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Die due diligence ist eine wichtige und heikle Aufgabe. Die gesamte Unternehmensdokumentation muss einer präzisen juristischen Prüfung unterzogen werden und sich in einem Bericht niederschlagen – dem due diligence report –, der den Status des zu erwerbenden Unternehmens vollständig erfasst: rechtliche, finanzielle und wirtschaftliche Situation, zudem Risiken, Probleme und kritische Aspekte, die sogenannten issues: fällige Zahlungen, Klauseln über einen möglichen Aufsichtswechsel, eventuelle Streitsachen und so weiter. Die Arbeit erfordert eine intensive Vorbereitung und viel Erfahrung, außerdem analytische und synthetische Fähigkeiten, Genauigkeit, Präzision. Eine Arbeit für echte Profis.

»Giuseppe«, rufe ich, als ich die Tür zu seinem Zimmer aufreiße.

»Endru. Komm rein, komm rein«, sagt er und führt ein zusammengerolltes Blatt wie eine Zigarre an den Mund. »Na? Optimale Sitzung, würde ich sagen. Wir haben uns wacker geschlagen. Sieht man mal ab von diesem Unsinn mit den Einkaufszentren, die angeblich Spaß bringen.«

»Ich wollte mit dir über den timetable sprechen«, antworte ich ernst. »Wir haben noch nicht einmal mit der due diligence angefangen, und schon ist vom Vertrag die Rede. Ich habe die Akten in Treviso gesehen. Ein Haufen Material. Finanzierungen, hunderte von Mietverträgen, Vollmachten, Genehmigungen der Gemeinde, alles heikle Geschichten. Ich weiß nicht, wo ich mit der Arbeit anfangen soll. Ein ganzes Team von Leuten müsste mir zur Hand gehen, das beste Vorgehen prüfen und Prioritäten festlegen. Die Zeit ist knapp, sagt Donato, aber wir müssen der Realität ins Auge sehen.«

»Schsch«, sagt Giuseppe und nimmt einen langen Zug aus seiner Papierzigarre. »Ruhig, Endru, ruhig. Wir sollten nicht panisch werden. Mach dir keine Sorgen.« Er flüstert: »Ich habe an alles gedacht.«

Er legt die Hände in den Nacken, breitet die Ellbogen aus und streckt sich.

»Tiziano«, sagt er.

»Tiziano?«

»Der neue Praktikant. Heißt der nicht Tiziano?«

»Klar, Tiziano. Aber was hat der damit zu tun?«

»Wir schicken ihn nach Treviso. Du koordinierst die Arbeit von hier aus, kümmerst dich um den Bericht und entwirfst schon einmal eine erste Fassung des Vertrags. Ganz nebenbei, schöne Metapher mit Yin und Yang. Was war das noch mal? Buddhismus? Islamismus?«

»Giuseppe. Ich muss dich ja wohl kaum daran erinnern, dass die Dinge so einfach nicht sind. Tiziano ist noch nicht lange hier und hat wenig Erfahrung. Ich brauche Leute, auf die ich mich verlassen kann, kompetente Leute. Wir haben es mit heiklen Dokumenten zu tun, das habe ich dir doch gesagt. Außerdem …«

Giuseppe unterbricht mich und rollt mit seinem Stuhl zur Tür, die sich geöffnet hat, ohne dass ich es gemerkt hätte.

»Du solltest mich ausreden lassen, Endru. Ich hatte doch gesagt, dass ich an alles gedacht habe.«

Er zeigt zur Schwelle, wo reglos wie ein Baustellenschild ein stämmiger Typ mit spärlichem Bartschatten steht und mich amüsiert mustert.

»Hallo«, sagt er. »Mantecato Cristoforis, Giorgio.«

Ich schaue Giuseppe an.

»Er hat letzten Monat sein Examen gemacht«, sagt der, und aus seinen Augen spricht Zufriedenheit. »An der Wirtschaftsuniversität Luigi Bocconi.«

Mantecato Cristoforis, Giorgio, steht immer noch da und hat den Arm erhoben, weil er es gar nicht erwarten kann, mir die Hand zu drücken. Ich dagegen schaue mich nach etwas hinreichend Hartem um, gegen das ich den Kopf knallen und mich um alle meine Sinne bringen könnte.

Mantecato Cristoforis, Giorgio, scheint mich vergessen zu haben. Ich ihn nicht.

Wir sind uns schon einmal begegnet, an einem Montagnachmittag vor zwei Wochen.

Ich nehme fast nie an Bewerbungsverfahren teil. An jenem Montag hingegen bestand Giuseppe darauf, dass ich mich ab sofort einbringen und an einer ersten Auswahl der Kandidaten beteiligen solle. Er zähle auf meine ausgeprägte Sensibilität – das hat er tatsächlich gesagt –, um die jungen juristischen Talente herauszupicken, und schon schüttelte ich die verschwitzte Hand eines dreiundzwanzigjährigen Jungen in einer Hose, die an den Knöcheln viel zu eng war.

Das trägt man heute so, beeilte sich die verstandesmäßige, weniger instinktive Seite meines Gehirns zu sagen und war wenig geneigt, sich zu dümmlichen Vorurteilen hinreißen zu lassen.

Was für ein Volltrottel, schnitt ihr meine andere Seite das Wort ab, jene, die schreit und sich mit der Hand gegen die Stirn schlägt.

»Für wen war der Kaffee?«, fragte die Sekretärin.

»Für mich«, rief der Junge, der keine Ahnung von meinem inneren Konflikt hatte.

Ich setzte mich.

»Nun …« Vor mir auf dem Tisch lag der Lebenslauf, den man mir ein paar Minuten zuvor in die Hand gedrückt hatte: Bocconi, zwei Nachnamen, drei Sprachen, vier Sportarten. Ich kratzte mich an der Wange und versuchte, meine verstandesmäßige Seite zur Pflicht zu rufen, damit sie meine Gesten und Worte kontrollierte und ihren Job erledigte, aber sie hatte sich schon verfinstert und zwischen meinen Hirnwindungen versteckt, um dort die Blasen von Luftpolsterfolie zum Platzen zu bringen. Plop. Plop. Plop. Plop. Plop. Um den Typen scherte sie sich nicht mehr. Ehrlich gesagt schert sie sich seit geraumer Zeit um überhaupt nichts mehr.

Ich beschloss, das Schweigen zu brechen und in meiner Erinnerung nach irgendeiner dieser Fragen zu kramen, die mir im Laufe meiner eigenen Vorstellungsgespräche immer gestellt worden waren. Lustlos erkundigte ich mich: »Warum möchten Sie diese Laufbahn einschlagen?«

Der Junge begann zu erzählen, fast überheblich und vor allem viel zu laut. Er lobte sich selbst, betonte seinen Ehrgeiz und seine Motivation, sprach von Zielen, vom Markt, von Strukturen, vom Charme der Internationalität, und als er mich schon fast davon überzeugt hatte, ihm bei den nächsten Regionalwahlen mein Kreuzchen zu geben, bekannte er: »Ich könnte das asset sein, das eine Kanzlei wie die Ihre braucht.« Dann schwieg er und strich sich übers Kinn.

Ich sah ihn an.

Er sah mich an.

Ich tat so, als wäre nichts, und machte weiter.

»Sie sagen, dass Sie sich auf Gesellschaftsrecht, außergewöhnliche Projekte und Mergers & Acquisitions verlegen wollen.«

»Korrekt.«

»Erscheint Ihnen das nicht ein wenig verfrüht? Motivation ist natürlich wichtig, aber ich würde gerne verstehen, woher so eindeutige Überzeugungen rühren. Vor allem bei jemandem, der soeben erst seinen Abschluss gemacht hat.«

»Das stimmt. Vollkommen korrekt. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es in einer, wie soll ich sagen, modernen Welt – und das ist die heutige Welt zweifellos, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf –, dass es also in einer solchen Welt von größter Bedeutung ist, von Beginn an seine targets …«

»Entschuldigung, was ist von größter Bedeutung?«

»Ich meine, dass die Spezialisierung eine Notwendigkeit für jemanden ist, der heute …«

»Nein, nein. Welches Wort haben Sie da eben benutzt?«

»Welches Wort ich benutzt habe?«

»Sie haben targets gesagt.«

»Genau.«

»Fahren Sie fort.«

Dieser Knabe ist ein asset, das targets verfolgt. Von dem Moment an konnte ich nur noch daran denken, wie ich als Kind meiner Spielzeugeisenbahn auf ihrem Weg über die Schienen nachgeschaut habe. Gehört habe ich nichts mehr.

»Giuseppe«, sage ich, kaum dass Mantecato Cristoforis, Giorgio, verschwunden ist und die intensive Duftspur eines im Ausland gekauften Rasierwassers hinterlässt. »Als du mich nach meiner Meinung gefragt hast, habe ich gesagt, dass wir Mantecato Cristoforis, Giorgio, auf gar keinen Fall einstellen sollten.«

»Das war voreilig, Endru. Aber das ist normal. Du hast noch keine Erfahrung.«

»Keine Erfahrung? Dieser Typ ist vollkommen überdreht, Giuseppe. Sag ihm, er soll etwas kopieren, und er wird überall herumlaufen und erklären, dass er mit der clonation of paper beschäftigt sei.«

»Hast du je den Namen Cristoforis gehört?«

»Nein.«

»Siehst du. Er ist der Neffe.«