Die hübschen Tierpflegerinnen
beäugten Shay mit kaum verhohlenem Entzücken. »Aber dank Ihrer
Angaben konnten wir ein Riesenimperium zerschlagen, und das hat
Spuren zu mehreren anderen Farmen im ganzen Land ergeben. Wir haben
infolge Ihres Hinweises Dutzende und Aberdutzende von Hündinnen und
Welpen gerettet. Wir sind Ihnen allen sehr dankbar. Ach, da kommt
Roger.«
Roger, einer der örtlichen Tierschutzinspektoren,
begrüßte Shay und Lulu fast ebenso herzlich, wie die vierbeinigen
Insassen es getan hatten.
»Vielen Dank, dass Sie heute Abend hergekommen
sind. Scheußliches Wetter. Also – ist alles geklärt?«
»Mehr oder weniger«, antwortete Shay nickend. »Da
ist nur noch der eine Stolperstein, über den wir letztes Mal
gesprochen haben, aber ich habe Vorkehrungen getroffen, um das zu
regeln …«
Lu runzelte die Stirn. »Ich bin ja sonst nicht
schwer von Begriff, aber könnte mir mal jemand sagen, ob ich hier
irgendwas nicht mitgekriegt habe? Einen Satz? Ein ganzes
Gespräch?«
Roger und Shay und die Tierpflegerinnen lachten
alle. Lu war noch verwirrter als zuvor.
»Ihr junger Mann hier hat ein vorzeitiges
Weihnachtsgeschenk für Sie organisiert, oder genau genommen
mehrere«, sagte Roger strahlend und reichte ihr eine umfangreiche
Broschüre. »Dies ist das erste … wir werben gerade Auszubildende an
und …«
Lu besah sich blinzelnd die Broschüre. Dann schrie
sie begeistert auf.
»Bewerbungsformulare für die Ausbildung zur
Tierschutzinspektorin? ICH? Wow! Das ist ja spitze! Aber ich kann
nicht! Ich meine, das ist eine richtige Berufslaufbahn und nie …
ich meine – ach, und was ist mit Hed und Biff? Die kann ich doch
nicht im Stich lassen … Ach, und aber – ich kann nicht Auto fahren
und komm weder mit Handys noch mit Computern klar und -«
»Das ist alles geklärt, Liebste.« Shay küsste sie.
Die Tierpflegerinnen funkelten neidisch. »Sofern du willst,
natürlich.«
»Natürlich will ich!« Lulu strahlte überglücklich.
»Mehr als alles andere. Ich meine, das wollte ich doch eigentlich
schon immer, ich hätte bloß nie gedacht, dass ich es könnte, weißt
du …«
»Du brauchst einfach nur etwas mehr
Selbstvertrauen«, sagte Shay. »Du bist ein bisschen schusselig und
chaotisch und so und hast dich in dieser Rolle bequem eingerichtet.
Alle haben dich immer als das schwarze Schaf der Familie
behandelt – aber in Wirklichkeit hast du jede Menge auf dem Kasten
und außerdem ein Herz aus Gold. Du wirst die beste
Tierschutzinspektorin der Welt werden und -«
»Sie sind genau richtig«, unterbrach Roger die
Lobeshymne. »Perfekt. Sie erfüllen alle Kriterien, ich weiß, dass
Sie qualifiziert sind, Sie haben sich bereits für den Tierschutz
engagiert und schon bei zahlreichen Gelegenheiten mit uns
zusammengearbeitet. Sie brauchen nichts anderes zu tun, als die
Formulare auszufüllen und auf das Vorstellungsgespräch zu
warten.«
»Und mein anderes Weihnachtsgeschenk für dich ist
ein Crashkurs – entschuldige den Wortwitz – in Sachen Autofahren«,
fügte Shay hinzu.
»Fahrstunden kannst du dir nicht leisten, und ich
mir auch nicht! Wir haben doch beide kein Geld.«
»Doch, ich habe im neuen Jahr einen netten kleinen
Teilzeitjob als Barkeeper im Faery Glen, der sich gut mit meinen
Schichten vereinbaren lässt.« Shay grinste. »Hedley und Biff werden
dir mit Freuden die besten Referenzen ausstellen. Offen gesagt war
es doch eine starke Belastung für sie, dein Gehalt zu bezahlen – so
werden sie in der Lage sein, mehr Geld für die Tiere weiterzuleiten
-, und du kannst nach wie vor im Laden aushelfen, wann immer du
magst.«
»Oh.« Lu stiegen Freudentränen in die Augen. Sie
war sonst eigentlich keine Heulsuse – sofern es nicht um Tiere
ging, natürlich -, aber das war nun doch alles ein bisschen viel
auf einmal. »Ich danke euch. Ich weiß gar nicht, was ich sagen
soll. Vielen, vielen Dank.«
Sie küsste erst Shay und dann Roger, bei den
Tierpflegerinnen ließ sie es allerdings gut sein.
»Aber ich werde mir doch nicht die Haare
abschneiden müssen, oder? Ob sie wohl unter die Kappe
passen?«
»Die Perlen und Zöpfe müssten vielleicht etwas
gebändigt werden, aber ich bin sicher, das kriegst du hin.« Shay
grinste immer noch. »Und da ist noch etwas. Noch ein Geschenk. Ich
dachte, wir erledigen das alles vor Weihnachten, damit es uns nicht
zu sehr von Dolls großem Tag ablenkt.«
Die Tierpflegerinnen bildeten eine Gasse wie
Showgirls im Fernsehen.
Pip, Squeak und Wilfred, Lus heimliche
Lieblingswelpen von der Hundefarm, kunterbunt, mit schlaksigen
Beinen und glänzenden Augen, sprangen an ihr hoch und versuchten
alle gleichzeitig, sie abzuschlecken.
»Die sind von deiner Rettungsaktion übrig
geblieben. Irgendwie gehören sie wohl zu keiner bestimmten Rasse.
Deshalb wurden sie noch nicht vermittelt, und ich weiß, die Liebe
beruht auf Gegenseitigkeit, also gehören sie dir – na ja,
eigentlich uns. Mein Weihnachtsgeschenk für dich.«
Lu befreite sich aus der Umarmung des Hunderudels,
wischte sich über die Augen, wohl wissend, dass Kajal und
Wimperntusche total verlaufen wären und sie wie eine Pierrot-Puppe
aussähe, und schniefte glücklich. »Aber wo sollen sie wohnen?
Richard und Judy regieren unser Haus mit eisernen Krallen, und
-«
»Bei mir. So sind sie gleich nebenan. Lav und Lob
haben bereits zugestimmt, sie aufzunehmen. Die beiden lieben Hunde
und hatten selbst jede Menge, als sie noch jünger waren. Außerdem
werden sie froh über die Gesellschaft sein, wenn ich auf
Nachtschicht bin.«
Lulu seufzte. Nun hätte sie Shay und die Welpen im Haus nebenan. Das war natürlich
herrlich, aber um wie viel herrlicher wäre es, wenn sie alle
zusammenwohnen könnten, in einem kleinen Cottage – vielleicht in
einem der Backsteinhäuschen
am Dorfanger. Shay und sie könnten ihre Schichten so legen, dass
sie gemeinsame Freizeit hätten, und von langen Spaziergängen mit
den Hunden in ihr eigenes kleines Nest heimkehren.
»Also«, sagte Roger, streckte die Hand aus und half
ihr auf die Füße, »damit wäre alles geklärt. Willkommen beim
Tierschutzbund, Lu, ich weiß, Sie werden sich gut machen. Die
nächste Ausbildungseinheit beginnt im Februar, bis dahin haben wir
also reichlich Zeit, um alle Einzelheiten abzuklären. Pip, Squeak
und Wilfred bleiben noch ein paar Wochen hier, bis sie alle
Impfungen haben. Ich freue mich wirklich sehr, meine Liebe.«
Lulu schniefte noch mehr Tränen hoch und umarmte
ihn und Shay und die Welpen noch einmal. »Danke … ich danke euch
allen so sehr.«
»Du bist doch glücklich mit alldem, oder?«, fragte
Shay und entzog sich der geballten Aufmerksamkeit von Pip, Squeak
und Wilfred. »Du glaubst hoffentlich nicht, ich wolle hier
irgendwie den Kontrollfreak herauskehren. Du musst zu nichts von
allem Ja sagen, wenn du es nicht möchtest.«
Lu schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn.
»Nein, natürlich nicht. Du hast mir genau den Schubs gegeben, den
ich gebraucht habe. Es ist alles der Wahnsinn. Einsame Spitze.
Ehrlich – mehr hätte ich mir nicht wünschen können.« Nun, abgesehen
von einem eigenen Haus mit rosenumrankter Tür natürlich. »Wollen
wir jetzt zu Lorenzo und richtig feiern? Heute Abend geht die
Rechnung auf mich, noch mal als Dankeschön. Du bist einfach
unglaublich. Du hast mein Leben vollkommen verändert …«
»Du hast meinem Leben auch eine entscheidende
Wendung gegeben«, antwortete Shay lächelnd und zog sie noch
enger an sich. »Ich hätte nie erwartet, mich in ein Mädchen zu
verlieben, das aussieht wie Heidi von der Alm und riecht wie ein
toter Iltis.«
Lu grinste. »Du sagst doch immer die nettesten
Sachen!«
»Oh, ich kann sogar noch viel nettere Sachen sagen.
Wie wäre es mit: Tallulah Blessing, ich liebe dich, und zwar sogar
noch mehr als meine Mötley-Crüe-CDs, und ich würde dich eines Tages
wirklich gerne heiraten.«